1.Rennsteig-Nonstop - 168,3 km von Blankenstein nach Hörschel in maximal 28
Stunden
Übersichtskarte zum Rennsteig-Wanderweg
Vorgeschichte
Beim Spartathlon 2012 irgendwo auf der Strecke von Athen nach
Korinth lief Gunter Rothe auf mich auf und erzählte mir unter anderem, dass das
Lauffeuer Fröttstädt plant 2013 den Original Rennsteigweg Nonstop zu
organisieren. Ganz spontan sagte ich ihm, dass er mich „blind“ auf die Liste
setzen könne, denn das war schon immer mein Wunsch gewesen, ohne zu wissen, was
da auf mich zukommt.
Als ich Anfang November die Ausschreibung in der DUV Veranstaltungsliste las,
habe ich mich sofort um die Einladung beworben.
Der Rennsteig-Nonstop sollte mein läuferisches Highlight 2013
werden. Den „Feinschliff“ für diesen Lauf holte ich 2 Wochen vorher in
Ruhpolding. Meine Tochter scheuchte uns tagsüber die Bergsteige im
Chiemgauergebirge hoch, der Schweiß floss in Strömen und am Nachmittag, während
Frau und Tochter im schönen Weitsee baden gingen, spulte ich meine Laufkilometer
herunter.
Der Lauf
Am 30.08. um 13:30 fuhren wir nach Blankenstein. Meine Frau
und meine Tochter wollten mit dabei sein um mich im Auto zu begleiten.
Beginn des Rennsteigs in Blankenstein
An der ehemaligen Zonengrenze
Nachdem Briefing durch Gunter Rothe, der uns darauf
aufmerksam machte, dass wir dem weißen „R“ folgen sollen und nachts nicht den
Brunftrufen der Hirsche folgen - ich hatte persönlich vorher eher Befürchtungen
wegen Wildschweinattacken- ging es dann um 18:00 Uhr los. Im Laufrucksack hatte
ich 1,5 Liter Flüssigkeit, Wechselklamotten und die Stirnlampe.
v.l.n.r.: Edgar Mücke, Dieter Ulbricht (hervorragender 9.),
Armin Wolf
Kurz nach dem Start mussten wir bereits feststellen, dass es
gar nicht so einfach ist aus dem Ort zu kommen, denn ein Teil der Läufer ging
rechts den Berg hoch, die anderen hielten sich links. Ich vertraute auf die
GPS-Spezialisten neben mir und ging rechts hoch, es war gleich zu Beginn ein
Umweg. Das kann ja heiter werden!
Gemeinsam liefen wir in den Abend hinein und wurden mit einem
herrlich-kitschigen Sonnenuntergang auf den Weg nach Brennersgrün belohnt. Dort
am ersten VP warteten Frau und Tochter. Ich zog mich um, langes T-Shirt, ¾
Laufhose. Angeblich sollte es über Nacht nur einstellige Temperaturen haben,
also steckte ich noch ein dickeres Laufhemd und meine Laufjacke in den Rucksack.
Die Läufer mit Fahrradbegleitung hatten es da einfacher, sie mussten kein Gepäck
mitschleppen.
Auf dem Weg zur Kalten Küche in Tettau wurde es dann schon heftiger, die Wege
des Originalrennsteiges sind alles andere als normale Wanderwege. Schmale Wege
auf und ab mit unzähligen Baumwurzeln, loses Steinzeugs etc. erschweren in der
Nacht ein schnelles Weiterkommen. Ich lief immer wieder in einem kleinen Pulk
von Läufern mit „Navi“. Ralf Simon war auch dabei und wir schafften es immer
wieder uns kurz zu verlaufen. In der Dunkelheit ist es doch nicht so einfach das
weiße „R“ zu finden, dabei ist die Nacht noch sehr lang.
Bei der Kalten Küche vermisste ich meine Autobegleitung, aber die haben versucht
irgendwo ein Abendessen für sich zu finden, was offenbar nicht leicht war. Sie
verfehlten mich dort um wenige Minuten, also füllte ich meine Trinkflaschen am
VP auf und lief mit Ralf und einigen anderen nach Limbach zum nächsten VP.
Wenige Kilometer nach der Kalten Küche -stockfinstere Nacht, wurzliger, unebener
abfallender Untergrund- sah ich im Schein meiner Stirnlampe ein grünes „Etwas“
auf mich zu kommen. Die Handschuhe, die ich schon länger trug schützten Hände
und Gesicht. Die beiden Trinkflaschen in den Seitenteilen meines Rucksackes
überholten mich und ich verspürte einen stechenden Schmerz am Knie. Ich lag
erstmal völlig bedeppert am Boden. Ich kenne das Geläuf vom Rennsteiglauf, wo es
mir schon öfters gelungen ist mit aufgeschürften Knien in Schmiedefeld
anzukommen. Aber ich wollte nach Höscherl laufen und nicht hier meinen Lauf
beenden. Ich rappelte mich wieder auf, das rechte Knie schmerzte, blutete und
war nach kurzer Zeit leicht geschwollen. Ich war wegen meiner eigenen
Unkonzentriertheit total verärgert. Der Sturz hatte wenigstens ein Positives.
Ich war jetzt hellwach.
In Limbach wartete meine Frau auf mich. Die Tochter schlief im Auto. Ich selbst
wollte hier etwas ausruhen, also setzte ich mich auf den Beifahrersitz und döste
für 15 Minuten. Das tat ungemein gut, denn nach Limbach folgte die längste
Etappe nach Dreiherrenstein.
Bepackt mit drei vollen Trinkflaschen, die Ersatzlampe hatte ich wieder
vergessen, lief ich mit drei, mir unbekannten Laufkameraden Richtung VP 4. Nach
etwa einer halben Stunde holten wir Ralf Simon wieder ein, der bis dorthin
alleine unterwegs war. Hier entschloss ich mich, die Nacht mit Ralf zu laufen,
er hatte ein „Navi“, die hellere Stirnlampe und lief vor allen Dingen immer
vorsichtiger, wenn die Wege, vor allem abwärts gefährlich wurden. Ralf möchte in
einem Monat den Spartathlon laufen und auch ankommen. Der Untergrund auf diesem
Abschnitt war in der Dunkelheit und wahrscheinlich auch unserer Müdigkeit wegen,
sehr schwierig zu laufen. Ralf entschloss sich, während das Morgengrauen aufkam,
beim VP Dreiherrenstein aus gesundheitlichen Gründen auszusteigen. Der Tag brach
an und wir kamen am VP an. Andrea erwartete uns. Im Zelt trafen wir Rainer
Leyendecker, den ich für einen Mitfavoriten für die ersten Plätze hielt,
sichtlich geschafft von den Strapazen. Er meinte, dass er noch bis zum
Grenzadler läuft und den Lauf dort beendet.
Links: Ralf Simon in Dreiherrenstein
Nachdem Ralf auf den Transport nach Höscherl wartete, machte
ich mich gestärkt von Brühe mit etwas Nudeln, alkoholfreiem Bier und Cola auf
den Weg zum Grenzadler. Eine oder zwei Tassen Kaffee wären mir lieber gewesen.
Die Nachtklamotten hatte ich noch an, packte dafür kurze Laufhose und frisches
T-Shirt in meinen Rucksack. Die Handschuhe wollte ich bis zum Grenzadler
anlassen.
Ich lief am Anfang sehr zügig los, bezahlte beim nächsten Anstieg die Rechnung,
als ich weit vor mir 2 Läufer entdeckte, dass mein Magen die Stärkung nicht
akzeptierte und sie aus meinen Körper schleuderte. Für die 18 Kilometer zum VP
mussten 2 Trinkflaschen ausreichen.
Am Bahnhof Rennsteig vorbei Richtung Schmücke holte ich die
beiden Laufkameraden ein. Wir liefen gemeinsam weiter. An einer Anhöhe hielt ich
an, um meine Schuhe von den Steinchen zu befreien, die auf meine Sohlen
drückten. Danach lief ich geradeaus weiter und übersah dabei die Abzweigung mit
dem weißen „R“, welches ich völlig ausblendete, weil der Weg angenehm war. Ich
lief zügig bergab und wunderte mich, dass ich die beiden Läufer nicht sehen
konnte. Ich konnte auch keine weiße Markierung mehr finden. Wo war die letzte?
Ich lief dennoch weiter bis ich irgendwann eine Abzweigung nach Stützerbach sah.
Ich blieb stehen. Bergauf kam gerade in diesem Moment ein Mountainbiker, der
vermutlich Begleiter eines Läufers war und der nur kurz sagte: “Ich habe
Kilometerweit kein weißes „R“ gesehen, wir müssen den Weg zurück!“ „Sch.....!“,
den ganzen Berg wieder hoch laufen, wie toll! An der richtigen Abzweigung oben
wartete er auf mich. So habe ich eine knappe halbe Stunde verloren, außerdem
ging so langsam mein Trinkvorrat zu Ende. Ich muss aber noch hoch zu Schmücke
und dem großen Beerberg. Ich dachte, dass nach dem Beerberg der Grenzadler
kommt, also trank ich den letzten Schluck Wasser am Beerberg.
Was ich völlig verdrängt hatte, war das Rondell und danach geht es nochmals
aufwärts und dann hinab zum Grenzadler. Der Durst wurde immer größer. Endlich
kam der Grenzadler.
Rast am Grenzadler
Andrea und meine Tochter empfingen mich. Ich trank Wasser,
Cola und alkoholfreies Bier. Eine Salzstange kaute ich lustlos, weil ich einfach
nichts Essen wollte. Es musste sein. Während ich so „betröppelt“ auf der Bank
saß, meinte Andrea kurz und trocken: „Wenn Du jetzt aufgibst, dann komme ich nie
mehr zu einem Lauf mit! Du freust Dich seit November auf diesen Lauf und hast
Dich dafür vorbereitet.“ Dabei dachte ich überhaupt nicht ans aufgeben.
Stattdessen ging mir durch den Kopf, dass ich diesen Lauf niemals unter 24
Stunden schaffen werde, obwohl das mein Vorhaben war. Wahrscheinlich war mein
Gesichtsausdruck so depressiv, das zu dieser Vermutung führte. Der „Arschtritt“
von Andrea stachelte mich so an, dass ich jetzt auf alle Fälle versuchen wollte,
die 24 in Hörschel zu erreichen.
Ab jetzt lief ich wieder mit drei Trinkflaschen a 0,5 l weiter Richtung VP 6
Neue Ausspanne. Der Weg zum VP 6 war sehr angenehm zu laufen. Das Wetter war
angenehm warm. Kurz vor dem VP, den jeder vom Rennsteiglauf kennt, wurde ich von
meinen beiden Frauen empfangen, die mir mitteilten, dass ich am VP Bratwürste
und Pfannkuchen essen könnte. Mir war nach gar nichts, außer der Brühe, dem
alkoholfreien Bier, Cola und Wasser. Aber genau da strahlten mich die Kartoffeln
mit Salz an. Die nächsten VP`s wollte ich alleine erreichen, denn es war schon
immer ein Wunsch meiner Frau sich die Wartburg in Eisenach anzuschauen. Ich
packte vorsichtshalber meine Stirnlampe in den Rucksack und verabschiedete mich
bis zum Ziel in Hörschel.
Vom Rennsteiglauf wusste ich, dass der Anstieg zum Inselsberg
beschwerlich wird, dass der Originalrennsteig aber etwas anders und noch
heftiger verläuft, dass war eine neue Erfahrung, die ich aber gemeistert habe.
Die wirklich steilen Treppen mit zum Teil morschen Holz können mit jedem
Aufstieg im Gebirge mithalten und das bei Kilometer 130, der pure Wahnsinn!
Oben angekommen, kurze Rast, „aufgetankt“ mit den gewohnten Sachen, war ich ab
jetzt nur noch zielorientiert. Was danach kam war allerdings alles andere als
leicht. Warum heißt dieser Wanderpfad „Rennsteig“, wenn man dafür eigentlich
vier Beine bräuchte? Immer die Uhr im Blick und total fokussiert auf dieses
weiße „R“ ging es Richtung Hohe Sonne, dem letzten VP vor Hörschel.
Die Verpflegung auch dort war tadellos, wie überall auf dem langen Weg. Ich
erhielt dort die Nachricht, dass ich an 38. Stelle bin – war mir eigentlich „wurscht“
– ich hatte immer noch die 24 im Kopf. Die letzten 15 km werden doch wohl nicht
so schwierig werden. Mit einigen Tipps, wegen dem weißen „R“ und den
Abzweigungen, die zu beachten sind, lief ich die letzte Etappe und die hatte es
in sich. Ich kam mir vor wie beim „Wellenreiten“, hab`s noch nie gemacht, aber
es war gefühlt unendlich lang. Ich überholte viele Läufer, die einfach nicht
mehr laufen konnten oder wollten. Wenn das so weitergeht, schaffe ich die 24:59
nicht, Gedankenkreisen ohne Ende, aber ich will diese 24 unbedingt haben. Also
weiter. Während des gesamten Laufes habe ich kein Wildschwein gesehen und es hat
auch keines angegriffen, aber irgendwann bin ich über die “Wilde Sau“ gelaufen
und hatte keine Angst! Dann ging’s durch Clausberg und eine Feiergemeinde im
Zelt wünschte mir alles Gute, aber die Zeit rannte davon. Die Kilometer wurden
immer länger und länger und es kam immer wieder ein „verdammter“ Hügel oder auch
„Huppel“ nach dem anderen. Kurz vor dem Ziel überholte ich den letzten
Laufkamerad, der total erschöpft war und nur noch ging.
Innerlich zufrieden und glücklich kam ich um 18:45, nach
24:45, in Hörschel zum Rennsteigbeginn im Ziel an. Ich wurde sehr herzlich von
meinen beiden Frauen und Gunter Rothe empfangen. Kaputt, tolle Sache, die 24
geschafft!
Die Glücksgefühle entwickelten sich einige Tage später. Im Ziel traf ich unter
anderem Hubert Karl, der einen für mich schönsten und anspruchvollsten Marathon
in Zeil am Main im November organisiert und der sich wunderte und nicht wusste,
wo er mich überholt hatte, das wusste ich schon!
Ich hatte mein Duschzeug zuhause vergessen. Ärgerlich, aber
ich hatte keine rechte Lust zum Duschen, sondern wollte einfach nur nach Hause.
E.T. lässt grüßen!
Die verdiente Finishermedaille
Von den 109 gestarteten Läuferinnen und Läufern in
Blankenstein erreichten 6 Frauen und 60 Männer das Ziel in Hörschel.
Fazit
Ein herausragender Lauf, äußerst schwierig zu laufen, ganz
besonders in der Nacht, super „bestückte“ Verpflegungspunkte mit total
zuvorkommenden und immer hilfsbereiten Helfern. Die Wanderer auf der Strecke
unterstützten uns mit positiven und wertschätzenden Kommentaren. Die Medaille,
beeindruckend, hat einen besonderen Platz in unserem Haus!
Übrigens:
Kein Hirsch hat trotz Brunftzeit in der Nacht einen Läufer angemacht. Es wäre
auch sehr verwunderlich gewesen, denn welcher Hirsch würde sich mit einem
Zweibeiner einlassen, der an der Stelle, an der ihm anziehende, erotische Blicke
anstrahlen, er von einem künstlich-grellen Lichtstrahl geblendet wird?
Links
Internetseite des Veranstalters:
http://www.rennsteig-nonstop.de