Die mentale Krise
Ich zehre noch ein kleines Stück von diesem wunderbaren
herbstlichen Schäferidyll, bevor mich die Schmerzen und Sorgen der
schweren Dreißiger einholen. Die Zwangspause hat mir ein paar
Minuten gekostet und nun ist die mir selbst vorgegebene Zeitmarke von 4:00
in Gefahr. Eigentlich ist dieses Ziel wie so manch anderes im ach so
begrenzten Denken des Menschen völlig belanglos, da ich auch schon
schneller und auch sehr oft langsamer gelaufen bin. Aber was sich der
Mensch halt mal in den Kopf setzt, das muss er mit Biegen und Brechen auch
durchsetzen.
So beginnen die Hochrechnungen, wie schnell ich laufen
muss. Wo lag ich beim letzten Kilometer? Was laufe ich gerade? Wie wird
der nächste Kilometer aussehen? Wie schlecht sehe ich in 5 Kilometern erst
aus? Ozon muss auch in der Luft sein. Die Lunge sticht.
Die Sonne sticht. Nein, kann sie nicht! Hier ist Schatten! Wie mag das
dann erst wieder auf der Straße sein, wo wir ihren brennenden Strahlen
schutzlos ausgesetzt sind?
Alleine ausgesetzt unter lauter Laufverrückten! Wie
lange soll ich mir solche Verrücktheiten noch antun?
Die Füße tun auch weh. Sicher habe ich mir schon eine
Blutblase gelaufen! Ach, wäre es nur eine! Die
alten Gelenke mögen nicht mehr so wie früher. Du wirst halt langsam zum
Laufen zu alt! Nein, das kann nicht sein. Da laufen noch welche mit über
90 Marathon und 80 Jährige deutlich unter 4 Stunden. Ja, jetzt läuft Dir
schon Methusalem
davon! Du bist ein Nichts im Universum der gar so begabten und
begnadeten Läufer ... Schon ist die mentale Laufkrise
da! Wie gut, dass es hier nun Kunst am Streckenrand zu
sehen gibt. Das lenkt mich ab und die nächste Kilometerzeit ist bei weitem
nicht so schlecht wie ursprünglich befürchtet. |