An einem Ortseingang hängt ein Warnschild: „Radarkontrolle“. Das hätte ich mir
eigentlich zu Herzen nehmen sollen, denn ich lasse mich vom schönen Wetter, der
Umgebung und der Stimmung der Mitläufer ablenken und renne für meine
Verhältnisse viel zu schnell. Trotz der fast fünfhundert Höhenmeter erfahre ich,
dass ein paar Einheimische hier heute ihren ersten Marathon laufen. Aber es sind
auch viele erfahrene Hasen dabei. Einer zeigt auf seinem Shirt an, dass er
gerade seinen 50. Marathon läuft, und für andere Läufer mit„ Swiss Alpin K 78“
oder „Trans Alpine Run“ Shirts ist dies heute sicher nur eine leichte Übung.
In Bad Dürkheim scheint es zuerst so, als würden wir nur auf der Straße an der
Stadt vorbeilaufen, doch dann geht es durch eine Unterführung doch noch hinüber
ins Zentrum. Dort sitzen die meisten Zuschauer dieses Marathons. Zwar kann man
den Weinstraße-Marathon von den Zuschauerzahlen natürlich nicht mit den großen
Stadtmarathons vergleichen, aber diejenigen, die am Streckenrand stehen oder
sitzen unterstützen die Läufer mit voller Kraft. Kein überschäumender Lärm wie
in Köln oder Berlin, aber Herzlichkeit. Während man in der Fußgängerzone von
München spürt, dass die Gäste der Straßencafés sich von den Läufern gestört
fühlen freuen sich die Leute hier, dass endlich mal was los ist. |
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Gleich darauf laufen wir durch einen hübschen Park, in dem die Blütenpracht
nicht nur an den Bäumen, sondern auch am Boden prangt.
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Danach erreichen wir die Stelle, an der das ehemalige Wahrzeichen der Stadt, das
2007 durch Brandstiftung zerstörte Gradierwerk, neu aufgebaut wird. In diesem
333 Meter langen und bis zu 18 m hohen Bauwerk fließt Salzwasser aus Heilquellen
über etwa 250.000 Reisigbündel. Beim nächsten Marathon dient es wieder in neuer
Pracht als herrliches Fotomotiv.
Gleich darauf erreiche ich den Halbmarathonpunkt. Obwohl die erste
Streckenhälfte mehr Höhenmeter aufweist als die zweite, und trotz vieler
Fotostopps, blieb ich knapp unter zwei Stunden. Noch fühle ich mich pudelwohl
und würde am liebsten ungebremst weiter eilen, doch mir ist klar, dass dies
heute für mich zu schnell ist und ich die Raserei auf dem Rückweg noch büßen
werde.
Nach Verlassen von Bad Dürkheim folgt ausnahmsweise ein recht langweiliger
Streckenabschnitt, der mit etwas Abstand an Straßen mit Verkehrsstau entlang
führt. An einer Stelle überqueren wir die Straße - die Ursache für den Stau!
Natürlich können wieder ein paar Autofahrer nicht bewegungslos zusehen, wie
sportliche Menschen den Verkehr blockieren, und drücken mit viel Elan auf die
Hupe.
Landschaftlich bietet dieser Teil kaum Reize, aber die schier unendlich vielen
Löwenzahnblüten gefallen mir immer besser. |
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An zwei Stellen entlang der Strecke werden den Zuschauern über Lautsprecher auch
die Namen einiger Läufer vermittelt. Egal ob man ganz vorne im Feld oder als
einer der letzten rennt - dies vermittelt das Gefühl, dass die Teilnahme etwas
bedeutet. Affig finde ich dagegen, wenn manche Leute bei der Anmeldung ihre
Titel angeben. „Und jetzt kommt Nr.xx, Professor Doktor xxx“. Zumindest unter
Läufern sollte es doch keine Standesunterschiede geben.
In den Dörfern kommen wir natürlich an vielen Weingütern mit Gartenwirtschaften
vorbei. Weinpressen und Fässer dekorieren den Straßenrand, alte
Wirtshausschilder hängen an den Fassaden. Spätestens seit Altkanzler Kohl weiß
wohl jeder, dass eines der typischen regionalen Gerichte der
Pfälzer Saumagen
ist. An einem Verpflegungsstand wird auch dieser angeboten. Nichts für meinen
Magen! Dann doch lieber die nichtpfälzer Banane. |
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Inzwischen ist es deutlich über 20 Grad. Herrlich! Erst vor sechs Wochen lief
ich durch „Leise rieselt der Schnee“ im eiskalten Engelberg, und jetzt genieße
ich „Summer Feeling“ in der warmen Pfalz. Heute empfinde ich das Wetter als
perfekt. Aber im August wäre diese Strecke nur als Training für den Badwater
geeignet. Hölle! Hölle! Hölle! Doch selbst heute höre ich, wie einige Teilnehme
schon über die Wärme stöhnen. Mein Gott, was machen die dann im Sommer? Laufen
die dann nur noch im Kühlschrank?
Doch je weiter ich komme, desto mehr Leute überholen mich. Jetzt zeigen sich die
Folgen meines schnellen Beginns. Ich lasse mir davon den Spaß aber nicht
verderben. Mir ist es seit Jahren egal, was die Stoppuhr am Ziel anzeigt.
Bei Kilometer 39 steht dann kurz vor dem Finale die härteste Steigung auf dem
Programm. Ich werde immer langsamer. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, heute
wirklich jeden einzelnen Meter zu laufen statt zu gehen, spiele nun auch ich wie
fast alle anderen um mich herum Fußgänger.
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Was ist los mit mir? In vier Wochen will ich beim KUT mehr als doppelt so viele
Kilometer und 5,5 Mal so viel Höhenmeter schaffen, da darf ich doch bei so einem
lausigen Hügel nicht schlapp machen! Dort teile ich mir meine Energie aber auch
vernünftiger ein und galoppiere nicht die ersten zwei Stunden so wild los. Jetzt
könnte ich jemanden brauchen, der mich die Straße hinauf zieht. Ein Königreich
für ein Pferd! Doch statt einem Pferd kommt ein König.
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Super, genau dann, wenn man eine Aufmunterung am dringendsten braucht, geschieht
manchmal ein kleines Wunder. Danke!
Nach der Steigung ganz kurz abwärts, dann noch mal leicht bergauf. Der Kilometer
durch Bockenheim kommt mir doppelt so lange vor wie heute morgen. Dann erreiche
ich endlich das Ziel. Ich habe in den letzten Jahren schon viele weitaus
schwerere Läufe geschafft, aber so kaputt wie heute fühlte ich mich selten.
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Gleich nach der Ziellinie wartet schon meine Freundin auf mich, die mit ihrem
Ergebnis beim Halbmarathon sehr zufrieden ist. Annette geht es im Moment
deutlich besser als mir. Ich setze mich auf einen Rasen, und sie bringt mir
Wasser (Peterstaler Black Forest – passt nicht gerade zur Pfalz), Saft und Bier.
Den auch am Ziel angebotenen Weißwein könnte mein Magen jetzt nicht vertragen.
Die Pfälzer meinen es ja gut, und werbewirksam ist diese Idee sicherlich auch,
aber ich gebe gerne zu, dass ich (ausschließlich) bei Marathons colasüchtig bin,
und die schwarze Zuckerbrühe vermisse ich heute. Ein Glück, dass da auch ein
großer Stand der einzigen trinkbaren (und daher bei den meisten Marathons
ausgeschenkten) Sorte alkoholfreies Bier steht.
Während mein Kreislauf allmählich wieder in Schwung kommt lasse ich uns von
einem anderen Läufer fotografieren.
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Obwohl ich in unmittelbarer Umgebung einige Läufer wie tot am Boden liegen sehe,
höre ich allgemein begeisterte Urteile über diesen Lauf. Es scheint jedem
gefallen zu haben.
Doch leider hatten auch hier die einheimischen Läufer keine Chance auf den Sieg.
Ich bin wirklich ein Multikulti-Fan und das Gegenteil von einem Rassist, aber
allmählich ärgert es mich, dass offensichtlich auch bei kleinen Marathons immer
mehr kenianische Nachwuchsprofis von profitorientierten Managern in den
Wettbewerb gedrückt werden, so dass die regionalen Amateure, die sich ein
betreutes Vollzeit-Training nicht leisten können, hinten anstehen. Auch heute
geht sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern der Sieg nach Kenia.
Im großen Festzelt werden außer den üblichen Würstchen auch Kartoffeln mit Quark
angeboten, was mir sehr gut gefällt.
Wem es drinnen zu laut ist, bleibt draußen viel Platz zum gemütlichen
Herumhocken und Erlebnisse auszutauschen.
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Und für Kinder bekommt das Wort „Herumhängen“ noch eine ganz andere Bedeutung.
Sollte ich dies mal selbst probieren? Wäre vielleicht für die Muskeln mal was
völlig anderes als Massage? |
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Daheim kann ich dann den an alle Teilnehmer verschenkten Pfälzer Wein genießen,
und da Riesling leicht zu dummen Gedanken führt, schreibe ich nun den Rest
meiner Reportage ausnahmsweise in Reimform. |
Der Turbopinguin an der Weinstraße
Seit Wochen waren sie ausgebucht schon,
die 2000 Nummern für den Halbmarathon.
Und auch 1000 Läufer für die lange Distanz
füllen jetzt die Startplätze ganz.
Als die Meute um zehn endlich starten kann
watschelt auch euer Turbopinguin voran.
Über dem bunten Läufergewimmel
scheint ein wolkenlos blauer Himmel.
Raus aus der Stadt, der Weinberg ruft.
Die Sonne erwärmt die Frühlingsluft.
Zum ersten, aber bei weitem nicht letzten Mal an diesem Lauf
führt unsere Strecke nun bergauf.
Es geht auf und es geht ab
mal in schnellem Lauf, mal in langsamem Trab. |
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Zuschauerjubel in den Dörfern genießen wir kurz nur,
denn die meiste Zeit laufen wir draußen in der Natur.
Die Weinstöcke sind noch nicht grün,
dafür sehen wir viele Bäume blühn,
ihre Blütenpracht ist weiß wie Schnee,
ein Anblick den ich gerne seh.
Habe ich ein schönes Motiv gesehen
bleibe ich am Streckenrand zum Fotografieren stehn.
Jetzt fällt mir kein weiterer Reim mehr ein
als „so schön kann Laufen sein!“ |
...Ach, und da fällt mir doch gerade die Überschrift eines Artikels ein, den ich
gestern im neuen Runner´s World gelesen habe: „Was man von Pinguinen lernen
kann“.
Also gut, was könnt Ihr heute vom Turbopinguin lernen?
„Laufreportage als Gedicht
Besser nicht!“
Nächstes Mal wieder nur Prosa! Fest versprochen!
Euer Turbopinguin
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