Keufelskopf Ultra-Trail - 2800 Höhenmeter in der
Pfalz
Laufreportage von Günter Kromer
Das Märchen vom Auf und Ab.
Es war einmal ein Läuferkönig namens Eric Tuerlings, den es einst aus dem völlig
berglosen Niederlande in das auch nicht gerade gebirgige Rheinland-Pfalz
verschlagen hatte.
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Dieser König träumte von einem selbst veranstalteten Ultralauf mit vielen,
vielen Höhenmetern. Die Könige der benachbarten Reiche in den Alpen hatten viele
große Berge, auf denen man herrlich rauf und runter rennen konnte, doch in Erics
neuer Heimat gab es keine Hügel, die sich mehr als 600 m hoch erhoben. Doch das
Wunder geschah: er fand auch hier eine Route, die auf 85 Kilometern und je 2774
Höhenmetern Auf- und Abstieg sogar 514 Höhenmeter mehr vereinte als der Swiss
Alpin K 78. |
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Der Zauber dieser Strecke wurde schnell Legende, und daher schien 2010 die Zeit
gekommen, den Ruhm für diese Routenschöpfung zu mehren und die Völkerscharen aus
ganz Deutschland nach Reichweiler zu locken. Auf das frühzeitige Erreichen des
Teilnehmerlimits folgte ein allgemeines Wehklagen, so dass die Beschränkung
schließlich aufgehoben wurde und zwischendurch 140 tapfere Läufer den Spuren des
Läuferkönigs folgen wollten. Im Gegensatz zu Märchenkönigen konnte er die Sieger
zwar nicht mit Gold und Silber überhäufen, er hatte auch keine Prinzessin, die
er dem schnellsten Läufer zur Frau geben konnte, aber immerhin belohnte er jeden
Finisher mit zwei Qualifikationspunkten für den Ultratrail du Mont-Blanc.
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Da Höhenmeter alleine nicht ausreichen, beauftragte Eric im Winter einen Sturm,
möglichst viele Bäume über die Strecke zu stürzen. Zusätzlich ließ er in den
Tagen vor dem Start die Strecke gründlich beregnen, damit wir möglichst viel
Schlamm genießen können. Um Ausfälle wegen Hitzschlag zu vermeiden, stellte er
den Thermostat an der Laufstrecke auf fast schon winterliche Temperaturen. |
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Die Anfahrt mit dem Auto nach Reichweiler ist bequem, denn etwa auf halber
Strecke zwischen Kaiserslautern und Trier muss man nur noch wenige hundert Meter
abseits der Autobahn fahren. Mit 25 Euro liegt die Startgebühr für die 85 km
sehr niedrig. Im Sportheim können wir kostenlos übernachten oder draußen zelten.
Da es in Reichweiler kein Restaurant gibt und im Sportheim nur Brötchen mit
großen Frikadellen angeboten werden, bestellen sich manche von uns etwas beim
Pizzaservice.
Geschlafen wird mit Schlafsack und Isomatte im Nebenraum. Gleichmäßig über die
Nacht verteilt wache ich immer wieder auf, da immer wieder jemand aufs Klo muss
und mit Taschenlampe den Weg zur Tür sucht. Als „Kleine Nachtmusik“ kommt
natürlich das gewohnte Schnarchkonzert dazu, mal solo, mal Quadrophonie. Aber
mir ist eine Nacht im „Palais Schnarchbude“ bekanntlich hundertmal lieber als
ein X-Sterne-Hotel, in dem man schon ein schlechtes Gewissen hat, wenn man mit
schlammverkrusteten Trail-Schuhen an der Rezeption vorbei schleicht.
Kurz nach vier Uhr stehen dann die ersten auf, ab halb fünf gibt es Frühstück.
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Vor dem Start klärt uns Eric über die Streckenmarkierung und die Schwierigkeiten
auf. Dass die Route nicht einfach wird wissen wir aber schon längst. Wir wollen
es schwer, sehr schwer, und das wird uns dann auch geboten.
Nach uns 99 Ultraläufern starten um 9 Uhr noch 38 Leute auf dem Mini-Trail, der
aber immerhin auch schwerer als ein normaler Halbmarathon ist.
Bei der lockeren Atmosphäre am Start fühlt man sich eher wie beim Lauftreff
statt wie vor einem schweren Rennen.
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Die ersten Kilometer führen noch über eine recht bequeme Route, ideal zum ganz
langsam aufwachen und warmlaufen. Die Temperatur erinnert mehr an März statt an
Mai. Aber immerhin regnet es heute nicht mehr. Allerdings wird es während der
ersten Stunden wegen der dicken Wolkendecke nie richtig hell. |
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Zeitweilig laufen wir über eine ehemalige Bahnstrecke, an deren Rand noch die
alten Signale stehen. Wir durchqueren einen kurzen Tunnel, dann geht es über
eine hohe Brücke. |
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Gleich darauf folgt der erste steile Aufstieg. Eine Treppe im Wald bremst
unseren Schwung. Ich mache in paar Fotos, aber offensichtlich ist es hier im
Wald dafür noch viel zu dunkel. Da mir meine alte Kamera erst vor ein paar Tagen
kaputt ging bin ich mit der Menüführung der neuen noch nicht vertraut, achte nur
auf das Display statt auf die Treppe und rutsche auf einer nassen Holzstufe aus.
Bei dem Sturz verdrehe ich etwas mein Knie, aber da ich trotzdem anfangs noch
fast schmerzfrei weiter laufen kann bin ich zuerst erleichtert. Es scheint so,
dass der Sturz ohne Verletzung ausging. Zu früh gefreut!
Bald nach dem steilen Aufstieg fordert ein ebenso steiler Pfad bergab
Trittsicherheit und Konzentration. Dann folgt zwischendurch wieder eine ganz
bequeme Strecke zum locker Auslaufen. Dieser häufige Wechsel zwischen einfachen
Passagen zum Tempomachen oder Erholen und dazwischen wirklich heftigen
Herausforderungen ist typisch für den K-UT.
Ein weiterer kurzer Steilaufstieg führt uns in einen leicht nebligen Abschnitt
des Waldes. Wie ein Weichzeichner verleiht das Grau der Natur eine sanfte
Stimmung.
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Wir laufen durch dichten, urwüchsigen Wald der von den Monokulturen der
Forstwirtschaft verschont blieb. Moosbedeckte Äste, Farne und bizarre
Baumstümpfe verzaubern den Wegrand. Zwischendurch kommen wir zu offenen
Wiesenlandschaften, dazwischen auf Höhen mit weiter Aussicht.
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Nicht nur der häufige Wechsel zwischen steilen und bequemen Passagen ist typisch
für diesen Wettkampf. Noch vielseitiger ist die Wegbeschaffenheit. Mal laufen
wir auf ganz normalen Forstwirtschaftswegen, meist aber auf "echten" Trails,
also auf schmalen, unebenen Pfaden. Kreuz und quer holpern wir durch die Wälder
oder überqueren Wiesen auf gerade mal fußbreiten Spuren. Manchmal kann man die
Pfade kaum als solche erkennen. Nur die vielen Wegmarkierungen weisen
unübersehbar in die richtige Strecke. Da es während der letzten Tage sehr viel
geregnet hat, matschen wir immer wieder durch recht schlammige Abschnitte.
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Ab km 15 spüre ich immer deutlicher, dass mein Sturz doch nicht ohne Folgen
blieb. Da ich normalerweise selbst bei steilen Abstiegen keine Knieprobleme
habe, lassen sich die zunehmenden Schmerzen am rechten Knie eindeutig dem Sturz
zuordnen.
Zwischendurch fordert uns Erics Routenplanung immer wieder mit kurzen,
außerordentlich steilen Abschnitten heraus. Ich bin selbst in den Alpen bisher
noch keine so steilen Pfade hinauf und wieder hinab gerannt wie hier. Sierre-Zinal
hatte zwar auf lange Distanz gerechnet die höchste Steigung, aber hier sind
einzelne Bereiche deutlich steiler. Dazu kommt der Schlamm, der die Pfade in
Rutschbahnen verwandelt. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Läufer, egal ob an
der Spitze oder ganz hinten, die Strecke in einem trockenen Sommer 30 Minuten
schneller bewältigt. Aber die Rutscherei gehört heute zum Spaß dazu.
Recht amüsant sind auch die vielen Baumstämme, die kreuz und quer über den Wegen
liegen. Keine Ahnung, über wie viele Stämme ich im Laufe des Tages klettern muss
oder darunter hindurch schleiche. Da fällt mir ein Satz von der Homepage dieser
Veranstaltung ein: „Das Mitführen eines Babyjoggers ist prinzipiell erlaubt,
aber vollkommen sinnlos auf dieser Strecke.“ Wahre Worte! |
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Vor einer großen Brücke warnt uns ein Streckenposten, dass der Boden glitschig
sei.
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Zwischendurch laufen wir auf einem anspruchsvollen Mountainbike-Trail, wo die
Radler viele Sprungschanzen und Steilkurven angelegt haben. Immer sorgt Erics
Planung für Abwechslung. Morsche Brücken, die unter unseren Füßen gleich zu
zerbrechen scheinen, kleine Bachüberquerungen, mal weicher Waldboden, dann
wieder über dichtes Gras - genau solche Trails sind es, auf die ich mich bereits
seit der Anmeldung freue. Hier sollte man die Trailrun-Worldmasters austragen!
Mir hat es letztes Jahr in Dortmund zwar wegen der Atmosphäre sehr gut gefallen,
aber das echte Trailabenteuer erlebt man hier bei Reichweiler. Diese
Streckenkombination ist ganz genau das, was ich momentan am liebsten laufe. |
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Etwa bei km 23 erreiche ich die erste Getränkestelle. Der K-UT ist ein Lauf in
Eigenverantwortung. Wie bereits in der Ausschreibung angekündigt, gibt es
unterwegs nur an vier Stellen Wasser zum Nachfüllen der Flaschen bzw.
Trinkrucksäcke. Mindestens 1,5 l Getränke sowie die komplette Verpflegung muss
jeder selbst im Rucksack mitnehmen. Natürlich kann man zusätzlich eigene
Getränke zu den Stationen bringen lassen, aber nichts zu essen. |
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Die Selbstversorgung bietet auch Vorteile. Man kann unterwegs genau das essen,
was man am besten verträgt. Außerdem ist es für den Magen viel besser, wenn man
alle halbe Stunde ein paar Bissen zu sich nimmt, statt alle 10-12 km möglichst
schnell viel in sich hinein stopfen zu müssen. Auch mit dem Trinken muss ich
heute nicht warten, bis ich halb ausgetrocknet endlich die nächste
Verpflegungsstelle erreiche, sondern kann regelmäßig von meiner bevorzugten
Mischung aus Wasser, wenig Apfelsaft und einer kleinen Prise Salz trinken.
Der K-UT wird von einem sehr erfahrenen Ultraläufer veranstaltet. Eric lief u.a.
schon den Marathon des Sables und mehrmals den UTMB, so dass er weiß, was man
unterwegs braucht. Aber beim Einkaufen ist offensichtlich einem seiner Helfer
ein kleiner Fehler unterlaufen. Ich vermute, dass sich an der ersten
Getränkestation so ziemlich jeder Läufer über das kohlensäurehaltige Wasser zum
Nachfüllen der Flaschen oder Trinkblasen wunderte. Ich sehe im Geiste schon die
Schlagzeile „Trinkrucksack beim Laufen explodiert“ vor mir. Aber später wird
dieses Missgeschick korrigiert und auch Leitungswasser angeboten. |
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Als völlig harmlos erweisen sich die wenigen Straßenüberquerungen auf
rechtzeitig durch Warnschilder angekündigten, fast autofreien Kreisstraßen.
Asphaltierte Streckenabschnitte müssen wir nahezu keine laufen, und auch durch
Ortschaften kommen wir so gut wie nie. Fast 100 Prozent Natur - was will man
mehr! |
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