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Chiemgau Ultra 2007 - Ein Bericht von Dieter Ulbricht
Sie: "Kannst Du mir mal sagen, was Ihr hier so macht?"
Ich: "Wir laufen den Chiemgau Ultra über 100 km!"
Sie: "Dann stimmt das also, was die anderen da vorne uns alles erzählt
haben!"
Diese kurze und doch vielsagende Unterhaltung führe ich mit zwei netten
Wanderinnen kurz vorm steilen Anstieg zur Hörndlwand. Als ich Ihnen auch
noch erkläre, dass einige bereits am Vortag gestartet waren, um noch
eine zusätzliche Schleife von 66 km zu absolvieren, verlieren die beiden
vollkommen die Fassung.
Und doch hatten sich an diesem sonnigen Julitag 79 dieser "Verrückten"
(100km: 66; 100 Meilen: 13) versammelt, um zusätzlich zur besagten
Strecke auch noch knapp 4500 Höhenmeter auf alpinen Pfaden zu laufen.
Eine Herausforderung, die letztendlich nur 27 innerhalb des Zeitlimits
von 18 bzw. 32 Stunden bewältigen werden.
Doch der Reihe nach!
Pünktlich am Freitag, den 13. Juli um 17 Uhr versammeln wir uns zum
Abholen der Startunterlagen und Briefing im Waldstadion in Ruhpolding.
Als Einziger fehlt Organisationschef Giselher "Gi" Schneider. Er ist
noch auf der Strecke unterwegs. Sturm Kyrill hatte vor Monaten weite
Teile der Strecke unpassierbar gemacht und nur Verhandlungen bis zur
letzten Minute und der Kooperationsbereitschaft der Forstämter ist es zu
verdanken, dass wir letztendlich doch die Originalstrecke laufen können.
So kündigt Giselher uns noch eine Umleitung an, die wir dann am
kommenden Morgen doch nicht werden laufen müssen.
Wir vertreiben uns die Wartezeit bei der leckeren Nudelparty und nutzen
die Gelegenheit, auf unsere Landkarten die Route des kommenden Tages
einzuzeichnen.
Mit den neuesten Infos kommt dann auch Giselher und macht uns nun beim
Briefing mit den Problemen der Strecke vertraut. Beruhigt uns die
angekündigte gute Markierung noch, dämpfen die spärlich eingerichteten
Verpflegungsstellen (6 an der Zahl, dazu wenige zusätzliche
Wasserstellen an den Kontrollpunkten) bei den zu erwartenden
hochsommerlichen Temperaturen unsere Stimmung beträchtlich. |
Hier gibt’s die Startunterlagen |
Tom Possert, dreimaliger Gewinner des Badwater Ultra über 217 km im
Death Valley beim Abzeichnen der Streckenführung |
Streckeninspektion auf der Landkarte |
Andere folgen dem Beispiel von Tom Possert |
Giselher „Gi“ Schneider erklärt die Schwierigkeiten der Strecke |
Nach dem Briefing geht’s ab zu meiner Unterkunft, einem
einfachen Bauernhof direkt an der Strecke. Bei km 28 werde ich morgen
hoffentlich noch guten Mutes wieder vorbei kommen.
Chefin Christiane ist eifrig am Planen und Zimmer zuweisen. Es sind ein
paar Gäste mehr geworden als Betten in den Zimmern stehen. So erhalte
ich ihr Büro zugewiesen, in dem ein gemütliches Bett steht. Das Zimmer
teile ich mir ausschließlich mit einer harmlosen Heuschrecke, sicherlich
ein Vorteil, da sie - im Gegensatz zu anderen Schläfern in den
Mehrbettzimmern - weder schnarcht noch sonst irgendwie stört.
Jetzt noch schnell die Versorgungsbeutel gepackt, Verpflegung,
Sonnencreme wegen der zu erwartenden starken Sonneneinstrahlung, ein
Wechselshirt und als Highlight für die Verpflegung bei Km 74 ein Paar
Laufschuhe und frische Socken für den folgenden Aufstieg auf den
Hochfelln.
Ich schlafe wider Erwarten gut und fest, doch nur zu kurz, denn um kurz
nach 3 Uhr morgens klingelt mein Wecker, ist doch der Start bereits um 5
Uhr angesetzt. Im Treppenhaus begegnet mir Christiane, die uns Läufern
so früh am Morgen ein leckeres und reichhaltiges Frühstück servieren
wird. Danach geht alles schnell. Ab ins Auto und hin zum Start,
Laufschuhe angezogen, und die Verpflegungsbeutel in die passenden Kisten
gepackt. |
Meine Unterkunft bei Cristiane Plenk; links auf der Straße zu sehen, die
Streckenmarkierung |
Morgens um 5 Uhr beim Start |
"Noch 5 Sekunden!" und schon setzt sich die kleine
Schar der Läufer in Bewegung. Ich schaffe nicht mal mehr ein Photo vom
Start. So setze ich mich ans Ende des Feldes und trabe los. Wann, wie
und in welchen Zustand werde ich das Ziel erreichen? Offizieller
Zielschluss wird um 23 Uhr sein, eine Zeit, die es dann erforderlich
machen wird, den steilen und nicht ungefährlichen Abstieg vom Hochfelln
im Dunkeln anzutreten. Dies möchte ich auf alle Fälle vermeiden.
Trotzdem beginne ich langsam, Kräfte sparen, komme was wolle, lautet
heute meine Devise! So verwundert es nicht, dass mir schon nach wenigen
hundert Metern die Spitze des Feldes enteilt. Trotzdem bedaure ich es
nicht, dass ich nicht in der Lage bin, um den Sieg mitzukämpfen.
Lieber nutze ich die Gelegenheit, meine Mitläufer kennen zu lernen. So
kann ich zum Beispiel dem frisch gekürten Deutschen Meister im
24StundenLauf, Florian Reus, zu seinem Titel gratulieren. Und ich lerne
Jürgen Schoch kennen, ein erfahrener Mann bei schwierigen
Landschaftsläufen und zudem Statistiker beim DUV. Mit ihm werde ich
viele Stunden gemeinsam unterwegs sein. Wir harmonieren gut im Tempo und
vor allem in den ständigen Wechseln vom Lauf in den Gehschritt und
zurück.
Noch habe ich Muse zum photographieren, einen Blick für den
Sonnenaufgang oder die nebelüberzogenen Wiesen. Wie wird es in ein paar
Stunden sein? |
Im Morgennebel auf der 26 km langen „Einführungsrunde“ um den Rauschberg |
Noch hängt kühlender Nebel in den Tälern |
Sie fragt sich bestimmt, was wir hier machen! |
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