Biologische Waffen - Jochen Brosig beim Maintallauf 2009 in Schweinfurt
Dass Männer laufen, ist gar nicht so schlimm, meint meine
Frau. Aber leider bringt Laufen unangenehme Begleiterscheinungen mit sich. Die
dem Läufer selbst gar nicht auffallen. Weil Männer generell in der Wahrnehmung
ihrer Umwelt nicht gerade gut sind. Deshalb soll ich mir, laut Angaben meiner
Liebsten, auch diesen Einzelgängersport ausgesucht haben. Sehen wäre für mich
angeblich problematisch. Thema Kühlschrank: „Wo ist die Butter, Schatz?“ – „Da
wo sie immer steht mein lieber Mann!“ Auch das Hören soll bei mir eingeschränkt
sein. „Du gehst heute noch weg?“ – „Das ist wieder typisch! Hat der gnädige Herr
wieder nicht zugehört!“
Seit einiger Zeit dreht sich alles um das Riechen. Ich werde die Vereinten
Nationen um Hilfe anrufen müssen. Denn inzwischen setzt meine Frau schon
chemische Kampfstoffe gegen mich ein. Sie achtet zwar mein Recht auf freie
Bewegung. Die Begleitumstände jedoch dämmt sie mit aller Gewalt ein. Diverse
Sprays und Duftöle kommen zum Einsatz. Kaum komme ich von meiner morgendlichen
Runde heim, geht sie mit einer zischenden Keule auf mich los. Das ist hart,
denke ich mir, während ich hier durch Schweinfurt laufe. Halbmarathon beim
Maintallauf. Endlich geht es wieder los! Der Winter war lang, die Läufe wurden
kürzer und die Feiertage waren für mich als Glukose-Junkie die Hölle. Aber dann
wurde alles wieder gut. Jetzt will ich meine Form testen. Mittlerweile haben wir
Schweinfurt verlassen und sind auf dem altbekannten Rundkurs außerhalb der Stadt
angekommen. Der muss zweimal umrundet werden, bevor es wieder ins Zentrum zum
Ziel geht.
Doch wie ergeht es mir, wenn ich nach dieser Anstrengung nach Hause komme?
Platzierung und Zeit interessiert hier keinen. Das ich nicht nach Rosenwasser
dufte ist auch klar. Es wird wieder zischen, befürchte ich. Als meine Frau diese
Parfümspritze im Reformhaus entdeckte, machte sie einen Luftsprung vor Freude.
Mit ihrer selbstgemachten Gasmaske, auf ihrer Nase sitzt eine Wäscheklammer,
erwartet sie mich nach dem Laufen. Zisch. Im Nebel entfährt es mir noch: „Sag
mal, warst Du beim Frisör?“ Zisch, zisch, zisch. „Riechst Du was?“ „Ich rieche
nicht. Die Schweißbazillen stechen so in meiner Nase, dass mir die Tränen
kommen. Das ist Körperverletzung.“ Hoppla, das war eben das 10 km-Schild. Das
ging ja schnell. Die Hälfte ist gleich geschafft. Mir fehlt noch die
Schnelligkeit, ich muss demnächst mehr Tempotraining machen.
Apropos Schnelligkeit. Nach dem Lauf muss ich schnellstens nach Hause. Nicht,
dass meine Frau in meiner Abwesenheit eine Sicherheitszone vor unsere
Eingangstür gebaut hat. Ich meine Vakuum-Schleuse und Dekontaminierungsdusche,
eine Ganzkörperpresse aus speziell legiertem Edelstahl und zum Schluss ein
winziger Spritzer aus einem Moschus-Vaporisierer. Wahrscheinlich wäre das nicht
genug. Eventuell würde sie mich noch mit einem halbierten Apfel einreiben – eine
Methode, die meine Oma empfohlen hat, um scharfe Schweinebratendünste aus der
Küche zu verjagen. „Hopp, hopp, hopp!“ Diese Rufe reißen mich aus meiner
Lethargie. Vorbei an der letzten Wende und Verpflegungsstelle. Jetzt sind es nur
noch 3 Kilometer. Zähne zusammen beißen, den letzten Anstieg hoch zur Mainbrücke
und hinunter ins Ziel.
Ich schaffe es gerade noch den Fotoapparat zu holen. Dann kommt auch schon Alain
ins Ziel. Für ihn bedeutet es neue persönliche Bestzeit. Für mich war es ein
guter Einstieg in die Wettkampfsaison. Auspowern und den Duft der Freiheit
riechen. Gerüche wirken direkt auf die Emotionen. Selbst das niedere Bouquet
meiner Funktionssocken lösen bei mir Hochgefühle als Läufer aus. Um individuelle
Wege geht es, die man aus eigener Kraft in eben dieser Socke durch die Natur
läuft. Spaß am Leben! O.k. der Grat zwischen philosophischer Verklärung und
Würgereiz ist recht schmal. Meine Frau hat da leider andere Gefühle. Sie würde
am Liebsten meine ganzen Laufklamotten auf Nimmerwiedersehen in einer
Jauchegrube versenken. Bis bald beim Kellerwaldlauf in Forchheim.
Run happy and smell, äh smile!
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