Der Deutsche Dietmar Beiderbeck zählt am Swissalpine
Marathon zu den Dauergästen. Sein bevorstehender 15. Start (25.
Austragung am 31.7.2010) verdient vorzeitig Anerkennung: Er ist
blind und somit im schwierigen Gelände zusätzlich gefordert.
Von
Anita Fuchs
78
Kilometer zu laufen stellen eine enorme Herausforderung dar.
Ohnehin, wenn sie wie die Königsdistanz am Swissalpine Marathon mit
2260 Höhenmetern gespickt sind und zu fast einem Viertel durch
hochalpines Gelände führen. Noch schwieriger gestaltet sich die
Aufgabe für Dietmar Beiderbeck. Der in Veitshöchheim am Main
(Weinort im unterfränkischen Landkreis Würzburg) wohnende Läufer ist
nahezu blind; er erkennt seine Umgebung nur mehr verschleiert. Die
Sehbehinderung, eine endgradige Retina Pigmentosa (auch als
Tunnelblick bekannt), hat sich in der Kindheit erst langsam, in den
vergangenen rund zehn Jahren nun aber schnell verschlimmert.
Trotz
des sich stetig verschlechternden Sehvermögens sah Beiderbeck keinen
Grund zur Aufgabe seines geliebten Hobbys, und so steht er am 31.
Juli zum 15. Mal am Start des Berglauf-Klassikers. „Der Swissalpine
Marathon stellt das Nonplus-Ultra innerhalb der Landschaftsläufe
dar“, begründet der 44-Jährige seine erneute Teilnahme. Bislang
absolvierte er die 78 Kilometer lange Hauptstrecke bei 14 Starts
zwölf Mal erfolgreich. Im Jahr 2003 machte ihm die für ihn schier
unerträgliche Hitze zu schaffen, weshalb er sich in Bergün
entschied, durchs Ziel des damaligen C42 zu laufen. Fünf Jahre
danach wurde der handicapierte Sportler auf der Keschhütte wegen
Überschreitens der Durchgangszeit aus dem Rennen genommen.
Begleiter finden als Schwierigkeit
Beiderbeck kommt entgegen, dass den K78-Teilnehmern neu 14 statt wie
bisher zwölf Stunden zur Verfügung stehen. Begleitet wird er von
Werner Hassepass, der am Swissalpine Marathon schon verschiedene
Strecken absolvierte, ansonsten aber keine Ultra-Wettkämpfe in den
Bergen bestreitet. Hassepass ist jedoch nicht der einzige Begleiter,
auf dessen Dienste Beiderbeck bei seinen vielen Starts im In- und
Ausland zählen kann. „Mein grösstes Problem ist es, stets einen
Guide zu finden – speziell für Veranstaltungen in der Schweiz und in
Liechtenstein“, so der blinde Läufer.
Welche
Voraussetzungen muss denn ein Lauf-Begleiter mitbringen, damit er
vorzüglich mit einem Sehbehinderten harmoniert? „Grundlage ist die
Bereitschaft, als erfahrener Läufer als Guide bereit zu stehen.
Zudem muss er Freude haben, mit mir zu laufen, aufmerksam beim
Laufen sein und die eigenen Interessen zurück stecken“, erklärt
Beiderbeck, der bis zum Beginn der aktuellen Laufsaison schon 93
Marathons und 85 Ultraläufe absolvierte und der seinen Auftritt in
Davos nutzt, „um Werbung für Handicap-Sport im Extrembereich zu
machen“. Als Blinder ist er auf Hinweise über Wegbeschaffenheit,
Hindernisse, Richtungsänderungen, Streckenprofil und Zeit
angewiesen.
Bis zu drei Wochen in Davos
Den
Swissalpine Marathon, den er als überragendes Erlebnis für Körper,
Geist und Seele erlebt, stuft Beiderbeck in seiner persönlichen
Hierarchie ganz oben ein. „Der Anlass beinhaltet alles aus meiner
Sicht Wünschenswerte“, erklärt er. Er meint nicht nur den Lauf an
und für sich, sondern auch das ganze Drumherum. So erstaunt nicht,
dass der als Physiotherapeut arbeitende Deutsche im Juli/August
stets bis zu drei Wochen in Davos weilt und auch die Aktivitäten
innerhalb des Rahmenprogramms mit der Bezeichnung Highseven besucht.
In den bekannten Kurort im Landwassertal reist er aber noch aus
einem anderen Grund: Wegen Begleitkrankheiten ist er regelmäßig Gast
in der Hochgebirgsklinik.
Beiderbeck findet großen Gefallen am Swissalpine Marathon, weil er
ihm „ein unvergleichliches Landschaftserlebnis mit Sportsfreunden
aus vielen Ländern und in einer unbeschreiblich schönen Umgebung“
beschert. „Außerdem sind sämtliche Möglichkeiten des Laufens
vorhanden, und die Strecke ist ganz einfach grandios.“ Wie soll ein
Blinder den Kurs beurteilen können? „Da meine übrigen Sinnesorgane
durch das fehlende Sehen ausgeprägter ausgebildet sind, fühle,
rieche oder höre ich Dinge, welche die anderen Läufer nicht
wahrnehmen“, erklärt Beiderbeck. Bewusst werde ihm dies jeweils in
Gesprächen mit anderen, sprich sehenden Athleten.