5. Luxemburg-Marathon,
15.05.2010
Strecke:
Sehr anspruchsvoller Rundkurs durch
Luxemburg; 550 Höhenmeter
Die Streckenführung ist sehr
abwechslungsreich. Start am Messegelände, anschließend durch ein
Wohngebiet. Schlagartig ändert sich die Umgebung und man läuft durch das
sterile und kühle Banken- und EU-Viertel. Von KM 8 bis KM 37 ist man in
der Innenstadt unterwegs – teils durch Altstadtviertel, aber auch durch
reine Wohnviertel. Erstaunlicherweise geht es häufig durch Parks bzw.
Grünzonen. Der Altstadtbereich zum Ende führt durch die Fußgängerzone
und sogar über Kopfsteinpflaster; die letzten 5 KM führen wieder durch
das Bankenviertel zurück zur Messe.
Teilnehmer:
Der Veranstalter sprach von rund 8.000
Teilnehmern. Nimmt man sämtliche Kategorien zusammen (Minimarathon,
Staffelmarathon, Halbmarathon, Marathon), mag das zutreffen. Der
Marathon war trotzdem mit 1.053 Finishern sehr gut besucht. Etwas stolz
bin ich darauf, zusammen mit Faurja Singh auf einer Strecke gewesen zu
sein, der an diesem Tag als 99jähriger HM-Finisher einen Weltrekord als
ältester Finisher aufstellte.
Zuschauer:
Für uns Läufer aufgrund der
Streckenführung natürlich ein geteiltes Lauferlebnis. Sehr gut besuchte
Stellen in stetem Wechsel mit Abschnitten ohne jegliche Zuschauer. Dort,
wo Leute an der Strecke standen, vernahm man permanent das aufmunternde
„Allez“ und „Bravo“. Der enorm hohe Anteil von Kindern wollte permanent
abgeklatscht werden. Meine Reisebegleitung sah die Sache jedoch aus
etwas anderem Blickwinkel und beschrieb die Stimmung als weniger
euphorisch. Zwar war an ein paar Stellen an der Strecke wirklich was
los. Die aus Köln, Hamburg oder auch Regensburg bekannte „brennende
Luft“ jedoch und das Festivalfeeling konnte nicht festgestellt werden.
Selbst bei manchen 10 KM-Stadtläufen sei die Stimmung besser gewesen.
Preis-Leistungsverhältnis:
Die Startgebühr beträgt 60 Euro, wenn
man ein Finisher-Shirt dazu haben will. Im Kleiderbeutel, der
ausnahmsweise nicht aus einer Plastiktüte besteht, befindet sich neben
dem Shirt noch ein Handtuch, zwei Getränke (Wasser und alkoholfreies
Bier), sowie 4 Flyer und eine Shampoo-Probe. Auf der Strecke wird man an
17 (!) Verpflegungsstationen mit Wasser, Iso und frischem Obst versorgt;
ab KM 20 gibt es Cola. Im Zielbereich, der nur für Läufer zugänglich
ist, gibt es reichlich Wasser, Cola und Obst. Genügend Massageplätze
sorgen für Entspannung nach dem Lauf; die Duschmöglichkeiten sind etwas
knapp bemessen – aber sauber!
Der Lauf:
Als ich mich im Januar dazu entschlossen
habe, in Luxemburg zu laufen, war die erste Frage stets, wie ich denn
ausgerechnet auf diesen Marathon gekommen bin.
Hierzu die einzig gültige Erklärung: Ich
habe vor drei Jahren die Werbung dazu gelesen und irgendwie hat es mich
gereizt, hier mal zu laufen.
Eine weitere ist, dass ich 2007 nach der
Hitzeschlacht in Regensburg geschworen habe, von Mai bis September
keinen Marathon zu laufen. Da der Luxemburg-Marathon aber abends
gestartet wird, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich gering, hier einen
Hitzekoller zu erleiden. Allerdings musste ich 4 Wochen vorher
feststellen, dass der Kurs extrem hügelig war und man insgesamt 550
Höhenmeter überwinden musste.
Die Marathonmesse ist mit 8 Ständen
extrem klein gehalten, also keine Gefahr, sich lange die Beine in den
Bauch stehen zu müssen. Wir sind am Samstagmittag eingetroffen und ich
habe mit hoher Aktivität rund um den Start- bzw. Messebereich gerechnet.
Alles ging aber äußerst ruhig und freundlich zu, so dass ich selbst
ebenfalls ein wenig ruhiger wurde. Das Starterpaket beinhaltete neben 2
Getränken (Wasser und alkoholfreies Bier) auch das bestellte Laufshirt
(sehr gute Qualität) und ein Handtuch. Für 60 Euro Startgebühr also
schon einmal ein guter Beginn (auf der Strecke sollten 17 (!)
Verpflegungsstationen für eine ausreichende Versorgung sorgen, also ist
der Preis durchaus in Ordnung).
Mein Dilemma begann aber bereits eine
knappe Woche vorher, als ich Schmerzen im rechten Oberschenkelansatz
spürte und mir nicht sicher war, ob meine alte Verletzung einen Start
möglich machen sollte. Die Fahrt über 500 KM sorgte dann ebenfalls für
Panik, als ich fies stechende Schmerzen in den Waden verspürte.
Nach einer ausgedehnten Ruhepause am
Nachmittag, machte ich mich dann knapp eineinhalb Stunden vorher auf den
Weg zum Start.
Es herrschte bei allen Beteiligten
weiterhin unglaubliche Ruhe, so dass man nie Angst haben musste, zu spät
zu kommen. Die Abgabe der Kleiderbeutel und die letzten Maßnahmen vor
dem Start klappten ebenfalls reibungslos, so dass ich noch genügend Zeit
hatte, mich einzulaufen und in Ruhe den Startblock aufzusuchen. Ich
dehnte mich noch einmal ausgiebig und stellte fest, dass ich nahezu
schmerzfrei war – der Angriff auf eine neue Bestzeit konnte beginnen.
Der Lauf wurde pünktlich um 18:00 Uhr
gestartet und nach wenigen Metern ging es nach einer Kurve gleich
bergauf.
Meine Renntaktik war klar und ich ließ
mich nicht davon abbringen, als jede Menge Läufer an mir vorbeizogen.
Bei diesem Lauf sind rund 8.000 Marathon-, aber auch Halbmarathonläufer
und Staffelmarathonis gleichzeitig gestartet, was natürlich zu einem
anfänglichen Überholen führen musste. Dadurch war es auch fast
unmöglich, bis man eine Gruppe fand, die einen ähnlichen Zeitplan
einhalten wollte.
Die Beschilderung war erstklassig und
man konnte permanent seine Zeiten überprüfen. Da ich bereits zu Beginn
konstant meinen Plan einhielt, war ich die Sorge, ob ich zu schnell oder
zu langsam anging, schon einmal los. Ein sehr beruhigendes Gefühl!
Das erste Highlight war bei KM 8 der
Place Robert Schuman. Hier war für den Läufer schon einiges los.
Sambatruppen, eine Wand von einigen tausend Zuschauern und überall die
orangefarbenen Tupfer (die Farbe des Hauptsponsors). Von hier bog man in
die nördliche Altstadt ab und es begann die erste „Bergetappe“. Ich
versuchte, nicht übermäßig Gas zu geben und meine Kräfte weiterhin
einzuteilen. Die erste Zeitmessung nach 10 KM bestätigte mich und ich
war mit 44 Minuten exakt im Zeitplan.
Schlagartig fand man sich in einem
Wohngebiet wieder – die plötzlichen Wechsel sollten sich nahezu während
des gesamten Laufs wiederholen. Bei KM 14 sortierte ich mich wieder und
überprüfte Zeit (1 Stunde – voll im Plan) und Gesundheit (keine
Schmerzen in den Beinen). Ohne Probleme konnte ich entspannt
weiterlaufen und die Stimmung auf dem Place Robert Schuman ein zweites
Mal genießen.
Die Strecke führte nun in die Altstadt.
Bei KM 15 trennten sich Halb- und kompletter Marathon. Rechtzeitig
vorher wurde man hingewiesen, sich einzuordnen, und ich war kaum
überrascht, dass der größere Läuferanteil sich für den HM entschied. Wir
liefen nun Richtung Westen in ein weiteres Wohngebiet, natürlich mit dem
obligatorischen Anstieg verbunden. Hier hatte ich mir ursprünglich
vorgenommen, ein wenig Gas zu geben, aber die lange Steigung veranlasste
mich, das Vorhaben zu vergessen.
Ich versuchte nun wieder einen Läufer
oder gar eine Gruppe auszusuchen, die in etwas mein Niveau bzw. meine
Zeit laufen würde, aber es wollte nicht so richtig gelingen. Etliche
Läufer gingen die Steigung noch vorsichtiger als ich an und so musste
ich an ihnen vorbeiziehen.
Nach 1:32:54 Stunden überquerte ich die
HM-Marke und war mir sicher, meine Bestzeit erneut zu verbessern.
Eigentlich wollte ich den
Frühjahrsmarathon in 3:00 beenden; dafür war dieser Lauf aber nicht
geeignet. Trotzdem wollte ich die 3:10 angreifen – eine Verbesserung um
15 Minuten. Mit meinem Zeitplan war ich weiterhin voll im Soll und lief
präzise wie ein Schweizer Uhrwerk die 4:24/km.
Als ich bei KM 28 meine Frau sah, rief
ich ihr zu, dass ich in einer Stunde im Ziel bin. Ich erschrak selbst
fast über diese optimistische Prognose, da der harte Teil ja noch auf
mich wartete. Da ich aber immer noch zeitlich und auch gesundheitlich
auf Kurs war, ging ich die Sache positiv an.
Nur 2 KM später ging es steil bergab in
die nächste Grünzone. Wir liefen nun 60 Meter unterhalb der Altstadt;
von nun an mussten 120 Meter an Höhe überwunden werden.
Ich schaltete nun vollkommen ab und
blendete alles aus, was sich um mich herum abspielte.
Ein kleiner Fehler holte mich aber sehr
bald wieder in die Laufrealität zurück: statt einem Isogetränk griff ich
daneben und hielt nun Cola in der Hand. Keine Panik, Alter, in 10
Minuten kannst Du wieder alles ausmerzen. Ich verschob dadurch auch
meinen Plan, den nächsten Traubenzucker hier einzuwerfen. Leider hatte
ich nicht so viel Glück, da der Reißverschluss meiner Laufhose nicht
mehr aufging und ich nicht mehr an die süße Kraftreserve rankam. Leicht
verärgert, aber trotzdem ruhig schob ich den Frust sofort beiseite.
Der nächste steile Anstieg zurück zur
Altstadt forderte die ersten Opfer. Glücklicherweise gehörte ich nicht
dazu, aber einige Läufer hatten schwer mit sich und der Strecke zu
kämpfen.
Der nun folgende Teil wurde jedoch auch
für mich zur Schwerstarbeit, da es neben dem permanenten Anstieg nun
auch für rund 1,5 KM auf Kopfsteinpflaster weiterging. Auch die nun
folgenden ständigen Richtungswechsel waren nicht sehr hilfreich, da ich
kurzzeitig die Orientierung verlor.
Ich überprüfte noch einmal meine Zeit
bei KM 35 und stellte beruhigt fest, dass ich sehr gut lag. Meine
angestrebten 3:10 waren aber leider kaum noch erreichbar, obwohl ich
noch zwei kurze Abschnitte hatte, in denen es ein wenig bergab oder
zumindest eben voranging. Ich versuchte wieder alles auszublenden und
ging die letzten Kilometer systematisch durch.
Als ich nach etwas mehr als 36 KM in die
unendlich lange Avenue John F. Kennedy einbog, packte mich der erste
Anflug von Euphorie. Ich hatte noch genügend Reserven, um die letzten
Kilometer schneller anzugehen. Aber: jetzt bloß nicht zu früh anfangen!
Nun forderte der Marathon natürlich
seinen Tribut. Reihenweise mussten Läufer aufgeben und gingen eher dem
Ziel entgegen. Die einzigen, die mich jetzt noch überholten, waren
Staffelläufer, die natürlich noch über deutlich mehr Kraft verfügten.
Auch die letzten Halbmarathon-Läufer konnte ich nun überholen – unter
anderem den 99jährigen Faurja Singh.
4,5 KM vor dem Ziel sah ich in rund 200
Metern Entfernung meinen „persönlichen Gegner“ für dieses Rennen. Ein
älterer Läufer, den ich einige Male direkt vor der Nase hatte, der aber
leider immer diverse Abkürzungen fand. Ich hatte mir vorgenommen, den
Herrn noch vor dem Ziel zu überholen – persönliche Genugtuung!
Ich beschleunigte nun und begann erneut
zu rechnen – meine 3:10 waren zwar kaum mehr möglich, aber ich wollte so
nah wie möglich an die Zeit herankommen.
Meter um Meter schraubte ich mich an ihn
heran – um dann festzustellen, dass er den langen Bogen bei KM 40 erneut
nutzte, um abzukürzen. Aber kurz vor dem 41. KM hatte er dann keine
Chance mehr: mit einem leichten Lächeln zog ich an ihm vorbei. Mission
erfolgreich beendet.
Ich spielte die letzten vor mir
liegenden Meter gedanklich noch einmal durch und ein wohliger Schauer
überkam mich, als ich oberhalb der Messe in den mit Kerzen gesäumten
Zielweg einbog. Der Lärm aus der Halle war so etwas wie das Startsignal
für die Ausschüttung des Adrenalins – das Runners High in Vollendung.
Mit einem befreienden Schreien lief ich
in die Messehalle ein und wurde namentlich begrüßt und gratuliert. Nach
3:11:19 überquerte ich die Ziellinie.
Das Gratulieren der Läufer untereinander
tat verdammt gut und auch der große Schluck aus der Wasserflasche war
unbeschreiblich.
Meine Frau war danach völlig von den
Socken, da sie noch überhaupt nicht mit mir gerechnet hat. Auch meine
Warnung bei KM 28 hat sie nicht ganz ernst genommen.
Dank einer starken Vorbereitung und
einer exzellenten Unterstützung meines Freundes und Trainers Mario ist
es mir nun gelungen, innerhalb eines Jahres meine PB um 50 Minuten zu
verbessern.
Am Ende bin ich von 1.053 Finishern 69.
geworden. Bei den Männern von 915 als 66. gewertet worden; in meiner
Altersklasse wurde ich von 146 Läufern 10.
Besonders stolz bin ich natürlich
darauf, als 9.-bester Deutscher angekommen zu sein. Auch wenn die Zeit
dazu nicht gerade überragend ist, aber den Platz kann mir keiner mehr
nehmen – den habe ich nun ein Leben lang!
Auf einer flachen Strecke wäre die
3-Stunden-Marke sicherlich ins Wanken geraten, da ich die Reserven nicht
so lange gehalten hätte bzw. von Beginn an schneller gewesen wäre.
Aufgrund der unsicheren Oberschenkelsache und des Profils bin ich aber
äußerst stolz auf meine Zeit.
Und außerdem braucht man ja auch noch
Ziele für das nächste Mal.
Resümee:
Ein anstrengender, aber schöner Lauf. Es
gibt natürlich diverse Verbesserungen, so wäre eine weitere Zeitnahme
bei KM 30 sinnvoll, da es doch Läufer gab, die mehr als nur ein paar
Meter abkürzten – was das bringen soll, erschließt sich mir immer noch
nicht, da man sich ja letztendlich selbst betrügt.
Die Organisation war erstklassig! Selten
einen derart gut organisierten und angenehmen Lauf erlebt. Die
Chill-Out-Lounge in der Messehalle wurde von mir (und natürlich auch
anderen Läufern) dankend angenommen, um noch das verdiente Siegerbier zu
genießen und auch einen kleinen Snack einzunehmen. Die Stimmung an der
Strecke ist noch ausbaufähig; die Teilnehmerzahl kann ruhig beibehalten
werden – es müssen nicht überall 20.000 Läufer sein. Ich denke, aufgrund
des Profils besteht diese Gefahr auch nicht.
Wann meine (Zeit-)Grenze jedoch erreicht ist, steht noch nicht fest.
Ich bin mir sicher, meine Bestzeit noch zu verbessern. |