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Kreiseln in St. Jakob - 24h von Basel, ein
Erlebnisbericht
Am Freitag begann die Reise für mich. Nein, halt.
Eigentlich schon am Mittwoch. Da kaufte ich nämlich einen Koffer mit
Rollen dran. In rot. Groß, viel Platz. Am Freitag Vormittag war Packen
angesagt. Und ich wollte auf alles vorbereitet sein. Ich wollte nach
Basel fahren, um einen guten 24h-Lauf zu absolvieren. Nicht irgendwie
trainieren für irgendwas, da hätte es Hoyerswerda bleiben können, mit
der nicht amtlich vermessenen Strecke. Ich wollte gut sein. Ich wusste
aber, bei einem 24h-Lauf weiß man noch viel weniger als beim Marathon,
was am Ende hinten raus kommt. 185 km standen auf meinem Wunschzettel,
genauso gut aber halt ein wenig mehr Kilometer als 175,
wie in Bernau. Nein, alles andere
lag noch in weiter Ferne. Ich habe die 200 km eigentlich noch nicht für
dieses Jahr in meinen Kopf gelassen. Ich bin der Meinung, entweder
jemand ist absolut geboren dazu (und das bin ich nicht) oder es braucht
einiges an Erfahrung (was wohl richtig ist, denn Conny Bullig konnte mit
ihren körperlichen Problemen, von denen auch sie nicht verschont blieb,
viel besser umgehen als ich.) Das klingt so wenig, es fehlten nur etwa
1500 m bis zur alten Bestzeit, aber in dem Moment ist es unendlich viel.
Jetzt bin ich doch abgeschweift.
Also Freitag: tagsüber gepackt. leichte Kleidung, warme Kleidung, Mütze,
Handschuhe, 2 Paar Laufschuhe, Tomatensaft, Cola, andere eigene
Getränke. Der Koffer war praktisch und voll. Am Nachmittag zum Opa nach
Berlin, hier stand noch ein Besuch an und so wurde ich von Jörg und
Jacob auch gleich zum Bahnhof gebracht. Bei der Gelegenheit mit Jacob
noch eine kleine Führung durch den Hauptbahnhof, den er so noch nicht
gesehen hatte, zusammen essen und dann schickte ich sie weg und wartete
bis mein Zug kurz vor halb 10 eintrudelte. Am Bahnsteig standen mehrere
Gruppen junger Menschen. Und ich dachte nur, hoffentlich haben sie ihre
Plätze weit weg von mir, ich muss doch schlafen. Der Zug kam und ich
hatte Glück. Das Sitzwagenabteil war nicht so voll. Der Platz neben mir
sogar leer. Aber irre eng ist es ja trotzdem. Jetzt weiß ich, warum
Nachtzug billiger ist als ICE. Kein Vergleich. Ich hätte vielleicht doch
wenigstens die 10 Euro mehr investieren sollen und Liegewagen nehmen
sollen. Naja, nun war's zu spät. Ich fiel immer wieder in einen leichten
Schlaf, alles war unbequem und ich war natürlich nicht wirklich
ausgeruht, als ich dann gegen halb 8 in Basel eintraf. Am Bahnhof war es
ganz leer, ein Bäcker hatte schon auf, ich holte mir ein kleines
Frühstück und bekam so als Wechselgeld auch Schweizer Geld für den Bus.
Der gleich darauf kam, alles wunderbar mit Ansage. Ich habe das Stadion
sofort gefunden. Das fand ich erstmal sehr erfreulich alles. Und der
Rollkoffer erwies sich als ausgesprochen sinnvolle Anschaffung.
Im Stadion traf ich gleich erste bekannte Gesichter,
es gab Kaffee und noch mehr Frühstück. Dann suchte ich mir ein Plätzchen
in einem Pavillon, hievte den Koffer auf einen Tisch und breitete mich
in aller Ruhe aus. Zog mich um, fand die Sonne noch schön und freute
mich des Lebens. Ich hatte mir eigentlich überlegt, ich könnte mich noch
etwas hinlegen aber ich war zu aufgeregt. Ich nahm meinen MP3-Player,
versuchte das Radio und war erfreut, wie gut man Radio-Empfang hatte.
Radio hören finde ich beim Laufen noch besser als nur Musik. Sehr
abwechslungsreich. Ich verstand bei den Schweizer Sendern aber nur
wenig, von dem was gesprochen wurde. Muss doch ne Fremdsprache sein.
Viele hatten ihre Zelte aufgebaut, die schöne
Stimmung an der Strecke eines 24ers entstand. Aber der öffentliche
Pavillon bot mir genug Komfort. Ich hatte auch eine kleine Decke und ein
Kissen dabei. Mattin, der eigentlich Heike betreute, bot mir an, ich
könne ihm auch alle meine Wünsche miteilen. Das war ja super. Ich nahm
das auch dankbar an, dachte zwar erst noch, was werd ich groß brauchen
aber es war doch schön zu wissen. Die Strecke schaute ich mir nicht an,
die würde ich noch lange genug sehen. Das Areal ist riesig, eine
Sportanlage mit etwa 20 Fußballplätzen, Beachvolleyball und vielem mehr.
So eine tolle Anlage war mir auch noch nicht untergekommen. Kurz vorm
Start sprach uns noch eine junge Frau an und meinte, sie suchten
Sportler für eine Studie. Wie sich Gesichter bei einer großen
Anstrengung verändern. Also vorher-nachher-Bilder. Ich willigte auch ein
und wir gingen noch schnell in einen Raum, Bilder machen. Bekomme ich in
ein paar Wochen geschickt, na wie werden die aussehen. |
Vor dem Start |
Die Starter reihen sich auf |
Die ersten 12 Stunden
Der Start war etwas langwierig. Es wurde viel
geredet, ich hörte wenig zu, verstand auch kaum was. Dann ein Schweigen
vorm Start. Und ich muss sagen, das habe ich als angenehm empfunden.
Irgendwie entspannte das. Dann los und schon gleich auf der ersten Runde
merkte ich, dass die Hitze es schwer werden lassen wird. Ich trabte
wirklich wirklich ruhig vor mich hin. Trank am Anfang immer nach 3
Runden und immer Wasser. Nahm immer einen Schwamm mit. Drückte ihn auf
dem Kopf aus. Nur so war es zu ertragen. Es wurden etwa 30 Grad. Der
Körper war noch nicht auf so etwas vorbereitet. Zwischendrin, so auf der
Hälfte der Strecke war ein Klo, hier machte ich auch meine Mütze am
Wasserhahn noch ab und zu nass. Nahm mir dann auch noch ein Tuch, machte
das auch nass und legte es unter die Mütze, damit der Nacken bedeckt
war. Sonnencreme alle paar Runden. Auf Essen hatte ich natürlich gar
keinen Bock. Und dann kam das Problem mit dem Wasser nach etwa 50
Kilometern. Mir war speiübel. Einmal hatte ich noch Apfelsaft probiert,
wohl auch ein Fehler. Ich probierte Cola, die war verdünnt, wie eklig.
Aber trinken musste sein. Aber mir war doch so schlecht, was sollte ich
nur tun? Ich nahm eine Talcid,
setzte mich einen Moment und
wartete auf die Wirkung. Die trat auch ein,
der Magen beruhigte sich. Ich lief wieder ein Stück, bis zur Massage.
Auf dem Bord, wo die ersten 7 Plätze angezeigt wurden, da war ich zu dem
Zeitpunkt recht weit vorn. Als ich aus der Massage kam, war ich ganz
unten. Aber stand noch drauf. Gerade so. Ich wollte von der Tafel nicht
verschwinden.
Aus irgendeinem Grund war mir das wichtig. Ich hatte mir vorher
überhaupt keine Platzierung ausgemalt. Ich kannte ja viele Läuferinnen
gar nicht. Aber nachdem mein Name einmal auf dieser Tafel stand, wollte
ich unbedingt einen der ersten 7 Plätze belegen. Denn dann stand man
drauf. So war das eben.
Das mit den Rundenzählern ist wirklich genial. Sie
wechselten alle 6 Stunden und immer wenn man mal länger weg war (zu
meiner Schande muss ich sagen, dass ich mich vor der Massage nicht
ordentlich vorher abgemeldet habe), wurde nachgefragt. Sehr aufmerksam,
ich bin mir absolut sicher, dass hier keine Fehler passieren. Auf der
Tafel wurden nicht die Runden, sondern die Kilometer gezeigt. Aufgrund
der Rundenlänge stand da dann also ab und zu mal 58 und dann gleich 60.
So als Beispiel. Ich hatte eine Weile gebraucht, bis ich kapiert hatte,
dass das daran lag, dass die Runde ja 1140 m etwa lang war.
Die Runde war wirklich fast flach, es gab einen kleinen Anstieg, der
eigentlich nicht nennenswert ist, der tat erst am Ende weh.
So also nach der Massage: ich hatte auch noch einen Becher Magnesium
dazu bekommen und homöopathische Kügelchen gegen die Schmerzen in den
Beinhebern. Vom Magnesium wurde mir gleich wieder schlecht. Aber
inzwischen hatte ich die Geheimwaffe Kamillentee, das half. Meine
eigenen Getränke, die brauchte ich gar nicht, waren auch eklig warm.
Standen in der Sonne. Sonst hätte ich sie vielleicht schon getrunken.
Aber daran hatte ich nicht gedacht. Ja, die Musik. Ich hatte drei
Stunden Radio gehört. Das Problem war, dass die öffentliche Beschallung
so laut war, dass sie meinen Kopfhörer übertönten. Und diese doppelte
Beschallung wurde auch für mich irgendwann ein Problem. Ich legte also
mein Radio ab und versuchte, die Musik zu ignorieren. Wobei ich sagen
muss, die "Boy-Band", an der einen Stelle, die war noch ok. Klang
irgendwie wie irische Volksmusik ab und an. Jedenfalls nicht so lahm.
Aber die Mädels im Zelt, also ehrlich. Das war doch 24h lang das gleiche
Lied. Also, das fand ich auch furchtbar. Aber ich ließ das nicht so an
mich ran. Mir machten ja auch ganz andere Sachen zu schaffen. In der
Nacht war ich noch zwei Mal zur Massage und Mattin hatte auch 2 mal
massiert. Der Nacken war auch ganz schlimm verspannt. Und ich fror so
erbärmlich. Ich war auf der Tafel wieder weiter hoch gerutscht und damit
zufrieden. |
Rechts die Autorin |
Die zweite Hälfte
Nach der Hälfte der Zeit, also nach 12 Stunden hatte
ich genau die Hälfte meines Laufpensums. Theoretisch. Also etwa 92
Kilometer. Aber ich merkte, dass ich unglaublich müde war. Und ich
musste mich eben zwei mal kurz hinlegen, es ging einfach nicht anders.
Um viertel 4 hatte ich sogar überlegt, bis 4 Uhr liegen zu bleiben, es
wär doch noch genug Zeit, um einige Kilometer zu machen. Aber ich hatte
zuviel innere Unruhe, um mich zu entspannen, das brachte dann auch
nichts. Mattin wollte mich nach 15 Minuten wieder rausschicken aber ich
ging schon allein, hoffentlich wird er mich nicht suchen.
Als es endlich hell wurde, also richtig hell, so
gegen 8 Uhr, da wurde es etwas besser. Ich hatte inzwischen auch mal
Kartoffeln gegessen mit Salz und in der Nacht auch heiße Brühe
getrunken. Dem Magen ging es viel besser. Dafür war der Kreislauf völlig
durcheinander. Muss wohl an dem extremen Temperaturwechsel gelegen
haben. Mir taten aber beim Laufen so die Muskeln weh und beim Gehen ging
der Kreislauf runter. Was nur tun. Mir fielen buchstäblich im Gehen die
Augen zu und ich fing leicht an zu wanken, bekam dies aber noch selbst
mit. So gegen 10, da lief ich auf Simone auf, die ging gerade und ich
blieb bei ihr. Meine Kilometererwartungen waren inzwischen völlig
nebensächlich. Ich lag auf Platz 3, Simone auf 4. Ich wollte gern, dass
es beim 3. Platz blieb. Wenn ich bei Simone blieb, dann konnte nichts
schiefgehen. Sie wollte unbedingt 100 Meilen schaffen. War auch machbar.
Man bekam immer bei bestimmten Abschnitten eine Fahne mit auf die Runde,
bei 100 km, bei 150 km und bei 100 Meilen (ja auch bei 200 km gibt es
eine). Also ich hatte nun meine 100 Meilen Fahne und wusste, jetzt hast
Du alle erreichbaren Fahnen für heute gehabt, nun ist's gut. Die
Rundenzähler empfingen jeden nach jeder Runde als hätte man gerade
Großes geleistet. Immer wieder.
Irgendwann sagte Simone, so, wenn Du wenigstens 170
schaffen willst, dann versuch mal zu traben. Machte ich und ging dann
auch. So wurden es eben die besagten 173,635. Und mit denen war ich
hochzufrieden. Conny Bullig konnte bis zum Ende immer wieder lostraben.
Wie gesagt, sie hatte genug Erfahrung, sie kann das einfach. Irgendwann
habe ich die auch, und dann kann ich das auch. Also, ich würde immer
wieder zu Sri Chinmoy-Veranstaltungen gehen. Bei mir war es wirklich nur
die Musik die nervte, alles andere fand ich perfekt. Wenn es auf der
Welt ein paar mehr von solchen liebevollen Menschen gäbe, dann wäre uns
wohl durchaus auch geholfen, glaube ich. Auch wenn ich für mich selbst
ein solches Leben ausschließen würde, ich finde es dennoch faszinierend.
Gut, wenn ihr bis hier gekommen seid. Die Rückreise war noch
unangenehmer als die Hinreise. Ich hatte Mühe bis 21 Uhr auf dem Basler
Bahnhof wach zu bleiben und nicht als Penner von der Bahnhofsbank
vertrieben zu werden. Der Zug dann war brechend voll und wovon dann der
Muskelkater war, ist auch egal. Irgendwie kam ich nach Hause.
Und heute geht es mir schon viel besser. Ich habe bis 11 Uhr im Bett
gelegen und denke schon wieder dran, dass ich wohl am Donnerstag wieder
einen Lauf wage. ;-))
Silke |
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