1. Yerevan Marathon am 21. Oktober 2018 - Bericht und Bilder von Jürgen
Sinthofen
Seit Jahren war ich mit den Veranstaltern des Yerevan Halbmarathons bezüglich
der Durchführung eines ersten Marathons in Armenien in Kontakt. Nach einem
persönlichen Gespräch im Rahmen des Moskau Marathons letztes Jahr war es dann
soweit. Der Halbmarathonkurs wurde um eine dreimal zu laufende Wendepunktstrecke
im schön gelegenen Tal des Hrazdan Flusses erweitert und schon war eine
verkehrstechnisch leicht zu kontrollierende Marathonstrecke geschaffen. Somit
war ich meinem Ziel, als erster Läufer in allen Mitgliedsländern der
Europäischen Leichtathletik Union einen Marathon gelaufen zu sein, sehr nahe.
Zuvor war allerdings eine Hiobsbotschaft zu verdauen. Zehn Wochen vor dem Lauf
musste ich mich völlig unerwartet einer schweren Herzoperation unterziehen. Dank
meiner durch den Sport sehr guten körperlichen Konstitution konnte ich aber
bereits 2 Wochen nach der OP mit leichtem Gehtraining beginnen. Laufen war mir
wegen der Verheilung des Brustkorbes noch bis Anfang November verboten. Da kein
Arzt sagen konnte, was bezüglich des Gehtrainings keine Überlastung wäre, baute
ich auf meine über 32 jährige Marathonlauferfahrung. Ich steigerte die fast
täglichen Geheinheiten von 6 auf 11km bei einer Pace von zuerst 11min/km auf bis
zu 9 min/km. In der 8. und 9. Woche machte ich dann auch mal eine Strecke von 18
bzw. 28km. Ich fühlte mich prima.
Somit war ich optimistisch, den ersten Marathon am Donnerstag in Baku in
unter 8 Stunden zu gehen. Prima, denn ich war gleichzeitig Organisator einer
Marathonreise an der über 20 Teilnehmer, hauptsächlich vom Country Club,
teilnahmen. Zuerst liefen wir in Baku, um dann nach Tiflis in Georgien zu
fliegen, da es zwischen Aserbaidschan und Armenien wegen politischer Spannungen
(Karabakh) keine Direktverbindungen gibt. Am nächsten Tag ging es mit einem
gecharterten Bus nach Yerevan in Armenien.
Nach der Ankunft am Samstag Mittag in unserem Hotel am ganz in der Nähe von
Start und Ziel gingen wir zur Startnummernausgabe im Best Western Hotel, welches
direkt am Start-/Zielbereich des Laufes gelegen war. Die Startnummer mit
aufgedrucktem Vornamen und integriertem Zeitnahmechip und einer Streckenkarte in
einem Jutesäckchen erhielten wir problemlos. Das schöne Funktionsshirt war
allerdings noch nicht fertig, dies erhielten wir am nächsten Morgen vor dem
Lauf.
Abends bei der stimmungsvollen Pasta Party im Poolbereich des Best Western
Hotels – früh hingehen, die leckeren verschiedenen Pasta waren schnell
vergriffen – trafen sich LäuferInnen aus aller Welt. Beim anschließenden
Racebriefing wurden die verschiedenen Strecken (5, 11,5, 21,1 km und Marathon)
nochmals ausführlich vorgestellt. Hier wurde auch die erlaubte Zeit von zuvor
5,5 Stunden auf 6 Stunden offiziell verlängert, was für mich sehr wichtig war.
Sonntag, Renntag, wir waren bereits gegen 7.15 Uhr im Best Western, um die
T-Shirts abzuholen und die gepflegten Toiletten zu nutzen. Dann ging es ca. 200m
zum Startbereich, welcher ca. 300m unterhalb des Platzes der Republik, dem
absolut zentralen Platz der Stadt, aufgebaut war. Nach Abgabe des Kleiderbeutels
konnte man an einer Aufwärmgymnastik teilnehmen. Es war eine ruhige, angenehme
Atmosphäre, da nur die ca. 200 Marathonis anwesend waren. Alle anderen Strecken
starteten erst um 10 Uhr. Nach Abspielen der Nationalhymne erfolgte der Start
mit 11 Minuten Verspätung, was aber überhaupt kein Problem darstellte.
Startnummernausgabe im Best Western Hotel
Pasta Party
Rennbesprechung
Abholung der T-Shirts vor dem Lauf
Kleiderbeuteabgabe
Unsere Gruppe vom Country Club
Aufwärmen vor dem Start
Vor dem Start
Gleich geht es los
Start
Das Läuferfeld setzte sich in Richtung Platz der Republik in Bewegung. Ich
marschierte stramm los. Mit mir ging mein Lauffreund Ron. Schnell waren wir ganz
hinten im Feld – für mich eine völlig neue Erfahrung! Gut dass hinter uns noch
ein Japaner ging, welcher auf den ersten 8km den Besenwagen in Form eines
Polizeifahrzeuges an den Fersen hatte.
Auf der kleinen, für den Verkehr völlig gesperrten Ringstraße ging es vorbei an
verschiedenen Denkmälern und Skulpturen – davon gab es noch aus sowjetischer
Zeit viele – sowie an der Kaskade bei km 3,5. Diese gigantische, nicht
vollendete Terrassenkonstruktion führt hinauf zu einem weiteren Denkmal, von dem
man einen tollen Blick auf die Stadt hatte. Gut dass wir da nicht hoch laufen
mussten! Dafür ging es für uns nach links, parallel zu einem kleinen Park mit
hochwertiger moderner Kunst (2xBotero!) weiter.
Dann ging es etwas aus der Innenstadt raus vorbei am Stadion, welches wie ein
römisches Amphitheater in die Felswand des Hrazdan Flusstales gebaut wurde. Nach
einem ca. 1km langen abfallenden Streckenabschnittes ging es am Ufer des Flusses
weiter. Hier gab es viel Schatten durch die herbstlich gefärbten Bäume rechts
von uns. Links verbauten fantasievolle Restaurants in verschiedensten
Stilrichtungen den Blick auf den Fluss. Egal, dieser Streckenabschnitt bis km 9
war wieder flach und kurzweilig zu gehen. Bei km 9 trafen wir unter einer
riesigen Brücke auf die dreimal zu laufende Pendelstrecke. Es ging 2,5km leicht
bergan zum Wendepunkt, wieder unter einer noch höheren Brücke.
Am Platz der Republik
Erste Verpflegung an der Kaskade
Am Stadion
Es geht runter zum Hradzin Fluss
Der hatte heute ein schnelles Publikum
Am Hrazdan
Wir bogen auf die Pendelstrecke ein
Viele liefen mit den Brems-/Zugläufern
Am oberen Wendepunkt der Pendelstrecke
Open Air Fitness Studio am Streckenrand
Am unteren Wendepunkt
Danach liefen wir dieselbe Strecke 5,5km nur leicht bergab zum unteren
Wendepunkt. Das durften wir weitere zweimal pendeln. Ich fand das toll, das
leichte Bergan forderte nicht zu sehr und das anschließende Bergab war eine
schöne Erholungsphase. Zudem sah man alle anderen Läufer, man grüßte sich, es
gab immer etwas zu sehen und die Stimmung war sehr gut. Auch landschaftlich war
diese Pendelstrecke sehr schön, man fühlte sich bei diesem Stadtmarathon hier
völlig auf dem Lande. Der Fluss begleitete uns die ganze Zeit, lief über kleine
Wehre und spendete etwas Kühle. Wobei die Lauftemperaturen bei gefühlten maximal
ca. 22°C sehr angenehm waren, zumal es windstill war und die Bäume zumeist vor
der Sonne schützten.
Als Marschierer kam ich dann auch noch in Kontakt mit den später gestarteten ca.
350 Halbmarathonis, welche diese Pendelstrecke nur einmal laufen mussten. Dies
machte den Lauf für mich noch kurzweiliger.
Die ca. alle 3km aufgebauten Verpflegungsstationen waren kleine Stimmungsnester.
Die meist jugendlichen HelferInnen waren alle bester Laune und es gab bis
wirklich zum Schluss an allen Verpflegungen ausreichend Wasser, Cola, Gatorade,
Kekse, Bananen, Orangen und Äpfel!
Nach dem dritten Überqueren der unteren Zeitnahmematte waren 38km geschafft. Wir
waren gut unterwegs. Unser Schnitt lag bei ca. 8.45 min/km, nachdem wir die
ersten 6km in einem 8.10er Schnitt absolviert hatten.
Allerdings war schon abzusehen, dass wir die 6h knapp verfehlen würden! Wurscht,
weiter ging es am Fluss entlang bis zum Stadion. Hier war auf ca. 500m eine
anspruchsvolle Berganpassage aus dem Flusstal hinauf zu gehen. Wieder im Gewusel
der Hauptstadt überquerten wir auf einer vielbefahrenen Brücke auf dem
Bürgersteig das Flusstal. Dann links, eine letzte ca. 600m lange Pendelstrecke
und dann vorbei an der Stadtverwaltung und einem Park zurück zum Platz der
Republik. Hier dann für einige LäuferInnen eine kleine Katastrophe!
Obwohl jeder Streckenkilometer markiert war und die Aktiven die Strecke
eigentlich aus dem Infoblatt und der Rennbesprechung kennen sollten, wurden
einige von einem offiziellen Streckenposten zu früh nach rechts abgeleitet.
Damit waren sie ca. 1,2km zu wenig gelaufen und wurden disqualifiziert. Aufgrund
der Proteste hatte sich die Rennleitung dann aber entschieden diese
fehlgeleiteten LäuferInnen mit einer rechnerisch angepassten Zeit in einer
gesonderten Ergebnisliste doch noch als Finisher zu werten. Ron und ich
waren aber richtig gegangen, obwohl ein Läufer vor uns auch falsch abbog. Die
für den Autoverkehr völlig gesperrte Straße führte uns vorbei an der
Fußgängerzone und ein paar exklusiven Hotels mit dicken Mercedes davor. Hier war
viel los, die Stadt feierte heute auch ihren 2.800. Geburtstag! Dann ging es
wieder hinunter zum Platz der Republik und dem ca. 300m danach folgendem Ziel.
Nach 6.05 Stunden war es geschafft, wir wurden auch noch gewertet – das Ziel war
am Ende bis 6.22h offen – ich war stolz wie Bolle – zwei Marathone innerhalb von
4 Tagen, 10 Wochen nach der OP anständig marschiert – und nicht überanstrengt!
Die Siegerzeiten von 2.56,42 bei den Herren und 3,38.40 bei den Damen zeigte
aber auch, dass die Strecke mit ca. 320 Höhenmetern nicht ganz leicht zu laufen
war. Alle Ergebnisse
gibt es hier .
Im Ziel gab es neben einer individuellen, schönen Marathonmedaille auch Wasser
und Banane sowie eine Alufolie als Kälteschutz, die ich allerdings nicht
benötigte. Auch sah ich ein kleines Massagezelt.
Durch die Halbmarathonis wurde es zeitweise lebhafter auf der Strecke
Die Pendelstrecke immer am Fluss entlang war sehr ländlich
Tolle Verpflegungsstellen bis zum Ende!
Zurück oben in der Stadt auf der großen Brücke
An der Cognac Fabrik
Zurück am Platz der Republik – hier sind einige falsch nach rechts abgebogen
Am Historischen Museum
Fast geschafft
Mein Resümee:
Für ein Startgeld ab 18€ je nach Anmeldezeitpunkt wurde ein ohne Fehl und Tadel
organisierter Marathon mit Pasta Party, Massage, Medaille und T-Shirt geboten.
Die leichte Startverzögerung hatte der Stimmung keinen Abbruch getan. Die
Streckenverpflegung alle ca. 3,5km war auch für die letzten Aktiven sehr gut; im
Ziel allerdings waren Wasser und Banane vielleicht doch etwas spartanisch. Jeder
Kilometer war markiert, die Strecke völlig verkehrsfrei gehalten – das hatte ich
nicht erwartet. Auch Musik gab es an verschiedenen Stellen.
Eine persönliche Bestzeit ist auf diesem Kurs schwieriger zu erreichen, wobei
eine etwas profilierte Strecke vielen LäuferInnen auch entgegenkommt. Auch die
Brems-/Zugläufer könnten hier helfen. Die Zielschlusszeit von offiziell 6
Stunden ist aber angemessen.
Der Internetauftritt wurde relativ spät geschaltet, ist aber ordentlich. Eine
gute Ergebnisliste mit diversen Zwischenzeiten wurde kurzfristig veröffentlicht.
Es wurde sogar kurz nach Zielschluss ein Email an die Teilnehmer mit ihrer
individuellen Zeit und dem Link zur Ergebnisliste versandt! Auch eine Urkunde
konnte man sich online ausdrucken.
Alle weiteren Informationen auf der
Homepage
des Veranstalters . Da die Verantwortlichen mit der Veranstaltung
sehr zufrieden waren, ist davon auszugehen, dass auch 2019 wieder ein Yerevan
Marathon stattfinden wird.
Ich empfehle diesen Marathon gerne auch im Rahmen „einer etwas anderen
Destination“ als eine dreitägige Reise nach Armenien mit einem Tag Yerevan,
einen Tag Marathon und einen Tagesausflug über ca. 5 Stunden zur ca. 3.000 Jahre
alten Ruinenstadt Garni und dem Felsenkloster Geghard.
Falls Ihr weitere Laufberichte von Jürgen Sinthofen lesen möchte
Geschafft!
Ein sehr schöner Marathon wird gefeiert |