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Weiter geht es im Trailrunners-Paradise! Eine steile Straßenböschung, bei
der manche von uns über Hilfe beim Aufstieg froh sind, eine etwas sumpfige
Wassertretstelle unterhalb eines Steinbruchs, danach im Steinbruch fast schon
alpine Verhältnisse beim Kraxeln über Geröll, vorbei an leuchtend gelb blühenden
Rapsfeldern und über urige Pfade durch eine grüne Hölle - so schön kann Laufen
sein! |
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Aufgrund der äußerst verwinkelten Streckenführung und des häufigen Wechsels
zwischen breiten Wegen und schmalen, kaum als solchen erkennbaren Pfaden hatte
ich zuvor eigentlich mit einer schwierigen Orientierung gerechnet und den Track
auf mein GPS-Gerät gespeichert. Doch das GPS kann ich im Rucksack lassen, da die
Strecke meiner Meinung nach (zumindest jetzt!) hervorragend ausgeschildert ist.
Umso stärker überrascht es mich, dass ich ungefähr bei km 35 auf Eric treffe,
der mit einem Begleiter gerade ziemlich frustriert dabei ist, noch mehr
Markierungsbänder an die Bäume zu hängen. Offensichtlich haben es doch bereits
ein paar Läufer geschafft, irgendwo falsch abzubiegen. Aber da kann ein
Veranstalter machen was er will - ein bisschen muss man als Läufer auch selbst
aufpassen. Die auffälligsten Bänder und Farbpunkte nutzen nichts, wenn jemand
ohne nach rechts und links zu blicken einen bequemen Weg hinab rennt, ohne auf
Abzweigungen zu achten. Auch mir wird es später noch so gehen.
Allerdings kommt heute als weiteres Problem dazu, dass die Spitzenläufer zu
schnell für die mit der Markierung zuständigen Mountainbiker sind, und dass
leider wie bei vielen anderen Veranstaltungen Spaziergänger "aus Spaß"
Markierungen beseitigen. Auch die regionalen Jäger sind nicht gerade erfreut
über uns Ultraläufer.
Damit niemand verloren geht (und damit niemand absichtlich oder unabsichtlich
abkürzt) stehen in unregelmäßigen Abständen Kontrollposten am Wegrand, die alle
Startnummern notieren.
Etwa seit km 30 nehmen die Schmerzen in meinem rechten Knie stark zu. Ich merke,
dass ich vor allem bei leichten Aufstiegen nicht mehr „rund“ laufe. Aber davon
lasse ich mir den Spaß an dieser großartigen Veranstaltung nicht nehmen. Ich
will diese herrliche Strecke auch weiterhin genießen. Dennoch zweifle ich jetzt
zum ersten (und glücklicherweise auch letzten Mal), ob ich in diesem Zustand
überhaupt die zweite Streckenhälfte laufen soll.
Über große Wiesen laufen wir auf Reichweiler zu.
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Kurz vor dem Ort müssen wir eine steile, schlammige Böschung hinauf klettern.
Hier ist der Boden so rutschig, dass Eric den oberen Bereich mit einem kleinen
Seil gesichert hat, an dem auch ich mich zuletzt hoch ziehe.
Bald darauf erreiche ich bei km 41,8 wieder das Sportheim. Die südliche Runde
ist geschafft, jetzt folgen noch mehr Kilometer in der Nordschleife. Die Frage
nach Aufgeben ist bereits aus meinem Kopf verschwunden, denn abgesehen vom Knie
fühle ich mich noch sehr gut. Muskeln und Kondition spielen bisher problemlos
mit. Ich kam hier her um 85 km zu laufen, und die werde ich auch vollenden.
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Anfangs könnte man glauben, Eric wolle uns in der zweiten Hälfte schonen, denn
die Auf- und Abstiege bleiben lange Zeit meist auf einem nicht allzu schweren
Niveau. Aber keine Angst - er hat sich ein paar richtig fiese Ideen für den
Schluss aufgehoben. |
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Manchmal sehe ich weit und breit keine anderen Läufer, dann wieder treffe ich ab
und zu auf andere. Zwischendurch lasse ich mich mal fotografieren. |
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Viele der Teilnehmer haben bereits Erfahrung mit weitaus schwereren Läufen bis
hin zum Marathon des Sables oder sogar Trans-Europa-Lauf. So etwas ist für mich
leistungsmäßig ebenso utopisch wie für meinen Chef (der immerhin seit kurzem
walkt) ein Halbmarathon. Aber vor nicht allzu vielen Jahren dachte ich im Traum
nicht daran, jemals weiter als 10 km zu laufen, und 2003 war ich am Ziel des
Baden-Marathon davon überzeugt, dass dies der längste Lauf meines Lebens gewesen
sei. Inzwischen denke ich im Gegensatz zu früher nicht mehr, nun meine
endgültige Grenze erreicht zu haben. „Immer mehr“ gehört wohl zu den
ursprünglichen Prinzipien im Leben. Die einen wollen immer größere oder
schnellere Autos, mir dagegen reicht mein Kleinwagen, stattdessen will ich immer
größere Lauf-Herausforderungen.
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Als ich einer dreiköpfigen Gruppe auf einem breiten Forstweg folge, passiert es
auch mir: Bonusrunde! Wir müssen ein Stück umkehren, hinauf bis zu den letzten
Wegmarkierungen. Doch ich muss zugeben, dass es wirklich nicht an einer
schlechten Markierung lag. Die zahlreichen Bänder hingen eigentlich unübersehbar
im Wald.
Ein Quadfahrer kommt vorbei gefahren. Er stoppt kurz und fragt, ob er mich ein
Stück mitnehmen soll. Auf gar keinen Fall! Erstens wäre das unfair, und zweitens
will ich schließlich den kompletten Lauf genießen und keinen Abschnitt
verpassen.
Bei Wasserstelle Nr.3 treffe ich wieder auf Eric. Dieses Mal telefoniert er
gerade mit einem Läufer, der sich verirrt hat und nach dem rechten Weg fragt.
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Viele Kilometer verläuft die Route nun recht einfach. Ich fühle mich noch immer
fit und habe keine muskulären Probleme. Kein Zweifel, dass ich es innerhalb des
Zeitlimits schaffe! Mit 10 min/km bzw. 6 Kilometern pro Stunde ist die für das
Zeitlimit gerechnete Durchschnittsgeschwindigkeit sehr gering, aber aufgrund der
schweren Passagen sinnvoll. Doch wer aufgrund der letzten Kilometer glaubt, dass
es nun bis zum Ziel recht einfach bleibt, der ahnt nicht, was noch folgt. |
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Bei km 69 erreiche ich die letzte Getränkestation. Endlich Cola! Seit vielen
Kilometern freue ich mich auf die Halbliterflasche, die ich zu VP 4 bringen
lies. Doch zu meiner großen Überraschung hat bereits ein anderer Läufer meine
Cola getrunken. Zum Glück steht in der Kiste noch eine 1,5 l Flasche, deren
Besitzer zuvor schon den benötigten Anteil getrunken hatte. Davon trinke auch
ich jetzt ein paar Schlucke.
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Es folgt nochmals ein kurzer, recht einfacher Streckenabschnitt.
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Dann erreiche ich die am besten markierte Abzweigung der gesamten 85 km. An
dieser Stelle ist die auffällige Markierung wirklich sinnvoll, um auch dem
letzten Zweifler unmissverständlich klar zu zeigen, dass er hier links abbiegen
muss. Eigentlich kann keiner so richtig glauben, dass wir da wirklich runter
müssen, so steil ist der Beginn dieses Pfades. Natürlich jede Menge rutschiger
Schlamm, keine Steine, die den Füßen ein bisschen Halt geben, rechts und links
nur Brennnesseln, an denen man sich im Falle eines Sturzes festhalten kann.
Falls der Pfad gestern noch ein paar Stufen hatte, so wurden sie von den Läufern
vor mir abgehobelt. Neben mir fragt jemand, ob wir hier auf dem Hosenboden
runter rutschen sollen. Das ist jetzt endgültig die Öko-Variante des Strongman-Run.
Irgendwie schaffe ich es, hier sturzfrei runter zu kommen, aber mein rechtes
Knie ist jetzt endgültig für heute im Nirwana.
Nach hundert Metern geht die steile Rutscherei in einen immer noch kniekillenden
Steilabstieg durch den Wald über. Den Rest der Strecke kann ich selbst bei
leichtem Gefälle meist nur noch gehen statt laufen. Schade, denn von der
Kondition her könnte ich zwischendrin noch einige harmlosere Kilometer weit
deutlich schneller rennen. Insgesamt kostet mich das Knie heute sicher 20-30
Minuten.
Nichtläufer verstehen nie, wieso ich den Lauf trotzdem noch genieße und warum
für mich seit zwei Jahren die Ultraläufe die Höhepunkte des Jahres sind. Es ist
herrlich, so lange in der Natur unterwegs zu sein. Es ist überwältigend, eine so
lange und schwere Distanz zu bewältigen. Es ist faszinierend, über diese
großartigen Trails zu holpern. Es ist unglaublich schön, dass ich selbst jetzt
noch die Landschaft und die Vegetation genießen kann, noch immer die Vögel
zwitschern höre und am Wegrand schöne Farne und prächtige Baumpilze entdecke.
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Gegen 18 Uhr scheint heute zum ersten Mal fünf Minuten lang die Sonne. Jetzt
sieht die Gegend doch gleich noch viel hübscher aus als in dem dunklen, trüben
Licht des restlichen Tages. Aber wir müssen zufrieden sein - entgegen der
meisten Wetterprognosen blieben wir heute komplett vom Regen verschont.
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Km 80 - nur noch fünf Kilometer - bei einem Stadtmarathon nicht viel, aber hier
nochmals eine höllische Heimsuchung. Wieder führt der Weg mühsam bergauf, dann
endlich wieder hinab in Richtung Reichweiler. Km 82 - der Ortsrand ist erreicht.
Es scheint so, als müssten wir nur noch bequem rüber bis zum Ziel laufen. Doch
ich wusste es aus alten Berichten schon vorher - der K-UT soll etwas ganz
besonderes sein, und dazu gehört nun mal kein gemütliches Auslaufen. Noch einmal
müssen wir steil zum Steinbruch hinauf.
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Dann geht es endlich runter. Eine morsche Holztreppe erfreut Gelenke und
Muskeln.
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Endlich erreiche ich Reichweiler. Schon will ich die letzten Meter die Straße
hinab rennen, da weist mich jemand darauf hin, dass die Strecke nicht durch das
Dorf sondern außen herum führt. Das hätte ich vor lauter Freude, endlich am Ziel
zu sein, beinahe übersehen. Also noch ein paar Meter auf, ab, auf, ab, aber
schließlich erreiche ich doch das Sportheim, wo auch die letzten Heimkehrer noch
mit Applaus begrüßt werden. 13:52, also immerhin noch 18 Minuten vor dem
Zeitlimit. Platz 77 von 99 Startern, damit bin ich sehr zufrieden.
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80 Teilnehmer kamen innerhalb des Zeitlimits ins Ziel, 5 später und 14 mussten
unterwegs aufgeben. Am schnellsten war Petru Muntenasu mit unglaublich schnellen
8:32, zehn Minuten darauf folgte Rene Strosny (der letztes Jahr dritter beim
Transeuropalauf wurde) und Ingo Saatweber erreichte mit 9:14 Platz 3. Schnellste
Frau war mit 11:27 Juliane Raubuch, gefolgt von Heike Angel mit 11:43 und Petra
Scheunemann mit 11:51.
Zum Abendessen gibt es für jeden Läufer Bratkartoffeln mit Wurst und Speck,
meiner Meinung nach die beste Zielverpflegung meines Lebens.
Tipp: Wem seine weißen Laufschuhe nicht mehr gefallen, der kann sie beim K-UT
wunderbar färben. |
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Es war sehr hart heute, aber gleichzeitig auch sehr faszinierend. Eric ist es
mit seinem Trail gelungen, ein Abenteuer zu erschaffen, das mehr ist als ein
gewöhnlicher Ultramarathon. Daher bleibt als Schlusswort nur aus ganzem Herzen
ein:
Danke, Eric!
Und natürlich gebührt der Dank auch den vielen anderen Helfern, ohne die so ein
Lauf undurchführbar wäre,
Homepage des Keufelskopf Ultra Trail:
www.tuerlings.de/kut
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