Sonntagmorgen bin ich aus meinem Ferienhaus im
Småland zum
Veranstaltungsort Växjö (ca.
100 km entfernt) gefahren, um am
Växjö-Marathon teilzunehmen. Fünf Leute zur Unterstützung sind
mitgekommen! Los ging es bei minus 3° C, weiß gefrorene Feuchtigkeit im Gras,
große Nebelschwaden, aus denen die herbstbunten Bäume des "indian summer" heraus
ragten. Es war eine wunderbare Fahrt zur alten Bischofsstadt Växjö. Bis dahin
hatte sich der Nebel aufgelöst und die Temperatur stieg auf plus 5 Grad, weiße
Wolken verweilten am tiefblauen Himmel, es herrschte Windstille.
Växjö kennen wir bisher vom vielmaligen Durchfahren auf dem Weg von und nach
unserem Ferienhaus. Eingekehrt sind wir bisher nie, wissen aber um die
großartige Seen- und Waldlandschaft rund um die Stadt. Zudem gilt Växjö als
„grünste“ Stadt Europas.
Växjö ist ein altes Handels- und Ausbildungszentrum, wo bekannte Schweden wie
Carl von Linné, Esaias Tegnér und Pär Lagerqvist ihre Wurzeln haben.
Der schöne Dom mit seinen zwei Türmen ist das Wahrzeichen der Stadt. Heute ist
Växjö eine pulsierende Universitätsstadt mit fast 10.000 Studenten. Växjö ist
eine Stadt der Genießer mit kulinarisches Spezialitäten und exzellenten
Restaurants.
Schon zur Eisenzeit betrieb man in Växjö Handel. Laut der Siegfriedlegende kam
der englische Missionar Sigfried als erster christlicher Missionar nach Värend
und baute die allererste Kirche Värends in Växjö. Dies führte 1170 dazu, dass
Växjö zum Bischofssitz und fortan Ziel für viele Pilger wurde. Die Stadt erhielt
Stadtrechte am 13. Februar 1342 von König Magnus Eriksson. Nachweislich gab es
aber schon im 11. Jahrhundert an dieser Stelle eine Siedlung. Auf Grund der Lage
an der alten Grenze zwischen Dänemark und Schweden wurde die Stadt oft
verwüstet, so z.B. 1276, 1570 und 1612, konnte aber auch vom Grenzhandel
profitieren. Mehrfach brannte die Holzstadt Växjö nieder, unter anderem 1799,
1838 und 1843.
Neben ausgedehnten Bootsexkursionen bieten sich Fahrradtouren und Wanderungen,
Besichtigungen von Glasfabriken und Schlössern an. Ein breites
Unterkunftsangebot kommt diesem Wirtschaftszweig zugute.
Die Innenstadt wird dominiert von dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Dom,
der im Lauf der Jahrhunderte mehrmals umfassend restauriert wurde. An seiner
Ostseite steht der Runenstein am Dom zu Växjö. Südlich des Doms erstreckt sich
der Linné-Park. In Växjö befinden sich mehrere Museen, darunter das
Auswanderermuseum Utvandrarnas Hus und das schwedische Glasmuseum (Teil von
Smålands Museum). Im Stadtteil Teleborg findet sich das am Campus der
Universität gelegene Schloss Teleborg, ein historischer Bau von 1900. Sehenswert
ist auch die Schlossruine Kronoberg, fünf Kilometer nördlich der Stadt.
Växjö ist die zentrale Einkaufsstadt und bildet das Verwaltungszentrum der
Region mit der Provinzverwaltung und dem Bischofssitz. Durch die Universität
Växjö entstanden ebenfalls Arbeitsplätze im akademischen Bereich. Die
Glasindustrie ist durch das Glasforschungsinstitut Glafo vertreten. Durch die
Lage in waldreichen Gebieten war auch die Forstwirtschaft einst ein wichtiger
Wirtschaftszweig.
Doch zurück zum Marathonlauf.
373 Starter waren am Start, ich lief für meinen schwedischen Verein
Målilla-Mörlunda Ski, bei dem ich seit 1999 Mitglied bin. Die Besonderheit des
Växjö-Marathons: Es sind 8 Runden um den zentral in der Stadt gelegenen See zu
absolvieren, die Strecke führt durch den Stadtpark, durch Alleen und durch
Wohngebiete.
Eigentlich wollte ich einen Spaßlauf machen, also keine Zeitvorgabe beachten.
Aber der Ehrgeiz ...
Erster KM in 4:05 Minuten. Schwachsinn! Ich reduzierte das Tempo etwas und besah
mir die Skulpturen am und im See, den Springbrunnen. Die warme Herbstsonne hatte
viele Schweden in den Park gelockt, die Gastronomie hatte für Sitzgelegenheiten
an der Promenade gesorgt. Man schaute zu, aber eine richtige Begeisterung kam
bei den Zuschauern nicht auf. Keine Trommler, keine Sambabands, nur hin und
wieder das typische „Heja, heja“ oder „bra jobbat“ wurde uns zugerufen.
Die Durchgangszeit bei Halbmarathon: war mit etwa 01:40 immer noch viel zu
schnell, mindestens zehn Minuten unter meiner Planzeit. Wo war meine Erfahrung
aus 12 Läuferjahren und 20 Marathonläufen geblieben? Anfängerfehler!
Die Rache folgte bald: Schmerzen, später Krämpfe im Oberschenkel, Po und Rücken.
Ich lief krumm wie ein Flitzebogen. Bei KM 25 wollte ich aussteigen, habe mich
mehrfach in den kommenden Runden massieren lassen. Meine Schlachtenbummler
sorgten dafür dass an Aufgaben kaum zu denken war! Das motivierte zwar, ließ die
Schmerzen aber kaum weniger werden.
Aber getreu dem Motto "Ich höre nur dann auf, wenn ich mit dem Krankenwagen
abtransportiert werden muss" lief ich - verlangsamt - zum bitteren Ende weiter.
Aber immerhin: 03:43:51 als Zielzeit war gut durchschnittlich. Der Lohn: Platz
143 von 376. Ich wusste, ein Podestplatz in der Altersklasse konnte nicht
herausspringen, denn in Skandinavien ist das Laufniveau doch etwas höher als bei
uns. So verließen wir die Veranstaltung und besuchten in der Altstadt ein
Restaurant. Abends sahen wir uns ein Eishockeymatsch der „Växjö Lakers“ aus der
ersten schwedischen Liga an. Växjö gewann 3:2 gegen Timrå.
Am nächsten Morgen studierte ich im Internet die Ergebnisse des Marathons und
stellte fest, dass die Distriktmeisterschaften von Småland in den gestrigen
Marathonlauf integriert waren. Unter der Altersklasse M55 fand ich an erster
Stelle meinen Namen! Ich war somit der amtierende Distriktmeister Småland/Südschweden
für 2011.
Natürlich waren alle Schmerzen vergessen, wer wird schon Meister, und das im
Ausland? |