Inhaltsverzeichnis
Suchen
Weitere
Freizetthemen |
|
WEB 2.0 Buttons |
|
|
Swiss Alpine Marathon K42 am 26.7.2003 -
Bericht von Thomas Schmidtkonz Mein Erlebnislauf durch die
hochalpine Schweizer Bergwelt oder
wie mein Desinteresse am Flachland zunahm ... |
Panorama unterhalb der Keschhütte in über 2500 m Höhe mit Blick auf den Piz Kesch (3418 m) und
Kesch
Gletscher |
'Kann man die Zeit erzählen, diese selbst, als solche, an und für sich?
Wahrhaftig, nein, das wäre ein närrisches Unterfangen! Eine Erzählung, die
ginge: "Die Zeit verfloss, sie verrann, es strömte die Zeit" und so immer fort,
- das könnte gesunden Sinnes wohl niemand eine Erzählung nennen.'
Thomas Mann, "Der Zauberberg" S. 738 - Ein Roman der seine Ursprünge auf
Davos zurückführt
Auch ich kann die Zeit nicht erzählen, wenn gleich bei dem
folgend geschilderten Lauferlebnis durchaus viel, viel davon verfloss, auf
der anderen Seite die Länge dieser Zeit von mir als gar nicht als so lang
empfunden wurde. Leider gehört dieser herrliche Lauf schon wieder der
Vergangenheit an, aber ich werde ihn sicher noch lange Zeit in meinem
Herzen tragen...
|
Inhalt
|
Letztes Jahr durfte ich den K78 den Inbegriff und Vater aller
Berg-Ultras fasziniert und intensiv an der eigenen Haut mit erleben und
erspüren.
In diesem Jahr wagte ich mich dann nur vor einigen Wochen dann an den ungestümen
und extremen Newcomer der Berglaufszene heran, dem
Bündner Martahon, mit seinem imposanten
Aufstieg aus dem tiefen Rheintal bei Chur bis zu den eisigen Gipfeln des Paparner
Rothorns.
Angesichts der dabei erlebten Strapazen wollte ich
mich nun auf einem etwas einfacheren Marathon erholen und
verzichtete so auf den K78 und entschied mich für den K42.
Aber ist er wirklich so einfach?
Fakt ist der K42 ist nicht wie der K78 über 78
km sondern "nur" 42,195 km lang. Man darf dabei 1900 Höhenmeter
emporsteigen und mit 1700 Höhenmetern geht es fast genauso tief wieder
herunter.
Der Start ist in Bergün, einem netten verträumten
Schweizer Bergdorf, das bereits den rätoromanischen Flair des Engadins
besitzt. Bergün ist
bei weitem noch nicht so entsetzlich in die Länge gewachsen wie das
mondäne Davos.
Hinter Bergün führt die Strecke zuerst relativ flach und später sehr steil
zur Keschhütte in 2650 m Höhe hoch. Dahinter geht es steil zur Alp
Funtauna bergab, während die K78-er oben auf dem berühmten Panorama
Höhenweg laufen dürfen. Am Scalettapaß treffen sich wieder beide Strecken.
Allerdings muss der K42 er zuvor verlorenen 500 Höhenmeter wieder gut
machen.
Dahinter geht es dann zuerst steil und später sehr lang gezogen und
gewellt bergab. Es sind aber auch immer wieder kleinere Steigungen zu
überwinden im Davoser Stadium endlich das Ziel erreicht.
Zwei Wochen vor dem Startschuss fahren meine Frau Gaby und
ich in die Schweiz in den Urlaub.
Nach erlebnisreichen Tagen mit unserem Zelt und Laufschuhen im Wallis und Unterengadin
treffen wir am Freitag Nachmittag in Davos im schönen und ruhig über Davos
gelegenen
Wald Hotel Bellevue ein.
Auf einer Tafel erfahren wir noch völlig unwissend und
unerfahren über diese geschichtsträchtige Haus folgendes:
1911 wurde an
die Stelle des Wohnhaus Oberhof das bekannte Waldsanatorium von Professor
Dr. Friedrich Jessen gebaut. In diesem Tuberkulose- und Lungensanatorium
kurierte Katia Mann ihren Lungenspitzenkatarrh.
Als ihr
Mann, der berühmte Schriftsteller Thomas Mann, im Frühling 1912 sie
für drei Wochen besuchen kam, wohnte dieser in der Villa am Stein an
der Buolstrasse 10. Thomas Mann wohnte nicht im Waldsanatorium und
durfte seine Frau auch nie in der Klinik besuchen.
Der Roman
"Der Zauberberg" entstand anhand der Briefe, die er von seiner Frau
geschickt bekam und wurde in den Jahren 1913 - 1915 begonnen und nach
einer vierjährigen Pause 1919 - 1924 fertig gestellt. Seit den
30er-Jahren wurde der damalige "Zauberberg" immer wieder renoviert und
1957 zum WALDHOTEL BELLEVUE umgebaut. |
Nun wissen wir, dass wir auf dem "Zauberberg" weilen was sofort
romantische Gefühle erweckt und »Man ändert hier seine Begriffe«,
prophezeit Joachim Ziemßen seinem Besucher. Anspielungen auf den Hades der
Antike, auf den Hexenberg in Goethe "Faust" oder den Venusberg in Wagners
"Tannhäuser" begleiten die Beschreibung des »Zauberbergs«, eine mystische,
traumverlorene Welt, in jeder Hinsicht das Gegenbild zum »Flachland« und
der dort herrschenden Ordnung und Disziplin.
Mehr darüber
Flachland nein für wahr, das ist hier wirklich nicht
anzutreffen. Steil geht es bergab bis zum Kurzentrum wo Gaby und ich
unsere Startunterlagen abholen. Gaby, die noch nicht gemeldet ist,
entschließt sich spontan beim K30 teilzunehmen.
Danach begeben wir uns zur Pastaparty im Eisstadium, wo
sich vor der Pasta-Ausgabe schon eine lange Schlange gebildet hat...
Steil muss nach diesem nicht allzu kulinarischem Mahle nun
noch der Zauberberg erklommen werden bis wir wieder im Hotel sind.
Kaum können wir uns im Zimmer, noch ganz außer Puste, auf dem Bett herum lümmelnd von dem heftigen Anstieg in
dieser mystisch
traumverlorenen Welt erholen, klopft es schon an der Zimmertür.
Wer mag das nun sein?
Eine Bergfee, ein Zwerg aus dem tiefen Zauberberg oder gar ein grimmiger
Troll?
Schnell die Beine bekleidet und immer noch nicht gerade
salonfähig vor die Tür geguckt, sehe ich etwas verlegen zwar keinen Troll
aber eine Dame und einen
Herr vom Hotelpersonal vor der Tür stehen. Sie möchten die Bettdecken für die
Nachtruhe aufschlagen.
Nach 2 Wochen Campingurlaub bei weitem nicht an so viel Komfort und
Service gewöhnt, aber auch nicht eingestehen wollend, dass wir das vor
einigen Minuten schon selbst erledigt haben, um herumgammeln zu können,
verzichte ich wohl wollend auf das Angebot und nehme dafür dankend die
Hotelzeitung entgegen.
Besonders interessant sind für uns beide da die
Wetterprognosen, die viel, viel Sonne verheißen. Vielleicht sogar etwas zu
viel davon?
Nun habe ich mich genug informiert und nehme ein dickes
Buch zur Hand. Nein nicht den elitären Zauberberg von Thomas Mann sondern
Unterhaltungsliteratur: "Die Nadel" von Ken Follett.
Kaum habe ich die ersten beiden Seiten gelesen, klingelt das Telefon.
Ah ja schon wieder ein Erfolgs-Autor,
nein nicht Golo Mann
sondern Werner Sonntag ist da, den ich beim Bündner
Marathon kennen gelernt habe. Ja ich muss zugeben das war so ausgemacht. Er
wollte mir sein Buch "Herausforderung Marathon" vorbeibringen, das die
Marathonszene der 80 er - Jahre so treffend widerspiegelt.
In dieser Zeit entwickelte sich das Marathonlaufen langsam zum
Breitensport. Dabei gingen die Impulse nicht nur von den USA aus wie heute
oft fälschlich gedacht wird, sondern gerade auch von Deutschland und
anderen europäischen Ländern.
Wieder nicht gerade "salonfähig" wechsle ich die
Shorts gegen die nächste greifbare lange Hose und eile runter. Er hat die Gelegenheit genutzt gleich mit einem
Schweizer Laufkollegen im Hotel essen zu gehen, da hier das Essen so
lecker ist.
Na ja alle sitzen hier so
fein und adrett gekleidet herum. Ach ich vergesse einfach die Etikette und so setze ich in
meinem legeren Aufzug neue Akzente ...
Dankend nehme ich sein wirklich interessantes Buch
entgegen und schnappe mir ungeniert den nächsten Stuhl und setze mich dazu.
Dabei
blockiere ich wohl den ohnehin schon recht engen Durchgang wo die
Bedienungen elegant wie Bergläufer hin und her huschen. Dafür unterhalten wir
uns glänzend und schwelgen in den Erinnerungen vergangener Wettkämpfe.
Gerade Werner der bereits 1968 den ersten Marathon lief, kann dabei aus
einen ungeahnten Reservoir von Erinnerungen schöpfen.
Bald verabschieden wir uns aber voneinander, da wir ja
alle Drei am morgigen Tag ja noch einiges vor haben...
|
Weit vom flachen Lande entfernt erstrahlt mystisch die Morgensonne über dem Zauberberg und
unter uns liegt noch recht verschlafen die sonst so pulsierende
Bergmetropole Davos, als ich erwache.
Da ich nachts nicht von Orks oder Trollen geweckt wurde, sondern von Elben
und Feen geträumt habe, fühle ich mich fit für den heutigen großen Tag. Noch einmal alles durchgecheckt, was ich für den Wettkampf mitnehmen muss
und schon geht es zum Frühstückstisch. Da es noch recht früh am Morgen ist
und die älteren feinen Damen, die sonst vorwiegend in diesem Hotel
logieren, wohl noch in ihrem Bette liegend ihren "Early Morning Tea"
schlürfen oder noch von fleißigen Zwergen in Zauberbergen träumen, darf man davon ausgehen, dass zu 90 % alte Swiss Alpine Kämpen
schon zu so früher Stunde vorwiegend kohlehydrathaltiges Müsli in sich
reinwürgen.
So kommen wir mit Charles Butterworth aus Florida ins Gespräch, der sich
auch an den K42 wagen will. Von ihm erhalte ich viele interessante Infos
zu Läufen in den Staaten. "Meide den Disney World Marathon. New York muss
man einmal in Leben erlebt haben. New Orleans und Washington sind zu
empfehlen und im Westen gibt es viele tolle Bergläufe." Wir
vergessen in unserem begeisterten Gespräch beinahe den Blick auf die Uhr und es ist doch schon
Halb Acht.
Gaby muss in einer halben Stunde starten! So eilen wir den Zauberberg über
und hinter uns lassend zum Start ins Davoser Sportstadium und dürfen dort
noch live den Start der Nordic Walker mit ihren langen Stecken erleben.
Sie schleudern diese so wild um sich, dass ich schon fast davor in Deckung
gehen möchte. Mit der Genauigkeit eines Schweizer Uhrwerks
starten exakt 5 Minuten später die Mountainbiker des Teamwettkampfes. Das
Team besteht aus einer Staffel von 5 Teilnehmern. Zuerst radeln die
Mountainbiker 30 km auf steilen Bergwegen und durch tiefe Schluchten bis
nach Filisur. Dann werden sie von Rollerskatern abgelöst, die die steile
Albulastraße auf 10 Kilometern bis nach Bergün hoch skaten. Dort werden
sie von 3 Staffelläufern abgelöst, die die restlichen guten 40 Kilometer
unter sich aufteilen. Weitere 5 Minuten später werde die Läufer
mit meiner lieben Gaby unter der traditionellen Musik "Conquest of
Paradise" auf die lange Strecke geschickt. Ich feure sie auf ihren ersten
Metern an... Ich selbst muss erst in knapp 3 Stunden in
Bergün starten. So begebe ich mich gemütlich zum Bahnhof.
Vom Zug aus sehen wir sowohl die Läufer und später auch die Radfahrer und
Skater.
Die Querung des Wiesener Viadukts mit seiner niedrigen Geländer und
schmalen Fahrweg mit einem Blick in eine fast 100 m tiefe Schlucht mag
dabei für manchen Radfahrer wohl gemischte Gefühle erwecken.
Nach einer Stunde kurzweiliger Zugfahrt durch Schweizer Naturschönheiten
erreiche ich um einiges erholter als im Jahr zuvor beim K78 das Bergdorf
Bergün.
Da noch viel Zeit ist erfreue ich mich am Wechselpunkt des
Teamwettkampfes.
Dabei kommen die Skater in Blitzgeschwindigkeit eingefahren. Hier muss ein
Helfer im Zielkanal den Barcodezettel von der Startnummer abtrennen.
Er hat seine Liebesmühe damit, da er immer blitzschnell reagieren muss und
ggf. den Skater nacheilen muss. Derweil reicht der Skater das Staffelband
an den Läufer weiter, der dann meist wie bei einem 100 m Sprint losrast.
Wie lange die das wohl durchhalten? Und wieder kommt ein
Skater reingebraust.
Aber wo ist sein Wechselpartner?
Weit und breit keine Spur von ihm zu sehen. Dem Skater steigt Zornesröte
ins Gesicht derweil der Ansager durch sein Mikrofon die Startnummer
hinausposaunt. Alle suchen ihn aber er bleibt spurlos verschwunden.
Befinden wir uns im Bahamasdreieck? Minuten später taucht
er auf und wird nicht mit gerade freundlichen Worten von seinem
Staffelkollegen dem Skater auf die Strecke geschickt... Auf
einem kleinen Sportfeld daneben laufe ich mich mit anderen Mitstreitern
warm und stretche mich.
Dann begebe ich mich zum Startfeld, wo ich Charles aus
Florida wieder sehe und begrüße. Da aber die Sonne recht
herunter prellt suche ich mir unweit, aber etwas versteckt liegend, ein
schattiges und romantisches Plätzchen auf einer Bank neben einem Bächen.
Ich relaxe mich und werde ungewollt Zeuge eines Männchenlaufens wo
Männlein nach Männlein die Botanik neben dem fröhlich plätschernden
Bächlein begießt.
Nett sieht das aus!
Geziemender benehmen sich die Weibchen, die sich scheu und keusch in
Büschen weit dahinter verdrücken. Es sind noch zwei Minuten
bis zum Startschuss. Daher reihe ich mich nun auch ins hintere Läuferfeld
ein und schon fällt der Schuss... |
"Zuerst ging es flott voran, aber bald wurde der Weg
steil und mühsam. Die in Windungen ansteigende Straße fast verschwunden
und von herabgestürzten Steinen versperrt"
Aus dem Fantasy Roman Herr der Ringe - Die Gefährten - S. 374
Ich verabschiede mich von Charles und wünsche ihn alles
Gute.
Langsam setzt sich der Lindwurm auch bei uns ganz hinten in Bewegung....
Wir laufen Fotografen ins Visier und lächeln was uns (noch) nicht allzu
schwer fällt.
"Andrea Tuffli? Andrea Tuffli?" ruft ein Fotograf um diese VIP
fotografieren zu können.
Da ruft eine "Ja ich" und der nächste "Ja ich" und wieder und wieder
erschallt "Hier!" oder "Ich!"
Der arme Mann ist schon ganz verwirrt als ich ihn hinter mir lasse.
Wir machen nun einen kleinen Bogen erst bergauf bis es wieder ins Tal
hinunter nach Bergün geht, das wir durchqueren bevor es das Val Tours
Richtung Keschhütte geht.
Ein K78 - Läufer nannte dieses Tal mal das "Tal des Todes". Nach knapp 50
Kilometern mag das vielleicht stimmen aber für uns Frischlinge erst aus
dem Mutterschoß des Startfeldes entlassen
trifft das natürlich nicht zu. Auch steigt der zu laufende Fahrweg zwar
mal etwas stärker dann wieder weniger aber insgesamt relativ moderat an.
Ein Bächlein plätschert fröhlich unter uns und ein lieblicher Bergwald
kühlt uns vor der Hitze der Mittagssonne. Zwischendurch sehen wir immer
wieder offene Bergwiesen und Elben tanzen ihren Reigen. |
Auf dem Weg
nach Chants (Bild stammt von 2002) |
Nach etwa 10 Kilometern, nämlich hinter Chants,
hört dieser Spaß prompt auf. Zuerst steigt der Fahrweg spürbar an.
Etwa 2 Kilometer endet dieser Fahrweg abrupt in einem Bergpfad, der brutal
gen Himmel emporsteigt. Eine wahre Himmelsleiter!
"darüber türmten sich unsichtbar die grimmigen Flanken des Caradhras in
die Höhe und zur Rechten stürzte der Boden jäh in eine tiefe Schlucht ab"
Aus dem Fantasy Roman Herr der Ringe - Die Gefährten - S. 374
Da muss ein böser Zauberer am Werk gewesen sein! Sarumans Werk?
Böser Zauber hin, böser Zauber her, wie dem auch sei auf den nächsten 2-3
Kilometern ist es richtig steil. Wieder müssen wir alle
unseren Lauf- besser gesagt Gehrhythmus umstellen. Wir steigen nun in
kleinen Schritten stoisch in einer endlosen Schlange wie damals zu
Klondikes Zeiten am Whitepass die Himmelsleiter empor.
Da der Arvenwald nun immer lichter wird und immer weniger Schatten spendet
und die Wüstensonne gnadenlos ihre Hitzestrahlen zu uns runterschickt,
suche ich mir immer wieder ein schattiges Plätzchen. Ich trete aus der
Kolonne um andere nicht zu behindern, atme kräftig die würzige Bergluft
ein und genieße das herrliche Panorama. Mittlerweile hat
uns das vordere Feld der K78 - Läufer eingeholt. Da gibt es in der Tat
welche die selbst hier hoch zu joggen versuchen. Dabei eine schlanke
Gazelle, einer Läuferin, die zwar in winzigen Schritten läuft aber
wirklich hier läuft und nicht geht. Wow!
Wie anders mag es da den Läufer ergehen der sich neben mir erbricht...
Endlich lassen wir diesen Vorhügel hinter uns und kommen in ein etwas
flacheres Hochtal: |
Auf dem Weg
zur Keschhütte |
Nun wird die Landschaft immer erhabener und bald kann man
in der Ferne schon die Keschhütte ausmachen. Als alter Allergiker fühle
ich mich erst ab einer Höhe von etwa 2300 m Höhe so richtig wohl.
Endlich kann ich eine weitgehend pollenfreie kristallklare Luft einatmen
und endlich einmal mit so richtiger Lust und Wonne frei durchatmen.
Rechts von uns sieht man nun das herrliche Panorama des Piz Kesch und
seinen Gletschern. Da müssen wohl die Götter wohnen. Noch
mal müssen wir eine Reihe von Kehren zur Keschhütte empor steigen und
schon besitzen wir die Gewissheit den höchsten Punkt der Strecke erreicht
zu haben. Über unseren Köpfen stürzen stählerne Ungetüme
hinab.
Nazguls?
Nein nur Hubschrauber. Dennoch ziehe ich erschreckt meinen Kopf ein.
Wie angenehm kühl es hier ist! Nun heißt es erst einmal Verpflegung
fassen.
Ich stärke mich an einer Bouillon und mit Weißbrot, das ich in die Suppe
eintauche. |
Ausblick oberhalb der Keschhütte in etwa 2650 m Höhe zum Piz Kesch
|
Frisch gestärkt und wieder auferstanden stürme ich den
steilen Bergpfad hinab.
Nun heißt es aufpassen. Jeder Schritt kann der letzte sein. Bald muss ich
das Tempo mehr zügeln als mir lieb ist und so balanciere ich von Stein zu
Stein.
|
Hochgebirgstrail (Panoramatrail 2002) |
Schon bald trennen sich unsere Wege vom Weg der K78 -
Teilnehmer.
Wir werden rechts zur viel tiefer gelegenen Alp Funtauna hinab geschickt,
während die Teilnehmer der Königsdistanz den Panoramaweg laufen dürfen,
der kaum an Höhe verliert.
Für uns geht es daher auf den nächsten 4 - 5 Kilometern weiterhin steil
berg ab. Immer wieder laufen welche vor mir ganz besonders
vorsichtig und bremsen mich aus. Aber wo soll ich die überholen?
Soll ich mich in die Felswände oder gar Abgründe stürzen?
Je weiter wir aber das Hochtal herunter kommen, desto mehr Möglichkeiten
gibt es auf kleine Bergwiesenflächen vom Weg abzuweichen.
So nutze ich jede Gelegenheit für teilweise riskante Überholmanöver aus.
Lieber hier Tempo machen und dann beim nächsten Anstieg Kräfte sammeln.
Mein Sinne sind hellwach. Hier kann ich mir keinen Fehltritt erlauben.
Längst glaube ich schon die 20 km - Markierung hinter mich gelassen zu
haben, als ich kurz vor der Alp entsetzt bemerke, dass sie nun erst
erscheint.
Das wird wieder eine Endzeit geben. Na ja egal, ich bin ja hier zum
Genießen und nicht zum Rasen gekommen, auch wenn es ein Rennen ist. Ich
habe keine Lust dieses tolle Erlebnis um jede Sekunde abzukürzen.
Eigentlich wie dumm ist da die Elite, die hier in 3:10 bis 3:30
durchrauscht und sich auch noch übermäßig anstrengen muss, um so eine
Endzeit zu erreichen.
Ich dagegen kann das hier 6 - 7 Stunden lang genießen ohne dabei aus den
letzten Loch pfeifen zu müssen.
Welch ein Glück habe ich da und warm rauscht mir ein wohliges Empfinden
den Rücken hinunter. :-) Gell auch eine Ansichtssache...
Ich werfe einen Blick zum Panoramaweg hinauf und stelle entsetzt fest wie
hoch die hier über uns sind. Was da müssen wir nun wieder
hoch? Also erst einmal Verpflegung fassen ist nun erste
Bürgerpflicht. Heute kann man trinken wie ein leckes Fass und doch fühlt
man in der trockenen Bergluft und in dieser Hitze gleich wieder Durst.
Wie gut, dass ich meine Fläschchen dabei habe. So kann ich mich auch
unterwegs an mehr oder meist weniger kühlem Nass laben. |
Stoisch reihe ich mich in die lange Perlschnur der
Läuferinnen und Läufer ein, die wie eine endlose Perlenkette dem Himmel
entgegen streben.
Die Minuten rauschen dahin. Aber wenn ich zurück blicke ist die Alp noch
so nah und der nächste Pass aber so fern.
Wie schön sind da die hübschen Beine einer jugendlichen Läuferin vor mir
anzusehen.
Feministinnen oder vielleicht auch meine Ehefrau mögen jetzt aufschreien
aber zu diesem Zeitpunkt ist mir das alles so ziemlich egal.
Endlose Serpentinen führen uns in immer höhere Regionen. Die Luft wird
wieder klarer nachdem mich in der Alp schon wieder die Pollen geplagt
hatten. Während die anderen wohl die dünne Höhenluft plagt lebe ich auf.
Nach zwei Wochen in den Hochlagen des Wallis und Engadins bin ich voll
akklimatisiert. So nutze ich eine kleine steile Abkürzung
bei einer Kehre, um die hübschen Beine und eine Gruppe von 6 weiteren
Läufern in einem Zug hinter mir zu lassen. Schon bald
treffen wir auf den Panoramaweg und stehen vor dem nächsten Hindernis.
Ein breiter rauschender Gebirgsbach ist zu queren.
Vorsorglich und liebevoll wurden ein paar Steine platziert, damit unsere
Füße nicht nass werden. Aber wie die platziert wurden!
Ich balanciere von einem Stein zum anderen. Irgendwann sind die Abstände
aber so groß, dass wohl nur ein Dreispringer, Akrobat oder
"Steintänzer" so was bewältigen kann. Also nicht verzagen! Ab und durchs
Wasser.
Die Füße werden nass und fühlen sich eisig an. Dazu weht hier oben
erstmalig ein richtig eisiger Wind.
Ja am Scalettapass war es auch letztes Jahr schon so kalt!
Der Doc am Pass schaut jedem Läufer tief in die Augen und mir drückt er
sogar die Hand.
Ich behaupte, dass es mir nie besser ging.
Er lässt es gelten und ich stürme zur nächsten Verpflegung, wo ich
verdünntes Cola und Iso-Drinks in mich hineinstürze, da Wasser alleine
meinen Durst nicht mehr löschen kann.
|
Nun geht es sehr steil hinunter.
Jetzt Tempo machen?
Nein zumindest das erste Stück geht es nicht. Also ist weiter marschieren
angesagt. |
Steiniger Weg
am Scalettapass |
Da sprach Gott: "Es werde Licht!" Und es ward Licht
Genesis 1,3
Allmählich wird der Weg zwar etwas besser, aber ich muss
immer noch höllisch aufpassen, dass ich mich nicht hinlege. Manchmal
bleibt man an der Fußspitze zwischen zwei Steinbrocken wie an einer
Fußangel hängen. Wenn man da nicht aufpasst fliegt man gnadenlos auf die
Klappe. So auch mir einmal fast geschehen.
Zusätzlich zu den Felsbrocken auf dem Weg muss ich auch
noch auf die Wanderer achten, die oft noch gefährliche Stecken in den
Händen halten und so häufig den engen Gebirgspfad blockieren. Aber immer
wenn ich losschimpfen will, werde ich freundlich angefeuert. Da muss ich
dann schon fast wieder lachen.
Nur einer zeigt sich besonders stur. Meine Hände zu
Fäusten geballt und mit Elan losrasend registriert er mich
schließlich. Wie als wenn er aus einen bösen Traum erwacht wäre springt er
im letzten Augenblick verschreckt zur Seite...
Ich werde nun immer öfters überholt. Beruhigt stelle ich
fest, dass die praktisch nur Startnummern vom K78 tragen. Da läuft immer
noch das vordere Feld mit.
Endlich nähern wir uns Dürrboden und ich weiß, dass ab da
die Wege wieder besser werden.
Aber schon höre ich einen Läufer knapp hinter mir lauthals fluchen und
sehe noch wie er voll auf die "Schnauze" fällt. Ich drehe mich, um
notfalls Hilfe leisten zu können, aber schon ist er von hilfsbereiten
Zuschauern umringt.
Beruhigt kann ich weiter laufen. Mit Freude stelle ich
einige Minuten später fest, dass er, ein K78 er, mich sogar überholt. Wir
wechseln ein paar Worte und ich bedaure ihn, dass das so nahe vor den
besseren Wegen passiert ist.
Wir erreichen nun Dürrboden, wo mal wieder ziemlich viel
Zuschauer sind.
Während die Zuschauer an der Hütte sich an Drogen wie
Alkohol und Nikotin berauschen, berauschen wir Läufer uns an der guten
Stimmung und werden beim Einlauf von einem Speaker teilweise namentlich
erwähnt.
Ich trinke hier viel und schon geht es auf nun besseren
Wanderwegen weiter.
Leider geht es nun auf einer ehemaligen Moräne auch wieder bergauf.
Wenn es bergab geht wird es teilweise schon wieder verdammt steil.
Ich sage mir: No Risk, No Fun und rase los.
Auch die Sumpfwiese vom letzten Jahr darf nicht fehlen.
Nur ist sie diesmal recht ausgetrocknet und so können wir diese auch ohne
größere Probleme kreuzen.
Je tiefer wir kommen desto heißer wird es. Die Sonne brennt gnadenlos
herab und ich stoße Bittgebete gen Himmel, dass Petrus ein paar Wolken
schicken möge.
Da sprach der Herr: "Es werde wolkig!" Und es ward wolkig. Und es ward
angenehm kühl.
Voller Dank blicke ich treuherzig empor.
Minuten später brate ich wieder in der Hölle. Das ist kein
Fegefeuer mehr. Das ist die Hölle. Und dazu kommt der heiße diabolische
Odem, ein heißer Gegenwind vom Tal herauf.
Warum muss ich auch immer an Wüstenläufen teilnehmen?
Neugierige Kühe und zwischendurch auch Schafe und Pferde
gucken uns Narren zu.
Wer mag heute der Hornochse oder der Schafskopf sein?
Endlich kommt ein kühles Wäldchen. Aber vom letzten Jahr
her weiß ich noch, dass es wieder raus an Weiden und Wiesen vorbei gehen
wird. So gewusst auch so geschehen.
Wieder diese Hitze. Nun keine Bittgebete mehr. Gott
verzeihe es, aber ich fluche....
Endlich wieder Wald und schon nähern wir uns der letzten
Verpflegungsstelle. Schnell etwas getrunken und abgebogen in den Wald.
Hier geht es noch einmal ein kurzes Stück bissig bergauf.
Ich sage "Ja diesen kleinen Gemeinheiten". Der Läufer neben mir zuckt
stoisch mit den Schultern und klärt mich auf, dass die Schweiz ein
bergiges Land sei.
Mit diesem neuen Wissen aufgeklärt, man lernt ja nie im
Leben aus, geht es nun einen Weg leicht bergab.
Mensch letztes Jahr kam doch noch mal ne Steigung oder?
Aber statt der etwa 1 km langen lang gezogenen leichten Steigung geht es
nun scharf rechts auf die Straße nach Davos runter. Irgendwas ist hier
anders als im Vorjahr.
Ja in der Tat statt durch den Wald geht es nun einen guten Kilometer an
einer langen aber flachen Straße entlang. Wäre es nur heute nicht so heiß,
wäre es eine Wohltat. So aber wünschte ich mir lieber den Waldweg mit
Anstieg als diesen Backofen hier.
Endlich biegen wir rechts in die City von Davos ab und
gleich geht es in das Stadium hinein.
Hier sind ja richtig viel Zuschauer und sie feuern uns ganz toll an.
Freudig gebe ich Gas und erreiche mit hoch erhobenen Armen
nach 6 Stunden und exakt 20 Minuten das Ziel. |
Ich nehme meine Medaille in Empfang, trinke viel und noch
mehr und ruhe mich dann erst auf einer Bank aus.
Dann besteige ich den Zauberberg und da wir von ihm so bezaubert sind,
vergessen wir die Abschlussparty und gehen statt dessen in unserem Hotel
zum Abendessen, das sehr lecker ist.
Gaby erzählt mir von ihren Erlebnissen beim K30 der wunderschön war und so
ich ihr von meinen Abenteuern beim K42. |
Links: |
Offizielle Website des
Swiss Alpine Marathons |
Anzahl Teilnehmer: |
K78: 1106
K42: 1073
K30: 722
C42: 354
Ausfallquote K78: 12 %
Ausfallquote K42: 10 %
Ausfallquote K30: 8 %
Ausfallquote C42: gute 3 % |
Bestzeit Männer Marathon K42: |
1. Disassa Dabressa, 72, Lausanne 3:10.05,9
2. Horisberger Ueli, 68, Schwarzenbach BE 3:25.51,8
3. Stampanoni Jonathan, 70, Bigorio 3:27.37,5 |
Bestzeit Frauen Marathon K42: |
1. Worku Tsige, 82, Fribourg 3:36.36,1
2. Reiber Carolina, 73, Zürich 3:38.43,4
3. Abosa Emebet, 74, ETH 3:57.07,1 |
Letzter Läufer: |
9:48.31,2 |
Wetter: |
Sonnig und sehr warm, z.T. windig |
Höhenmeter / Strecke
Marathon: |
+ 1890 Meter / - 1710 Meter Start: Bergün
Strecke: Chants - Keschütte - Alp Funtauna - Scalettapass - Dürrboden
Ziel: Davos |
Schulnote Schönheit der Strecke |
1 |
Schulnote Organisation |
1 |
Schulnote Service / Verpflegung |
1 |
Schulnote Zuschauer
(Anzahl / Motivation) |
2 |
Schulnote Gesamteindruck |
1
|
|
|