1. Sokotra Marathon in Jemen am 12. März 2020 - Laufbericht
und Bilder von Jürgen Sinthofen
Nach meinem Antarktismarathon Anfang des Jahres berichte ich heute etwas
ausführlicher von einer weiteren sehr außergewöhnlichen Marathonreise.
Sokotra, eine Insel
etwa so groß wie das Saarland und Berlin zusammen, gehört zur Republik Jemen und
liegt etwa 400km vor der Küste Jemens am östlichen Ende des Golf von Aden.
Die gesamte Insel gehört zum Weltnaturerbe, da es neben riesigen Küstendünen
auch viele endemische Tier und Pflanzenarten beheimatet.
Hört sich doch super an?
Das Blöde allerdings ist, dass sich der Jemen in einem Krieg befindet und man
nicht einreisen kann – außer nach Sokotra. Hier haben die VAE (Vereinigte
Arabische Emirate) 2018 die Kontrolle übernommen und es ist damit hier politisch
ruhig. Allerdings hatten im Februar 2020 jemenitische Einheiten auf Sokotra
rebelliert und dem VAE freundlich gesonnenen Übergangsrat ihre Unterstützung
versichert.
Glück gehabt – eine Gruppe von etwa 25 internationalen MarathonläuferInnen hatte
mit Z-Adventures eine einwöchige Reise nach Sokotra bereits Monate vorher
gebucht. Das schwer zu erhaltene Visum sowie der sehr teure Flug von Kairo mit
Yemenia Air nach Sokotra machten diese Reise recht teuer und bei einer
Annullierung der Reise wäre sicherlich das meiste Geld verloren gewesen.
Zudem waren wir zeitlich gerade am Anfang der Corona Pandemie, wo die ersten
Marathonveranstaltungen abgesagt wurden. Auch einige Reiserestriktionen wurden
ausgesprochen, so z.B. von Katar nach Ägypten, was unseren Reiseveranstalter
direkt betraf.
Mein Flug von Frankfurt nach Kairo mit Ukraine International verlief planmäßig
und so traf ich Brent im Hotel am Flughafen in der Nacht vor dem Abflug nach
Sokotra.
Tipp: Ägypten verlangt ein Visum für die Einreise. Vorsicht, dieses nicht als
E-Visa online vorab beantragen, da viel zu aufwändig und sich außerdem hier
diverse unseriöse Anbieter zu überhöhten Preisen tummeln.
Besser einfach nach der Ankunft bei einem Bankschalter (checken, es gibt mehrere
– nicht in der längsten Schlange anstehen!) einen Sticker für 25 US Dollar
kaufen. Es wird nicht einmal der Pass hierfür verlangt – ist wie eine Kinokarte
zu kaufen! Der Grenzbeamte klebt diesen Sticker dann in den Pass und stempelt es
ab – fertig!
In der nächsten Nacht ging es um 2 Uhr in der Früh planmäßig los. Wir flogen
nach Seiyun im Jemen, einem von zwei geöffneten Flugplätzen. Nach einem
Zwischenaufenthalt in einer trostlosen kleinen Halle mit einer versifften
Toilette ging es zwei Stunden später weiter nach Sokotra.
Der Flughafen war recht neu, wohl von der VAE errichtet, wie vieles auf Sokotra.
Einen Einreisestempel auf meinem Pass bei der problemlosen Einreise konnte ich
vermeiden – Jemen ist gemäß der US amerikanischen Weltanschauung ja ein
„Schurkenstaat“!
Wir wurden von unserem italienischen Tourveranstalter mit mehreren Jeeps vom
Flugplatz abgeholt. Für eine Woche würden wir nun verschiedene Teile der Insel
kennenlernen, so zumindest der Plan. Um es vorweg zu nehmen, unsere Reise wurde
um zwei Tage verkürzt, da wegen Corona der sonst nur einmal wöchentlich
verkehrende Flieger für unabsehbare Zeit letztmalig nun zwei Tage früher flog.
Ich habe nicht gehört, wie ein paar weitere Individualreisende die zum Wandern
oder Fischen mit uns angekommen sind und nichts von dem früheren Rückflug gehört
hatten, von der Insel gekommen sind.
Wir fuhren ca. 50km, vorbei am Hauptort Hadiboh, an der Küste entlang an die
Ostspitze der Insel zur Arhar Camp Site. Mitten im Nirgends waren direkt an der
Küste unsere Einmannzelte bereits aufgebaut. Eine herrliche Lage mit dem
azurblauen Meer vor uns und einer ca. 80m hohen Düne, angelehnt an einer etwa
doppelt so hohen Felswand, hinter uns. Aber kein fließendes Wasser – nur aus
Kanistern oder dem kleinen Bach.
Der Rest des Tages war zum Entspannen, ich lief etwas auf dem unbefestigten
Küstenweg. Abends hatte der einheimische Koch leckeren Fisch mit noch leckerem
Reis zubereitet. Der Nachthimmel war sternenklar – super schön – und eine Ruhe.
Nichts war zu hören. Eine wirklich andere Welt, phantastisch!
Russischer Schrott Panzer als Überbleibsel aus den 80iger Jahren
Am nächsten Vormittag sind wir auf das ca. 200m hoch gelegene Plateau
gewandert und hatten den tollen Ausblick auf das arabische Meer und den
Indischen Ozean genossen. Am Spätnachmittag dann der Marathon.
Auf einem asphaltierten Abschnitt der Küstenstraße ca. 5km von unserem Lager
entfernt wurde an Start und Ziel ein Verpflegungszelt aufgebaut. Am Wendepunkt
der Pendelstrecke nach gut 3km ein weiteres.
Um 17 Uhr waren wir dann am Start zum ersten Marathon auf Sokotra – wohl auch
dem ersten Marathon im Jemen?
Die Startzeit war wegen der stechenden Sonne und ca. 28°C tagsüber so spät
gelegt worden zumal der Vollmond auch etwas Licht versprach.
Nach ein paar Fotos liefen wir los, die Strecke war leicht gewellt, insgesamt
ca. 150 Höhenmeter.
Nach einer kürzeren ersten Runde waren dann noch sechs ganze Runden zu laufen.
Nach eineinhalb Runden, die ich mit Elisabeth verplaudert hatte, wurde es dunkel
– richtig dunkel. Gut das mir jemand eine Stirnlampe leihen konnte.
Eine jemenitische Familie hatte eine Feier an den Felsen, die Kinder kamen an
die Straße, um zu sehen was wir machten. Eine Läuferin wollte sie fotografieren,
aber einige der einheimischen Mädchen wollten dies nicht. Andere Welt. Später
hörten wir die Familie in der Dunkelheit am Lagerfeuer noch singen – eine schöne
Stimmung.
Die Country Club Mitglieder vor dem Marathonstart
Aber dann bekam ich Krämpfe und musste gehen. Die Luftfeuchtigkeit setzte mir
zu. Ich trank an den ersten reichlich und gut bestückten Verpflegungsstationen
wohl zu wenig!
Am Verpflegungszelt bat ich den Veranstalter mir etwas Salz zu besorgen.
Eine Runde später lief Matteau, einer der Mitarbeiter, auf mich auf und gab mir
Salz, welches sie aus dem Camp geholt hatten. Ich leckte ein paar Gramm aus
meiner hohlen Hand und gleich ging es mir wieder viel besser. Ich konnte
problemlos bis zu Ende wieder durchlaufen.
Gegen Ende des Laufes kam dann doch noch der Vollmond zum Vorschein. Es war
herrlich, die Ruhe, mein Atem und der gelöste Schritt. Die Schemen von Felsen,
Meeresbrandung und Gesträuch aber auch verschiedene sandige Passagen und tiefe
Schlaglöcher in der Straße lösten sich ab. Dann und wann passierte man die
anderen Marathonis, die einen teilweise mit ihren starken LED Stirnlampen
blendeten. Wirklich ein Marathon der ganz anderen Art – unvergesslich!
Nach gut 5 Stunden war ich im Ziel. Ich war glücklich eine Lösung für meine
Krämpfe gefunden zu haben, die auch noch so gut klappte. Wir freuten uns sehr
und machten Fotos und genossen die sehr gute Verpflegung. Selbstverständlich
warteten alle bis auch der letzte Läufer das Ziel erreichte.
Am längsten warten musste Alex Scherz aus der Schweiz der 3.15,54 benötigte
und Elizabeth Warner aus den USA die sich über eine 4.37.30 freute.
Alle weiteren Ergebnisse hier
Dann ging es mit den Jeeps zurück zu unserem Lager zu einem wohlverdienten und
wieder lecker schmeckendem Abendessen. Leider gab es auf Sokotra keinen Alkohol
und auch kein alkohlfreies Bier. Dafür aber noch ein Tauchbad im Bach bevor es
zur Nachtruhe in die Zelte ging.
An den folgenden zwei Tagen machten wir Exkursionen mit Wanderungen zuerst in
den Homhill Nationalpark mit seinem natürlichen Infinity Pool und den urigsten
Bäumen wie dem Drachenblutbaum, Bottle Tree und Weihrauchbaum.
Am nächsten Tag verbrachten wir einige Stunden im Landesinneren in dem
herrlichen Wadi Dirhur. Die Nacht war unser Camp direkt am Strand nahe dem
Dihamri Marine Reserve aufgebaut.
Am nächsten Morgen besuchten wir dann die „Hauptstadt“ Hadiboh. Alles nur
dreckig und heiß, nichts zu sehen. Da wir seit Tagen kein Internet hatten, waren
einige Reiseteilnehmer erpicht für 5 US$ im einzigsten Hotel mit der Außenwelt
Kontakt aufzunehmen. Nach zwei Stunden fuhren wir weiter zum Diksam Plateau.
Drachenblutbäume
Start zum 10km Lauf auf dem Diksam Plateau
Der kleine Junge lief barfuß ca. 1km mit mir
Den Tag verbrachten wir auf dem Diksam Plateau bekannt für die vielen
Drachenblutbäume und der 700m tiefen Schlucht bei einem Picknick unter
Drachenblutbäumen. Auch hier warteten die zahlreichen ägyptischen Geier auf
ihren Anteil. Auch wieder ein tolles Naturerlebnis.
Und am Spätnachmittag liefen wir hier noch einen 10km Wettkampf.
Die Stimmung danach war bestens und es wurde vor dem „Zuzeltgehen“ viel palavert
– kein Wunder bei 25 Marathonweltenbummlern aus aller Herren Länder.
Am nächsten Morgen dann der Weckruf „Wir müssen gleich zum Flugplatz“!
Damit hatten wir keine Gelegenheit mehr Sandy Beach und Detwah Lagoon
kennenzulernen! Da sind uns sicherlich tolle Highlights der Insel vorenthalten
worden – schade!
Der Rückflug ging dann über Aden – hier harrten wir 10 Stunden in einer sterilen
Halle mit einem kleinen Kiosk und wieder siffiger Toilette aus bis wir dann
endlich nach Kairo weiter flogen.
Dadurch, dass wir zwei Tage früher als geplant in Kairo waren und mein Rückflug
mit Ukraine sowieso wegen Corona schon gecancelt war – die Ukraine ließ nicht
einmal mehr Transitpassagen zu, musste ich noch einen Rückflug nach Deutschland
organisieren!
Das günstigste war ein Flug mit Oman Air für 340€ zurück über die arabische
Halbinsel nach Oman (hätte es so etwas gegeben wäre dies von Sokotra ein
Einstundenflug gewesen..) und von dem brandneuen super Fluglatz zwei Stunden
später non-stop nach Frankfurt.
In Frankfurt angekommen las ich auf meiner E-mail, dass meine gebuchte Busfahrt
nach Bamberg wegen Corona in der Nacht storniert wurde. Neuer Plan – Zug, aber
nicht doch für über 70€!
Ich erinnerte mich an meine ca. 40.000km Tramperreisen in der ganzen Welt und
ging aus dem Flughafengebäude raus zum „Abflug“. Gerade wurde ein junger Mann
verabschiedet. Ich sprach den Fahrer des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen „SW“ an,
ob er mich mitnehmen würde. Kein Thema, wir unterhielten uns super und meine
Frau holte mich von seinem Zuhause ab. Im offenen Cabrio ging es dann mit
Umwegen und einem leckeren Mittagessen zurück nach Bamberg.
Mein Resümee:
Die Reise nach Sokotra war ein ganz besonderes Erlebnis. Zum einen wegen der
Gruppenreise, normalerweise organisiere ich mir meine Reisen selbst, und dann
wegen der exklusiven Abgeschiedenheit und Schönheit der Insel.
Mit den internationalen LauffreundInnen machte es richtig Spaß, das Campen war
mal etwas ganz anderes, der Veranstalter um Nick und Matteau kümmerten sich
rührend um uns. Das Essen wurde mit einfachsten Mitteln von einem einheimischen
Koch immer super lecker zubereitet.
Der Marathon war sauber vermessen, die Verpflegung mehr als ausreichend und die
Strecke etwas ganz besonderes. Im pitchdunklen laufen, das Meer zur einen Seite,
die Berge mit den riesigen Sanddünen zur anderen und dann der Gesang der
Einheimischen in der sonst absoluten Stille war von einer anderen Welt.
Und als dann noch der Vollmond und die Sterne zu sehen waren – LäuferIn, was
willst du mehr?
Diese sehr empfehlenswerte, am Ende nicht zu teure einwöchige Reise wird wohl
2021 wieder von Z-Adventures angeboten. Mehr Informationen dazu werden dann
veröffentlicht unter
https://z-adventures.org/
Links
|