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laufspass.com -  Bericht vom 4. Medien - Marathon in München am 12.10.03 von Matthias Lehnerer
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Bericht vom 4. Medien- Marathon in München  am 12.10.03 von Matthias Lehnerer  – Wann beginnt der eigentliche Marathon?

Endlich war es soweit! Ich wollte es nun endlich wissen. Mein erster Marathon stand am 12. Oktober auf dem Programm. Es sollte München sein, weil meine Familie zugesichert hatte, dort anwesend zu sein und mich anzufeuern.

Die Vorbereitung lief nach Plan (Steffny/Grüning, wie fast jeder Neuling) und nahezu Problemlos. Knapp 600 Kilometer hatte ich in 12 Wochen absolviert, da sollten doch jetzt die letzten 42 auch noch zu schaffen sein.

Um Punkt 9:50 war ich im grünen, dem zweiten, Startblock. Ich hatte mir vorgenommen, in 3:45:00 anzukommen. Ein hohes Ziel, aber ich war mir meiner Sache ziemlich sicher. Nach den letzten Trainingsläufen auch keineswegs zu optimistisch, dachte ich. Sollte ich mein Ziel korrigieren müssen, dann schlimmstenfalls auf 3:59:59.

Dann der erste Startschuss, pünktlich um 10 Uhr durfte der erste (schnellste) Block starten. Den zweiten Startblock ließ man allerdings 10 Minuten stehen. Unmut machte sich breit. Aber damit sollte das Organisationschaos noch nicht beendet sein. Endlich um 10:10 Uhr ging es auch für uns los. Allerdings war nach wenigen Metern bereits der erste Boxenstopp angesagt. Reihenweise liefen die ersten rechts raus und mussten eine Pinkelpause einlegen. „Unnötig wie nur was“, schimpften viele. Mein Zugläufer war nun erst einmal weit weg. Als dann auch noch meine Uhr ausflippte (ein Strich der Digitalanzeige blinkte so, wie es ihr gerade gefiel), war der erste Frust riesengroß. Nach knapp 3 Kilometern hatte ich meinen Laufrhythmus gefunden und konnte nun entspannt dem Lauf entgegensehen. Ein Freund von mir war in Berlin mit einer Taktik angekommen, die ich mir auch für diesen Lauf vorgestellt hatte: Bis zum Halbmarathon in 5:25 min/km, dann Tempo forcieren auf 5:15 min/km.

Ausgerüstet war ich mit etwa einem Liter Wasser in meinem „Patronengurt“ (4 Flaschen-System) und 4 Gels, wovon eines bereits kurz vor dem Start vernichtet wurde. Man hatte mir geraten, alle 10 Kilometer eines einzunehmen. Meine Verwandten waren verantwortlich, dass ich an zwei Stellen mit einem speziellen Elo-Getränk versorgt wurde. Mein mitgeführtes Wasser wollte ich nur im absoluten Notfall angreifen, ansonsten verließ ich mich auf die Versorgungsstellen, die alle 2,5 Kilometer aufgestellt waren. Die letzte Motivationshilfe sollte mir noch ein Bekannter geben, der die letzten 3 Kilometer mitlaufen sollte. Kurzfristig habe ich ihm dann aber doch abgeraten, da ich der Meinung war, dass es nicht nötig sei. Wenn ich es bis dahin geschafft hätte, würde ich den Rest auch noch hinkriegen.

Nach 5 Kilometern wunderte ich mich über das sehr zurückhaltende Münchner Publikum. Von Euphorie war da eigentlich nix zu merken. Noch dazu an einer Stelle, die man zwar zweimal passierte, aber dann erst wieder in ein paar Stunden. Am lautesten waren die Anhänger der jeweiligen Läufer.

Nach ungefähr 8 Kilometern verlor ich plötzlich die Orientierung. Ich war der Meinung, dass wir erst viel später abbiegen sollten, aber egal. Ich war nun wieder bis auf wenige Meter an einen Zugläufer herangekommen, war mir aber nicht sicher, ob es der 3:45 oder 4:00 Stunden Pacemaker war. Ein älterer Schwabe wusste ebenfalls nicht, wem er da eigentlich folgte. Der Ballon war so ungünstig platziert, dass wir nur die 3 und die 59 sahen. Ich wechselte ein paar Worte mit ihm. München ist sein zweiter Marathon und diesmal wollte er unter 4 Stunden bleiben. Sein erster in Hamburg geriet zum Ende hin völlig außer Kontrolle, für die letzten 2 Kilometer benötigte er 15 Minuten. Hoffentlich geht es mir heute anders, dachte ich. Nachdem wir feststellten, dass es eher meine Zielzeit war, die der Pacemaker auf dem Ballon stehen hatte, ließ er sich wieder etwas zurückfallen. Bei Kilometer 10 probierte ich erstmals den Iso-Drink. Es schmeckte mir nicht sonderlich. Vielleicht ändert sich das ja noch, wenn der Durst voll zuschlägt, aber soweit wollte ich es gar nicht kommen lassen. Kurz vor Kilometer 12 bogen wir wieder in die in die Ludwigstraße ein und näherten uns dem Odeonsplatz. Jetzt hieß es, Augen offen halten, denn hier irgendwo wollten meine Verwandten (Tante, Cousinen, Ehefrau) auf mich warten. Besonderes Kennzeichen: ein grasgrüner Regenschirm! Gottseidank regnete es nicht (mehr). Von weitem schon konnte man den riesigen Schirm sehen. Ich konnte in aller Ruhe die Straßenseite wechseln und mich langsam darauf zu bewegen. Eine meiner Cousinen hatte den Drink bereits fertig gemixt und hielt ihn mir hin. Mit einem lauten „Danke“ rannte ich weiter. Der Freund meiner anderen Cousine lief ein paar Meter neben mir her und machte in paar Bilder von mir. Er versorgte mich mit Informationen, wer als erster hier durchlief. Weiter ging es zum Marienplatz. Hier war die Stimmung, wie übrigens auch auf dem Odeonsplatz, exzellent! Das letzte Mal als ich auf dem Marienplatz war, kam er mir allerdings deutlich größer vor. Gut, das war zwar schon vor 10 Jahren, aber dass man ihn derart zugebaut hatte...? Ich hatte also noch soviel Spaß am laufen, dass mir solche Details auffielen.

Als wir den Innenstadtbereich verließen, ließ die Stimmung allerdings ebenfalls sofort nach. Meinen Elo-Drink leerte ich fast komplett. Die nächsten Kilometer verliefen sehr ruhig, sowohl was das Läuferfeld anging, als auch meine eigene Physis. Die Gespräche verstummten zusehends. Trotzdem schnappte ich einen interessanten Streit auf. Ein Mainzer Läufer und ein Münchner stritten darum, wie gut bzw. unmotiviert das jeweilige Publikum sei. Der Münchner hatte leider keine zwingende Argumente. Denn wir waren nun zwischen Kilometer 18 und 20: weit entfernt vom Innenstadtbereich, keine Sehenswürdigkeit und mit U-Bahnen nur schwer zu erreichen. Dementsprechend wenig Publikum wurde angetroffen. Als ich den Streckenplan vorher studiert habe, war mir klar, dass hier in etwa der eigentliche Marathon beginnen dürfte. Es heißt zwar immer, dass er erst bei Kilometer 30 anfängt, da aber ab hier kaum Zuschauer die Strecke säumten, wurde es für viele schwer, sich motivieren zu lassen.

Die Halbmarathondistanz bewältigte ich in hervorragenden 1:51. Mist, ich war viel zu schnell. Der Pacemaker war zwar immer noch wenige Meter vor mir, aber das Grundtempo war meiner Berechnung nach zu hoch. Ich hätte erst fünf Minuten später hier eintreffen dürfen. Ich wollte auf den nächsten 10 Kilometern Geschwindigkeit rausnehmen, um noch einen optimalen Schlusslauf zu absolvieren. Bei Kilometer 23 wurde es wieder deutlich lauter an der Strecke. Hier sollte auch mein Anhang zum zweiten Mal auf mich warten. Die nahe gelegene U-Bahnstation machte es möglich. Tatsächlich sah ich schon aus 400 Meter Entfernung den grünen Schirm. Wie ich nach dem Lauf erfahren sollte, nahmen auch viele Läufer hier die Gelegenheit wahr, auszusteigen. Für mich bis dahin aber überhaupt kein Thema. Ich fühlte mich frisch und fit. Zwei Gels hatte ich mittlerweile auch geleert und jetzt wollte ich mit Elektrolyten nachspülen. Die Muskulatur war noch geschmeidig – ein Dank an eine weitere Bekannte, die mir noch zwei Tage vorher die Beine massierte.

Weiter ging es unaufhaltsam auf Kilometer 30 zu. Während des Trainings schafft man es selten, länger als 3 Stunden zu laufen, bzw. die 30 Kilometer-Marke zu knacken. Ich hatte trotzdem keine Furcht davor.

Dann jedoch das unerwartete. Ich hatte die Halbliterflasche zu einem Viertel geleert und war mir sicher, diese noch ein paar Meter mit mir herumtragen zu können, als mein Magen zu gluckern begann. Ich bremste meine Geschwindigkeit weiter ab. Etwa einen Kilometer lang ging es so weiter. Ich wusste, was das heißt. Man hat es oft gelesen: Jetzt hast Du es übertrieben. Hör mit dem Trinken auf! Ich verspürte zwar noch keinen Durst, fürchtete aber den Moment, wenn es soweit ist. Denn dann ist es bereits meist zu spät.

Es half nichts. Ich musste meine Flasche entsorgen, da es keinen Sinn machte, unnötig Gepäck mitzuschleppen, und das Getränk hätte innerhalb von 45 Minuten verbraucht werden müssen. Also weg damit. Nach etwa 3 Kilometern hörte endlich das Gluckern auf, dafür setzten jetzt leichte Bauschschmerzen ein. Nur keine Panik, war mein Gedanke. Ich versuchte flacher zu atmen und wieder ökonomischer zu laufen. Langsam bekam ich meine Schmerzen unter Kontrolle. Wir bogen in den Englischen Garten ein. Vorher hatte ich diesen Abschnitt als die Grüne Hölle bezeichnet. Hier erwartete uns Kilometer 30. Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hatte, wusste es hier ganz genau: Der Marathon hat begonnen. Und genau da erwischte es jetzt auch mich! Nach der Versorgungsstation bei eben diesem Kilometer war es mit dem Zuschauerzuspruch vorbei. Vereinzelt traf man zwar noch auf ein paar Interessierte, aber im großen und ganzen bleib man unter sich. Ein Läufer fragte ziemlich unsicher, ob wir hier überhaupt noch richtig sind, oder ob wir uns verlaufen hätten. Ich legte eine Gehpause ein. Merkwürdigerweise hatte ich überhaupt keine Schmerzen, die ich als Grund vorschieben konnte. Ich war einfach körperlich ausgelaugt. Nach etwa 300 Metern trabte ich langsam wieder an. Der Pacemaker war natürlich über alle Berge. Jetzt hieß es für mich nur noch: ankommen, egal wie. Nach einem weiteren Kilometer wechselte ich wieder in eine Gehpause. Gegenüber sah man die Läufer, die nun bereits wieder zurückliefen. Ich fluchte vor mich hin, feuerte mich selbst an. Ich wollte ins Olympiastadion einlaufen, egal wie! Durchhalten bis zum Schluss.

Kurz vor der Nordspitze, war noch einmal eine Zeitmessung installiert worden. Damit wurde den Leuten der Spaß genommen, abzukürzen und sich so ein paar Meter zu schenken – und davon habe ich leider zu viele gesehen! Soviel Courage sollte man eigentlich erwarten können, von Erwachsenen Männern und Frauen. Niemand wird ausgelacht, weil er den Marathon nicht schafft, solche Aktionen sind aber ein Faustschlag ins Gesicht für jeden ambitionierten Hobbyläufer, der diese Distanz bewältigt.

Ich legte nun jeden Kilometer ein paar Meter Gehpause ein. Hier half mir nun mein eigenes Trinksystem. Mein letztes Gel ließ ich in meiner Tasche, da mir das nun auch nicht mehr helfen würde. Ich passierte Kilometer 36 und verließ nun den Englischen Garten. Hier waren wieder deutlich mehr Zuschauer anwesend. Zum erstenmal vernahm ich auch angenehme Musik aus einer Stereoanlage. Vorher, etwa bei Kilometer 21 wurden wir zwar auch mit Musik beschallt, ich möchte aber lieber nicht wiedergeben, welche Musikrichtung uns hier „weiterhelfen“ sollte. Trotzdem vielen Dank!

Ab Kilometer 37 verzichtete ich auf die Gehpausen und lief nur noch. Ein erfahrener Marathoni hatte mir vorher gesagt, dass du ab diesem Streckenabschnitt keine Schmerzen mehr spürst und das Gehirn nur noch wenig wahrnimmt. Abgesehen davon, dass ich keine Schmerzen hatte, stimmte der zweite Teil. Ich dachte einfach gar nichts mehr. Ich registrierte auch gar nicht mehr, was sich am Streckenrand abspielte. Ich wartete nur noch auf das nächste Kilometerschild. Als wir bei Kilometer 40 in den Olympiapark einbogen, rief jemand neben mir meinen Namen. Mein Bekannter, den ich vorher fragte, ob er dort noch auf mich warten könnte. Er hatte sich mit dem Fahrrad positioniert und begleitete mich noch ein paar Meter. Er spornte mich an, durchzuhalten. Er feuerte mich an, munterte mich auf, zog mich noch einmal mit – Vielen Dank, Manfred! Die letzten Meter durch den Discotunnel sollte ich auf jeden Fall genießen, rief er mir noch hinterher. Dann bog ich ins Marathontor ein. Diese Gefühl war es wert, in München zu laufen. Als ich zusammen mit ein paar anderen Läufern auf die Tartanbahn kam, brandete weiterer Jubel auf. In der Nordkurve, wo sonst nur Fußball-Fans stehen, brüllte meine Familie meinen Namen. Es war ein unglaubliches Szenario! Dann nach Netto genau 4:00:53 Stunden überquerte ich die Ziellinie. Gedanklich völlig leer, doch höchst zufrieden, glücklich. Der Runners high hatte mich bei Kilometer 36 gepackt und bis ins Ziel nicht mehr losgelassen. Den letzten Adrenalinkick bekam ich dann im Discotunnel.

Müde, kraftlos und völlig am Ende schleppte ich mich zu den Getränkeständen. Ich hätte jetzt am liebsten einen ganzen Liter von dem Iso-Drink in mich hineinschütten mögen. Aber die größte Anstrengung sollte noch kommen. Erst musste man über ein Treppengerüst die Laufbahn überqueren, dann die Tribünen hochsteigen, um aus dem Stadion Innenraum zu kommen. Viele Läufer waren der Meinung, dass man das im nächsten Jahr ändern müsse.

Mit meinem Lauf und dem Ergebnis bin ich absolut zufrieden. Die Randbedingungen (z. T. Publikum, Start und Zielorganisation) müssen noch verbessert werden.

E-Mail an Mathias


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