Einleitung
Der Rennsteiglauf zählte schon zu DDR-Zeiten zu den
Laufklassikern und war der einzige Ultralauf der DDR von Bedeutung. Auch
heute noch ziehen "die langen Kanten" Tausende Läufer in den Bann. Neben der Walking-Wettbewerbe, dem Halbmarathon und Marathon ist die eigentliche
Königsdisziplin der Supermarathon. Jedes Jahr wagen sich knapp 2000
Läufer auf die mit 72,7 km Länge und mit etwa 1500 Höhenmetern sehr
anspruchsvolle Strecke, die auf dem Rennsteig - Wanderweg von Eisenach
nach Schmiedefeld am Rennsteig über zahlreiche Gipfel führt. Zwar ist
dieses zermürbende, stete Auf und Ab unter den Läufern gefürchtet, aber
umso beliebter ist die wunderschöne Mittelgebirgslandschaft, die
einmalig gute Verpflegung und schon legendär ist die Stimmung auf der
Marathonparty im Ziel in Schmiedefeld. |
Der Tag zuvor
Ich reise mit Dieter den Tag zuvor an. Zuerst holen
wir im sehenswerten Startort
Eisenach unsere
Startunterlagen ab. Eisenach ist aber in erster Linie nicht wegen seinem
schönen Stadtkern und als Startort des Rennsteiglaufs besonders bekannt,
sondern wegen der
Wartburg, die erhaben über dem Ort thront.
Martin Luther nutzte sie als „Junker Jörg“ von 1521 - 1522 als
Zufluchtsort.
Letztes Jahr besichtigte ich die sehenswerte Burg zusammen mit Sven. |
Die Stadt Eisenach setzte hier dem Reformator Martin Luther
im Jahr 1895 ein schönes Denkmal.
Adolf von Donndorf schuf es. |
Am Marktplatz und Umgebung sind die Vorbereitungen
für Thüringens größtes Laufereignis schon voll im Gang. Das Starttor ist
schon am Marktplatz aufgestellt. |
Das Starttor vor dem Rathaus, wo wir morgen früh um 6 Uhr unser fast 73 km
langes Rennen durch den Thüringer Wald beginnen |
Ganz in der Nähe erhalten wir im Creuznacher Haus
ohne lange Wartezeiten unsere Startunterlagen. |
Hier gibt es die Startunterlagen |
"Nu werden Sie mal nicht frech!"
Neben unseren Startnummern bekommen wir auch ein
hübsches Funktions - T - Shirt und eine Flasche
bibop mit einem Biermischgetränk.
Ich träume gerade wegen morgen etwas vor mich hin, als Dieter bei der
Shirt - Ausgabe über einen Teilnehmer scherzt, der sein Getränk
zurückgeben will und wohl dafür im Gegenzug noch mit allerlei Tricks ein
zusätzliches T-Shirt ergattern will. Nur dieser etwas humorlose Geselle
versteht offensichtlich den Spaß nicht. Er schreit "Nu werden Sie mal
nicht frech!" und schreckt mich aus meinen Träumen vom morgigen Lauf
heraus ...
Nichts wie weg hier, bevor das ganze noch eskaliert!
Wir wollen als Leichathleten laufen und nicht boxen oder ringen. Mit
einem vorzeitigen Sprint verlassen wir das Gebäude.
Nach so viel Schreck knurrt der Magen. Gleich nebenan grillt jemand
Thüringer Bratwürste. Ich greif beim Steak zu. Bratwürste gibt es sicher
auch noch in Schmiedefeld genug. |
Links Dieter mit seiner Startnummer |
Der Abend in Schmiedefeld
Schmiedefeld am Rennsteig ist auch schon unser heutiges Ziel, weil
wir am Zielort übernachten wollen. Wir meiden dieses mal weitgehend die
Autobahn und fahren durch die schöne Mittelgebirgslandschaft des
Thüringer Walds zum Zielort.
Dort parken wir im Zielgelände auf der Parkwiese, wo wir auch unsere
Zelte aufstellen dürfen. Für 2 Personen und 2 Nächte zahlen wir dafür
insgesamt 8 Euro.
So nächtigen wir direkt und günstig am Puls des Renngeschehens.
Freunden von Navigationssystemen sei übrigens gesagt,
es gibt zwei Schmiedefelde in der Region. Schmiedefeld am Rennsteig
ist das "richtige" Schmiedefeld. So manch einer lernte auf diese
Weise schon ungewollt das "falsche"
Schmiedefeld (Lichtetal) kennen. Ein Besuch des Kräuter- und
Olitätenmuseum Beim Giftmischer soll dort übrigens
empfehlenswert sein. Leider hilft das Gift nichts, um das "Navi" ins
Nirwana zu schicken ... |
Wir zelten etwas im Wald bei der Parkwiese in Schmiedefeld.
Im Vordergrund mein Zelt, dahinter Dieters bereits auf
Spitzbergen erprobtes
Zelt. |
Die Autos auf der Parkwiese |
Abends treffen dann so allmählich alle aus meinem
Bekanntenkreis rund um das Team
Bittel ein, die morgen teilnehmen möchten. Als Schlaftrunk gibt es
dabei noch ein Schwarzbier und zur Stärkung die unvermeidlichen
Thüringer
Bratwürste. Die Kloßparty findet leider ohne uns in Eisenach statt.
Gegen 11 Uhr gehe ich ins Bett. Das bedeutet für mich
maximal 4 Stunden Schlaf, da uns der Bus bereits um 3:30 nach Eisenach
fährt. |
Ein Gruppenfoto vor dem Schlafengehen. In der Mitte Erwin mit
Crocodile Dundee Hut |
Der große Renntag am Rennsteig
Die schrecklich langen und gnadenlosen Kanten vor
Augen, tue ich kaum ein Auge zu. Vielleicht döse ich gerade mal ein
Stündchen vor mich hin. Ich weiß es nicht, da ich diese Zeit nicht
gestoppt habe.
Um 2:30 habe ich die Schnauze gestrichen voll und stehe vorzeitig auf.
Hätte ich doch gleich die Nacht durchgemacht.
Dieter schläft so beneidend den Schlaf des Gerechten, dass ich ihn kurz
vor 3 Uhr wecken muss. Auch Du darfst jetzt aufstehen!
Nach einer kurzen Morgentoilette gehen wir zu Sven,
der im Auto nächtigte und ebenfalls kaum ein Auge zutat. Schlaftrunken
wandern wir etwa 10 Minuten mit anderen Leidensgenossen zu den Bussen.
Die sind schon gut gefüllt, als wir ankommen. Aber jeder erhält noch
seinen Sitzplatz. Die knapp 1 1/2 Stunden Fahrt nach Eisenach kostet
jeden 10 Euro. Erstaunlich wie freundlich dabei uns der Busfahrer
empfängt, dessen Nachtruhe heute auch flach fällt.
Vielleicht genießt er dann die einsame und sehr
rasante Fahrt auf den kurvigen und engen, aber in der Nacht leeren
Straßen des Thüringer Walds. Dabei fliegen wir an den heroischen Stätten des
heutigen Laufes vorbei: Schmücke, großer Beerberg und Oberhof. Wie wird
es mir heute Nachmittag wohl auf diesen letzten Kilometern ergehen?
Fast alle schlafen während der Busfahrt - die meisten
versuchen es zumindest - während wir drei uns unterhalten.
Irgendwie habe ich jetzt auch keine Lust mehr meinen fehlenden Schlaf
nachzuholen. Als wir mal etwas zu laut werden, erhalten wir von einem
der "Möchtegernschläfer" eine gestrenge Ermahnung. Das war dann nach dem
"Nu werden sie mal nicht frech" schon der 2. Rüffel innerhalb von 12
Stunden!
Brav halte ich nun meinen Mund, während Sven und
Dieter miteinander tuscheln. Mittlerweile haben wir den Thüringer Wald
hinter uns gelassen und fahren die letzten Kilometer auf der Autobahn.
Langsam graut der Morgen und über den Feldern liegen noch Nebelschwaden.
Diese faszinierende Morgenstimmung weckt langsam meine Lebensgeister und
irgendwie freue ich mich nun schon auf den Lauf. Wie schon im Vorjahr
will ich ihn, wenn das Wetter mitspielt gemächlich angehen und mir an
den Verpflegungspunkten viel Zeit lassen. Als Zielzeit setzte ich mir
schon wie im Vorjahr als ungefähre Marke die 10 Stunden. Auch wenn man
da nicht so schnell läuft, kann man bei diesem Zeitrahmen noch viel
fotografieren und unterwegs gemütlich essen und trinken.
Eisenach liegt auch noch etwas im Nebel, als uns der
Bus direkt am Marktplatz um 4:45 aussetzt. Noch herrscht dort Ruhe. Wir
gehen ins Festzelt, wo gestern die Kloßparty stattfand. Einer scherzt,
ob noch ein paar Klöße übrig geblieben sind. Aber die gefräßigen
Ultraläufer in Eisenach, haben kein einziges auch noch so winziges
Klößchen übrig gelassen. So fällt das Frühstück mit Kaffee und Kloß ins
Wasser. Dadurch haben wir nun mehr Zeit unsere letzten Vorbereitungen
für den Lauf zu treffen. |
Letzte Vorbereitungen im Zelt vor dem Start |
Was ziehen wir heute an? Wie wird das Wetter? Regnet es? Wird
es eisig auf den Gipfelgraten?
Viele Fragen, wenig Antworten. Der Wetterbericht verkündet für heute mildes aber
wechselhaftes Wetter, wo alles möglich ist, frei nach dem Motto kräht der Hahn
auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt so wie es ist. Kräht aber
der Hahn auf dem Huhn,
hat das mit dem Wetter natürlich nichts zu tun.
Langsam wird es hell und noch immer kräht kein Hahn danach,
was wir anziehen sollen. Also gut, da es heute mild sein soll, zieh ich meine
Shorts an und ein kurzärmeliges Funktionslaufshirt vom letzten
Jungfraumarathon, weil da der
Stoff so angenehm ist. Außerdem nehme ich ein langärmeliges Shirt vom
Vollmondmarathon 2006 mit. Da ich
heute mit Rucksack laufe, kann ich noch ein paar weitere Kleinigkeiten mit
einstecken.
Eine halbe Stunde vor dem Start halte ich es im Zelt nicht
mehr aus. Ich muss raus, wo das Läuferleben pulsiert, auf den Marktplatz der Gefühle. Wen werde ich
da so alles treffen? Die Ultra- und Berglaufszene ist ja fast so was wie eine
große Familie, wo fast jeder jeden kennt.
Schnell geb ich mein Laufgepäck ab und dann schau mich um, wer so alles
anzutreffen ist: |
Obligatorisches Foto vor dem Starttor - noch ist wenig los |
Mit Nummer 330 Olaf Schmalfuß, der noch etwas übernächtig die Nacht
durchgemacht hat. Rechts daneben laufspass.com - Autorin und 24 -
Stundenlaufspezialistin Silke Stutzke |
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Dirk Böning und
Rennsteig - Veteran Frank Ulrich Etzrodt |