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Auch bei der Falkenhütte (1846 m) umgibt mich noch immer dichtes Grau. Wer im
Internet das Foto von der Hüttenhomepage anschaut weiß, welch herrlicher Anblick
mir heute verborgen bleibt. Mir tun die vielen Helfer leid, die bei dieser
feuchten Kälte den ganzen Tag über am Streckenrand oder an den
Verpflegungsstationen stehen müssen. Als Läufer hält einen die Bewegung warm,
aber stundenlang herumzustehen stelle ich mir heute sehr unangenehm vor.
Trotzdem haben alle offensichtlich gute Laune. Auch mir geht es bestens. Hier
macht mir das Laufen unglaublich viel Spaß. Und einen Vorteil hat die Witterung
ja: heute besteht absolut keine Gefahr von Hitzschlag oder Sonnenbrand.
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Man sieht: Mir macht es Spaß
Denen gefällt es ebenfalls |
Ein kurzer Abstieg führt hinab zum Spielissjoch (1773 m). Dann laufe ich auf
einem fast ebenen Trail unterhalb der Laliderer Wände, von denen heute nur der
untere Teil zu sehen ist. Anschließend geht es ein kurzes Stück hinauf zum
Hohljoch (1794 m). Dort ragt der mächtige Felspfeiler der Dreizinkenspitze aus
dem Nebel heraus. Leider sehe ich während des teilweise etwas steilen Abstiegs
zur Engalm auch von den normalerweise grandios aussehenden Felswänden der
Grubenkar Spitze und der benachbarten Gipfel nur den unteren Teil. Trotzdem
begeistert mich die Strecke.
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Laliderer Riesen
Dreizinken Spitze
Gipfel im Nebel |
Wolkenstimmung
Naturgenuss |
Außer sehr vielen Tageswanderern begegne ich heute auch vielen mit großen
Rucksäcken bepackte Fernwanderer, denn der Karwendelmarsch verläuft auf der
Route von drei Fernwanderwegen (E4 alpin, Via Alpina und der Adlerweg).
Bei der Engalm (1220 m) erreiche ich die einzige Stelle vor der Gramaialm, die
mit dem Auto erreichbar ist. Die Engalm liegt am Ende des Großen Ahornboden,
einer breiten Talwiese mit bis zu 400 Jahre alten Ahornbäumen.
Wer hier schon erschöpft ist oder das Zeitlimit verpasst, kann mit dem Bus nach
Hause fahren, denn noch liegt der steilste Teil der Strecke vor uns. Doch ich
fühle mich noch pudelwohl und mache nur eine ganz kurze Pause. Jetzt hat es sich
bewährt, dass ich am Anfang auch mäßig steile Abschnitte nur gegangen bin, denn
nun habe ich noch genug Kraft für das schwere Finale.
Ich esse am Verpflegungspunkt ein Wurst- und Käsebrot und trinke Apfelschorle
und Kräutertee. Dann sehe ich, dass es hier auch etwas gibt, das ich bisher noch
bei keinem anderen Lauf bekam: Blaubeersuppe. Da ich weiß, dass Heidelbeeren
Stoffe enthalten, die zur Regeneration nach einem Lauf gut sind, trinke ich auch
davon einen Becher. Dann kommt was kommen musste - beim folgenden Aufstieg
gluckert der Überschuss an Flüssigkeit heftig in meinem Bauch.
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Engalm |
Belegte Brote und Blaubeerensuppe
Großer Ahornboden |
Der Fahrweg zur Binsalm ist anstrengend steil und landschaftlich der einzige
langweilige Abschnitt des Tages. Das Einzige, was mir hier Spaß macht, ist die
Tatsache, dass ich noch immer doppelt so schnell hinauf keuche wie die normalen
Touristen.
Bei der Binsalm (1500 m) gibt es die nächste Verpflegungs-Überraschung: leckeren
Bio-Joghurt. Der Nebel ist inzwischen weitgehend verschwunden. Nur noch die
Berggipfel bleiben verborgen. Gelegentlich dringt für ein paar Minuten sogar die
Sonne durch die Wolken. Entgegen der Wettervorhersage hat es übrigens heute die
ganze Zeit nicht geregnet.
Bald wechselt die Route vom Fahrweg auf einen schmalen, steilen Steig. Je höher
ich komme, desto schöner wird nun die Aussicht. Doch gleichzeitig merke ich,
dass ich seit dem Ahornboden wohl doch etwas zu schnell ging. Der Pfad führt
immer weiter in die Höhe, ich werde immer langsamer, und kein Ende des Aufstiegs ist
abzusehen. |
Rückblick zur Binsalm |
Rückblick nahe Binssattel
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Doch dann trete ich zwischen einigen Bäumen hindurch und stehe plötzlich am
Binssattel (1895 m), dem höchsten Punkt der Strecke. Ich bin sehr froh, dass der
letzte Aufstieg des Tages geschafft ist.
Zuhause versteht kaum jemand, was an einer solchen Strapaze schön sein soll.
Aber das können wohl auch wirklich nur Läufer verstehen. Dieser Lauf ist für
mich auf jeden Fall der Höhepunkt des Jahres. Es ist einfach ein großartiges
Gefühl, die eigenen Grenzen immer neu auszuloten. Laufen, vor allem Berglaufen,
das ist genau das, was ich machen will. Die einen rennen lieber 90 Minuten einem
Ball hinterher, hocken stundenlang auf einem Fahrrad oder schwimmen endlos
monotone Bahnen in einem Schwimmbad, noch mehr Leute sitzen das halbe Wochenende
vor dem Fernseher und hocken den ganzen Urlaub lang im Strandkorb, ich genieße
lieber die herrliche Natur der Berge, spüre den Boden unter meinen Füßen und den
Wind auf meiner Haut. Natürlich wäre der Naturgenuss beim Wandern mindestens
ebenso schön, aber beim Laufen kommt noch das intensive Erleben der sportlichen
Tätigkeit mit allen Höhen und Tiefen dazu.
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Blick nach Gramai Hochleger
Gramai Hochleger |
Vom Sattel geht es schnell hinab nach Gramai Hochleger, dann folgt der steilste
Abstieg des Tages. Da ich mich aber nun nicht mehr zurückhalten muss, gebe ich
kräftig Gas. Es macht mir Spaß, fast ungebremst hinab zueilen. Bald sehe ich
zuerst unter, dann neben, schließlich über mir einen hübschen Wasserfall.
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Wasserfall neben Abstiegsroute
Typisches Karwendelbild |
Da die Wolken jetzt nur noch die höchsten Gipfel belagern bekomme ich auf diesem
Streckenabschnitt einen guten Einblick, wie bei schönem Wetter die gesamte
Strecke aussehen muss.
Der steile Abstieg endet beim Gasthof Gramai (1263 m). Hierher kann man von
Pertisau aus durch das Falzthurntal auf einer Mautstraße fahren. Viele Touristen
sitzen auf den Terrassen der Gasthäuser, einige applaudieren sogar, wenn Läufer
vorbei kommen. |
Gramai Alm |
Zum Glück folgt der restliche Weg nicht der Straße, sondern führt auf der anderen
Talseite abwärts, mal fast eben, mal mit ganz leichtem Gefälle. Noch immer fühle
ich mich pudelwohl, und ein Blick auf die Uhr bringt mich auf die verrückte
Idee, dass ich es vielleicht schaffen könnte, unter 8 Stunden zu bleiben. Bisher
war es mir völlig egal, wann ich nach Pertisau komme.
Nun beschleunige ich meine Schritte und laufe so schnell wie sonst nur bei
Stadtmarathons. Von den vielen zurückgelegten Höhenmetern spüre ich kaum etwas.
Ich genieße es, so schnell wie möglich durch das Tal zu rennen.
Kurz vor Schluss laufe ich auf einer kerzengeraden Asphaltstraße durch Wald.
Dieser Abschnitt zieht sich in die Länge. Doch ein Blick auf die Uhr zeigt: 8
Stunden sind noch möglich. Also weiter beschleunigen! Der Ortsrand ist erreicht.
Nur noch wenige Minuten! Pertisau ist größer als erwartet. In der Ferne höre ich
Musik und Lautsprecherdurchsagen. Noch schneller! Da, das Ziel! Ich biege von
der Straße auf den schmalen Zielparcours und renne an der großen Digitaluhr der
Zeitmessung neben dem Pfad vorbei: 7:59:20. Geschafft! Ich laufe aus, bleibe
fast schon stehen, da wundere ich mich, dass hier kein Mensch steht. Mist: da
ist ja noch eine Kehre! Also noch mal beschleunigen, und nun auf der anderen
Seite der Uhr vorbei durch das Ziel laufen, jetzt fast buchstäblich in letzter
Sekunde: 7:59:54.
Obwohl ich schon seit Stunden weiß, dass ich als einer der letzten Läufer das
Ziel erreiche, bin ich überglücklich. Im Sport ist alles relativ. Für manche
Läufer zählt nur eine Platzierung im vorderen Teil der Ergebnisliste, mir
dagegen bedeutet heute Platz 127 von 140 viel mehr, als wenn ich erstmals bei
einem Marathon in der vorderen Hälfte des Feldes angekommen wäre. Mein heutiges
Ergebnis zählt für mich persönlich sogar mehr als die 13:19 bei meinem ersten
100er im Juni in Ulm. Sieben Läufer brauchten immerhin über neun Stunden. Der
Sieger dagegen, Stefan Gruber, erreichte in 4:45:20 das Ziel. Magdalena
Schiffer, die schnellste Frau, lief 5:29:14. Insgesamt war der Frauenanteil
auffallend gering: 120 Männer und 20 Frauen erreichten das Ziel. Dazu kommen
natürlich noch die sehr viel zahlreicher angetretenen Wanderer und Nordic
Walker, für die es keine nach Zeit sortierte Ergebnisliste gibt. Später erfahre
ich, dass manche langsamen Läufer in der Gruppe der Wanderer oder Walker
gestartet waren, weil sie nicht am Ende der Läuferliste stehen wollen. Auch das
relativiert so ein Ergebnis natürlich. |
Am Ziel |
Am Ziel gibt es außer einer wirklich hübschen Medaille und den üblichen
Getränken auch noch Joghurt und Eis von den Sponsoren, und im Finisherbeutel ist
u.a. ein Baumwoll-T-Shirt.
Ich setze mich noch eine Weile ans Seeufer.
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Achensee bei Pertisau |
Am Abend beobachte ich dann beim Abendessen von einem Restaurant aus, wie auch
Wanderer, die fünf Stunden nach mir ankommen, glücklich und zufrieden zum Ziel
marschieren. Ich bin sicher, dass der Karwendelmarsch zumindest eine Zielsetzung
bei allen Teilnehmern erfüllt hat: Interesse am Naturpark zu wecken. Auch ich
weiß jetzt, dass ich unbedingt mal wieder ins Karwendelgebirge will. Vielleicht,
um beim Karwendellauf auch mal die Berggipfel zu sehen, vielleicht statt dessen
zum Achenseelauf, der wie ich jetzt gesehen habe auf wunderschöner, fast flacher
Strecke 25 km um den See herum führt und als Österreichs schönster Panoramalauf
bezeichnet wird.
Der nächste Karwendellauf findet am 28.8.2010 statt.
Links
www.karwendelmarsch.info
Hier noch ein paar Tipps für die Tage vor oder nach dem Lauf:
Von Seefeld, das nur wenige Kilometer von Scharnitz entfernt ist, mit der
Gondelbahn fahren und das kurze Stück zur Seefelder Spitze (trittsichere
Wanderer noch weiter zur Reither Spitze) wandern - herrliche Aussicht.
Von Pertisau mit der Karwendelbahn - schöner Blick hinab zum Achensee.
Von Maurach am Achensee mit der Rofanbahn zur Erfurter Hütte - schöne
Wandergegend.
Fahrt mit der Achenseebahn, der ältesten dampfbetriebenen Zahnradbahn der Welt.
Auf halbem Weg zwischen Scharnitz und Pertisau liegt Innsbruck, das ebenfalls
einen Besuch lohnt. |
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Teil 1 |
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