Lange Kanten und die harten Vierziger
Die Ebertswiese beendet auch den relativ leichten
Streckenabschnitt. Nun folgen einige kräftige Anstiege. Einer dieser
Schlüsselanstiege ist sicher die knapp 2 Kilometer lange Bergaufpassage
zwischen Kilometer 42 und 44 zur Schmalkalder Loibe. Manche Abschnitte
sind dabei so steil, dass sie eines Bergmarathons in den Alpen würdig
sind.
Bin ich trotz meines langsamen Lauftempos meist bemüht jeden Anstieg
auch mit kurzen Schritten hochzujoggen, gehe auch ich hier in den
Schritt über. Dennoch überhole ich auch hier in der Regel am Hang die
meisten Mitstreiter, während diese mich an den Flach- und Bergabpassagen
wieder einholen. |
Steiler Anstieg zur Schmalkalder Loibe |
Da wir nun schon einen Marathon in den Knochen haben, tut das schon etwas weh |
Wanderer und Walker
Mittlerweile sind auch Wanderer und Walker mit auf
der Strecke. Dumm ist das, wenn es eng wird und zwei Walker
nebeneinander wandern. Dann müssen wir beim Überholen manchmal in
Pfützen und ähnliches Unbill ausweichen. |
Eine der zahlreichen langen Kanten am Rennsteig |
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Zeit und Raum - zwei dehnbare Begriffe
Irgendwie bin ich an den Flachstrecken und
Abwärtsstrecken langsamer geworden. Ich merke das, weil viele mich
überholen, die ich schon lange zuvor überholt hatte. Nur an den
Anstiegen halte ich zu meiner Zufriedenheit gut mit und überhole dabei
sogar die meisten. Ich bin zwar nun sehr langsam, aber halte sehr
konstant mein Tempo. Egal, ob's bergauf oder bergab geht. So fühle ich
mich am wohlsten. Zeit und Raum dehnen sich dabei ungemein. Die Zeit
scheint stehen zu bleiben und die Entfernungen dehnen sich in die
Endlosigkeit aus. Die oft
langen Geraden und und die herbe und strenge Mittelgebirgslandschaft
tragen zu dieser Vorstellung ihren Teil bei.
Nach 6 Stunden und 37 Minuten entdecke ich zu meiner
Freude die magische 50 Kilometermarke. Da ich sehr langsam geworden bin,
will ich mir ab nun an den Verpflegungspunkten weniger Zeit lassen. Ich
will
auch nicht mehr so viel fotografieren, weil ich sonst gar nicht mehr vom
Fleck komme. Gerne möchte ich immer noch in meinem
Zeitrahmen von 10 Stunden bleiben. Dabei ist es mir aber egal, ob dann am Ende 5
Minuten mehr oder weniger rauskommen. |
Über diesen Anblick freut sich wohl jeder Rennsteigläufer! |
Labestation am Gustav-Freytag-Stein bei KM 51 |
Dem Grenzadler entgegen
Ich lauf nun neben zwei schnellen Wanderern der 35
Kilometer - Wanderung her, die zwischendurch auch joggen. Beide jammern
lauthals: "Ach, wenn nun endlich das Ende käme. Sind es nun noch 1 oder
2 Kilometer? Wie schrecklich, wenn es noch zwei wären!". Sie meinen damit ihr Ziel beim Grenzadler. Am liebsten
möchte ich erwidern: "Und was meint ihr Weinis, was ich noch vor mir habe! Bei
mir sind es noch 20 Kilometer!".
Endlich erreichen wir nach einer langen monotonen
Gerade, durch den finsteren Bergwald verlaufend, den großen Verpflegungspunkt
Grenzadler. Hier hat man auch verfrüht die 55 Kilometermarke
aufgestellt, obwohl wir hier erst gut 54 Kilometer hinter uns haben.
Kurz dahinter nimmt eine Matte auch eine Zwischenzeit von uns.
Ich fasse schnell Verpflegung. Mein neuer Favorit bei
den Getränken ist Limo. Dazu ein Brot mit Weichkäse und leckeren,
frischen
Kräutern. Ich halte mich nicht lange auf und marschiere gleich weiter. |
Kilometermarke 55 am Grenzadler. Wir haben hier aber erst 54 km geschafft. |
Dahinter folgt ein kurzer bissiger Anstieg, bevor es
bis zum Rondell bei
Oberhof lange Zeit recht steil bergab geht, wo mich viele überholen.
Auf dieser Abwärtspassage schmerzen mir die müden Beine und Gelenke.
Abwärtslaufen kann härter als der Bergauflauf sein!
Ungewohnt und seltsam fühlt sich dabei ein sumpfiger Wegabschnitt an,
den man mit Baumrinde bedeckt hat. Der Boden unter unseren Füßen federt
dabei ganz weich, fast wie ein Trampolin. Das ist doch mal was anderes,
als der oft recht steinige Untergrund sonst! |
Rondell bei Oberhof. Auf einer geschwungenen Fußgängerbrücke überqueren wir
die Bundesstraße, die rechts nach Suhl führt |
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Höchster Punkt der Strecke
Nun beginnt langsam der Anstieg zum
Großen Beerberg,
dem höchsten Punkt der Strecke und auch des ganzen Thüringer Waldes. Wieder
einmal hängen die Wolken sich hier fest. Unter einem finsteren Himmel
laufen wir durch einen strengen und düsteren Fichtenwald. Das drückt
auf mein Gemüt. So kommen unangenehme Fragen und Gedanken auf, wie: "Warum
tust Du Dir das an? Nein, noch einen Ultra machst Du nicht mehr in
diesem Jahr! Nächstes Jahr laufe ich beim Rennsteig nur den Marathon ...",
also genau das, vor das uns Läufer jeder
Mentaltrainer nur warnen kann.
Wie freue ich mich da, als ich endlich nach 8 Stunden und 7 Minuten die
längst überfällige 60 Kilometermarke entdecke. Gegenüber dem Vorjahr, wo
ich nach 9:48 Stunden ins Ziel lief, habe ich schon viel Zeit verloren. Damals war es für mich
in diesem lockeren Tempo eine "Wellnesstour". Heute wäre es eine Lüge,
wenn ich wieder von einem reinen Vergnügungslauf sprechen würde. Da ist mein momentaner
Trainingsstand schuld. Mir fehlten einfach in letzter Zeit die langen Trainingseinheiten.
Das rächt sich nun. Sicher, ich krieche noch nicht auf dem Zahnfleisch,
muss auch nicht gehen, ich jogge immer noch. Aber mein Lauftempo gleicht
dem einer Laufschnecke.
Daher die bange Frage:
Werde ich noch im Rahmen der geplanten 10 Stunden bleiben? |
KM 60 im düsteren Fichtenwald an den Hängen des Großen Beerbergs |
Knappe zwei Kilometer später überlaufe ich bei
Plänckners Aussicht in 974 Meter über NN die Passhöhe. Der eigentliche
Gipfel des Beerbergs liegt ein Stückchen entfernt und ist etwa 14 Meter
höher gelegen.
Hier hat man einen schönen Ausblick ins weite Land. Leider verdüstern
dunkle Wolken die Szenerie. Wenigstens fängt es aber nicht wieder an zu
regnen. |
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Ausblick vom Großen Beerberg |