42,195 mal 2 – Der
Erlebnismarathon im Doppelpack -
Das Gondo Event
Von Norman Bücher
Es gibt heutzutage zahlreiche Citymarathons, Marathonläufe in der Natur und auch
Bergläufe über 42,195 Kilometer. Doch wie viele Läufer haben schon einmal einen
Doppelmarathon bestritten? Zwei Marathons an einem Wochenende. Jeder mit knapp
2.000 Höhenmetern. Das ganze in einer atemberaubenden Berglandschaft,
eingebettet in eine familiäre Atmosphäre und toller Organisation. Das kann man
beim Gondo Event erleben.
Wo genau liegt eigentlich Gondo?
Gondo ist ein 100 Einwohner Dorf im Schweizer Wallis an der Grenze zu Italien.
Am 14. Oktober 2000 wurde es von einem Erdrutsch fast zur Hälfte zerstört. 13
Einwohner ließen dabei ihr Leben. Mit dem ersten Gondo Event im Jahr 2002, das
unter dem Motto „Gondo soll wieder leben“ stand, feierte man das erste Fest nach
dieser Katastrophe. Im Jahr 2006 erweiterten die Organisatoren die tägliche
Laufdistanz auf 42,195 Kilometer und landeten damit einen Volltreffer. Auf
Anhieb konnte die Teilnehmerzahl fast verdoppelt werden und erreichte in diesem
Jahr einen weiteren Rekord: 130 Läufer gingen beim Doppelmarathon an den Start.
Daneben gab es noch zwei weitere Disziplinen im Angebot: das Gondo Running über
28 Kilometer und Nordic Walking über dieselbe Distanz.
Die Strecke führte am ersten Tag von Gondo (885 Meter) über Simplon-Dorf, den
Simplonpass (2.006 Meter), den Bistinenpass (2.417 Meter), die Saltinaschlucht
nach Ried-Brig (918 Meter). Am Folgetag ging es wieder zurück nach Gondo. Bis
auf ganz wenige Abschnitte verlief der Kurs auf schmalen Pfaden durch Wälder,
Wiesen und Almen. Das Angebot reichte vom romantischen Wiesenweg, knorrigen
Wurzelpfad, felsigen Steilhang, senkrechten Abhang bis zur erfrischenden
Bachdurchquerung. Die Landschaft war atemberaubend. Tiefe Schluchten, wilde
Wasserfälle, uralte Steinhäuser, grüne Weideflächen und schattige Fichtenwälder
wechselten sich ab. Blumen blühten in leuchtenden Farben am Wegesrand. Der
Erlebnischarakter bei diesem Lauf kam klar zum Vorschein.
Kurz nach dem Start in Gondo verließ man die breite und bequeme Verkehrsstraße
und ging über auf die für diesen Lauf charakteristischen Trailpfade. Ein
geschichtsträchtiges Bauwerk wartete wenig später auf die Läufer. Ein in den
Fels gesprengtes Fort aus dem 2. Weltkrieg galt es zu durchlaufen. Die engen
Gänge waren nur spärlich beleuchtet. Wasser tropfte von der Decke und sorgte für
eine kurze Erfrischung. Alle fünf bis acht Kilometer wartete ein
Verpflegungspunkt auf die Läufer, die ein großzügiges Angebot an Essen und
Getränken bereitstellten. Bei Kilometer 15 passierten die Läufer das „Alte
Spittel“, das Jodok von Stockalper im Jahr 1650 erbauen ließ. Im Hintergrund
präsentierten sich die majestätisch wirkenden Berge. Über Almwiesen schlängelte
sich der Weg langsam bergauf, bis der Bistinenpass erreicht war, der höchste
Punkt des gesamten Laufs. Hier oben auf 2.417 Meter fand man noch einzelne
Schneefelder. Bei strahlendem Sonnenschein und blauen Himmel konnte man die
umliegenden Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln ausmachen. Der Ausblick war
grandios. Den weiteren Streckenverlauf dominierte nun das Bergablaufen. Moderate
Wanderwege wechselten sich mit steilen und unwegsamen Pfaden ab. Besonders an
den sehr steilen Bergabpassagen zur Saltinaschlucht war höchste Konzentration
gefordert. Einige Läufer hatten ihre Stöcke dabei, um ihre Muskeln und den
passiven Bewegungsapparat vor diesen starken Belastungen etwas zu schützen. Eine
Tradition bei diesem Lauf ist die Durchquerung eines Flusses in der
Saltinaschlucht kurz vor dem Ziel des ersten Tages. Das Unwetter, das seinerzeit
die Katastrophe in Gondo verursachte, riss auch die Brücke über dem Fluss mit
sich. Zum Gedenken daran muss jeder Läufer durch das kalte Wasser marschieren.
Da in diesem Jahr aber die Strömung des Flusses zu stark war, wurde erstmals
über die wieder aufgebaute Brücke gelaufen.
Eine weitere Besonderheit bei diesem Event stellen die Zivilschutzbunker dar, in
der ein Großteil der Läufer übernachtete. Diese Form der Unterbringung trug
sicherlich zu dem guten Gemeinschaftsgefühl bei, das bei diesem Lauf
vorherrschte. Man erhielt einen intensiveren Kontakt zu seinen Mitläufern als
bei den doch eher anonymen Citymarathons. Insbesondere die persönlichen
Lebensgeschichten, der Austausch von Erfahrungen und das gemütliche
Beisammensitzen trugen zum besonderen Flair dieser Veranstaltung bei. Ob beim
gemeinsamen Frühstück, beim Einrichten des Schlaflagers oder beim kollektiven
Abendessen - das Gemeinschaftsgefühl war allgegenwärtig. Eine bekannte
Ultraläuferin brachte es auf den Punkt: „Wir sind hier wie eine große Familie“.
Der zweite Tag startete mit einem tollen Frühstücksbuffet, das für alle
Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Startgeld enthalten war. In der Turnhalle in
Brig-Ried erhielt man fast alles, was das Läuferherz begehrte: verschiedene
Brotsorten, Croissants, Wurst und Käse, Marmeladen, Joghurts und nicht zu
vergessen das leckere Obstbuffet.
Die Strecke am zweiten Tag wies einen ähnlich spektakulären Verlauf auf wie auf
der ersten Etappe. Nachdem die engen Gassen von Brig-Ried passiert waren, führte
der Pfad steil über Wiesen und Wälder den Hang hinauf. Gut 400 Höhenmeter galt
es auf den ersten vier Kilometern zu bewältigen. Rechts des Weges bekam man
einen herrlichen Blick in die tiefe Saltinaschlucht. Ein weiterer optischer
Höhepunkt war die S-förmige Ganterbrücke, die mit ihren 678 Metern Länge den
gleichnamigen Fluss überspannt.
Immer wieder boten sich eindrucksvolle Ausblicke auf die Umgebung. Das satte
Grün der Wiesen, das klare Wasser der vorbei fließenden Bäche und die bunten
Farben der Blumen ließen das Läuferherz höher schlagen. Dass es sich um einen
Lauf in den Bergen handelte, bekam man am zweiten Tag auch wettertechnisch zu
spüren. Heftige Regenfälle und Gewitter setzten ein und hatten zur Folge, dass
der Lauf ab Kilometer 28 abgebrochen wurde. Zu gefährlich wäre ein Bergablaufen
von Furggu nach Gondo gewesen. Doch die verkürzte Strecke tat der guten Laune
der Läufer keinen Abbruch. Belohnt wurde jeder Athlet mit einem Sachpreis bei
der anschließenden Siegerehrung.
Fazit:
Wem der Rummel eines Citymarathons zu stressig ist, wer die Schönheiten der
Natur genießen möchte und eine neue sportliche Herausforderung sucht, der ist
beim Gondo Event gut aufgehoben. Die atemberaubende Landschaft, das
anspruchsvolle Profil und die familiäre Atmosphäre machen die Besonderheit
dieses Doppelmarathons aus.
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www.norman-buecher.de
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