Aasiaat Midnight Sun Marathon am 24. Juni 2016 - Bericht und Bilder von
Jürgen Sinthofen
Das Highlight meines Laufjahres, Grönland, schon lange mein Traumziel. Endlich
war es soweit. Auf der größten Insel der Welt mit nur knapp 60.000 Einwohnern
gibt es zwischen den verschiedenen Städten keine Landverbindungen. Aus diesem
Grund ist die Planung einer Grönlandreise aufwändig und auch teuer, da alle
Strecken geflogen werden müssen. Und es gibt nur eine Fluggesellschaft, ein
Monopol (außer ein paar Flügen ab Island) mit entsprechenden Preisen. Das Schiff
ist noch teurer und nicht so oft unterwegs.
Nach viereinhalb Stunden Flugzeit mit Air Greenland von Kopenhagen aus war
Kangerlussuaq, der internationale Flughafen Grönlands erreicht. Zwei Stunden
später ging es mit einem kleinen Flugzeug weiter nach Aasiaat, 40 Minuten
Flugzeit. Die fünftgrößte Stadt Grönlands mit 2.500 Einwohnern liegt nördlich
des Polarkreises an der Diskobucht – das versprach Mitternachtssonne und
Eisberge!
Am Flugplatz wurde ich von Dorannguaq und Nuka, meinen Gastgebern für zwei Tage,
erwartet und wir fuhren die knapp 3 km vom Flugplatz zu ihnen nach Hause. Das
Haus lag ca. 50m hoch am Hang mit herrlichem Blick auf die Diskobucht und die
vorgelagerten Inseln. Dies versprach Walsichtungen zwischen den vereinzelt vor
sich hin dümpelnden Eisbergen.
Am Donnerstag Nachmittag gingen wir dann in die Stadt und ich meldete mich bei
Anuni, einem Gemischtwarenladen mit relativ großer Sportabteilung, für den
Marathon an. Eine Voranmeldung von Deutschland aus war nicht möglich, der lokale
Skiclub ASP organisiert den Aasiaat Marathon aber seit 1994 aber routiniert.
Trotzdem ist ein komisches Gefühl, diverse teure Flüge zu buchen und außer
meiner Kontaktperson Arqaluk vom örtlichen Radiosender keine weitere Homepage
oder ähnliches als Informationsquelle zum Marathon zu haben. Immerhin postete
Arqaluk ab und an etwas in Facebook, was doch etwas beruhigte (
https://www.facebook.com/groups/63598389897/?fref=ts )
Die Startgebühr von ca. 40 Euro beinhaltete ein Baumwoll-T-Shirt, eine
Medaille und ein Abendessen am Samstagabend mit Siegerehrung und
Urkundenübergabe. Leider konnte ich an dieser Feier wegen des bereits gebuchten
Weiterfluges nach Ilulissat nicht teilnehmen.
Aasiaat Midnight Sun Marathon 2016, Grönland
Vor dem Start, ganz rechts Klaus Westphal und meine gastgebende Familie
Freitag, Marathontag. Sehr ungewöhnlich, da das Rennen erst um 21 Uhr gestartet
wurde. Also etwas in der Stadt spazieren gehen und die wenigen
Sehenswürdigkeiten besichtigt. Gegen Abend wurde meine Gastfamilie aktiv,
Dorannguaq lief auch den Marathon, ihre beiden kleinen Töchter den 4,2km Lauf.
Gegen 20 Uhr ging es zum Start unterhalb der Kirche. Der halbe Ort schien
unterwegs. Auch Aktive z.B. aus Sissimut, die in der Nacht mit dem privaten
Motorboot 6,5 Stunden von Sissimut über das offene Meer nach Aasiaat gefahren
waren, waren am Start.
Es waren ca. 7°C plus, es wehte ein leichter Wind und es begann wieder zu
nieseln. Eine Musikgruppe installierte ihre Instrumente auf einer Bühne und die
Aktiven machten sich in einer total lockeren Atmosphäre startklar. In einer
Holzbude konnte man seinen Kleiderbeutel ablegen und sich umziehen, Duschen gab
es keine.
Noch Zeit genug für eine Unterhaltung mit Klaus, einem Frankfurter, welcher
bereits in 117 verschiedenen Ländern Marathon gelaufen ist und damit
„Vizeweltrekordhalter“ nach John Wallace aus den USA mit 127 Ländern ist. Auch
ein gebürtiger Deutscher mit jetzt norwegischer Staatsangehörigkeit, der am
örtlichen Gymnasium lehrt, war am Start. Ansonsten nur Einheimische.
Nach einer längeren Rede in Grönländisch vom Präsidenten des Skiclubs und eines
Gemeinderatsmitgliedes formierte man sich an der imaginären Startlinie.
21 Uhr, es war taghell, ca. 100 LäuferInnen , davon viele Kinder für die 4,2km,
26 aktive 10,5km LäuferInnen und gleich viele Halbmarathonis sowie 15
MarathonläuferInnen warteten gemeinsam auf den Start.
Auffallend, insgesamt waren knapp 60% der Teilnehmer Mädchen und Frauen!
Der Präsident des organisierenden Skiclubs, im Hintergrund die Hütte zum
Umziehen und zur Kleiderbeutelaufbewahrung
Startgelände unterhalb der Kirche mit dem obligatorischen Walkiefer
Die Helfer sind gut drauf
Der Profi-Fotograf
In grün der spätere Sieger (27), in Neonweste (22) der Zweite, in der Mitte in
Blau der Dritte (17)
Beste Stimmung am Start
Knapp 60% Frauenanteil sind doch toll! Im Vordergrund (26) die spätere Zweite
ganz entspannt vor ihrem ersten Marathon
Start
Pünktlich ging es los, zuerst am Hafen entlang zum Seemannsheim, einem
empfehlenswerten und für die Verhältnisse günstiges Hotel in Aasiaat. Dann ging
es die ersten Höhenmeter hinauf in ein kleines Wohngebiet und weiter hinauf
parallel zu einem See über ein Flachstück zum College.
Rechts durch ein weiteres Wohngebiet ging es wieder auf die Hauptstraße hinunter
in Richtung Flugplatz hinaus. Am Sportgeschäft Inuni bogen die 4,2km LäuferInnen
ab, für uns ging es bergab weiter. Vorbei an angeketteten Schlittenhunden und
kleinem Hafen ging es hinauf in ein weiteres Wohngebiet, an dessen Ende es steil
bergab Richtung Fischfabrik ging. Kurz vor der Fabrik auf Meereshöhe wieder
rechts parallel zur Diskobucht mit seinen Eisbergen ca. 1,5km auf welliger
Strecke zum Flugplatz.
Hier war der Wendepunkt und die erste Verpflegungsstelle. Es gab Wasser und Tee
sowie Banane, Orange und Schokolade. Alles prima.
Nun ging es auf gleichem Weg zurück bis zum Sportgeschäft. Hier war auch die
zweite Verpflegungsstelle Alle LäuferInnen grüßten sich herzlich beim
Entgegenkommen. Überhaupt war die Stimmung trotz des anhaltenden Regens sehr
gut.
Durch ein weiteres Wohngebiet ging es wieder hinab zur Touristeninformation beim
Start. Hier war die dritte Verpflegungsstelle aufgebaut. Die ersten 10,5km waren
geschafft, nochmals drei gleiche Runden.
Schön, dass uns 15 Marathonis die Halbmarathoner noch in der zweiten Runde
begleitet hatten. Trotzdem wurde es merklich ruhiger auf und an der Strecke. Die
wenigen Zuschauer zerstreuten sich und die Läufer liefen alleine durch die
Nacht. Nur es wurde nicht dunkel, wir waren nördlich des Polarkreises. Wegen des
schlechten Wetters war alles jedoch etwas trübe, im Vorjahr sollte es knalligen
Sonnenschein gegeben haben. Ich stellte mir dies ähnlich wie in Spitzbergen vor.
Vor dem Heimatmuseum
Am Hafen
Am ersten Anstieg haben die Kinder Spaß
Groß und Klein ist beim 4,2km Lauf dabei
Am zweiten Anstieg
Das College
Grönländische Kunst
Schönes Wetter wäre für den Midnight Sun Marathon passender gewesen
Im Wohngebiet
An einem der vielen Kindergärten
Abzweig der 4,2km Strecke
„Wo laufen sie denn?“
Im Wohngebiet kurz vor dem Bergabstück zur Fischfabrik
Die Fischfabrik
Noch ca. 1,5km zum Wendepunkt am Flugplatz
Die permanente Strecke war durch Pfeile auf dem Asphalt eindeutig
markiert. Leider fehlten jedoch Kilometerangaben völlig. Diese 10,5km aufzumalen
wäre kein Problem. Der vier Runden Kurs hatte jeweils geschätzte 175 Höhenmeter,
also mit ca. 700 HM kein ganz leichter Kurs mit vielen Rhythmuswechseln. Auch,
dass man über die Hälfte des Rennens alleine für sich läuft, nur unterbrochen
von den Begrüßungen entgegenkommender Läufer, versetzt einen in eine eigenartige
Stimmung. Die Eisberge in der Diskobucht, die von urzeitlichen Gletschern
abgeschliffenen Felsen und der eisgraue Himmel trugen auch dazu bei.
Aber grundsätzlich ist der vier Runden Kurs bei so wenigen Teilnehmern von
Vorteil, da man die Läufer öfter sieht und die Zeit verging recht schnell. Auch
kannte man garantiert so ziemlich jede asphaltierte Straße in Aasiaat. Kurz vor
der letzten Verpflegung bei Start und Ziel ging es nach links ab und durch das
Ziel.
Geschafft, vor mir hatten der von Anfang an dominierenden Frederik Petersen aus
Ilulissat in 3.03,19 und bei den Frauen Pipaluk Kristensen aus Aasiaat in
3.41,15 das Ziel erreicht.
Alle weiteren
Ergebnisse sind bei Facebook zu finden.
Im Ziel wurde einem auf einem Podest feierlich die Medaille umgehangen, das
hatte ich so noch nicht erlebt. Dazu noch eine Flasche Wasser, das war es. Noch
ein paar Worte mit dem Veranstalter gewechselt und dann ging es in der
Helligkeit morgens um 2 Uhr nach Hause – ein etwas anderer Marathon war zu Ende.
An der Abendveranstaltung am Samstag konnte ich nicht teilnehmen. Ich
hörte aber, dass es von 18.30 bis 1.00 Uhr bei Musik, Essen (Moschusochse,
Kartoffel und Gemüse sowie Getränken) und Tanz eine sehr stimmungsvolle
Siegerehrung gab.
Die Siegerprämien von ca. 700, 400 und 300 Euro jeweils für die ersten drei
Männer und Frauen waren auch sehr attraktiv und könnten die gebeutelte
Reisekasse etwas aufpeppen.
Beste Laune beim „Gegenverkehr“ - ein Vorteil der Pendelstrecke mit mehreren
Runden
Auf der ersten Runde war noch viel los
Dynamik und Statik
Und immer wieder Eisberge
Wendepunkt am Flugplatz
Verpflegung, alles läufergerecht
Mit der Fischfabrik im Rücken ging es knackig hoch
Vor dem Geschäft „Anuni“, wo auch die Anmeldung war und gleichzeitig die zweite
Verpflegungsstelle
Erste Runde geschafft und gleichzeitig dritte Verpflegung
Auch auf der letzten Runde immer noch beste Laune (ca. 1 Uhr morgens)
Ganz schön verwackelt, aber fast geschafft
Geschafft
Die Ausbeute
Mein Resümee:
Für das Land ein sehr günstiges Startgeld von ca. 40 Euro, welches bei
Einschreibung und Abholung der Startunterlagen zu bezahlen war. Es wurde eine
einfache Laufveranstaltung, routiniert organisiert geboten. Es gab ein T-Shirt,
Medaille und ein Abendessen im Rahmen der Siegerehrung am Samstagabend. Die
Verpflegung während des Laufs war gut und reichhaltig und wurde Läufergerecht
angeboten.
Die Strecke war mit einigen scharfen Anstiegen und damit Höhenmetern
angereichert und führte durch die ganze Stadt. Die schönsten Streckenabschnitte
waren zum Flugplatz hinaus mit schönen Aussichten auf die Eisberge. Die Strecke
war nicht verkehrsfrei und auch die Kilometer waren nicht ausgeschildert, dies
störte aber nicht. Die Zuschauer an der Strecke waren nach Ende des 10,5km
Laufes jedoch recht dünn gesät.
Zu wünschen wäre eine offizielle Webseite, welche sicherlich für wesentlich mehr
Interesse bei internationalen Läufern sorge würde. Da aber nächstes Jahr ein
neues Orgateam antreten soll, wird sich hier evtl. etwas tun. Aus diesem Grunde
ist aber auch noch kein Termin für 2017 bekannt. Zu empfehlen ist, immer mal
wieder bei Facebook in der „Gruppe
Aasiaat Midnight Sun Marathon“ zu stöbern
Der Zielschluss mit 6 Stunden ist für die anspruchsvolle Strecke angemessen,
eine Bestzeit ist hier aber nicht drin. Links
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