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Der FINAMA, einer der ältesten noch stattfindenden Ultraläufe, feiert sein 30.
Jubiläum. Heute nehmen daran außer etwa 250 Startern für die gesamten 80 km auch
sehr viele Läufer der 4x20 km Staffeln teil. Für mich ist es der erste Wettkampf
mit mehr als Marathondistanz, aber ich bin dank guter Vorbereitung recht
optimistisch. Das Laufabenteuer beginnt heute bei den meisten Teilnehmern mit
großer Verärgerung. Egal ob Staffel- oder Einzelläufer, egal ob Nachmeldung oder
schon Wochen zuvor bezahlt, wir müssen fast eine halbe Stunde in praller Sonne
vor einem einzigen Laptop in der Warteschlange stehen. Für Verzögerung sorgen
auch die 5 Euro Pfand, die man ohne vorherige Ankündigung für den Transponder
zahlen muss. Ich bin nicht der einzige, der kein Geld dabei hat. Zum Glück wird
dies unbürokratisch geregelt. |
Das neue Startgelände
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Um 17:02 Uhr fällt der Startschuss. Das Wetter ist für Ende Juni fast ideal - 27 C, ohne die für die Rheinebene
typische Schwüle und laut Wetterbericht garantiert ohne Regen. Anfangs führt die
Strecke schattig durch den Oberwald, eines der beliebtesten Laufreviere in
Karlsruhe. Ein schöner Wald mit viel Gras und Farn am Boden einfach herrlich!
Unterwegs kommen wir an einem kleinen Tierpark mit Antilopen, Gazellen u.a.
vorbei. |
Tierpark Oberwald
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Nach einigen Kilometern weicht die stille Natur vorübergehend Gewerbe- und
Wohngebieten. Doch die Durchquerung des einzigen langweiligen Streckenabschnitts
dauert weniger als eine Stunde. Hinter dem letzten Gewerbegebiet führt die
Strecke sonnig und flach zwischen Maisfeldern hindurch. |
Endlich raus aus der Stadt!
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Sonnig durch die Maisfelder |
Obwohl es heute nicht allzu heiß ist sind alle Läufer nun froh darüber, dass die
Getränkestationen recht gut bestückt sind. Es gibt sogar Melonenstücke! Nach
etwa 18 km ist in Grötzingen für die ersten Staffelläufer schon Feierabend. |
Günter Kromer an der 1. Wechselstelle
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Nun endet der flache Teil der Strecke und es beginnt eine ausgesprochen
reizvolle Tour durch das südliche Kraichgau und später durch die nördlichsten
Ausläufer des Schwarzwalds. Ein romantischer Aufstieg führt durch einen tief in
den Lößboden eingeschnittenen Hohlweg. Mit Ausnahme von einigen Läufern des
zweiten Staffelabschnitts, die frisch und munter an mir vorbeisausen, wechselt
nun jeder vom Laufen zum Gehen über. Hier schon unnötig Kraft verschwenden wäre
für die restlichen 60 km fatal! |
Aufstieg durch einen romantischen Hohlweg
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Nach Bewältigung dieses Aufstiegs erreichen wir einen angenehmen, schattigen
Waldweg. Ringsum zwitschern die Vögel, die Sonne scheint zwischen dem Laubdach
hindurch es ist einfach herrlich, hier zu laufen! Anschließend geht es auf
Feldwegen mit hübscher Aussicht weiter. Dank der heute sehr klaren Luft wirkt
der Panoramablick auf die Felder und Obstgärten des Kraichgauer Hügellands
besonders schön. |
Wunderschöne Strecke
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Jöhlinger Höhe
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Landschaftsgenuss
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Wir laufen hinab nach Jöhlingen, wo fast keine Zuschauer stehen. Wer viel
Applaus braucht ist beim FINAMA ohnehin an der falschen Stelle. Stattdessen sind
hier stundenlang Stille und Landschaftsgenuss eine Wohltat für die Seele.
Ich bin meinem Zeitplan schon 40 Minuten voraus. Das ist ungünstig, denn ich
will ich meine Kraft nicht vorzeitig verschleißen, sondern auf die 80 km
aufteilen. Also reduziere ich auf den nächsten Kilometern mein Tempo und fühle
mich dadurch auch gleich besser. Hinter Jöhlingen führt der nächste Aufstieg
erneut über schöne Hänge mit weiter Aussicht. |
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Später geht es bergauf und bergab, abwechselnd durch Wald und
Wiesengelände. Unterwegs komme ich an einigen schönen Wegkreuzen vorbei. |
Eines von mehreren schönen Wegkreuzen
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Der Läufer und sein Schatten |
Unten im Pfinztal laufen wir an einer alten Mühle vorbei (leider ohne
Mühlrad). |
Mühle im Pfinztal
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Dann beginnt auf der anderen Seite ein langer Aufstieg, den 80er Läufer am
besten wieder gehen statt laufen sollten. Anschließend führt der Weg hinab nach Mutschelbach. Durch den Wald sehe ich im Westen den Himmel in leuchtendem
Orange. Dann wird es allmählich dunkel, doch auf den nächsten Kilometern kann
ich die Landschaft um mich herum noch erkennen. |
Zeit für die Stirnlampe
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Unterwegs überschreite ich die Marathon-Distanz. Trotz der hügeligen Strecke
fühle ich mich bisher besser als erhofft. Nach der Durchquerung von
Langensteinbach treffe ich meine Freundin Annette, die an mehreren Punkten
entlang der Strecke auf mich wartet und mir meine selbst gemixten Iso-Getränke
(nur Säfte, Wasser und Salz, keine Chemie!), Nüsse und Kaffeebohnen und an
dieser Stelle auch meine Stirnlampe gibt. Nun laufe ich durch stockdunklen Wald.
Heute scheint kein Mond, und am Himmel stehen nur wenige Sterne. Bei einer
Grillhütte findet eine Party statt. Die Leute hier können es kaum glauben, dass
jemand so verrückt ist, stundenlang durch die Nacht zu rennen, aber als ich
Wasser vom Brunnen trinken will bieten sie mir Bier an. Darauf hätte ich jetzt
wirklich Lust, aber noch liegen fast 30 km vor mir. Aber die Getränkeauswahl der
Verpflegungsstationen ist auch gut. Allerdings wären Hinweiszettel über den
Inhalt der jeweiligen Becher hilfreich, damit man nicht immer fragen muss, was
wo drin ist. Wieder folgt ein schöner Streckenabschnitt, bei dem ich trotz
Dunkelheit die Landschaft genieße. Bei Nacht nehme ich den würzigen Duft
blühender oder frisch gemähter Wiesen intensiver wahr als am Mittag. Kurz vor
Ittersbach tausche ich bei Annette den im Dunkeln ohnehin sinnlosen Foto gegen
meinen mp3-Player. |
Nächtlicher Abstieg nach Ittersbach
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Die Straße führt steil nach Ittersbach hinab. Wer hier den Fehler macht, das
starke Gefälle zu einem Sprint zu nutzen, muss dies in den folgenden Stunden mit
Muskelschmerzen büßen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass mein erster Ultra
spätestens ab hier zu einem harten Kampf ums Durchhalten würde. Stattdessen
fühle ich mich jetzt noch fast wie bei einem Trainingslauf.
Nun folgt der lange, flach ansteigende Weg nach Langenalb, wo ich den höchsten
Punkt der Strecke erreiche. Anschließend laufe ich meist auf bequemen Waldwegen
hinab ins Albtal. Dieser nicht zu steile Abstieg bietet willkommene Erholung für
die Muskulatur. Unterwegs sehe ich auf dem Weg eine noch brennende Zigarette. Um
diese Uhrzeit kann sie kaum von einem Spaziergänger stammen. Die muss ein
verantwortungsloser Fahrradbegleiter weggeworfen haben. Aufgrund der
Waldbrandgefahr bleibe ich kurz stehen und trete sie aus.
Ab Marxzell sind es nur noch 19 km, ich fühle mich immer noch gut und liege
deutlich vor meinem Zeitplan. Die schnellen Pop- und Rock-Rhythmen, die ich
extra für diese Nacht in den mp3-Player geladen habe, sorgen dafür, dass ich wie
eine Maschine schneller als geplant durch das Albtal trabe. Über den heißen
Kaffee an den Getränkestationen bin ich sehr froh. Nun sind die Abstände
zwischen den Läufern so groß, dass ich nur noch sehr selten jemandem begegne.
Fledermäuse flattern über meinen Kopf.
In Ettlingen sehe ich weder Zuschauer noch andere Läufer. Dann geht es am Rande
der Rheinebene Richtung Ziel. Nachtfalter flattern munter im Licht meiner Lampe.
Von einer Autobahnbrücke aus sehe ich am Horizont die schmale Mondsichel
aufgehen. Der letzte Abschnitt führt wieder durch den Oberwald. Ein Reh läuft
zwanzig Meter vor mir über den Weg und bleibt im Gebüsch stehen. Seine Augen
leuchten im Licht meiner Lampe wie kleine Scheinwerfer. Da ich hier sehr oft
trainiere kenne ich die restliche Strecke bis zum Ziel wie meine Wohnung. Hier
kann ich mich selbst in der dunkelsten Nacht nicht verlaufen. Jetzt freue ich
mich auf eine für mich unerwartet gute Finisherzeit und beschleunige sogar mit
letzter Kraft meine Schritte. Nur noch ein paar hundert Meter! Doch plötzlich
zeigen weiße Linien auf dem Boden, dass ich hier nicht wie geplant abzweigen
darf. Ich wundere mich, laufe irritiert noch ein Stück geradeaus, muss dann aber
erkennen, dass die Strecke gegenüber der Skizze in der Ausschreibung geändert
wurde. Meine Freude weicht grenzenloser Enttäuschung. Mir bleibt nichts anderes
übrig, als nach Kilometer 80 wieder ein paar hundert Meter zurückzulaufen und den
richtigen Weg zu suchen. Dann erreiche ich endlich den Sportplatz mit dem
Ziel. Eigentlich sollte mein Gefühl beim Zieleinlauf meines ersten Ultras
Triumph sein, stattdessen bin ich wütend über die durch den Umweg vergeudete
Zeit. 9:46 dieses Ergebnis hätte ich nie erhofft, doch wenn die Streckenführung
mit der Karte übereingestimmt hätte wären es sogar einige Minuten weniger
gewesen.
Kurz darauf sehe ich vor dem Sportplatz einige Läufer aus der anderen Richtung
auf das Ziel zusteuern. Sie wurden zuletzt ebenfalls Opfer der Strecke, kehrten
aber im Gegensatz zu mir nicht um sondern kürzten sogar ein Stück ab. Später
erfahre ich, dass recht viele mit den Markierungen Probleme hatten.
Bereits auf dem Heimweg weicht mein Ärger wieder der Begeisterung über diesen
insgesamt doch sehr schönen Lauf. Abgesehen vom Ärger am Start und vor dem Ziel
kann man ihn uneingeschränkt empfehlen, und im nächsten Jahr werden die
aktuellen Probleme sicher behoben.Kurzinfos:
80 km, davon 26 km auf flacher, der Rest auf hügeliger Strecke. Teils
asphaltiert, teils sehr gut zum Laufen geeignete Wald- und Feldwege, nur ca. 500
Meter auf einem etwas steinigen Pfad. Der größte Teil der Strecke führt durch
die Natur, nur kurze Abschnitte durchqueren Wohn- oder Gewerbegebiete.
Insgesamt 19 Verpflegungsstellen mit guter Getränkeauswahl sowie teilweise mit
Bananen, Melonen, Brot, Hefezopf u.a. Die Startgebühr von 30 Euro ist für so
einen Lauf ausgesprochen günstig. Das neue Startgelände ist hervorragend mit der
Straßenbahn erreichbar, und auch die ganze Nacht über fahren Bahnen alle 30
Minuten fast direkt vom Ziel in die Stadt und zum nur 5 Minuten entfernten
Hauptbahnhof.
Links:
Internetseite des Veranstalters:
www.fidelitas-nachtlauf.de |
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