Als ich zum ersten Mal vom "Cami de Cavalls" gelesen habe
dachte ich, dass die Kreativität der Veranstalter, den Läufen Namen zu geben,
immens groß ist.
Der "Cami de Cavalls",
der "Weg der Pferde" auf Menorca
ist aber keine Namenserfindung von Victor, dem Veranstalter, sondern es ist ein
harter Trail rund um die Insel, über den es Bücher in allen Sprachen gibt.
Wie konnte es sein, dass ich davon noch nicht gehört hatte?
Überhaupt, Menorca? Da war ich ja noch nie. Menorca, "die Kleinere", direkt
neben Mallorca, das "die Größere" heißt, ist aber eine richtig Große im Konzert
der spanischen Inseln. Menorca ist wirklich unglaublich schön, grün, nicht allzu
touristisch, naturbelassen. Große Hotelkomplexe findest Du nicht, auch keinen
"Ballermann", keinen "King Currywurst" und auch von J. Drews und seinen ewig
jungen Partyfreunden bleibst Du verschont. Keiner der Menorca-Urlauber hat einen
von denen vermisst.
Was Du aber dort bekommst, sind beispielsweise der
zweitgrößte Naturhafen der Welt, einsame Landstriche mit ständig sich ändernder
Bewachsung. Mal fühlst Du Dich in den Bergen der schottischen Highlands, mal in
der Heide Norddeutschlands, mal bist Du auf Sandstränden, mal in pittoresken
Wäldern, mal hoch über dem Meer mit Ausblicken, die Dich träumen lassen. Und Du
bekommst den "Cami de Cavalls". Dieser rund um die Insel verlaufende Trail ist
ideal für Läufer, für Mountainbiker, für Reiter, für Wanderer und er ist so gut
ausgeschildert, dass ein Verlaufen kaum möglich ist. Alleine die in den Boden
gerammten Weg-Schilder zu sehen ist die Reise auf diese Insel wert.
Oleta Adams hat in ihrem Lied "Get here" gesungen:
You can reach me by railway,
you can reach me by trailway,
you can reach me on an airplane,
you can reach me with your mind.
You can reach me by caravan,
cross the desert like an Arab man
I don't care how you get here,
just - get here if you can.
Genau das könnte auch die Insel Menorca auch Dir zurufen.
Egal wie, ob mit dem Zug, dem Flugzeug, mit dem Schiff oder sonst wie: Geh‘
dahin, wenn Du kannst!
Es werden neben zwei mittellangen Trecking-Strecken drei Lauflängen angeboten.
Da sind die landschaftlich schönsten 100 Kilometer im Norden zu einem Bewerb
zusammengefasst und da sind die 85 Kilometer im Süden, die von den Cracks
gelaufen werden. Und natürlich gibt es auch für die Nimmersatten unter uns die
komplette Runde, 185 Kilometer rund um die Insel.
Damit da keine Zweifel aufkommen: eine Uferpromenade rund um die Insel ist das
nicht. Es ist und bleibt Trail und es ist technisch recht anspruchsvoll.
Ich selbst habe die gut 2.800 Höhenmeter auf der Gesamtstrecke deutlich
unterschätzt, klingen sie doch leichter, als sie sind.
Am Freitag um 9 Uhr in der Frühe ist es schon sehr warm, wenn es in der
vielleicht schönsten Stadt der Insel, in
Ciutadella, los geht. Auf
den ersten Kilometern bestätigten sich noch meine Vorurteile über eine eher
einfachen Trail. Aber dann, wenn Du die Stadt verlässt, das letzte Hotel
passiert hast, dann zeigt sich Menorca in seiner ganzen Pracht.
Das Schöne an Menorca ist, dass es auf der Insel nur eine
Hauptstraße gibt, quer und mitten durch die Insel. Und vor dieser Straße aus
gibt es nur Stichstraßen an die jeweiligen Küsten im Norden oder Süden. Und
diese Situation führt dazu, dass Du immer zwischen den Verpflegungspunkten, die
meist in einem den wenigen kleinen Städtchen aufgebaut waren, nichts hast außer
Natur. Kein Haus, kein Mensch, einsame Strände, einsame Trails. Nur Vögel ziehen
ihre Kreise über Dir, Kühe schauen Dich gelegentlich aus tiefbraunen Augen an
und manches Pferd siehst Du auf seiner Koppel.
Selbst an den beiden Veranstaltungstagen bist Du schon nach wenigen Stunden
alleine auf dem Trail durch eine Landschaft, die sich beinahe alle 10 Kilometer
dramatisch verändert.
Keine der Passagen ist so, dass ich sie als eine „ultimative Erfahrung“
bezeichnen würde, aber die Vielseitigkeit, dieser Wechsel vollkommen
unterschiedlicher Landschaften hintereinander, diesen Wechsel habe ich bislang
nicht einmal annähernd so schon mal erlebt.
Weite Graslandschaften, wunderschöne Wälder, so wunderbar verwunschen, lange
Sandstrände, die einen Italiener, sich wohl beim „Marathon des Sables“ wähnend,
zur Entscheidung gebracht hat, die bekannten MdS-Gamaschen, die über den ganzen
Schuh hinweg gehen, auch für diesen Lauf zu wählen.
Und Du passierst Gatter auf Gatter. Gegen den oft starken Wind gibt es sehr
viele Natursteinmauern, die Feld von Feld abtrennen und alle sind mit den
berühmten menorca-typischen Holzgattern versehen. Und diese Tradition wird auf
Menorca so sehr gelebt, dass sich auch die „Reichen und Schönen“ diese Gatter
vor ihre Villen setzen.
Ein Verpflegungspunkt liegt in einem Städtchen, wo alle Häuser weiß eingedeckt
sind, ein Bild für die Ewigkeit, ein Zauber geht davon aus, der mich bewogen
hat, Menorca als Ziel für unseren nächsten Familienurlaub in eine allerengste
Wahl zu ziehen. Natürlich würden wir dann auch wieder auf dem "Cami de Cavalls"
sein, aber dort dann eher wandernd oder Mountainbike fahrend.
Spätestens, wenn Du mal wieder zwei, drei Stunden auf einem
Abschnitt zwischen zwei VPs unterwegs warst, in dieser Zeit niemanden gesehen
hast, so lange niemanden gehört hast und aus dem Staunen über die Landschaft
kaum heraus gekommen bist, dann weißt Du, warum es in der Bibel in etwa so
heißt: „Am siebten Tag schuf Gott erst Menorca, dann die Pferde und dann den "Cami
de Cavalls", damit die Pferde dort einen langen und verzaubernden Weg haben.“
Und doch gibt es auch in der unbewohntesten Gegend feste Behausungen. Eine große
Wetterstation aus mehreren Gebäuden, für die eigens eine lange, schmale
Zufahrtsstraße ins „middle-of-nowhere“ existiert, Leuchttürme, die die Schönheit
der Insel widerspiegeln und um die 200 alte pyramidenartige Bauten, von denen
niemand recht weiß, warum diese vor vielen Jahrhunderten gebaut wurden.
Die Nacht brach gegen 21 Uhr ein, ich erreichte bei gerade
noch ausreichenden Lichtverhältnissen den VP in Es Grau, ich merkte, wie sehr
mir die Sonne und die Hitze des Tages zugesetzt hatten, trotz reichlich
Sonnencreme spannte vor allem die Haut auf der Stirn. Es ist ja immer das
gleiche. Du cremst Dich ein, aber der Schweiß rinnt und mit dem Wegwischen des
Schweißes wischst Du Dir auch den UV-Schutz weg.
Nun, mit Kopflicht bewaffnet, lagen aber die Hitze und die Sonnenstrahlen hinter
mir und es wurde nach dem sehr heißen Tag frisch und kalt. Man sah den
kondensierenden Atem vor dem Gesicht und der Temperaturunterschied, die
Müdigkeit und das Wissen darum, dass ich schon eine Woche später in England am
Grand Union Canal entlang laufen würde, ließen mich in der Nacht noch den Bewerb
tauschen und ich entschied mich, statt der gesamten Runde (CdC, Cami de Cavalls)
es bei den 100 Kilometern des „Costa Nord“ bewenden zu lassen.
Ich war leer und alle nach diesen 15 Stunden und 2 Minuten,
als ich in El Castell eintraf. Gerade war Mitternacht gekommen, der Mond hing
kalt und groß über der Landschaft, ich hatte fast Panik wegen der am nächsten
Tage erneut folgenden Hitze, dem Sonnenbrand und der Hitze und so nahm ich die
weiche Matte in der Turnhalle gerne als Schlafplatz für die Nacht an.
Ich erhielt mein gutes, flauschig-weiches und poppiges Finisher-Shirt und meine
Medaille.
Alles war gut.
Und jetzt, wieder zurück in Deutschland, denke ich: Get there if you can! |