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Der Welt schönster Marathon - Ein Lauf zum Verlieben

42,195 km + 1900 Höhenmeter

 

Bericht vom Jungfraumarathon 2002

Sonntag 8.9.02

von Thomas Schmidtkonz

 

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Viele halten den Jungfrau-Marathon für den schönsten Marathon der Welt. Nach meinem Jungfrau-Marathon-Debüt bei dazu noch schönem Wetter, muss ich mich dieser Meinung anschließen.

Beim Jungfrau Marathon passt alles zusammen. 
Einmal sei auf die einmalige Landschaftskulisse hingewiesen. Deren Höhepunkt ist der Blick auf das einmalige Dreigestirn der 4158 m hohen Jungfrau, des 4099 m hohen Mönchs und der gewaltigen und berühmt berüchtigten Eiger Nordwand.

Aber die Strecke führt auch durch liebliche Gebirgsdörfer und renommierte Ferienorte wie Lauterbrunnen und Wengen.
Dort werden die Teilnehmer von unzähligen begeisterten Zuschauern und Kuhglockengeläute empfangen. 
Die Stimmung ist so unbeschreiblich, wie man es sonst nur auf  Stadtmarathons wie Hamburg und Berlin erleben darf. 

Alles in allem ist der Jungfrau Marathon ein Marathon der Superlative und der Perfektion, da zusätzlich sowohl Organisation als auch  Verpflegung absolut vorbildlich sind.

Wenn dann auch noch das Wetter wie dieses Mal so toll ist, bleibt kein Wunsch mehr offen...

Jungfraumassiv, wie man es bei Kilometer 40 / 41 bewundern darf

Inhaltsverzeichnis

Einleitung / Der Tag zuvor Kurz vor dem Start und das erste flachere Stück
Der Berglauf Infos

Einleitung / Der Tag zuvor

Dieses Jahr fand der 10. Jungfraumarathon als Jubiläumsveranstaltung statt. 
Da in den Vorjahren das begrenzte Starter - Kontingent von 3500 Teilnehmern schnell aufgebraucht war, wagte man dieses Jahr ein bislang einmaliges Experiment: Man teilte die Veranstaltung in zwei Veranstaltungen auf. 
Die eine fand am Samstag statt und die andere am Sonntag.
Für die Teilnehmer waren die Tage im Prinzip frei wählbar. Aber am Samstag startete die Elite der Damen und am Sonntag die Elite der Herren.
Gar mancher nahm sogar an beiden Tagen teil.

Ich entschied mich für Sonntag, da die M40 sich für Sonntag anmelden sollten.
Vier Wochen vor der Veranstaltung buchte ich ein Hotel und fand nur noch mit Mühen eine relativ teure Unterkunft, das Hotel Krebs in Interlaken.
Gut war jedoch, dass dieses gemütliche Hotel gerade mal 400 - 500 m vom Startbereich entfernt war.

Samstag

Ich fahre am Samstag morgen los und brauche immerhin 8 Stunden bis ich in Interlaken ankomme.
Nach einer kleinen Ruhepause im Hotel gehe ich zum Casino Interlaken, wo ich die Startunterlagen abhole.
Es fällt mir gleich auf, dass dieser Lauf international ist. So viele verschiedene vertretene Nationalitäten sieht man selten bei einem anderen Marathon.

Bei der Pasta-Party im Saal spielen die Swiss Rämlers mit schwungvoller Musik auf.
Ich hole mir für 10 Franken eine Riesenportion Spaghetti ab, die ich selbst mit besten Willen nicht schaffe.
Als Getränk gönne ich mir ein Bier, da dieses ja als isotonisches Getränk seine Qualitäten hat und außerdem für die nötige Bettschwere sorgt.

Auf Fernsehgeräten und einer großen Leinwand kann man eine gute Zusammenfassung der heutigen Veranstaltung verfolgen.
Meine Vorfreude steigert sich, als ich die schöne Landschaft und die vielen Zuschauer sehe.
Zufälliger Weise sitzt Carolina Reiber, die Dritte des heutigen Tages, mit an meinem Tisch.

Gute Stimmung am Samstag Abend bei der Jungfrau - Party
Die Swiss Rämlers spielen auf...

Als ich später wieder im Hotel bin, schüttet es aus vollen Kübeln. Das wird was morgen geben, denke ich mir und überlege mir schon was ich anziehen soll. Meine Schwimmflossen habe ich leider nicht dabei.

Mein Hotelzimmer ist etwas laut, da es direkt an Hauptstrasse im Zentrum von Interlaken liegt. So werde ich morgens um drei geweckt, als eine Gruppe von Personen, irgendwelche fröhliche und noch lauteren Stimmungslieder singt. Es sind wohl Teilnehmer vom Samstag, die etwas zu sehr ihre erfolgreiche Teilnahme gefeiert und begossen haben.

 

Kurz vor dem Start und die ersten 25 relativ flachen Kilometer

Nach dem Intermezzo um 3 Uhr morgens schlafe ich gut bis etwa 6 Uhr.
Ich stehe um 6 Uhr auf, da ich mich schon munter fühle. Ein erster Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass es ein toller Tag wird:
Keine Spur von Regen mehr. Am fernen Horizont sehe ich sogar die wolkenfreien und tief verschneiten hohen Viertausender.
Ein Blick ins Lokalfernsehen gibt als Temperatur auf der Kleinen Scheidegg, wo das Ziel ist, aktuelle 6 Grad, schönes Wetter und Windstille durch. 
Für Mittag sind für den Zielbereich etwa 15 Grad vorausgesagt.
Also werde ich mit Short und  T-Shirt laufen. Für alle Fälle werde ich aber eine leichte Jacke mitnehmen, da ich weiß wie schnell das Wetter in hochalpinen Regionen wechseln kann.

Nach einem gemütlichen Frühstück gehe ich noch mal auf mein Zimmer und packe in aller Ruhe meine Sachen zusammen, die ich in den Zielbereich transportieren lassen will. Ich relaxe mich noch etwas und mache dann meine Stretchübungen noch im Hotelzimmer.

Ich muss mein Hotel schon 40 Minuten vor dem Start verlassen, da man das Gepäck spätestens schon 1/2 Stunden vor dem Start abgeben muss.
So vergammle ich nach der Abgabe des Gepäcks noch ein paar Minuten im Casinosaal. Aber da dort sich viele massieren lassen und das Massageöl so penetrant riecht, verlasse ich doch schließlich das Gebäude. Ich laufe mich gleich etwas warm, da es mir sonst mit der leichten Bekleidung schnell zu kalt werden würde.

Schließlich geselle ich mich ein paar Minuten vor dem Start zu den über 3000 anderen Teilnehmern vor der imposanten Kulisse des riesigen Grand Hotels von Interlaken. Es macht mir besonders Spaß, dass so viele Nationalitäten vertreten sind und dass heute morgen schon so viele Zuschauer versammelt sind.

Geistig rezitiere ich noch mal meine Taktik des Tages. Ich möchte die erste entschieden leichtere Hälfte als "Training" für den Stadtmarathon im Herbst etwas flotter angehen, soll heißen ich möchte gerne unter 2 Stunden bleiben. Auf dieser ersten Hälfte sind "nur" knapp 300 Höhenmeter zu überwinden, während im zweiten Streckenabschnitt ab KM 25 1600 Höhenmeter auf uns warten.
Die zweite Hälfte will ich dann gemütlicher angehen, die Landschaft genießen und mich keinesfalls verausgaben.

Gut gelaunt am Start

 

Kurz vor 8:45 erfolgt der Countdown und pünktlich um 8:45 fällt der jubelnd begrüßte Startschuss.

Ein Ruck durchzieht die Menge und schon joggen wir los, um dann gleich wieder ins Stocken zu kommen. So geht es noch zwei Mal bis sich der Lindwurm auch bei uns fließend in Gang setzt.
Wir überqueren die Zeitmessungsmatten und links von uns spielt uns eine große Kapelle ihr Ständchen auf. 

Als erstes umrunden wir ein Parkgelände. So wie ich mit der Umrundung beginne, haben die ersten diese Umrundung schon hinter sich.
Dann verlassen wird das Parkgelände und laufen zum Nachbarort Unterseen. Danach führt uns die Strecke noch einmal zurück zum Start, wo wir begeistert von den vielen Zuschauern empfangen werden.

Wir haben mit dieser kleinen netten Runde, die so schnell verging nun schon an die 3 Kilometer zurückgelegt. Die weitere etwas langweiligere Strecke führt uns nun Richtung Bönigen. Dort nach guten 6 km angekommen können wir einen Blick auf den Brienzer See werfen. 
Beim Hotel "Seiler au Lac" spielt uns wieder eine Band auf und Zuschauer begrüßen uns alpenländlerisch mit Kuhglocken.
Mein Kilometertakt liegt bei dieser flachen Strecke etwa bei 5:10 und ich bin mit diesem Tempo voll zufrieden.

Wir laufen nun auf einem schönen Sträßchen den schönen Fluss Lütschine entlang. 
Mittlerweile ist auch die Sonne herausgekommen. Da aber viel Schatten auf der Strecke ist, ist es angenehm kühl. Manchmal wegen dem kühlen Fluss schon fast etwas zu kühl.

Nun überqueren wir die Lütschine auf einer schönen überdachten Holzbrücke und laufen am rechten Ufer immer unmerklich ansteigend flussaufwärts.

Nach 10 Kilometern empfängt uns Wilderswil mit vielen Zuschauern, Musik und Kuhglockengeläute. Die Stimmung ist einfach toll. Wir fassen dort  zum 2. Mal Verpflegung. Hier gibt es auch erstmalig Nahrung.
Die Veranstalter haben die Verpflegungsausgabe sogar in der richtigen Reihenfolge organisiert.
Zuerst werden Bananen, Riegel und zwei Sorten geschmacklich gutes Gel verteilt. Dann folgen ISO-Getränk und Kohlehydrat-Getränk.
Bei späteren Verpflegungsstellen dann auch Coca Cola und Bouillon und schließlich am Schluss Wasser, damit man dann z.B. das Gel "runterspülen" kann oder ISO-Getränk und/oder Coca Cola verdünnen kann.
Schließlich werden noch die Schwämme gereicht.

Nun beginnt erstmalig der Ernst des Lebens. Mit wohl an die 100 Höhenmetern habe wir den ersten Anstieg zu überwinden. Die Zuschauer, die am Streckenrand stehen, machen es uns aber leichter. Sie muntern uns auf.

So ist der erste Anstieg bald überwunden und schon führt uns die Strecke auf einen schönen Fahrweg parallel zur Eisenbahnlinie und dem Fluss. Es geht auch wieder ein Stück bergab, wo ich wieder Gas geben kann und so etwas verlorene Zeit wieder gutmachen kann.
Die Strecke ist nun sehr reizvoll und führt uns durch ein schönes schattiges und bewaldetes Tal.

In Zweilütschinen überqueren wir die Eisenbahnlinie Richtung Grindelwald. Dahinter müssen wir ein Stück auf einer sumpfigen Wiese laufen. Dieses etwas glitschige Stück ist aber bald überwunden.

Vor Lauterbrunnen und auch noch in Lauterbrunnen selbst müssen wir den größten Anstieg der ersten Hälfte überwinden, der sich dann insgesamt auf knapp 300 Höhenmeter aufaddieren wird. 

In LauterbrunnenDen Anstieg in Lauterbrunnen selbst bemerke ich gar nicht, da wir dort von einer begeisterten Zuschauermenge frenetisch angefeuert werden. Lauterbrunnen braucht mit der Stimmung wohl nicht einmal einen Vergleich mit Hamburg scheuen.
Vor Rührung läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. 

Motiviert lassen wir Lauterbrunnen mit der Information des Sprechers zurück, dass in Wengen bei KM 30 schon die ersten Läufer angekommen sind, während die letzten Läufer bereits sehr weit hinter uns sind.

Leider ist mein Laufshirt nun  am Rücken total durchnässt, da ich mich vorher recht unvorsichtig wegen der aufkommenden Wärme mit Wasser übergossen habe. Da es auf der Strecke in den schattigen Passagen auch immer wieder mal recht kühl wird, macht sich das nun unangenehm bemerkbar. Mein Rücken tut mir da immer wieder mal weh. Hoffentlich verkälte ich mich nicht.

Die Strecke ab Kilometer 20 ist recht flach. So kann ich Tempo machen und erreiche die Halbmarathondistanz nach 1:58:47. Damit habe ich mein einziges zeitliches Ziel, das ich mir gesetzt habe, um eine gute Minute unterboten.

Ich schalte nun einen Gang zurück, da ich mich nun  auf den folgenden 4-5 Kilometern schonen will, bevor der eigentliche Bergmarathon beginnt.

Da überholt mich eine Läuferin. Sie spricht mich wegen meinem Swiss Alpine 78-Finisher Laufshirt an, dass ich zur Feier des Tages heute trage.
Ich jammere dabei scherzhaft, dass die Strecke heute so kurz ist und ich mich deswegen so hetzen muss.
Sie entgegnet mir, dass sie schon gestern mitgelaufen sei und sie heute zum sechsten Mal dabei wäre. Die schönsten Streckeabschnitte kämen aber noch. Ich freue mich schon drauf und lasse sie ziehen. Derweil bewundere ich die imposanten Trümmelbachfälle.

Nach einer Wende führt uns die Strecke nun sogar verstärkt bergab. 
Bei der Heli-Basis für Gletscherflüge überfliegen uns bei ohrenbetäubenden Lärm Hubschrauber. Ein Schild besagt, dass wir uns 800 m über den Meeresspiegel befinden. Also noch ein ganz schönes Stück bis in über 2200 m Höhe, zumal es ja zwischendurch auch immer wieder mal ein Stück bergab geht, denke ich mir.

Solche Gedanken soll man aber schnell verlieren und ich freue mich lieber, dass ich immer noch so gut voran komme.
Für Kilometer 24 (5:10) und Kilometer 25 (5:25) werden aber letztmalig Zwischenzeiten unter 6 Minuten verzeichnet.

Bei Kilometer 25 fasse ich in aller Ruhe Verpflegung bis es schließlich etwa 200 m vor der 26 - Kilometermarke extrem steil bergauf geht.

Es folgt nun der zweite Teil, der eigentliche Bergmarathon.

Der Berglauf

Die nächsten 2-3 Kilometer sind wirklich hart. Der Weg nach Wengen hoch dürfte wohl im Schnitt eine Steigung von 20 % oder sogar noch mehr haben. Ich bin das 1. Mal gezwungen zu gehen. Leider macht sich nun auch die warme Sonne unangenehm bemerkbar.
Hatte ich vorher noch mit einer End-Zeit so knapp unter 5 Stunden gerechnet, revidiere ich nun meine Prognose auf realistischere 5 1/2 Stunden.

Statt aber über den brutalen Anstieg zu schimpfen, genieße ich lieber immer wieder mal den immer toller werdenden Ausblick.

Einige Läufer überholen mich immer noch laufend. Dabei fällt mir ein Läufer mit Schäferhund auf. 
Aber nicht nur dem Herrchen, sondern auch dem Tier macht die Hitze zu schaffen. Seine Zunge hängt weit heraus. Gut, dass es auf der Strecke auch für den Hund so viele Möglichkeiten zum Wassersaufen gibt, seien es Brunnen, Bäche oder Kuhtränken. So muss auch das Tier nicht übermäßig viel leiden.
Die beiden sehe ich nun immer wieder auf der Strecke, da das Herrchen öfters mal eine Trinkpause wegen dem Hund machen muss. Nach diesen Pausen bei denen ich sie meist überhole, zieht der Hund aber wieder ordentlich an, so dass ich dann wieder meinerseits überholt werde. Die beiden arbeiten wie ein eingespieltes Team zusammen.

Hinter Kilometer 29 in nun über 1250 m Höhe  wird es wieder flacher und die ersten Zuschauer von Wengen begrüßen uns: "Hey, Hey, ... Thomas wieter so. Thomas, Du siehst gut aus ..." und so weiter. 
Anfangs war ich überrascht, dass so viele meinen Namen kannten. Mittlerweile ist es auch mir klar, dass ja mein Name auf der Startnummer mit draufsteht.
Als zusätzlich nette Geste erhielten Läufer, die die Wettbewerbe an beiden Tagen bewältigen eine Startnummer mit einer speziellen Farbe so wie die, die bei allen 10 Marathons dabei waren.

In Wengen ist wieder ein riesiger Auflauf von Zuschauern, Kuhglocken, Musikbands etc. etc und was so alles dazugehört.
Nach diesem harten Anstieg fürwahr die passende Belohnung.

Wir haben nun 30 km geschafft. Neben den gerade mal noch verbliebenen 12 Kilometern, erwarten uns aber auf den nächsten 11 Kilometern immer noch exakt 1077 Höhenmeter Anstieg. Nach Adam Riese heißt das also, dass wir vertikal gesehen, immer noch nicht einmal die Hälfte geschafft haben.

Wie gut dass ich mir zu diesem Zeitpunkt keine Gedanken über die Streckenstatistik mache, sondern auf den nun recht steilen Anstieg zwischen Kilometer 32 und 35 die immer tollere Bergkulisse genieße. 

Ein Zuschauer, der gestern mit gelaufen ist tröstet uns, dass es ab Kilometer 36 wieder etwas flacher wird. Derweil muht uns eine Kuh zu, die sich wohl fragt wer hier heute das Rindviech ist.

Etwa bei Kilometer 36 kann ich einem Wegweiser entnehmen, dass wir uns nun exakt auf einer Höhe von 1600 m befinden. Das klingt doch schon ganz gut sage ich mir.

Schließlich überschreiten wir langsam die Baumgrenze und erreichen bei Kilometer 38 die Wenger Alp, wo man bereits einen tollen Blick auf Mönch und Jungfrau hat. Ich blicke aber auch immer wieder mal zurück, um die tolle Kulisse hinter mir zu bewundern. Dort sieht man auch das knapp 3000 m hohe Schilthorn, wo ein anderer bekannter Berglauf, der Schilthorn-Infernolauf hinaufführt.

Ich ziehe nun endlich mein total durchnässtes Shirt aus und zieh stattdessen meine leichte Jacke an. Das tut gut. Das T-Shirt befestige ich provisorisch mit einem Knoten an dem Gurt wo meine Startnummer befestigt ist. Das sieht sicherlich lustig aus aber funktioniert wenigstens.

Von der Wengeralp hat man nun einen dramatischen Blick auf nahezu den ganzen Rest der Strecke, der einem Angst machen kann.
Ein Läufer neben mir sagt ganz entsetzt: "Guck Dir das mal an!"
So weit der Blick reicht, sehen wir vor uns eine endlose Perlschnur von Läufern, die sich auf einer extrem steilen Strecke gegen den Himmel zu bewegen scheinen. In mir werden alte historische Bilder wach, als die Goldsucher beim Alaska-Goldrausch sich den White Pass am Chilcot-Trail hoch quälen mussten. Es ist erstaunenswert wie sich diese Bilder selbst nach über 100 Jahren gleichen.

Wir dürfen nun aber erst einmal, weil es so lustig ist, die nächsten 300 Meter steil bergab laufen. Ich lass mich rollen und spurte los und vergesse lieber schnell, was gleich vor mir liegt.

Ich fasse nun erste einmal in aller Ruhe Verpflegung. Dann marschiere ich stoisch los und blicke gar nicht so viel nach oben, um nicht sehen zu müssen, was an Anstieg noch vor mir liegt. Die Statistik besagt übrigens, dass auf den letzten 2 Kilometern knapp 400 Höhenmeter zu überwinden sind. Im Schnitt sind also etwa 20 % Anstieg. Passagen mit wohl 30 % - 40 % Anstieg sind durchaus dabei.

Nun macht es sich negativ bemerkbar, dass ich heute reine Straßenlaufschuhe anhabe. So wird es manchmal ganz schön rutschig.
Manche Passagen sind so steil und glitschig, dass man fast klettern muss.

Als ich die 39 Kilometermarke passiere weiß ich, dass wir horizontal gesehen, nur noch eine 1800 m lange Strecke mit Anstieg überwinden müssen.

Ich freue mich als ich die 40 er Marke passiere. Nun führt ein steiler und schmaler auf der berühmten Moräne des Eigergletschers entlang. Ein Überholen ist hier fast nicht möglich.

Die berühmte Moräne

Links und rechts vom Weg geht es steil bergab. Rechts von uns thront das unbeschreibliche Dreigestirn von Eiger, Mönch und Jungfrau.

Am Ende des Anstieges bei Kilometer 40,8 empfängt uns alle ein schottischer Dudelsackpfeifer mit schottischen Weisen. Ich fühle mich wie im schottischen Hochland. 

Blick zu den Bergen hoch

Nun geht es links etwas bergab. Ich gebe Gas. Die Kilometermarkierung 41 passiere ich mit einer Kilometerzeit von über 18 Minuten. Das ist eine neue persönliche "Bestzeit" für einen Kilometer bei einem Wettkampf.
Schließlich geht es noch mal ein kleines Stück bergauf zu einem Grat hoch, wo viele Zuschauer stehen. Ich nehme den Anstieg mit Schwung und "Hey, hey Thomas" erntet dafür den verdienten Applaus.

Nun geht es 1-2 Meter steil einen Fels bergab. Die Zuschauer stützen mich an dieser gefährlichen Passage. Das macht Spaß und schon rase ich den Weg bergab Richtung Ziel.

Kilometer 42 gibt das Signal zum Schlussspurt und ich spurte heiß bejubelt los, hebe meine Arme in Siegerpose (schließlich hat heute jeder Finisher gewonnen) und passiere nach 5 Stunden und 27 Minuten die Ziellinie.

Ich erhalte meine Goldmedaille wie jeder andere Finisher auch. 
Glücklich genieße ich dann erst einmal das schöne warme Wetter und den schönen Ausblick hier oben.

Mein Zieleinlauf

Knapp zwei Stunden später fahre ich im überfüllten Zug zurück nach Interlaken, wo ich mich noch gut unterhalte. 
Ich lerne dabei einen Läufer aus der Schweiz kennen, der schon 9 x in Biel dabei war und wie es der Zufall will Birgit, eine Triathletin aus Nürnberg kennen, die auch unser Teammitglied Robert Wimmer persönlich kennt.

Infos

Links:

Offizielle Website des Jungfrau Marathons mit Ergebnisliste

Bericht von Andreas Lehberger

Bericht von Laufreport.de mit schönen Bildern vom Geschehen

Anzahl Teilnehmer: Knappe 7000 Meldungen für zwei Tage
Anzahl Finisher: 5316 Finisher
Bestzeit Männer: 1. Eticha Tesfaye, Genève, 2.53.28 
2. Chaham El Maati, Marokko, 2.56.01 
3. Billy Burns, Grossbritannien, 2.58.54 
Bestzeit Frauen: 1. Dällenbach Chantal, 62, Saillon 3:25.18,1 (156)
2. Abosa Emebet, 74, ET-Ethiopia 3:35.54,0 (102)
3. Reiber Carolina, 73, DE-Hamburg 3:36.49,1 (3288)
Letzter Läufer: 6:57.17,4 
Wetter: Sonnig und warm
Höhenmeter: Exakt 1887 Meter
Start Interlaken 565 m über NN
Ziel Kleine Scheidegg 2110 m über NN
Schulnote Schönheit der Strecke 1
Schulnote Organisation
Schulnote Service 1
Schulnote Zuschauer 
(Anzahl / Motivation)
1
Schulnote Gesamteindruck 1

 

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