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Kilometer 1 beim Berlin Marathon: Hier wird die Siegessäule umrundet

laufspass.com -  Berlin Marathon am 26.9.2004 - Bericht von Thomas Schmidtkonz

Meine Erlebnisse beim 31. real - Berlinmarathon

 

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Berlin Marathon am 26.9.2004 - Bericht von Thomas Schmidtkonz

Inhalt

Vor dem Start Der Lauf Im Ziel Infos
Die Bilder zum Lauf

Vor dem Start

Die sieben Todsünden vor einem Marathon

Es gibt sieben Todsünden, die man vor einem Marathonlauf begehen kann. Meine Frau Gaby, mein Schwager Rudolf und ich begehen deutlich mehr als sieben, bevor wir die Startlinie von Deutschlands größten Marathon überqueren.

Wir reisen schon am Freitag an und verbringen den Tag damit einen ganzen Tag wohl die Distanz eines Halbmarathons im sehenswerten Leipziger Zoos zurückzulegen.
Das ist die Todsünde Nummer 1.

Den Abend verbringen wir schon wie im Vorjahr in dem schönen Hotel am Rebhuhngarten in Zerbst. Da darf ein opulentes Mahl mit alkoholischen Getränken nicht fehlen. Marathontodsünde Nummer 2.

Am Samstag wandern  wir rastlos durch die sehenswerte Altstadt von Zerbst und sind traurig über die Schlossruine von einem herrlichen Schloss der Fürsten von Anhalt Zerbst. Das Schloss und die schöne Altstadt des Rothenburgs von Mitteldeutschland wurde unsinnigerweise an einem der letzten Kriegtage von den Amis in Grund und Asche gebombt. Danach tun die Füße weh. Marathontodsünde Nummer 3.

Am Nachmittag besichtigen wir noch schnell das Pergamonmuseum in Berlin. Das muss man ja mal gesehen haben! Wir können uns am Pergamon Altar, Markttor von Milet, Ischtartor und der babylonischen Prozessionsstraße nicht satt sehen. Gaby ruiniert sich die Knie auf den Stufen zum Pergamonaltar hoch und unsere Füße tun noch mehr weh.
Marathontodsünde Nummer 4.

Wir fahren nun zur Marathonmesse um die Startunterlagen abzuholen. Wir steigen Dank meiner Beihilfe bei einer falschen Station aus und müssen zwei Extrakilometer laufen. Marathonsünde Nummer 5.

Wir wollen eigentlich nur noch unsere Startnummern abholen. Aber die Angebote auf der Messe sind so verlockend. Wieder hatschen wir hin und her. Mittlerweile haben wir auch unseren Bekannten Gitta und Norbert getroffen. Auch sie gucken überall herum. Damit wir uns immer wieder finden, gehen wir bei der gegenseitigen Suche weitere Umwege. Sünde Nummer 6.

Ich entdecke neue Teflon - Laufsocken, die ich unbedingt und natürlich ungewaschen und ungetestet morgen tragen will. Sünde Nummer 7.

Das reicht mir aber noch nicht. Diese neue Rückentasche. Da könnte ich doch all meine Gels und den Fotoapparat herrlich unterbringen. Der kurze Test in der Messehalle muss ausreichen. Sünde Nummer 8.

Nun stehen wir alle 5 herum und weil keine(r) der Quasselstrippen ein Ende machen will, werden die schmerzenden Beine ignoriert. Sünde Nummer 9

Wir gehen mit Gitta und Norbert zur U-Bahnstation. Mein Einwand, dass der Gang zur S-Bahnstation für uns drei besser wäre wird überhört, weil ich zuvor das mit der falschen Station verbockt habe. An der Kasse für die Tickets ist eine ellenlange Schlange. Danach müssen wir eingequetscht wie die Sardinen in der Büchse einen riesigen Umweg zur nächsten passenden S-Bahnstation fahren. Sünde Nummer 10

Wir sind dann abends erledigter als nach so manchen Marathon, obwohl er ja noch vor uns liegt. Ich trinke zum Trost Bier und esse ein Pilzgericht mit Speck. Sünde Nummer 11

Durch so viele Sünden beunruhigt schlafe ich ein und sehe mich schon von Marathonteufelchen gepiesackt in der Marathonhölle braten ...

Mehr über mögliche Marathonsünden

Der lange Weg zum Starttor

Von unseren Sünden geläutert, versuchen wir es am nächsten Morgen mit guten Vorsätzen. Wenigstens beim Frühstück wollen wir alles richtig machen. So lassen wir am Büffet den Speck und weitere verlockende fettreiche Kost links liegen. Das tut weh!

Durch so viel Selbstdisziplin überrascht können wir nun mit beruhigtem Gewissen von unseren Potsdamer Hotel nach Berlin Wannsee fahren. Von dort fahren wir mit der S7 zum Lehrter Bahnhof, der dem Startbereich am nächsten liegt.
Nervig ist es, dass der Veranstalter es leider nicht wie in den Vorjahren geschafft hat, dass man die öffentlichen Verkehrsmittel am Marathontag als Teilnehmer kostenlos benutzen darf.
Also dürfen wir uns wieder in die Schlange vor dem Fahrkartenautomat einreihen ...

Noch ist die S-Bahn recht leer. Aber sie füllt sich bis zum Lehrter Bahnhof immer mehr. Aber da die Züge heute in einem erhöhten Takt fahren, ist es im Gegensatz zum Vorjahr erträglich.

Schlimmer ist dann das Gedrängel am Bahnhof selbst. Da er sich im Umbau befindet, gibt es nur einen Ausgang. Oh lieber Gott - Sünden hin und her - lass bloß jetzt keine Panik aus welchem Grund auch immer ausbrechen!

Dichtes Gedrängel am Lehrter Bahnhof.

Endlich können wir das Bahnhofsgelände hinter uns lassen. In einem endlosen Lindwurm geht es nun am protzigen und hässlichen Bundeskanzleramt vorbei. Dort hält sich hinter dicken Betonwänden und Hochsicherheitstrakten unser oberster Volksvertreter und Schirmherr dieses Marathons "verschanzt".
Nein in diesem "Gefängnis" möchte ich nicht residieren, denke ich mir als ich mich in den nächsten Stau der winzigen Eingänge zum eingezäunten Startbereich einreihe. Hier versuchen alle wie durch einen verstopften Flaschenhals hineinzukommen.
Ich passiere die Kontrolle und purzle durch den Flaschenhals. Ich begebe mich sofort zu meinem der fast 100 LKWs, wo man sein Gepäck abgeben kann.

Hier geben wir unser Gepäck ab

Die Zeit wird nun schon knapp und so reihe ich mich gleich wieder in die endlose Menschenschlange ein, die mich unweigerlich zu meinem Startblock führt.
Da ich schon mal 3:34 gelaufen bin, habe ich mich noch ganz knapp für den Startblock E qualifiziert und kann mir so diesen riesigen und überfüllten "Monsterblock" H sparen, wo alle Novizen und Läufer mit Bestzeiten über 4:15 vertreten sind.
Dafür ist der Anmarschweg für uns deutlich weiter. Da hier aber weniger los ist, kann ich mich sogar ein wenig warm laufen und die "Schwangere Auster" rechts von mir bewundern:

"Schwangeren Auster": Das Gebäude im Hintergrund

Im Startblock E geht es richtig beschaulich zu. Im Gegensatz zu den hinteren Blöcken kein Gedrängel und keine Massenansammlungen.
Da das Marathonlaufen sich von einer elitären Sportart zum richtigen Breitensport entwickelt hat sind wir das ehemals von ambitionierten Marathonläufern bemitleidete Fußvolk der 3:30 - Läufer schon zu was wie einer Läuferelite aufgestiegen.
Ach das tut mir jetzt so richtig gut, dass ich Genussläufer, da nun auch dabei sein darf.

Auch ein Kamerateam hat bemerkt, dass sich hier der "Normalläufer" besser filmen lässt, als in dem dichten Gedrängel der hinteren Blocks der echten Normalläufer. So rechne ich mir sogar gute Chancen aus, vielleicht mal kurz ins Fernsehen zu kommen ...

Ein Kamerateam filmt das vordere Feld des dicht gedrängten Startblocks F vom Block E aus.

Über uns kreisen derweil wie stählerne Aasgeier Hubschrauber, damit für den Fernsehzuschauer auf den Bildschirm das ganze Ausmaß dieser monumentalen Ansammlung von Marathonverrückten gebannt werden kann.

Der fetzige Rocksong "The Final Countdown" kündigt in einer einzigartigen Stimmung den Countdown zum Startschuss an. Schon steigen die ersten Luftballons etwas verfrüht in den trüben Herbsthimmel hoch.

Und endlich fällt doch der Schuss. Während über unsere Häupter eine ganze Schar von Luftballons schwebt, gehen wir stockend der Startlinie entgegen ...

Der Lauf

Gedrängel auf den ersten 10 Kilometern

Ich setze meine Stoppuhr in Gang, als ich die Fußmatte überquere. Die Matte registriert unseren am Schuhbänder festgemachten Chip, um unseren Startzeitpunkt aufzunehmen.
So wird auch beim letzten Starter korrekt die echte Laufzeit gemessen.
Meine Uhr schwächelt in dieser nassen Kälte, da die Batterie wohl dem Ende entgegengeht. Einmal wenn ich  etwas auf Zeit laufen will und schon habe ich Ärger mit der Technik!
Ich wärme die Uhr mit der anderen Hand. Und siehe da es hilft wirklich!

Neben mir joggt Darth Wader extra vom Film Starwars hierher gebeamt. Da muss ich doch mal schnell ein Foto machen:

Im weiteren Verlauf der über 42000 Meter kann ich noch Obelix, etliche Laufteufel und schließlich nach der Halbmarathondistanz sogar ein Laufendes Sebamed Duschshampoo ausmachen. Mein Respekt gerade an die sportliche Leistung des Sebameds, das die Halbmarathondistanz wohl als Deutschlands schnellstes Sebamed in etwa 1:45 bewältigt hat!

Nachdem ich bei der Siegessäule eine weitere Fotosession abgelegt habe, drückt mich auch noch die Blase. Na ja da nutze ich noch schnell das Grün der Berliner Tiergartens, bevor wir in den Asphaltdschungel Berlins abtauchen.

So jetzt habe ich schon locker 2 Minuten und mehr an Zeit für meine mir selbst gesetzte Zielmarke von 3:40 verloren. Das wird hart. Also lasse ich ab nun sämtliche Fotosessions mal ausfallen!

Bedingt durch meine beiden Pausen, haben mich etliche langsamere Läufer überholt, an denen ich wieder vorbei muss.  Dies wird immer dann besonders schwer, wenn sich dabei Gruppen oder Sperrketten bilden und so was kommt halt bei knapp 30.000 Startern häufig vor.

Erst nach vier Kilometern entdecke ich eine Markierung, da man die meisten in dieser 42000 Meter langen Gasse von etwa einer Millionen Zuschauer leicht übersehen kann. Meine Uhr zeigt wie erwartet 22 Minuten an. Also darf ich auf den nächsten Kilometern deutlich Zeit aufholen, um mein mir selbst gewähltes Ziel erreichen zu können.

Das Gedrängel am ersten Verpflegungspunkt bei Kilometer 5 lasse ich links und rechts neben mir liegen, da ich für solche Fälle meinen Trinkgurt dabei habe.
Die Helfer der ersten Trinkstelle bei Kilometer 5 haben in Kürze noch den allerschlimmsten Ansturm von etwa 1000 Läufern pro Minute vor sich. Das zu bewältigen ist schon eine tolle Leistung!
Dafür haben sie es aber auch am schnellsten hinter sich, während die Helfer bei Kilometer 40 schon einige Stunden mehr tätig sein dürfen.

Ich versuche auf den nächsten 5 Kilometern Zeit gutzumachen. Bei dem dichten Gedrängel fällt mir das aber schwer. So scheint es auch den 3:30 - Zugläufer zu gehen, als ich in eine riesige Läufertraube hinter ihm aufschließe.
Na im Augenblick overpacen sich die 3:30 - Aspiranten nicht. Aber später wird es dann hart, wenn der Zeitverlust wieder gut gemacht werden muss. Um das zu schaffen, muss dann das Potential wohl deutlich unter einer Zeit von 3:30 liegen.

Nur langsam kann ich an dieser Traube vorbeilaufen, wobei es mir ganz klar ist, dass Mr. 3:30 mich später wieder überholen wird, da 3:30 nicht mein gestecktes Ziel ist.

Freie Fahrt hinterm Alex

Am Alex bei Kilometer wird unsere Laufstraße breiter und so fließt der zähe Läuferstrom besser. So kann ich erstmals gut Tempo machen und meine Kilometerzeiten liegen dann auch bis KM 19 kontinuierlich unter 5 Minuten.
Ich bin über die Zuschauermassen erstaunt. Kaum an einer Stelle stehen sie in weniger als mehreren Reihen hintereinander an der Strecke. So was gibt es wohl nur in Berlin!
Da meine Konzentration nun erstmals nicht nur mit dem Feld vor mir beschäftig ist, registriere ich erstmals, was so am Streckenrand zu sehen ist. In dichter Frequenz folgt eine Musikband nach der anderen. Die heizen uns so richtig ein!
Zwischendurch dann wieder eine "Balkondisko" mit lauter mitreißender Musik.
Ja dieser Lauf ist dreidimensional. Man tut als Läufer gut daran auch mal einen Blick nach oben zu werfen. Da trommelt dann im 4 . Stock die Omma auf dem Kochtopf!

Thomas GO! lese ich Thomas erfreut auf einem Schild. Kein Wunder der Name Thomas ist auf der Teilnehmerliste 909 mal vertreten.

Immer wieder überhole ich einen Dänen erkennbar an den aufgemalten dänischen Landesfarben.  Laut Zeitung sollen 2909 Dänen auf der Strecke gewesen sein.

In Kreuzberg steht dann wieder traditionell eine tolle türkische Musikband. Das hat sich auch bei den Zuschauern herumgesprochen. Das ist ja richtig der Berliner Bär los!

Gleich dahinter geht es durch eine Unterführung. Da werden wir durch die günstige Akustik verstärkt mit einem Trommelwirbel begrüßt.

Diese Kilometer sind wegen der unzähligen Attraktionen am Streckenrand trotz meines für mich ungewohnt hohen Lauftempos so richtig kurzweilig, dass ich erstaunt bin als ich mich schon der Halbmarathonmarke nähere.
Wird die zweite Hälfte auch so leicht und beschwingt werden oder muss ich für meine Sünden von den Vortagen büßen?

Jungendliche Trommler heizen den Marathonis ein (Bild vom Jahr 2003)

Ja die Berliner Luft, Luft, Luft

Fröhlich die Berliner Luft, Luft, Luft noch nicht aus dem letzten Loch pfeifend, passiere ich die Halbmarathonmarke in 1:46:07. Für die geplanten 3:40 liege ich nun gut in der Zeit und habe für die beschwerlichen "30 er" mir einen passablen Zeitpuffer aufgebaut. Wie schnell der aber dahin schmelzen kann, weiß ich von früheren Läufen. Also versuche ich am Schöneberger Rathaus vorbeilaufend mein Tempo weiterhin zu halten.

Da sehe ich gerade passend zu den ersten Wehwehchen am Streckenrand das aufmunternde Schild "Der Schmerz geht und der Stolz bleibt!" stehen.
Ich rezitiere "Der Schmerz geht und der Stolz bleibt!" und wieder und wieder und wieder "Der Stolz geht und der Schmerz bleibt!". Oh war das richtig? "Der Scherz bleibt und der Sturz kommt". Wie war's jetzt wieder ...

Als eingefleischter Bergläufer fiebere ich nun schon mit sadistischen Seitenblicken auf meine Mitstreiter dem großen Anstieg zum Wilden Eber entgegen. Nur zu dumm ich kann ihn nicht bemerken. Dafür macht sich der Wilde Eber schon Hunderte Meter zuvor mit lauter Trommelmusik bemerkbar.
Traditionell wurden in der Allee an den Bäumen links und rechts Lautsprecher aufgehängt, die uns nun einen wahren Trommelzauber entgegenwirbeln.

Am Rondell des Wilden Ebers haben dann wieder dicht gedrängt die wilden Horden der Zuschauer uns eingekreist und feuern uns so richtig an. So dass ich und meine männlichen Laufgenossen bei den folgenden Abstieg von dieser Berliner Passhöhe so richtig den Eber rauslassen können, während unsere Mitstreiterinnen natürlich mal so richtig die Sau rauslassen.

Das macht Spaß und so vergesse ich auch all meine Wehwehchen und meine nervige neue Rückentasche, die mir ständig ins Kreuz plumpst.

Wir passieren die magische Dreißiger Marke. Der Dreißig Jährige Krieg dauerte entschieden länger und so liege ich immer noch gut in der Zeit. Aber der Pulk der 3:30 - Läufer hat mich wieder überholt und ist nur noch in der Ferne zu sehen.

Das macht mir wenig aus, da wir nun in den Kurfürstendamm abbiegen. Da ist ja schon wieder der Bär los!
Ohne zusammen zu knacken passiere ich dann auch den groß angekündigten Knackpunkt bei Kilometer 32.

Der Knackpunkt  (Bild vom Jahr 2003)

Triumphzug zum Brandenburger Tor

Die weltberühmte Ruine der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche signalisiert das Ziel der alten Berliner Laufstrecke. Wir haben aber immer noch 9 Kilometer vor uns.
Auf diesen letzten Streckenabschnitt haben sich die meisten Männer mit dem Hammer in Lauerstellung gelegt. Welche Opfer werden sie heute finden?
:-) Da aber das nasskalte Wetter heute den meisten Läufer entgegen kommt, haben diese finsteren Gesellen heute doch ein recht schweres Spiel mit uns. Ich kann nur selten Läufer mit echten Problemen wahrnehmen und mir selbst geht es trotz des sündenreichen Lebens der Vortage noch recht glänzend.

Ich glaube es ist auf der Potsdamer Straße, wo dann erstmals so was wie ein "Tour de France Feeling" auf kommt. Hier bilden erstmals und einmalig die Zuschauer eine enge Gasse und feuern uns so richtig an. Da die Berliner Straßenzüge ansonsten immer so breit sind, ergeben sich trotz der riesigen Menge an Zuschauern nur selten solche Gelegenheiten.

Die architektonische Schönheit des Gendarmenmarktes bei Kilometer 38 begeistert mich jedes mal:

Gendarmenmarkt (Bild vom Jahr 2003)

Noch vier Kilometer. Ansonsten ein harmloser Trainingslauf. Aber mit 38 schnellen Kilometern in den Knochen ist das schon was anderes!

Nun geht es an den ganzen Berliner Prachtbauten vorbei, während ich mit den neuesten aktualisierten Hochrechnungen zum meiner voraussichtlichen Endzeit beschäftigt bin. Ab Kilometer 33 habe ich etwas abgebaut. Meine Kilometerzeiten lagen so um die 5:20 - 5:40. Für die geplante Endzeit von knapp unter 3:40 wird reichen. Vielleicht knacke ich sogar meine bislang zweit beste Zeit von 3:38:15?
Ja wir können es ja mal probieren! Aber das dazu nötige Tempo zu halten tut nun doch etwas weh.
Wie war das noch einmal? "Der Schmerz bleibt und der Schmatz kommt"
Macht Marathon laufen blöd? Nein das kann nicht sein. Also noch einmal: "Der Schmerz soll gehen. Ach ja stolz soll ich auch noch sein!"
Mit stolz gewölbter Brust verlasse ich die Karl Liebknecht Straße, wo Karl vom Balkon des von der DDR abgerissenen Berliner Schlosses vor knapp 86 Jahren die erste Sozialistische Konkurrenzrepublik ausrief und dann kurz danach das ganze mit dem Leben bezahlen durfte.

Geschichte hin oder her - wir über 28.000 Läufer schreiben heute mal wieder Marathongeschichte. Yoko Shibui hat vor einer guten Stunde den Streckenrekord für die Frauen geknackt und ist Weltjahresbestzeit gelaufen und wir Breitensportler rahmen diesen schönen Erfolg durch unsere gute Marathonlaune gebührend mit ein.

Hinter dem Berliner Dom und der Staatsoper laufen wir nun auf der ehrwürdigen Prachtstraße "Unter den Linden" in einem endlosen Triumphzug dem Brandenburg Tor entgegen. In der Ferne kann ich es schon ausmachen.

Ein letzter Blick auf die Uhr. Kann ich meine bislang zweitbeste Zeit knacken?
Ja aber nur mit einem ordentlichen Endspurt!
Also rase ich in Trance durchs Brandenburger Tor. Ich habe kaum einen Blick für die riesige Zuschauertribüne übrig, die erstmals aufgebaut wurde. Diesen Spaß muss ich nun leider dem Diktat der gnadenlosen Zeit unterordnen! Da ist ja die 42 -Marke! Die Uhr zeigt 3:37:10 an. Ja das klappt!
Endspurt, Arme glücklich in die Höhe heben und ein kleiner Freudensprung für die Zuschauer und schon passiere ich in einer Nettozeit von 3:38:01 die Ziellinie.

Glücklich im Ziel

Im Ziel

Sünden können dem Sünder auch vergeben werden. Das ist das Fazit dieses Laufes. Sicher wäre ohne diese 11 Todsünden und bei weniger Gedrängel am Anfang mehr drin gewesen. Aber Hauptsache es hat Spaß gemacht.
Jetzt beginnt aber noch einmal ein weiterer Marathon für mich.
Zuerst das übliche Prozedere: Medaille mit stolzer Brust in Empfang nehmen, Plastikumhang gegen die Kälte in Empfang nehmen, Verpflegung fassen, den weiten Weg zum Gepäck antreten usw.
Auf der nassen Wiese vor dem Reichstag ziehe ich mich dann um.

Zu meiner Freude habe ich einen Pilsausschank entdeckt. Die Sünden der Vortage und dann die guten Vorsätze vergessend reihe ich mich in die lange Warteschlange ein.
Bier genießerisch getrunken. Blick auf die Uhr. Oh ja ich muss zurück zum Zielbereich wo ich Rudolf und Gaby noch treffen will. Also zurück durchs Gedrängel eines entgegen fließenden Stromes von mehr oder weniger erschöpften aber glücklichen Läufern.
Beim Ausgangstor des Zielkanals, wo sich der Weg gabelt warte ich dann noch lange auf die beiden. Derweil assistiere ich den offiziellen Helfer, als viele Läufer nicht wissen in welche Richtung sie gehen sollen, obwohl eigentlich beide Wege richtig sind:

Hier gabelt sich der Weg. Fragende Blicke: Wohin soll ich gehen?

Schließlich entdecke ich auch Gitta, Rudolf und meine Frau Gaby die die harte Distanz von 42,2 km alle in für sie guten Zeiten und was wichtiger ist auch mit Genuss bewältigt haben.

:-) Mein Fazit: Der Berlin Marathon ist in der Tat eine Reise wert!

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