Wer waagt, gewinnt!
Meine Frau ist eifersüchtig auf TANITA. Dabei
ist überhaupt nichts passiert. Doch TANITA steht mittlerweile zwischen uns. „Ich
halte es mit ihr nicht mehr aus! Entweder sie oder ich!“, droht mir die
Läuferfrau. Oh, TANITA. Wer ist sie? Sie ist flach, weiß, man muss sie kurz
treten, damit sie anspringt, dann stillhalten – und dann … stöhnt der Querläufer
laut auf. Mein Gejammer dringt aus dem Bad auf den Flur. Ich stehe auf unserer
TANITA-Körperfettwaage. „Hilfe, mein Mann leidet unter einer Sucht – dem
Wiegen!“ Das jedenfalls behauptet meine liebe Frau.
Doch was soll ich machen? Der Weihnachtsstollen
ist verputzt, die Plätzchenbüchsen sind leer gegessen und die Weihnachtsgans hat
das zeitliche gesegnet. Mein Appetit auf deftiges Winteressen ist vorübergehend
gestillt. TANITA zeigt einige Kilo mehr an als vor der Winterpause. Volle
Deckung, die Auswahl der Frühjahrsdiät steht an. Zeitschriften, Fernsehen und
Radio bombardieren uns mit Diäten. Spätestens zum Beginn der Fastenzeit wird aus
theoretischem Unfug praktischer Quatsch. Das neueste
Atkins-Glyx-Sonstwas-Diät-Korsett ist in aller Munde. Essen soviel sie wollen
und dabei Abnehmen!
Der Querläufer beginnt sich langsam auf das in ca. drei Monaten unerbittlich
über uns hereinbrechende Frühjahr vorzubereiten. Langsame Dauerläufe durch den
Landkreis, Crossläufe und Fahrtspiele im Winterwald. Das bedeutet, die
Wettkampfsaison steht bevor. Jedes Gramm zuviel drückt meine Laufzeit nach oben.
Dazu kommt noch, dass die Läuferfrau langsam beginnt, mich mit noch kritischerem
Auge als sonst anzusehen. Dieser Blick ist wohl bekannt. Sie verdreht die Augen,
wenn ich mit TANITA zusammen bin.
TANITA ermahnt mich zur Bewegung. Also
Laufschuhe geschnürt und raus an die frische Luft. Na prima, denke ich mir. Mann
hat es nicht leicht. Es pfeift in meinem Ohr. Tinnitus? Nein! Mir klingt es noch
von heute morgen im Ohr: „Du mit Deiner dämlichen Sucht, der Wiegerei!“ Dabei
stimmt es überhaupt nicht, dass ich ein Problem mit dem Wiegen habe. Der Wind
weht mir entgegen. Ich stemme mich dagegen. „Sucht?“, denke ich mir. Schmarrn!
Das schöne am Laufsport ist doch folgendes: Wir Läufer müssen uns nicht lange
Gedanken machen über Nährwerttabellen. Unser Körper gleicht einem Brennofen. Je
mehr Brennmaterial, desto mehr Energie wird verbrannt. Wir können einfach
reinhauen und losrennen. Weg sind die Kilos!
Aber zugegeben: Morgens, nach dem Laufen und vor
dem Duschen, stelle ich mich besonders gern auf die Waage. Steige wieder
herunter. Wieder drauf. Selten zeigt sie beim zweiten Mal etwas anderes an. Ich
überlege dann, ob ich am Wochenende mal wieder einen langen Lauf machen sollte.
Manchmal ist es auch ein Wettkampf. Denn schnelles Laufen verbrennt natürlich
auch mehr. Natürlich haben wir ein digitales Gerät. Logisch! Bis auf zwei
Stellen hinter dem Komma zeigt es die Wahrheit an. Einfach unbestechlich. Ich
staune zum Beispiel immer wieder darüber, dass wiegen nach dem Frühstück locker
3 Kilo mehr ausmacht. Unglaublich, wie ein Capuccino im Magen ins Gewicht
fällt.
Ein kleines Laster habe ich allerdings. Der Dr.
Jekyll in mir ernährt sich tagsüber von Äpfeln und Salaten. Doch wenn die Nacht
kommt, dann erwacht Schoko-Mr.-Hyde und macht sich über Süßigkeiten her. Kein
Problem. Wie auch heute, reguliert sich mein Gewicht beim Laufen von selbst. Die
Waage dokumentiert meinen Sieg über die Trägheit, wie die Ergebnisliste von
einem Wettkampf ganz klar die Platzierung feststellt. Doch meine Frau bleibt
dabei: „Seit die Waage bei uns ist, wiederholt sich dein Kreislauf täglich.
Wiegen, gute Vorsätze fassen, nicht durchhalten, schlechtes Gewissen bekommen,
am nächsten Morgen laufen und wieder wiegen.“
Eine Erklärung für dieses Phänomen habe ich trotz jahrelangen Nachsinnens nicht
gefunden. Ich weiß nur, dass es regelmäßig wiederkehrt. Gerade jetzt, in der
gefährlichsten Jahreszeit.
Run happy and smile!
Euer Querläufer |