Kurz hinter Barbis erreiche ich den vierten Verpflegungspunkt. Hier haben wir
genau die Marathondistanz bewältigt. Bei den heutigen Wegverhältnissen brauchte
ich dafür fast 5,5 Stunden. Doch ich weiß, dass die eigentliche Herausforderung
erst jetzt richtig beginnt, denn nun liegt der Aufstieg in den
Nationalpark Harz vor uns, und die Schneetiefe wächst mit jedem Höhenmeter.
Bei Barbis genieße ich die sehr gute Verpflegung und packe noch etwas zu trinken
in meinen Rucksack, denn ich weiß, dass es nun sehr lange dauern wird, bis ich
den nächsten Verpflegungspunkt erreiche. Die gewohnte Station oben am Jagdkopf
wurde ein Opfer der Streckenverlängerung, so dass es nun erst nach sehr, sehr
vielen Kilometern beim Oderstausee wieder etwas zu essen und trinken gibt. Aber
auch das gehört zum typischen Charakter der BC. Schon in der Ausschreibung
steht, dass man unbedingt Getränke sowie etwas Proviant mitnehmen muss. Hier ist
ein gewisses Maß an Eigenverantwortung nötig. „Alle 5 Kilometer Vollverpflegung“
überlassen wir gerne den Stadtmarathons. Aber dafür können sich die
BC-Verpflegungsstationen im Ruhm großen Lobes der Teilnehmer sonnen, so
reichhaltig ist hier die Auswahl. Die ehrenamtlichen Helfer von verschiedenen
Vereinen und Gruppen sorgen sich sehr gut um unser Wohlergehen. |
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Nun folgt ein längeres recht steiles Stück bergauf, bei dem der schmale Pfad
durch den tiefen Schnee noch nicht richtig festgetreten ist, so dass hier das
Gehen erstmals recht anstrengend wird. Ich habe als einer der letzten Läufer im
Feld den Vorteil, dass ich die Fußspuren meiner vielen Vorgänger nutzen kann,
doch es ist trotzdem noch sehr Kraft raubend. Ich bewundere die Spitzenläufer
vorne im Feld, denn die mussten verdammt harte Arbeit leisten, als sie sich hier
durch den Schnee wühlten.
Zum Glück folgt bald wieder ein Abschnitt zum Laufen. Dann beginnt ein sehr
langer, zwar nicht steiler, aber schier endlos ansteigender Forstweg. Auf der
Schneeoberfläche kann man hier mit Spikes wieder halbwegs gut laufen, aber ich
spüre es jetzt deutlich in den Beinen, dass ich schon seit über sechs Stunden
unterwegs bin. Jeder von euch kennt sicher das Gefühl, wenn man meint, hier
laufen zu müssen, aber der Körper doch nur noch Gehen zulässt. |
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Statt durch eine landwirtschaftlich geprägte Gegend marschiere ich nun durch den
herrlichen, tief verschneiten Winterwald im Nationalpark Harz. Ich komme mir vor
wie in einem Weihnachtsmärchen. Ach wie schön kann Laufsport sein! Je weiter ich
hinauf komme, desto tiefer liegt der Schnee neben dem hier recht gut
präparierten Weg. "Kurz mal in den Wald gehen" ist hier völlig unmöglich, denn
abseits der Strecke versinkt man hüfttief in der weißen Pracht. Auch die Bäume
tragen gewaltige Schneelasten. Ich laufe immer mal wieder ein paar hundert
Meter, dann marschiere ich wieder ein oder zwei Kilometer weit. Etwa 90 Minuten
lang sehe ich vor und hinter mir keine anderen Läufer mehr, so groß sind die
Abstände inzwischen. Ich komme mir vor wie bei einem meiner langen Bergläufe,
bei denen ich in den letzten Monaten im Schwarzwald trainierte. Früher
beschränkte ich mein Wintertraining meist auf die üblichen Runden mit dem
Lauftreff. Erst in diesem Winter entdeckte ich durch die Vorbereitung auf die
BC, wie wunderschön auch im Schnee lange Läufe sein können. |
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Beim Jagdkopf endet der etwa 6 km lange Aufstieg. Von hier aus sollte es
normalerweise auf einer leicht gewellten Strecke hinüber zur nächsten Station
Lausebuche gehen, aber dieser Abschnitt ist nach wie vor absolut unbegehbar. Zum
Glück führt der weiterhin gut präparierte Forstweg von hier aus in einer weiten
Schleife hinab zum Oderstausee.
Diese Route nimmt nun auch die BC erstmals. Für die Veranstalter war schon
vorgestern klar, dass unsere einzige Chance zum Erreichen des Brockens im Umweg
über diesen Stausee liegt. Bei diesem langen Abstieg kann ich wieder locker
laufen und fühle mich abgesehen von sehr starkem Durst pudelwohl. Meinen letzten
Getränkevorrat verbrauchte ich schon vor über einer Stunde beim Aufstieg.
Als ich endlich den Stausee erreiche bin ich schon ziemlich dehydriert, weiß
aber, dass vor der nächsten Versorgungsstelle immer noch 7,5 Kilometer auf dem
Uferweg auf mich warten. Wachsende Kopfschmerzen sind ein deutliches Zeichen,
dass ich dringend Flüssigkeit tanken muss, damit mein Motor wieder ordentlich
funktioniert. |
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Bei einem Campingplatz sehe ich einen Mann, der an einem Brunnen Wasser abfüllt.
Als ich sage, dass ich am liebsten von dem eiskalten Wasser trinken würde, da
mir die Zunge fast schon am Gaumen klebt, holt er aus seinem Campinghäuschen
eine Plastikflasche mit warmem Wasser, eine Flasche Apfelschorle und warmen
Pfefferminztee. Ein Wunder! Die Schorle trinke ich fast halb leer, den Tee
füllen wir in meine Isoflasche und die Wasserflasche behalte ich beim
Weiterlaufen gleich in der Hand. Auch solche schönen Erlebnisse zählen zu den
Erinnerungen, wegen denen man Ultraläufe wohl nie wieder vergisst.
Der Fahrweg entlang des Sees wurde gestern extra für uns von einer Schneefräse
geräumt. Viele Kilometer lang könnte man nun fast völlig eben auf fester
Schneeoberfläche laufen, doch mir fehlt die Kraft dazu. Daher wechsle ich nun
immer zwischen 500 m Gehen und 500 m Laufen. Ich weiß, dass voraussichtlich noch
6 Stunden harte Arbeit vor mir liegen, und ich will nicht die letzten Reserven
jetzt schon verheizen. Die Gehpausen nutze ich, um einen Sponser-Riegel (die mag
ich sehr gerne) und einen Powerbar-Riegel (hasse ich, aber Sponser waren letzte
Woche ausverkauft) zu essen. Powerbar bei unter null Grad - eine echte
Dental-Challenge!
Der 7,5 km lange Uferweg kommt mir heute viel länger vor. Fast endlos erscheint
mir die Strecke, die immer wieder um kleine Buchten biegt. Hört denn dieser See
nie auf!!! Ich komme mir vor wie in einem Alptraum, in dem man beim Laufen immer
wieder zum Start zurück versetzt wird. Chris nennt diesen Abschnitt in seinem
Bericht „See des Grauens“. Das passt!
Kurz nach 15 Uhr erreiche ich endlich die Verpflegungsstation bei der
Erika-Brücke. Wenn man bei der BC alleine eine Station erreicht und nicht in
einer großen Gruppe ankommt ist das wie ein Besuch bei guten Freunden. Man wird
von allen Seiten gleichzeitig äußerst herzlich versorgt. Danke an alle Helfer! |
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Doch trotz aller Freude wartet hier auch eine große
Enttäuschung auf mich, denn ich erfahre, dass vor wenigen Minuten entschieden
wurde, ab sofort alle Teilnehmer von hier aus mit dem Auto direkt hinauf zur
Station Lausebuche zu transportieren. Die für diese unpopuläre Entscheidung
zuständigen Leute gingen davon aus, dass wir sonst aufgrund der schlechten
Wegverhältnisse das Zeitlimit bei der übernächsten Station verfehlen würden. Wie
sich erst später herausstellt hatte denen niemand gesagt, dass das Zeitlimit
gestern Abend um eine Stunde verlängert wurde, und leider wurde wohl auch keiner
der Veranstalter von diesem spontanen Einfall mit der Abkürzung unterrichtet.
Mich enttäuscht diese überraschende Streckenkürzung sehr, denn ich hatte bisher
(zu Recht!) keinen Zweifel daran, noch gut im Zeitlimit zu liegen und vor 21 Uhr
den Brocken zu erreichen. Nun ist für mich ein regulärer Vergleich mit den
anderen Läufern ja nicht mehr möglich. Wie bei Hase und Igel muss ich vier
Kilometer abkürzen, die Hälfte davon ein langer Aufstieg, und bin plötzlich vor
Leuten, die eben noch 40 bis 60 Minuten Vorsprung hatten.
Hier oben ist das Teilnehmerfeld noch deutlich dichter als vorhin bei den
Schlusslichtern. Immer wieder rede ich einige Worte mit anderen Läufern. Die
Schneeoberfläche fordert nun deutlich mehr Kraft als bisher. Nun folgen kaum
noch Abschnitte, bei denen ich laufen kann.
Mein Handy klingelt. Zu den Spielregeln zählt bei der BC auch, dass man zur
Sicherheit unterwegs immer über Handy von den Veranstaltern erreichbar sein
muss. Ich werde gefragt, wo ich mich befinde, da Station Lausebuche noch auf
mich wartet. Da bei jeder Station unsere Startnummern in einer Liste abgehakt
werden müssen, damit man dort weiß, ob alle Teilnehmer vorbei kamen oder noch
einer fehlt, vermisste man mich dort. Dieses Rätsel kann ich leicht lösen, da
ich ja der erste war, der direkt zur Lausebuche gefahren wurde (von einer
Helferin der dortigen Station) und daher dort gar nicht zur Kontrollstelle kam.
Noch rechtzeitig vor Beginn der Abenddämmerung bitte ich einen anderen Läufer,
das bei Laufreportagen fast schon obligatorische Redakteur-Foto zu knipsen. |
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Je weiter ich komme, desto anstrengender wird der Zustand des Schnees unter
meinen Füßen. Oft gehe ich nun neben Langlaufloipen entlang. Uns wurde schon vor
dem Start ausdrücklich eingeschärft, dass wir unter gar keinen Umständen die
Loipen beschädigen dürfen. Die Zukunft der BC hängt davon ab, dass die
Langläufer morgen bei einem eigenen Wettkampf unversehrte Spuren vorfinden. Tja,
ob es an einigen von uns lag oder an den vielen ebenfalls hier oben durch den
Schnee stapfenden Wanderern kann niemand sagen, aber leider gibt es
zwischendurch doch ein paar Stellen, wo die Loipen nicht mehr so ganz
skifreundlich aussehen.
In einem Punkt kann ich allen Teilnehmern ein vorbildliches Verhalten
bescheinigen. Die dringende Bitte, absolut keinen Müll an der Strecke zu
hinterlassen, wird zu hundert Prozent erfüllt. Auf der gesamten Route finde ich
keine einzige leere Riegel- oder Gel-Packung.
Für uns Läufer ist die Fortbewegung neben den Loipen viele Kilometer weit extrem
anstrengend. Bei jedem Schritt sinken die Schuhe ein paar Zentimeter tief in den
sehr unebenen, weichen Untergrund ein. Mir ist es rätselhaft, wie es manche
Teilnehmer trotzdem schaffen, auch hier zwischendurch gelegentlich zu laufen.
Ich stapfe hier wohl eher im 15er Schnitt voran. Als Weg kann man unseren
Streifen neben der Loipe beim besten Willen nicht bezeichnen, Hindernisparcours
wäre ein passenderes Wort. Besonders amüsant sind die knietiefen Löcher, in
denen man sich gut einen Fuß brechen kann. Sie entstehen, wenn ein Läufer oder
Wanderer einem Langläufer ausweichen will, einen Fuß einige Zentimeter neben der
halbwegs fest getrampelten Fläche aufsetzt und dann damit tief in den Schnee
einbricht.
Wer auch im Winter vom Schnee geräumte, gut präparierte Wege will, muss zu einem
der zahlreichen Winterläufe oder nach Rodgau. Doch jeder, der sich bei der BC
anmeldet will mehr, sucht das Abenteuer und die Herausforderung, auch Eis und
Schnee bewältigen zu können.
Dies ist sicher nicht das, was sich die große Masse der Bevölkerung unter
Wintersport vorstellt. Viel schöner wäre es für viele, nach einer halbe Stunde
Schlange stehen mit einem Skilift zu einer Berghütte geschleppt zu werden, nach
einem ersten Jagertee einen steilen Hang hinab zu rasen, erneut am Lift zu
frieren, oben noch zwei Portionen Alkohol einzuschütten und dann die Abfahrt á
la Althaus zu probieren.
Nein - nichts für mich! Aber ich könnte jetzt auch
zuhause im warmen Wohnzimmer auf der Couch liegen und in der Glotze zuschauen
wie "echte" Wintersportler neben der Laufstrecke auf Zielscheiben schießen, sich
an einem Steilhang überschlagen oder pausenlos an der Eisbahn beteuern, das Wort
Doping nicht einmal buchstabieren zu können. Gähn! Da laufe ich doch lieber
weiter durch die schöne Landschaft im Harz. Es strengt zwar an, aber das ist
genau das, was ich machen will. |
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Eines steht aber ganz klar fest: für diesen Lauf muss man sich anders
vorbereiten als für einen Wettkampf im Sommer. Man sollte unbedingt vorher
testen, mit welcher Kleidung, vor allem mit welchen Schuhen, man bei Schnee und
Kälte am besten zu recht kommt. Außerdem sollte man vorher unbedingt außer den
üblichen langen Trainingseinheiten auch in tiefem Schnee und auf vereistem
Untergrund trainiert haben. Denkt dran: bei der Brocken-Challenge kann man sich
unterwegs nicht einfach eine Weile an den Streckenrand setzen und ausruhen, wenn
man keine Kraft mehr hat. Auch die Abstände zwischen den Ausstiegsmöglichkeiten
sind teilweise sehr weit. Die Fähigkeit, sich selbst richtig einzuschätzen und
die Bereitschaft, notfalls rechtzeitig an einem der Streckenpunkte auszusteigen,
sind hier Grundvoraussetzungen, wenn man seine Gesundheit nicht gefährden will.
Unter einem Blickwinkel hat der Marsch entlang der Loipe echten
Unterhaltungswert: Trotz vieler vereister Wege sah ich heute noch keinen
BC-Teilnehmer stürzen. Jetzt dagegen kann ich immer wieder bewundern, wie
Langläufer wenig elegant in den Schnee purzeln. Ganz klar: die Verletzungsgefahr
beim ach so harmlosen Volkssport Langlauf ist deutlich höher als bei einem
winterlichen Ultramarathon! |
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Als ich die letzte Verpflegungsstelle erreiche, wird es langsam Nacht. Ich packe
die Kamera, die dünnen Handschuhe und die leichte Mütze in den Rucksack und
ziehe wärmere Sachen an, da die Temperatur nun ganz schnell sinkt. Jetzt beginnt
auch wieder die Zeit für die Stirnlampe. Nur noch 7,5 Kilometer! Aber bei den
heutigen Umständen brauche ich dafür vielleicht noch zwei Stunden. Zum Glück
sind die Schneeverhältnisse in diesem letzten Streckenabschnitt wieder deutlich
erträglicher als zuvor.
Etwa drei Kilometer vor dem Ziel erblicke ich kurz in der Ferne die Lichter des
Sendeturms oben am Brocken. Während der restlichen Strecke sehe ich den Gipfel
nicht mehr und kann daher nicht erkennen, wie weit es noch ist.
Nach dem steilsten Aufstieg des Tages folgt der Weg längere Zeit der Bahntrasse.
Normalerweise könnte ich hier wieder gut laufen, aber heute spaziere ich
natürlich nur noch langsam durch den nach wie vor herrlichen nächtlichen
Winterwald. Ich bin hundemüde, aber bis zum tiefsten Grund meiner Seele restlos
zufrieden. Ich werde oft gefragt, warum man sich so quälen will. Ich empfinde
dies aber nicht als Quälerei, sondern kann das Erschöpft sein und das
gleichzeitige Gefühl, etwas geschafft zu haben, voll und ganz genießen. Es
klingt paradox, aber wenn ich nach einem Lauf so kaputt bin, fühle ich mich
lebendiger als sonst. Das hat nicht das Geringste mit Masochismus zu tun, auch
wenn es für Außenstehende kaum zu verstehen ist. Das Gefühl, fix und fertig zu
sein, ist ganz anders als die Erschöpfung nach Feierabend, es ist Leben und
Bestätigung. Bei einem Volkslauf oder einem Marathon kann man Ähnliches auch auf
den letzten hundert Metern erleben, aber bei Ultraläufen kann mir dieses
Erlebnis viele Kilometer weit schier die Tränen in die Augen treiben.
Ein letzter Anstieg, dann höre ich schon die Rasseln, die am Ziel lautstark für
Stimmung sorgen, und endlich taucht im Nebel vor mir das Ziel auf.
Für mich hat die Ankunft auf dem Brocken auch politisch einen starken
Symbolcharakter, ähnlich wie beim Berlin-Marathon das Brandenburger Tor. Der
Brocken, eines der beliebtesten Ausflugsziele Deutschlands, war wegen seiner
Lage an der Grenze zwischen DDR und BRD von 1961-1989 für die Öffentlichkeit
gesperrt.
Beim Zieleinlauf bin ich viel zu erschöpft, um noch die Kamera aus dem Rucksack
zu holen.
Nach 13 Stunden und 12 Minuten laufe ich die letzten Meter mit einer Freude, als
hätte ich soeben im Lotto gewonnen.
Ohne stehen zu bleiben gehe ich in die Brockenstube, ziehe trockene Sachen an,
esse und trinke viel und gehe dann, als die Warteschlange endlich schrumpft,
auch unter die Dusche.
Von 135 Startern (davon 7 nur für eine Teilstrecke gemeldet), erreichten 115 das
Ziel. Am schnellsten kam Andreas Schneidewind in 8:56 auf den Gipfel, schnellste
Frau war Dagmar Wucherpfennig mit 10:51. Auch ein vierbeiniger Teilnehmer, der
bereits durch ältere BC-Reportagen bekannte und mit eigener Startnummer
versehene „Marathonhund“ Freyja, erreichte wieder das Ziel. |
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So weit, so gut, könnte man glauben. Laut Planung sollten wir jetzt alle mit
kleinen Fahrzeugen hinab nach Schierke zum gemeinsamen Abendessen gebracht
werden. Aber nach all dem wetterbedingten Durcheinander der Tage zuvor wäre das
wohl kein passender Ausklang für die BC 2010 gewesen. Das einzigartige Finale
folgt zu später Stunde. Da der Brocken für Privatfahrzeuge gesperrt ist, müssen Fahrzeuge der Johanniter
die Teilnehmer schichtweise hinab nach Schierke fahren. Eigentlich sind vier
Fahrzeuge eingeplant, aber aufgrund unvorhersehbarer Umstände stehen nur zwei
Wagen zur Verfügung. In jeden passen 8 Läufer, was bei ca. 50 Minuten für Hin-
und Rückfahrt und etwa 150 Leuten, die hinab müssen, schon rein rechnerisch
bedeutet, dass es aus dem gemeinsamen Abendessen und der geplanten Busabfahrt
nach Göttingen um 22.30 Uhr nichts wird.
Schon früh kommt der Vorschlag auf, dass einige Läufer zu Fuß die etwa 600
Höhenmeter absteigen sollen, um die Lage zu entschärfen. Wir anderen sitzen so
lange stundenlang hier oben, füllen unseren Magen mit Erbsensuppe und Wurst und
lassen den Brockenwirt fleißig Bier und Cola ausschenken. Die Stimmung bleibt
sehr gelassen. Das ist heute eben ein stark verlängerter entspannter Ausklang.
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Ich glaube nicht, dass es jemanden überrascht, als um 22 Uhr verkündet wird,
dass die Fahrzeuge jetzt endgültig unterwegs in Schnee und Eis stecken blieben
und wir nun zu Fuß runter müssen. Toll, ein Ultra mit Zugabe! Nach zwei bis drei
Stunden Herumsitzerei sind unsere Muskeln natürlich im Eimer, und viele von uns
hatten im Beutel mit den trockenen Klamotten für das Ziel keine Winterjacke.
Wozu auch? Wir wollten ja runter fahren, nicht laufen. Auch ich bin bestenfalls
passend für einen Frühlingsspaziergang angezogen, nicht aber für eine
winterliche Nachtwanderung.
Wir sollen alle unser komplettes Gepäck in die beiden letzten noch oben
wartenden Fahrzeuge laden, dann ohne unnötigen Ballast die Straße hinab wandern.
Als ich meine Tasche in eines der Autos lade sagte jemand hinter mir: "Da ist
noch ein Platz frei. Steig ein." So sitze ich plötzlich doch in einem Auto.
Eines ist so vorhersehbar wie Eier an Ostern: wenn mehr als 50 Menschen schnell
und unkoordiniert ihr Gepäck in zwei Autos verteilen bzw. Rucksäcke anderen
Teilnehmern mitgeben, geht das nicht ohne spätere Sucherei aus.
In einem Hotel in Schierke warten die anderen, die bereits länger unten sind,
auf uns. Kurz nach meiner Ankunft fährt der erste von den beiden Reisebussen mit
den meisten Teilnehmern zurück nach Göttingen. Ich muss aber noch hier warten,
da Heike zu den Fußgängern zählt und mein großer Rucksack ja unten in ihrem Auto
liegt.
Kurz vor Mitternacht kommen dann auch die letzten in Schierke an. Nun beginnt
die Suche nach einigen Rucksäcken. Die meisten liegen auf einem großen Stapel,
aber es scheint so, als wären ein paar versehentlich bereits mit dem ersten Bus
nach unten gebracht worden - oder auch nicht! Auch Heikes Rucksack wird zuerst
vermisst. Sehr ärgerlich, denn darin ist auch der Autoschlüssel. Zum Glück
taucht er dann doch noch auf.
90 Minuten später erreichen wir dann endlich wieder das Jägerhaus am Kehr. Heike
fährt mich noch in die Stadt, und kurz nach zwei Uhr erreiche ich endlich das
Hotel, in dem ich ein Zimmer gebucht habe.
Am nächsten Abend schaue ich mir natürlich auf NDR die Reportage vom
diesjährigen Lauf an. Im Gegensatz zur Sendung von 2009, die unter anderem zu
meiner Anmeldung beitrug, finde ich den Beitrag dieses Mal recht langweilig,
denn er zeigt nur bequeme Wege und lässt nichts von den schweren Abschnitten
ahnen.
Ich weiß mit voller Überzeugung, dass auch ich sehr gerne mal wieder bei der BC
teilnehmen will. Dieser Lauf ist etwas ganz besonderes. Aber wenn wir alle im
nächsten Jahr wieder kommen haben ja andere (z.B. die Leser dieser Reportage)
keine Chance, die BC selbst kennen zu lernen. Schade! |
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