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Im Mittelpunkt steht der Mensch – Berlin Marathon 2006
Haile
Gebrselassie verpasst knapp den Weltrekord. Bester Deutscher wird ein
Hobbyläufer. Das Thermometer zeigte mittags 26 Grad in der Hauptstadt.
40.000 Läufer waren dabei!
Es war mit Sicherheit ein bewegendes Ereignis für jeden Teilnehmer, dieser
Berlin Marathon 2006. Einen großen Beitrag leisteten dabei vor allem die
Zuschauer. An dieser Stelle möchte ich mich für die großartige
Unterstützung, die nicht hätte besser sein können, bedanken.
Doch was treibt einen fast mittellosen, armen, Studenten aus Unterfranken
dazu, fast 500 km Autofahrt und 65 Euro Anmeldegebühren (inklusive
T-Shirt) auf sich zu nehmen um hier dabei zu sein? Ganz einfach. 1. Die
Idee wurde in weinseliger Stimmung geboren, 2. man bezahlte mir die
Startgebühren und 3. wenn nicht heute, wann denn dann?
Der Berliner
Verein Mittelpunkt Mensch e.V. ist gemeinnützig. Die Mitglieder dieses
Vereins vermitteln Wissen, v. a. im Bereich der Neuen Medien. Sie fördern
Kunst und Kultur durch die Veranstaltung von Ausstellungen, Konzerten,
Lesungen und Theater. Und sie fördern die Akzeptanz, Gesundheit,
Gleichstellung und gerechte Teilhabe von benachteiligten Menschen. Dieser
Aspekt wird v. a. durch die Veranstaltung von integrierenden Sportkursen
für gesunde und benachteiligte Menschen verwirklicht. Ich bekam also die
Gelegenheit an einem der schönsten Marathons der Welt teilnehmen zu dürfen
und diente dabei sogar noch einem guten Zweck!
Entsprechend groß war also meine Vorfreude. Am Freitagmittag traten wir,
meine Freundin und ich, die Reise in die Hauptstadt an. Nach einigen Staus
kamen wir nach sechs Stunden in Berlin bei meinem Cousin an. Bei ihm
hatten wir Schlafmöglichkeiten auf dem Boden und Vollverpflegung
„gebucht“. Wir verbrachten zwei wunderschöne Abende und einen wunderbaren
Spätsommertag in Berlin bevor uns am Sonntagmorgen um sechs Uhr der Wecker
aus dem Schlaf riss. Ich war sofort hellwach und in bester Laune. Um halb
acht saßen wir im Zug zum Berliner Hauptbahnhof. Von dort waren es noch 10
Minuten zu Fuß zum Start-/Zielbereich. Schon im Zug sahen wir unzählige
Teilnehmer, kaum waren wir ausgestiegen begegneten uns noch viele weitere
Laufbegeisterte. Vor dem Eintritt in den Start-/Zielbereich verabschiedete
ich mich von meinem Cousin und meiner Freundin und wir verabredeten uns
für Kilometer 10. |
Vor dem Eingang zum
Start-/ Ziel Bereich |
Mein Cousin und meine
Freundin, mit denen ich mich während des Laufes immer wieder getroffen
habe, vor dem Bundeskanzleramt |
Vor dem Start in bester
Laune (ich habe mich noch nie in meinem Leben so fit gefühlt wie an diesem
Tag)
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Es war noch empfindlich kalt so früh am morgen, der Wetterbericht hatte
aber warmes Wetter vorausgesagt. Ich reihte mich in den Block H, den
hintersten, ein weil ich bei meiner Anmeldung im Februar noch keinen
gelaufenen Marathon vorzuweisen hatte. Es war eine Gänsehaut Atmosphäre
als sich 40.000 (!) Läufer warm klatschten. Einfach unbeschreiblich. Um 9
Uhr startete der erste Block. Im Abstand von zwei Minuten zogen dann die
einzelnen Blöcke nach. Es dauerte über eine viertel Stunde bis ich über
die Startlinie lief. |
Die Massageliegen im
Start-/ Zielbereich vor dem Start
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Im Startblock H kurz vor
dem Startschuss
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Es geht los!
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Unter dem Applaus der Zuschauer legte ich die ersten Meter zurück. Erster
markanter Punkt ist die
Siegessäule.
Errichtet anlässlich der Siege im
Deutsch-Dänischen-Krieg ist sie für uns Läufer so etwas wie ein Symbol
für den Sieg über unseren inneren Schweinehund und die Anziehungskraft des
Sofas vor dem Fernseher. Bei Kilometer 5 erreichten wir die JVA Moabit.
Beim Anblick der hohen Mauern und des Stacheldrahtes erinnere ich mich
wieder wie wichtig es doch ist in Freiheit zu leben. Beim Laufen wird mir
diese Freiheit immer wieder bewusst. Kurze Zeit später erreichen wir das
Bundeskanzleramt. Ob wohl Angela Merkel gerade aus ihrem Büro auf die
Läufermassen schaut? Später hörte ich aus dem Fernsehen dass der Berliner
Bürgermeister Klaus
Wowereit den ganzen Tag am Veranstaltungsort gewesen ist.
Von Kilometer zu Kilometer scheint es so als würden die Zuschauer immer
mehr und immer lauter werden. Die Stimmung scheint zu explodieren. Es ist
der totale Wahnsinn! Selbst meine Nicht-Marathon-Laufende Freundin sagt
nach dem Lauf zum mir: „Da könnte man schon neidisch auf die Läufer
werden.“ Bei Kilometer 10 treffe ich wie vereinbart meinen Cousin und
meine Freundin. Ich bin schnell unterwegs und total unter Strom, bleibe
kurz bei ihnen stehen und laufe dann weiter.
So langsam bekomme ich Hunger. Bei Kilometer 15 esse ich eine ganze
Banane, da es immer heißer wird trinke ich immer mindestens 2 Becher
Wasser. Oft sogar mehr. Nach der nächsten Ecke sehe ich von weiten schon
den
Fernsehturm. Wenig später verlasse ich Berlin-Mitte und erreiche den
Stadtteil Friedrichshain. So langsam spüre ich die Hitze. Der Kopf fängt
an leicht weh zu tun und ich schütte mir ab jetzt immer Wasser über den
Kopf. Bei Kilometer 18 sind wir bereits in
Kreuzberg. Ich
überhole und überhole. Teilweise laufe ich auf dem Bürgersteig. Ich habe
auch Läufer gesehen die zwischen den S-Bahn Schienen gelaufen sind. An den
Verpflegungsstellen herrscht Krieg. Da muss man einfach versuchen sich
irgendwie durchzumogeln um nicht ewig zu warten. „Aktives Anstehen“ nennt
man das, glaub ich. |
Die Siegessäule!
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Die ersten Meter des
langen Weges.
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Verpflegungsstelle
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Durch die Häuserschluchten dieser faszinierenden Stadt geht es weiter. Wir
erreichen das Rathaus Schöneberg und gelangen bei Kilometer 27 auf den
Platz am Wilden Eber. Dort stand 1885 das Gartenrestaurant „Zur
Waldschänke“. Als sich dort einmal ein Keiler im eingezäunten Biergarten
verirrte erlegte der Wirt das Tier mit seiner Flinte. Seitdem heißt dieses
Restaurant „Zum Wilden Eber“. Später wurde dort ein Platz angelegt und ein
Eber-Standbild aufgestellt. Verrückt ist heute nur die Stimmung. Verirren
ist nicht möglich, man muss nur einfach immer dem Lärm der Zuschauer oder
einer der 60 Bands nachlaufen.
Ich biege auf den Hohenzollerdamm ab, laufe an der Kreuzkirche und der
Russisch-Orthodoxen Kirche vorbei und erreiche Kilometer 31. Ich treffe
wieder einmal mit meinen Begleitern zusammen und ihnen sage ich dann in
weiser Voraussicht: „Ab hier beginnt das schlimmste“. Die Hitze und der
harte Asphalt zeigen Wirkung. Die Füße schmerzen, die Muskeln ziehen und
der Kopf wird immer heißer. Aber auch die Stimmung ist mal wieder am
Kochen. Ich begegne jetzt immer öfter Läufern die Gehen, sich bei der
Massagestation verwöhnen lassen oder ganz aufgeben. Der Rettungsdienst hat
alle Hände voll zu tun. Es werden immer die selben Fehler gemacht: Zu
schnell loslaufen, zu ehrgeizig, zu wenig getrunken, zu wenig gegessen, zu
wenig trainiert. Lässt man sich dagegen Zeit, vergisst auch einmal die
Uhr, trinkt und isst ausgiebig wird die „unmenschliche Kraftanstrengung
und kaum zu schaffendes Unterfangen“ Marathon sehr schnell in ein „mit
Geduld, Fleiß und Spaß“ gut zu schaffende Herausforderung. Der älteste
Teilnehmer war übrigens 85 Jahre alt, älteste Teilnehmerin 75 Jahre alt.
Die beeindruckende
Gedächtniskirche wartet bei Kilometer 35 auf die Läufer. Diese wurde
im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Ruine des Turms blieb als Mahnmal gegen
den Krieg erhalten. Krieg herrscht heute nur in den Köpfen mancher Läufer,
wenn ich so in das ein oder andere Gesicht blicke. 26 Grad in einer
Großstadt sind bei weitem nicht so angenehm wie in einem schattigen Wald.
Aber wer Natur sucht, kommt bestimmt nicht zum Berlin Marathon. Das zeigt
sich auch daran, dass die Natur im Tiergehege am Start-/Zielbereich von
fast niemanden zum Warmlaufen genutzt wurde, sondern meist nur um wichtige
Geschäfte zu erledigen. |
Laufbegeisterte
Zuschauer in Party-Stimmung
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Samba!
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Nun komme ich am Potsdamer Platz vorbei. Ich glaube es so gut wie
geschafft zu haben, biege um eine Straßenecke und sehe von weitem das
Brandenburger Tor – nein, es ist gar nicht das Brandenburger Tor, es ist
der Berliner Dom. Ich merke es als ich näher komme, da sieht man einmal
wie stark die Sonne einem zu schaffen machen kann. Aber jetzt sehe ich es
wirklich. Ich bin auf der Straße „Unter den Linden“. Darauf habe ich mich
am meisten gefreut. Ich genieße die letzten Meter, lasse mich vom Publikum
feiern und hebe immer wieder die Arme zum Sieg. Wer heute hier durch das
Ziel läuft ist wirklich ein Sieger! Leider kippen selbst unmittelbar vor
dem Ziel noch Läufer um.
Geschafft! Die Königsdisziplin der Leichtathletik – ich bin ein König! Ich
bin im Ziel! Ich bekomme die Medaille umgehängt und gehe gleich weiter. Am
Verpflegungsstand greife ich mit beiden Händen in die Kisten mit den
Keksen. Dementsprechend muss ich dann wohl auch ausgeschaut haben. Alles
voller Schokolade. Aber mir egal, heute bin ich König!
Heute ist jeder ein König der bei dieser Hitze diese Strecke bezwungen
hat. Jeder hat einzigartiges geleistet!
Anschließend treffe ich mich mit meinen Begleitern. Sie sind total fertig.
Sind den ganzen Tag mit der U-Bahn hin- und hergefahren um mich möglichst
oft zu sehen. Einmal haben sie mich verpasst weil sie in der U-Bahn zu
spät ausgestiegen sind. Noch mal an dieser Stelle den beiden ein ganz
herzliches Dankeschön! Ohne euch hätte ich dass nie so gut durchgestanden! |
Gleich geschafft!
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Müde Krieger auf dem Weg
aus dem Start-/Zielbereich
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Geschafft! |
Links
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