13. ASBAC Marathon in Algerien am 3. Mai 2019 -
Bericht und Bilder von Jürgen Sinthofen
Algerien, ein Land am Mittelmeer, war auf meiner Liste der zu erlaufenden
Länder, die im oder am Mittelmeer liegen, noch offen. Algerien, seit 1962 von
Frankreich unabhängig, ist ein für Touristen recht unbekanntes Land. Es gibt
kaum Reiseführer, Pauschalreisen oder günstige Flüge dort hin. Ja, man kann
sagen, das flächenmäßig zehntgrößte Land der Erde mit seinen nur 41 Millionen
Einwohnern macht es Besuchern nicht leicht.
Ein Visum darf erst drei Wochen vor der geplanten Abreise beantragt werden und
wehe, es fehlen Unterlagen oder diese „passen“ dem Konsulatsbeamten nicht – dann
wird es knapp mit dem 60€ teuren Visum. Verlangt werden neben „üblicher“
Unterlagen auch eine Einladung und eine offizielle Hotelbestätigung. Ich selbst
habe mein Visum über „König-Tours“ beschaffen lassen, erhielt dieses aber erst
am Vortag der Abreise nach persönlichem Intervenieren beim Generalkonsulat in
Frankfurt.
Am 1. Mai ging es dann mit Lufthansa in einem 2h20min Direktflug für 180€ nach
Algier. Die Einreise dauerte wegen der sorgfältig prüfenden, aber wenigen
Passbeamten fast eineinhalb Stunden. Dann aber schon die erste Überraschung!
Boudjemaa, ein 41jähriger Architekt und engagierter Läufer bei ASBAC erwartete
uns mit einem Freund am Flugplatz, um uns in unser Hotel zu fahren. Uns heißt,
fünf mitgereiste Country Club Lauffreunde aus verschiedenen Ländern. Insgesamt
waren wir 7 CC Läufer, welche dem 13. ASBAC Marathon den internationalen
Anstrich gaben.
Mit Boudjemaa hatte ich seit einem halben Jahr Kontakt. International sind in
Algerien nur zwei Marathonveranstaltungen bekannt, welche aber schwer bzw. nur
als Gruppenreise zu erreichen sind. Vom ASBAC Marathon war überhaupt nichts
bekannt. Mühselig sammelte ich die Informationen zusammen, erhielt irgendwann
einen Termin für die Veranstaltung, im März dann auch eine Ausschreibung mit
Anmeldeformular.
Der ASBAC Vorstand und unsere kleine internationale Laufgruppe
Startnummernausgabe im Foret de Bouchaoui
Kleiderbeutelabgabe im weißen Toyota von Boudjemaa
Sieben CC Läufer aus sieben verschiedenen Nationen
Start am Hauptplatz
Gleich geht es los – man beachte die Flaggen auf dem Banner!
Ein günstiges Hotel in Algier zu finden ist nicht leicht, empfehlen kann ich
jetzt aber das „Dar el Ikram“, wo wir für ein Dreibettzimmer mit gutem Frühstück
pro Person und Nacht etwas über 20€ bezahlt hatten. Das Hotel war sauber, ruhig,
lag fußläufig zur Innenstadt und das Personal war ausgesprochen freundlich und
hilfsbereit, ohne aufdringlich zu sein. Dies äußerte sich u.a. darin, dass wir
am Lauftag bereits um 4 Uhr früh (normal ab 7 Uhr) ein gutes Frühstück bekamen!
Nachdem wir uns im Hotel etwas eingerichtet hatten, genoss ich einen kleinen
Spaziergang zum „Platz der Märtyrer“. Wunderbar, die französische Architektur
der Jahrhundertwende. Weiße Häuser mit schönen Dekorationen, teilweise super
restauriert oder aber mit einem morbiden Charme versehen. Palmen an den
Straßenrändern, blauer Himmel und teilweise Durchblicke zum Hafen schufen den
perfekten Kontrast. Ich hatte schon viele Städte gesehen, aber Algier
überraschte mich wirklich sehr positiv!
Um 17 Uhr holte uns Boudjemaa wieder ab und wir fuhren ca. 15km quer durch die
am Hang liegende Stadt zum Foret de Bouchaoui, dem Trainingsgelände der ASBAC (Association
Sportive Bouchaoui Athlétic Club).
In einer Gartenwirtschaft begrüßte uns der gesamte Vorstand des ca. 400
Mitglieder starken Laufvereins. In einem Mischmasch aus englisch und französisch
stellten wir uns vor und erhielten unsere Startnummern. Ein sehr schönes
Erlebnis – für die algerischen Lauffreunde waren wir ein erstaunlicher Haufen
internationaler (verrückter) Marathonläufer.
Anschließend wurden wir dann zu einem wunderbaren Essen in ein traditionelles
Restaurant eingeladen. Nach einem fröhlichen Abend fuhr uns Boudjemaa und Bakar,
ein Professor für Dermatologie und Vorsitzender des Vereins, zu unserem Hotel
zurück.
Am nächsten Morgen wurden wir pünktlich um 7 Uhr von Fatma, einer pensionierten
Lehrerin zu einem Ausflug abgeholt, welchen Boudjemaa arrangiert hatte. Wir
sahen u.a. die Laufstrecke, welche ca. 60km außerhalb Algiers in Ain-Tagourait
startete. Weiter hatten wir das Glück, das 2000 Jahre alte Hügelgrab „de
Chretienne“ auch von innen ansehen zu können – normalerweise ist dies nicht
möglich. In Tipasa, einer lebhaften kleinen Stadt, besuchten wir eine riesige
römische Ausgrabungsstätte direkt am Mittelmeer. Ich hatte schon viele
Ausgrabungen gesehen, hier aber beeindruckte mich die Lage und das Ambiente, da
die prächtig grüne Vegetation wild wucherte und durch kleine Sandwege
erschlossen war. Zauberhaft! Übrigens, die Eintritte in Algerien liegen bei ca.
50 Eurocent – da macht Kultur doppelt Spaß!
Nach einem leckeren Essen, es gab Salat und frisch gegrillte Sardinen, ging es
zurück nach Algier, wo wir noch die Basilika d‘Afrique, die hoch über Algier
thront, sowie das Denkmal der Märtyrer besuchten. Nach einem Abendspaziergang
und der Fahrt mit der 2011 eingeweihten U-Bahn (die einzige neben Kairo in ganz
Afrika) und einem leckeren Abendessen ging es früh zu Bett.
Start
Ain-Tangourait
Hier etwas näher am Meer
Etwas grün
Die erste Verpflegung
Fouka Marine, die Straße noch nass, aber kein Regen während des Laufes
Das Spitzenfeld kommt entgegen
Mit dem „Gegenverkehr“ war mehr Stimmung
Am Wendepunkt
Freitag, Renntag. Wie versprochen gab es um 4 Uhr Frühstück und kurz vor 5 Uhr
wurden wir abgeholt und die 60km zum Start nach Ain-Tagourait gefahren. Es hatte
die ganze Nacht geschüttet, aber pünktlich um 5.30 Uhr hörte es auf. Mal wieder
Glück gehabt!
An der Sporthalle wurde geparkt, hier war auch das Ziel der einmal zu laufenden
Wendepunktstrecke. Leider gab es keine Toiletten, aber dafür hinter der Halle
viel Natur... Wir packten unsere Klamotten in Boudjemaas Auto und gingen einen
Kilometer die noch im Dämmerlicht liegende nasse Straße runter zur Moschee am
Hauptplatz des Ortes, wo sich der Start befand. Keiner der ca. 300 Marathonis
hatte es eilig. Es wurde eifrig fotografiert und geschwatzt. Die Stimmung war
super. Doch plötzlich liefen um 6.17 Uhr alle los – einen Startschuss hatte ich
nicht gehört.
Egal, auf breiter Straße ging es Richtung Algier los. Wir hatten ca. 17°C und
den ganzen Tag einen bedeckten Himmel, also sehr gute Laufbedingungen. Leider
konnte die Straße für den Verkehr nicht gesperrt werden, aber keiner der
LäuferInnen fühlten sich unsicher oder gefährdet, da die Autofahrer sehr
rücksichtsvoll fuhren.
Wir liefen 20km auf der alten Hauptstraße durch verschiedene Ortschaften. Die
Straße verlief parallel zur Küste, aber ca. 1km im Landesinnern, sodass man nur
ein paar Blicke vom Wasser erhaschen konnte bis zum Fluss, welcher Algier von
der Provinz Tipasa trennt – also kein Hauptstadtmarathon im engsten Sinn.
Am Fluss entlang ging es runter zum Meer und für einen Kilometer direkt am
ungepflegten Strand entlang. Dann links leicht den Berg hinauf und rechts wieder
auf die Landstraße, auf welcher wir schon hergelaufen waren. Inzwischen waren
mehr zufällige Zuschauer am Straßenrand, diese waren aber recht unbeteiligt.
Halbmarathonmarke direkt am Meer
Im Sommer ist hier mehr los! Allerdings kein internationaler Tourismus
Leicht bergan wieder auf die Laufstrecke zurück
Überall wird gebaut
Über 30km gelaufen
Die Polizeipräsenz war wegen der Freitagsdemo in Algier reduziert
Die Straße war für den Verkehr nicht gesperrt
Er verkaufte Singvögel und Aquarien
Verpflegung gab es alle 5km in Form von Wasser, Iso, Rosinen, Bananen oder
Bananen und ab km 30 auch Coca Cola. Die HelferInnen waren sehr freundlich und
es gab von allem reichlich – auch für uns Läufer am Ende des Feldes. Leider
waren die Kilometer nur alle 5km ausgeschildert, aber egal. Die Strecke war fast
durchgängig asphaltiert, nur direkt am Strand gab es einen ca. 200m langen
sandigen Streckenabschnitt. Die ganz leichten Steigungen und Gefällstrecken
fielen nicht ins Gewicht, so dass man hier eine schnelle Zeit erzielen könnte.
Im Ziel gab es wieder ein großes Hallo für uns internationale Läufer. Neben
einem ersten Finnen, Schweden, Tschechen war ich der erste Deutsche, der den nun
größten Marathon Algeriens mit 269 Finishern gelaufen war. Die Zielschlusszeit
von 6h war völlig angemessen. Zur Belohnung gab es eine schöne Medaille und eine
Tüte mit verschiedenem, leckeren Proviant. Auch ein süßer Kuchen und warmer Tee
wurden angeboten.
Vor mir erreichten das Ziel in 2.44,38 Abdelmoumen Birech – bei den Damen konnte
ich wegen der spärlichen Ergebnisliste wegen der mir fremden algerischen
Vornamen nicht erkennen, wer hier die Nase vorne hatte. Alle weiteren Ergebnisse
findet man hier .
Nach dem Lauf ging es zurück nach Algier. Während unserer Siesta im Hotel hörten
wir Hubschrauber kreisen und viele Menschen skandierten. Ja, es war wieder eine
friedliche Freitagsdemonstration gegen die bestehende Regierung – die friedliche
Revolution in Algerien ist in vollem Gange.
Am Abend trafen wir unsere Freunde von der ASBAC nochmals zu einem Abendessen,
zu welchem wir eingeladen hatten. Zu unserer Überraschung erhielten wir noch
Urkunden und auch ein sehr hochwertiges Laufshirt – welch eine tolle
Überraschung!
Nach diesem ereignisreichen Tag ging es dann am Samstag Vormittag ein letztes
Mal mit Boudjemaa zurück zum Flugplatz. Schade, eigentlich hätte man noch einen
Tag länger Algier erkunden können. Aber man soll ja aufhören, wenn es am
schönsten ist – und das war es bestimmt. Wir CC Läufer waren uns einig, dass
dieses Laufabenteuer eines der schönsten überhaupt war. Unsere algerischen
Lauffreunde waren alle so herzlich und zuvorkommend, ohne aufdringlich zu sein,
ein bleibendes Erlebnis! Wir fühlten uns rundum bei den Algeriern und in
Algerien sehr wohl.
Kilometermarkierung nur alle 5km
Diesel 11, Super 22 Eurocent pro Liter
Hier war der Start
Die Stadthalle
Fast geschafft
Das Ziel
Mein Resümee:
Für ein Startgeld von 5€ ist man bei einem gut organisierten Marathon dabei. Die
Vorabinformationen waren sehr spärlich und standen erst spät zur Verfügung. Ohne
Boudjemaa als Kontaktperson hätte unsere Reise nicht geklappt. Auch dass es am
Start, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Algier aus nicht zu erreichen
ist, keine offizielle Kleiderbeutelabgabe und keine Toiletten gab, war etwas
befremdlich. Aber Dank unserer algerischen Lauffreunde alles kein Problem.
Die Strecke war relativ flach und schnell, alle 5km markiert und die Verpflegung
war mehr als ausreichend. Allerdings musste man sich auf der nicht für den
Verkehr gesperrten Strecke mit den Autofahrern und den Abgasen abfinden – aber
keiner von uns musste eine brenzlige Situation meistern.
Die Stimmung an der Strecke war, außer bei den am Marathon Beteiligten, gegen
null – ja, die Akzeptanz verrückter Marathonis ist nicht überall so ausgeprägt.
Mit dem Wetter hatten wir mal wieder echtes Glück – bei Sonne wäre die Sache
härter geworden!
Mit der Medaille und der nachträglich für uns arrangierten Urkunden und
Laufhemden hatten wir sehr viel für unser Startgeld bekommen. Ob all dies bei
der 14. Austragung wieder genauso sein wird, weiß ich nicht. Jedenfalls hatten
wir dem Veranstalter, der Interesse an mehr internationalen LäuferInnen hat,
einige Tipps gegeben, wie die Veranstaltung mit relativ geringen Mitteln
optimiert werden könnte.
Für uns war der ASBAC Marathon eine tolle Erfahrung. Es lohnte sich auf alle
Fälle, durch das Visaprozedere zu gehen! Belohnt wurde man allemal durch die
herzliche Gastfreundschaft der Algerier und der Attraktivität Algeriens!
Links
Der Termin des 14. ASBAC Marathon steht noch nicht fest. Weitere Informationen
hierzu unter der Homepage des
Veranstalters .
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