Schwäbischer Albmarathon 2005 (Von Null auf 50!)
Alle Mühen und Plagereien der letzten anderthalb Jahre haben sich
gelohnt!
Die Jahre davor war ich nur ein regelmäßiger Jogger, der zwei oder drei
Läufe in der Woche absolvierte ohne weitere Ambitionen. Ich tat nur so
viel, dass es für mein eigentliches Hobby ,das Bergsteigen' reichte.
Zwei Wochen vor dem Freiburger 30 Km-Lauf am 10.04.2005 habe ich mir einen
Muskelfaserriss in der Linken Wade zugezogen. Eine Arztkonsultation hat
damals den befürchtete GAU bestätigt. Der Gutenberger Marathon in Mainz
ist damit plötzlich in die Ferne gerückt und eine sechswöchige Zwangspause
setzte sich durch. Es war eine deprimierende Zeit angesichts der schönen
Fernsehbilder vom lang ersehnten Lauf in Mainz.
Auf der Suche nach einem adäquaten Ersatz bin ich auf den ,Ultra' vom
Schwäbisch Gmünd gestoßen, den schwäbischen Albmarathon 2005. Die drei
Kaiserberge habe ich die letzten Jahre von meinem Laufterritorium rund um
Bad Boll (schwäbische Voralb: Kornberg, Bossler, Fuchseck) ständig im
Blick gehabt; eine Überschreitung dieser Berge erschien mir deshalb als
Ersatz für den verpassten Lauf als angemessen, und so habe ich mich für
den 50 Km-Berglauf in Schwäbisch Gmünd am 22.10.2005 angemeldet.
Mitentscheidend für diese ,Verrücktheit' war die Nähe von Schwäbisch Gmünd
zu meinem Wohnort. In der Zwischenzeit habe ich das Training wieder
aufgenommen, dabei standen die Trainingspläne vom ,virtuellen Lauftreff'
des SWR Pate. Ich habe lediglich in den 6 Monaten das Trainingspensum
gesteigert (ca. 80-100 Km pro Woche) und einiges wie z.B. Fahrtenspiele
eingebaut.
Da ich noch nie an einem Marathon geschweige denn an einem ,Ultra' mit
1100m Anstiege teilgenommen habe, bezweifelte ich anfangs trotz optimaler
Vorbereitung und exzellentem Befinden, ob ich wohl ankommen würde.
Ich habe die Webseite
www.albmarathon.de ein paar Tage vorher immer wieder besucht und
die Presseberichte gelesen. Diese lesen sich wie das ,who's who' der
Läuferszene:
,Der größte Ultramarathon Süddeutschlands, der von der DJK Schwäbisch
Gmünd veranstaltete Schwäbische Alb Marathon über 50 km war in diesem Jahr
gleichzeitig die Deutsche Meisterschaft der Deutschen Ultramarathon
Vereinigung (DUV) im Cross- und Landschaftslauf. Mit dabei sind Läufer wie
Jochen Kümpel, Europameisterschaftsdritter 2004 und Läuferinnen wie die
Drittplazierte des Spartathlon (246 Km von Athen nach Sparta), Elke
Streicher'.
Ich war schwer beeindruckt und eingeschüchtert zugleich. ,Mensch
diese Veranstaltung ist sicher eine Nummer zu groß für dich' habe ich des
öfteren gedacht. Trotzdem blieb es bei der Entscheidung zu starten, zumal
ich die Teilnahme bei der letzten ,von Null auf 42'-Umfrage bereits
angekündigte hatte.
Am Freitag vor dem Lauf habe ich abends in Begleitung meines 12-jährigen
Sohnes die Start-Nr. 35 abgeholt und getreu nach dem Motto ,viel muss viel
helfen' viel Pasta zu mir genommen. Die Nacht habe ich aber sehr unruhig
verbracht. Viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf ,wirst du es
schaffen?', ,wird der Trainingszustand reichen?', ,kannst du dir die
Strecke gut einteilen?', ... Irgendwann setze sich die Müdigkeit doch noch
durch.
Samstag um 6 Uhr früh war ich bereits beim Bäcker. Es war kühl, obwohl der
Wetterbericht optimistisch war, habe ich angesichts des anfänglich
bedeckten Himmels Nässe, Nebel und Kälte befürchtet.
Um 7:00 Uhr habe ich je 2 Toastbrote mit Honig und Orangenmarmelade
verzehrt. Laugenbrötchen und Brezeln habe ich ausnahmsweise links liegen
lassen.
Eine Stunde später fuhr ich mit der ganzen Familie (Frau, Tochter mit
Freundin und Sohn) in die nur 20 Km entfernten schönen Stadt Schwäbisch
Gmünd. Wir parkten in der Nähe der Sporthalle, wo einige zur Nachmeldung
eilten. Andere waren schon in voller Montur -einige in langen Hosen-
bereit zum Laufen. Der erste Fehler, den ich gemacht habe, obwohl ich alle
Laufkleidervarianten dabei hatte, ist dass, ich mich einigen Pessimisten
angeschlossen und für die langen Hosen entschieden habe. Nur gut, dass ich
trotzdem keine Regenjacke auf der Strecke mitgenommen habe.
Von da gingen wir zu Fuß in Richtung Marktplatz, auf der bereits eine
Menge Läufer und Zuschauer vor einer großen Bühne, die Live- Musik von "more
Fun" lauschten. Ich nahm ein ,Powerbar', den ich ein Tag zuvor bei
der GAMS (Gesundheits- und Ausdauersport- Messe Schwäbisch Gmünd) erworben
hatte. Danach musste
ich ein paar Mal zu den Dixi-Toiletten. Überraschend war das Treffen eines
Arbeitskollegen aus Stuttgart, der sich kurzfristig zum 25er-Lauf
angemeldet hatte.
Es fing an zu nieseln, aber die Aufwärmgymnastik vor dem Start zerstreute
meine Befürchtungen eines möglicherweise nassen Tages.
Um 10 Uhr erfolgte im historischen Markplatz das Einzählen durch den
Oberbürgermeister Leidig unter großem Applaus ,zehn... neun ... ...
drei... zwei... eins Start!'
Ich bewegte mich mitten im Pulk in einem anfangs gemächlichen Tempo ,bloß
nicht überziehen' habe ich mir immer gesagt. Ich habe so oft darüber
gelesen, wie wichtig es ist, am Anfang sein eigenes Tempo zu laufen, so
dass es mir gar nichts ausmachte, dass viele an mir vorbei zogen. Nach ca.
1 Km traf ich eine Nachbarin als 25er-Kandidatin, die nach kurzer
Unterhaltung an mir vorbei zog. Die ersten 5 Km verlaufen flach entlang
der Rems bis zum Beginn von Beutental, wo es die erste Versorgungsstation
gab. Bis dahin habe ich es genossen, dass es schattig und kalt war. Danach
folgte der leichte Anstieg durch den Waldweg Richtung Wäschenbeuren. Die
Wolken haben ab dem Wäscherhof den wärmenden Sonnenstrahlen Platz
gelassen.
Ein herrliches goldenes Herbstwetter umrahmte die Szenerie von da an.
Inzwischen haben wird Wäschenbeuren erreicht, wo eine Menge klatschender
Zuschauer uns herzlich empfing. Der Anstieg zum Hohenstaufen wurde steiler
und im Pulk, wo ich mich befand, habe ich interessiert einige
Positionskämpfe beobachtet. Da ich immer im steilen Gelände trainiert
habe, fiel mir die Steigung nicht schwer. Mir ging es gut, Puls und Atmung
waren ok. ,Tempo beibehalten' habe ich mir gedacht.
Kurz vor dem ersten Gipfel (684m) ging es erstmals auf einem Waldweg
weiter. Der Weg wurde immer steiler und schmaler. Ich überholte einige
Geher. Minuten später ging es bergab zum Teil über den gleichen Weg
zurück. Auf dem Asrücken ging es weiter zum Rechberg. Es folgte ein
traumhaftes Panorama unter der herbstlichen Sonne links der Schurwald,
rechts die Schwäbische Alb, vorne Rechberg und Stuifen. Ich dachte, ich
könnte eine Ewigkeit laufen.
Unterwegs traf ich meine Nachbarin wieder, die ich nach einem kurzen
Gespräch überholte. Die Verpflegungsstation bei Km 25 empfand ich als sehr
willkommen, da ich durch die lange Hose eine unangenehme Hitze zu spüren
begann. Ich trank abermals Tee, der bei mir wie der Zaubertrank bei
Asterix
wirkte. Mein Zeitmesser zeigte auf dem Hohenrechberg (700m) 2:13 Std. an.
Danach ging der Weg steil hinab und forderte volle Konzentration. Hier
begrüßte ich im Vorbeilaufen meinen Arbeitskollegen, der bereits den
Nachhauseweg antrat. Bis jetzt flogen die Kilometer nur so dahin. Der Weg
nach Stuifen ging wieder durch eine offene Landschaft. Der Lauf in dieser
wunderschönen Umgebung schien mir sehr kurzweilig zu sein.
Nach Stuifen ging es entlang einer Schleife, die mit einem schönen aber
steilen Waldweg, bis zum Gipfel (720m) anschließt. Der Weg ist allerdings
mit Baumwurzeln bestückt, die zu Stolperfallen für müde Beine werden
könnten. Ich spürte hier zum ersten mal die strapazierte Wadenmuskulatur.
Nach einem Stempeln auf die Startnummer im Kontrollpunkt, ging es wieder
bergwärts. Durch die zum Teil steilen Abstiege begann ich einen leichten
Schmerz in meinen Knien und ein Ziehen in meinen Oberschenkeln zu spüren.
Inzwischen setzte ein Nieseln und ein leichter Wind ein. Es war für mich
eine dankbare Erfrischung. Bis dahin war ich bedingt durch die langen
Hosen ziemlich aufgeheizt.
Ich dachte mir ,die drei Berge habe ich hinter mir und ab jetzt wird es
nur noch leichter'. Kurz danach kam bei mir der Tiefpunkt bei ca. Km 32,
so dass die Wendepunktstrecke und dessen leichter Anstieg bei Tannweiler
zur Reiterleskapelle mir am meisten zu schaffen machte. Ich sehnte mich
buchstäblich nach dem nächsten Versorgungspunkt, wo ich mich mit
Bananenstücken und Tee versorgte.
Danach holte ich bei Km 36 einen Weggefährten ein, dem ich ein paar mal
zwischen Hohenstaufen und Stuifen begegnet bin. Wir haben uns in einer
stark abfallenden Waldstrecke in Richtung Waldstetten über das Laufen
unterhalten und beschlossen die Reststrecke bis zum Ziel gemeinsam zu
laufen. Er war ein Franke in meiner Altersklasse und hatte eine Menge
Ultras hinter sich, so dass ich von seinem konstanten Tempo profitieren
konnte. Ich war ziemlich erstaunt, dass es so gut lief. Die Km-Schilder
zogen flott an uns vorbei, und ich sagte mir ,nur nicht übermütig werden.
Noch sind es einige Kilometer bis zum Ziel'.
Nach Verlassen des Waldes meldete sich die lachende Sonne wieder und der
Weg flachte ab. Wir liefen durch eine ebene Landschaft mit Blick auf die
Rückseite des Stuifen. Wir kamen an der Versorgungsstation in Waldstetten
an. Ab da war bei mir nur Trinken angesagt. Durch meinen Laufpartner, der
die Strecke bestens aus den vorigen Läufen kennt, habe ich erfahren, dass
nach Waldstetten der letzten Aufstieg auf uns wartet.
Die magische Grenze, die ich dieses Jahr angestrebt habe, Km 42 kam näher,
und ich stoppte 3:49 Std. Ich habe so etwas wie ein stummer innerlicher
Freudenschrei losgelassen. Natürlich hat es Niemand gehört. Ich empfand
eine unbeschreibliche Freude. Mein Nachbarn hätte mein strahlendes Gesicht
sehen können, aber er war auch mit sich selbst beschäftigt. Den
klatschenden Zuschauer habe ich winkend, und wenn ich mich nicht gerade im
Anstieg befand, auch lächelnd zurückgegrüßt. Ich spürte keinen Schmerz und
keine Hitze mehr!
Es kam die erwartete fast 2 Kilometer lange Steigung. Wir überholten in
einem sehr langsamen Tempo einige Geher. Uff! Geschafft! Die Strecke hätte
auf keinen Fall länger sein dürfen.
In Straßdorf angekommen winkte ich den Polizisten vom Absperrdienst zu.
Wir haben inzwischen die letzte Versorgungsstelle passiert und gingen auf
einem langen Fahrradweg in einem guten Tempo Richtung Schwerzerallee in
Schwäbisch Gmünd.
Nach Km 47 schaute ich auf die Uhr und mein Mitläufer sagte, während wir
eine Gruppe disparater Läufer überholten, er glaube nicht, dass wir die
4:30 Std. Marke schaffen.
Das Km-Schild 48 lief an mir vorbei. Ich habe immer nicht richtig
realisiert was gerade passiert war. Ich bin fast am Ziel und noch
einigermaßen fit! Erst jetzt habe ich die Bemerkung meines Laufkameraden
über die Zielzeit
4:30 Std. realisiert, und ein Hauch von Ehrgeiz kam auf. Es folgte ein
abwegiger Gedanke ,soll ich die letzten Kräfte mobilisieren und das Tempo
steigern oder nicht?' Die Angst einzubrechen kurz vor dem Ziel war aber
größer, und so ließ ich den Gedanken, Gedanken sein. Außerdem
verstieß dieser Gedanke gegen das bisherige unausgesprochene
Solidaritätsprinzip zwischen mir und meinem Laufpartner.
Auf den letzten 800m in der Schwerzeralle war ein riesiges Empfangskomitee
am Platz. Ich hörte die Guggenmusik der Altstadtfeger im Zieleinlauf und
lief nach 4:32:54 Std. durch das Tor wie in Trance.
Meinen Freudenschrei haben diesmal offensichtlich viele gehört, und meine
Familie war total überrascht. Sie hatten mich meiner Voraussage nach erst
in einer Stunde erwartet. Ich nahm meine Frau und meine Kinder in den Arm.
Ich war glücklich. Meine Frau und ich haben anschließend in einer
familiären Atmosphäre in der
Schwerzerhalle gespeist und die Siegerehrung mit Freude verfolgt.
Fazit
Rückblickend kann ich folgendes resümieren:
Es war ein wunderschöner Lauf bei optimalem Wetter in einer grandiosen
Landschaft, die an Schönheit kaum zu überbieten ist. Die Organisation war
einwandfrei und die Helfer sehr freundlich. Deshalb möchte ich mich ganz
herzlich bedanken für diese Leistung, und wenn ich gesund bleibe, dann
sehen wir uns 2006 auf einer der schönsten Strecke Süddeutschlands wieder.
Anil Cyprien Allag
Links:
Offizielle Website des
Schwäbische Albmarathons
|