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21. Deutsche Meisterschaften
- 100km-Lauf in Kienbaum
- Bericht von Oliver Binz
Teilnehmer des TV Goldbach: Gerhard Albert, Martin Zang,
Oliver Binz
Eine Oase der Ruhe, wo in waldreicher Luft und fernab von
jeglichem Trubel sich Athleten ungestört sich für Ihren
Höhepunkt der Saison den Deutschen Meisterschaften
zum100km-Lauf treffen.
Das weitläufige Areal von Kienbaum, in herrlicher märkischer Landschaft und direkt
am Liebenberger See, liegt ca. 40km östlich von Berlin. Auf dem Gelände befand
sich ursprünglich ein Sägewerk, eine Munitionsfabrik und später wurde an dieser
Stelle ab der Mitte der fünfziger Jahre von der DTSB-Sportführung der DDR die
zentrale Sport- und Trainingsstätte gegründet.
In der abgeschirmten Kaderschmiede konnte sogar ab Anfang der achtziger Jahre in
der streng geheimen Unterdruckkammer, ein Höhentraining simuliert werden.
Nach der Wende konnte diese einmalige Sportschule trotz mancher Schwierigkeiten
erhalten bleiben und wurde in den Trägerverein „ Bundesleistungszentrum
Kienbaum“ überführt.
An diesem geschichtsträchtigen Ort, wo Spitzensportler wie Birgit Fischer, Heike
Drechsler, Andre Lange, Sandra Kiriasis, Sven Ottke etc. ideale
Trainingsbedingungen für eine erfolgreiche Vorbereitung für olympische Spiele, Welt- und
Europameisterschaften hatten, finden wir, Martin Zang und ich, Oliver Binz, uns
am 23.03.2007 am späten Nachmittag im Organisationsbüro ein. Hier treffen wir
auch unseren Laufpartner Gerhard Albert mit seiner Ehefrau Marianne.
Man macht sich in diesem Moment schon so seine Gedanken, wie z.B. Wie wird es
morgen? Bricht meine Verletzung nicht zu früh beim Laufen auf?
Aber vor allem
beobachtet man die anderen Teilnehmer in noch zivilen Klamotten.
Frauen, Männer, Altersklassen bis über 70 Jahre, etwas vollschlankere Menschen sind hier anzutreffen, und alle diese Personen laufen die 100km?
Diese Gedanken schwirren durch den Kopf, unglaublich, aber wenn die es packen,
dann sollte es doch auch für uns möglich sein.
Der Tag bricht an und Martin und ich gehen um 05:00 Uhr zum Frühstück und
gönnen uns noch mal Kaffee und Brötchen. Gegen 05:30 Uhr geht es Richtung
Start/Ziel, wo wir uns etwas schüchtern unsere eigenen Getränke und Essenswaren
in einer Klappkiste aufbauen wollen. Schüchtern, weil wir dachten, dass wir zu viel an
Verpflegung dabei hätten, aber was wir nun hier sahen, war überwältigend: Pavillons,
Zelte, Stehtische, Sitzbänke und Betreuer mit Dutzenden von Getränkeflaschen und
fertig portionierten Verpflegungseinheiten.
Dann noch schnell einige Photos mit unseren
neuen Freunden Gerhard Albert sowie
Werner Selch und Franz Häusler; beide Finisher
beim Deutschlandlauf und beim Trans-Europa-
Lauf (von Lissabon nach Moskau).
Man motivierte uns mit Sprüchen wie „Quälbereitschaft zeigen“ oder „die Fehler die
du am Anfang machst, kannst du am Ende nicht mehr machen“.
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Damit ist es soweit. Ziemlich unspektakulär um 06:00 Uhr fällt pünktlich der
Startschuss für 173 Teilnehmer. Die 100 km waren von nun an auf einem Rundkurs
von 20 x 5 km zu absolvieren.
Die Strecke verteilte sich auf ca. 90% Asphalt, ca. 7% auf Beton und ca. 3% auf
Waldboden. Eine Verpflegungsstelle war im Start/Ziel-Bereich aufgebaut und eine
weitere Trinkstelle (Wasser) gab es bei Kilometer 2,5.
Vom Start weg liefen wir die ersten 7 km mit Gerhard Albert zusammen, der uns im
positivem Sinne auf eine Zeit von ca. 29 min pro 5 km eingebremst hat und dadurch
verhinderte, dass wir den Lauf zu schnell angegangen wären. Gerhard reduzierte ab
KM 7 das Tempo und wir gingen alleine weiter. Vorab sollte noch erwähnt werden,
dass Gerhard Albert seinen Lauf in hervorragenden 11:36 Std:Min absolvierte.
Glückwunsch Gerhard.
Die ersten 40 km gingen relativ zügig vorbei, weil man während des Laufens
unwahrscheinlich viele Kontakte knüpfen konnte und sich viel unterhalten hatte.
Wahrscheinlich habe ich mich beim Laufen schon lange nicht mehr so viel
unterhalten wie hier in Kienbaum.
Wir passieren die 40 km bei ca. 03:46 Std:min und fühlen uns richtig gut. Auf der
Strecke sind immer Teilnehmer zu sehen, da sich das Feld sehr schnell auseinander
gezogen hatte (man wird auch ständig überholt oder überrundet andere Teilnehmer).
Nach ca. 5 Stunden Laufzeit kommen noch ca. 50 weitere Teilnehmer dazu, da der
50 km-Lauf parallel gestartet wurde.
Vom späteren Sieger und aktuellen 6-fachen Deutschen Meister Michael Sommer
(6:56 Std:min) werden wir sogar 6-mal überrundet.
Wir hatten sehr früh einen
weiteren Laufpartner namens Thomas Eberhardt (es sollen auch noch viele Grüße
von Thomas an Jürgen Stolzenberger ausgerichtet werden! – wie klein diese Welt
doch ist -) gefunden, so dass wir zu Dritt unsere Runden konstant absolvierten.
Ab KM 40 wurde von allen die Konversation stark reduziert, weil doch die eine oder
andere Stelle schon im Körper zwickte. Kleinere Beschwerden kamen und gingen.
Die Bedingungen waren absolut herrlich und top. Sonnenschein ab 06:00 Uhr, blauer
Himmel, Temperaturen zwischen 5°C und 13°C machten den Lauf zum äußerlichen
Vergnügen. Einzigster Wermutstopfen war der sehr böige Wind. Zu einem gab er auf
zwei langen Geraden die Unterstützung im Rücken, aber auf einem ca., 1km
Teilstück blies er heftigst ins Gesicht und sorgte für regelgerechtes Laufen gegen
eine Wand.
Der Wind war auch Ursache dafür, dass laut Organisation nur 105 von 173
Teilnehmern (gesamte Zahl aus Deutscher Meisterschaft und Internationalen
100km-Lauf) ins Ziel ankamen.
Eine ungewöhnlich hohe Aussteigequote für einen 100 km Lauf!
Ab KM 40 war also Ruhe angesagt und man begann sich mit dem eigenen Kopf zu
beschäftigen. Es kamen die ersten Fragen auf: Warum will man eigentlich 100 km
laufen? Ist es die Neugierde etwas vollkommen Neues zu absolvieren? Die Suche
nach der sportlichen Herausforderung? Die Erzeugung von Glücksgefühlen,
Bodenstoffe für das Gehirn? Etwas Einmaliges zu bewältigen?
Ich kam es schon mal vorab sagen, wir haben keine Antwort darauf gefunden ☺
Alle 5 km hatten wir regelmäßig unsere eigenen Getränke (Vitargo) aufgenommen.
Die KM 65 bis 85 waren die Abschnitte, wo die Schmerzen im Fuß oder in der
Oberschenkelmuskulatur öfters kamen, zwar auch wieder gingen, aber der Kampf
begann nun richtig. Es bewahrheitete sich nun: der 100km-Lauf beginnt irgendwo ab
KM70 richtig ernst zu werden.
Während wir die ersten 70 km wie ein Uhrwerk in 57 min pro 10 km abspulten, haben
wir nun ab KM 70 das Tempo ein wenig rausgenommen und Rundenzeiten von
01:02 Std:min: pro 10 km absolviert, da wir wohl wissend unser zweites Ziel (nach
dem Ankommen) die 10 Stunden Marke unterbieten können.
Die Muskelkrampfansätze waren deutlich spürbarer und bei KM 85 war es dann
soweit: bei mir verkrampfte der linke Oberschenkel total; zum Glück waren einige
Bäume zur Auswahl vorhanden um ordentlich zu Dehnen. Nach 2 Minuten Pause
ging es wieder weiter. Martin hatte auf mich gewartet, so dass wir wieder gemeinsam
loslaufen konnten.
Nach weiteren 01:03 Std:min für die nächste 10 km Runde war es
nun soweit, die letzte Runde KM 95 war erreicht! Wir stellten die letzte Runde unter
das Motto „Genieße deine Schmerzen auf den letzten 5 km !“, und wir zählten sie
wahrlich runter: 5, 4, 3,….
Es war nun Zeit um ein Paar Photos von der Laufstrecke zu schießen.
Soviel Zeit musste noch sein, um abgekämpfte, fast glückliche Finisher selbst zu
porträtieren. |
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Die allerletzten 1,5 km waren zwar geprägt von einigen Muskelkrämpfen,
aber nach 09:50 Std:min war es vollbracht.
Wir überschritten die Ziellinie, finishten unseren ersten 100 km Lauf.
Im Ziel beglückten uns drei Freunde (Sandra, Marcus und Peter) aus Aschaffenburg,
die pünktlich zur letzten Stunde in Kienbaum antrafen.
Ehrlich gesagt fehlt uns etwas, wo wir uns lange darauf gefreut hatten:
die tiefbewegenden Emotionen im Zielbereich.
Ja, wir waren glücklich angekommen zu sein, aber wir waren auch in diesem Moment
zu erschöpft Endorphine zu erzeugen.
Wir erholten uns eigentlich recht schnell im Zielbereich und nach einer Dusche auf
dem Zimmer ging es zum Relaxen ins Schwimmbad. |
Im Ziel des 100 Kilometerlaufs in Kienbaum 2007 |
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Der Abend hatte sich dann doch länger hingezogen wie vermutet. Nach dem
Abendessen mit Werner Selch, Franz Häusler und Gerhard Albert und spannenden
Laufgeschichten von den Extremläufern zog sich die Siegerehrung aller Teilnehmer
von 20:00 bis 22:30 Uhr hin. Werner und Franz versuchten an diesem Abend uns
dazu zu überreden in einigen Jahren im Ausdauerlauf in ihre Fußstapfen zu treten.
(wir hoffen, dass das nicht der Fall sein wird !)
Der Tag war zweifelsfrei ereignisreich und fast schon einmalig.
Das Lauferlebnis wurde mit dem tollen Sonntagsfrühstück abgerundet. Wir teilten uns
den Frühstückstisch mit Ralf Steißlinger, M 40 (24 Stunden-Nationalmannschaft) und
Marion Braun W50 (100 km-Nationalmannschaft) und tauschten wertvolle Lauf-Trink und
Essensgewohnheiten während des Laufens aus.
Damit wir dieses Ereignis überhaupt genießen konnten, war viel Hilfe, Ausdauer und
Verständnis von unserem Umfeld notwendig. Wir wollen uns bei dieser Gelegenheit
bei einigen Leuten recht herzlich bedanken.
Zu aller erst bei unseren Familien für die Unterstützung und für das
Verständnis für das hohe Trainingsaufkommen (Danke an Elke und Judith),
bei Jan Dieckow ( www.laufstil.de ) für die Ausarbeitung des 100% ig
passenden Trainingsplanes und die Weitergabe von vielen Lauferfahrungen und bei Werner Krass (
www.krassvit.com ) für die physiotherapeutische
Betreuung der letzten 3 Monate und bei einigen Sondereinsätzen. Man kann
eigentlich sagen, er ermöglichte eigentlich, dass das Unmögliche noch
möglich wurde.
Danke an Alle!
Wenn uns jemand fragt, was der 100 km Lauf uns gebracht hat, können wir vor allem
antworten:
Geduld haben und das Renntempo die ersten 50 km richtig dosieren, dann ist das
Erreichen der eigentlichen Zielsetzung möglich.
Oliver Binz und Martin Zang
9:50 Std:min
100 km Lauf in Kienbaum, März 2007 |
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