Jäger und Sammler - Jochen Brosig beim 15.
Amberger Halbmarathon
Sonntag. Amberg. 10.00 Uhr. Am Halbmarathonstart. Die Sonne
lacht. Ich rücke noch meine Sonnenbrille zurecht, da geht es auch schon los.
Gestern durfte ich mir noch anhören, dass es in ganz Deutschland nicht so viele
Sonnentage gibt wie ich Sonnenbrillen habe. Nimmt mich meine Frau überhaupt noch
für voll? Mühevoll verbirgt sie ihr Unverständnis. Aber ich weiß, sie versteht
mich nicht. Meine Frau denkt, ich habe sie nicht mehr alle. Das sehe ich sogar
durch meine dunkelste Sonnenbrille. Mit bruchsicheren, UV-Dichten,
verzerrungsfreien Gläsern geht es mir eben bestens. Dazu das richtige Shirt, die
passenden Schuhe – das sind Statements. Sie zeigen den Triumph des Läufers über
das Wetter. Und für eine Uhr, die neben der Zeit den Puls misst und aus diesem
hautfreundlichen, ultraleichten Hartgummi ist, würde ich jede Rolex glatt liegen
lassen. Sie jedoch sagt: „Mein Mann ist süchtig nach Lauf- und Outdoor-Ausrüstung!“
Stimmt doch gar nicht!
Die Amberger Strecke ist eine flache, schnelle Strecke durch das ehemalige
Landesgartenschaugelände. Nach der Einführungsrunde sind dort 3 Runden zu laufen
mit Ziel im Stadion am Schanzl. Ein schöner, abwechslungsreicher Rundkurs. Das
einzige was stört ist, dass wir auch dreimal einen Wendepunkt anlaufen müssen.
„Lauft ihr heute wieder im Kreis? Hoffentlich wird es euch nicht schwindelig?“
Meine Frau weiß genau, wie sie mich motivieren muss. Neulich saßen wir am
Frühstückstisch. Ich blätterte in der neuesten Runner’s World. Oh, ein
Sonnenbrillentest. Ich war am Überlegen. Welches Modell passt besser zu mir? Das
Modell „Cool Head“, für Mützenträger besonders geeignet oder das Modell „Runfastaway-little-pigdog“
für wechselnde Lichtverhältnisse. „Hör mal – die neue Laufbrille: belüftete
Scheiben, dezentrierter Wechselfilter, Grip-System, Break-Away-Scharniere,
super-leichte Magnesiumbügel, Flying-Lens-System verhindert Schweißbildung und
zweistufige Einstellfunktion der Nasenauflage.“ „WOW“, sagte sie matt. Ich hatte
den Verdacht, dass sie nicht ganz bei der Sache war. Doch weit gefehlt: „Brillen
für viel Wind und viel Sonne, Brillen für viel Wind und wenig Sonne, wenig Wind
überhaupt keine Sonne. Ich frage mich, warum Du zu einem Wettkampf nicht mehrere
Brillen mitnimmst? Die Wetterverhältnisse können sich heutzutage doch so schnell
ändern.“ Wumm, die hatte gesessen. Die Sonne verschwindet hinter einer Wolke.
Wir gehen in die dritte Runde und laufen unter einer Brücke durch. Wären da
nicht die helleren Gläser besser gewesen?
Nach der frühlingshaften, ersten Aprilwoche ist es auch heute wieder sehr warm.
Mir persönlich wären die kühlen Temperaturen vom letzten Sonntag lieber. An der
Verpflegungsstelle mache ich meinen Kopf nass. Die Sonnenstrahlen wärmen. Wir
laufen der Sonne entgegen. Natürlich brauche ich meine Sonnenbrille. Brauche ich
nicht, meint ihr? „Wirklich? Was braucht der Mensch?“, frage ich Euch. Braucht
er vielleicht vollautomatische Espressomaschinen, Tuppersalatschleudern und
Talkshows wie Domian? NEIN! Ich nicht! Meine Frau schon! Und ich brauche eben
einen guten Augenschutz. Gerade heute bei diesem Wetter. Wieder blinzelt die
Sonne durch die Äste der Bäume. KM 15 – Wir gehen auf die letzte Runde. Vor mir
streiten sich zwei Läufer, als der eine dem anderen zum wiederholten Mal in die
Hacken steigt. Die müssen noch Luft haben. Mir geht sie aus. Die Wärme macht mir
zu schaffen. Trotzdem auf geht’s! Dran bleiben!
Süchtig nach Laufausrüstung, geht es mir durch den Kopf. Logisch. Über das Thema
Schuhe brauche ich euch nichts zu erzählen, oder? Für mich fängt der Fortschritt
eben bei High-Performance-Socken an. Ich liebe den intelligenten Materialmix,
ihre individuelle Schnittform. Vor allem die „Rechts“- und „Links“-Beschriftung
hat es mir angetan. Oder würdet ihr die Vorder- und Hinterreifen eines Porsche
Cayman S einfach so vertauschen? Eben! Und heute habe ich sie wieder richtig
aufgezogen, äh angezogen. Noch vier Kilometer. Die Zeit läuft mir heute davon.
Aber ich kämpfe trotzdem. Ich liege so um Platz 20, die Zuschauer gehen mit. Es
macht Spaß!
Das Ziel kommt näher. Dort vorne steht das 20-Kilometer-Schild. Ich gebe noch
einmal Gas. Von hinten kann nichts passieren, nach vorne ist der Abstand zu
groß. Ich sehe schon das Stadion, höre die Zuschauer. Noch eine halbe Runde auf
der Bahn. Zieldurchlauf. Das war’s. Tolle Zeit, ich bin hoch zufrieden. Doch da
kommt mir ein Gedanke. Neulich fragte meine Frau: „Wie viel schneller wärst du
wohl auf 21 Kilometer, wenn du deine Zeit statt mit Produktbeschreibungen lesen
mit Trainieren verbringen würdest?“ Die Antwort muss ich demnächst mit meiner
Pulsuhr stoppen. Ich hab' da schon ein Modell im Auge.
Servus, bis zum Obermain-Marathon in 2 Wochen!
Run happy! You’ve got the look! |