Nun folgt der steilste Aufstieg des Tages. Über einige Serpentinen marschieren
wir langsam bergauf. Die 100 km Läufer mussten heute Nacht schon einmal hier
hinauf. Da wurde dieser Abschnitt mit Fackeln beleuchtet. Bald ist die mühsame
Steigerei bewältigt. Vor mir ruft eine Läuferin dreimal laut „Hallelujah!“ |
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Etwa bei km 29 laufen wir unter der 107 m hohen Müngstner Brücke, der höchsten
Eisenbahnbrücke Deutschlands, hindurch.
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Erste winzig kleine blaue Flecken am Himmel wecken die Hoffnung, dass der
ersehnte Wetterumschwung bald kommt. Immer häufiger beleuchtet nun die Sonne das
bunte Laub. |
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Bei einem Freibad erreichen wir das Marathonziel. Auch hier laufen Marathonis
und Ultras gemeinsam zur Matte.
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Kurz darauf folgt ein kurzer, etwas steiler Aufstieg zur Eschbach-Talsperre. Die
Leuchtkraft der Herbstfarben wächst nun von Kilometer zu Kilometer. |
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Mehrmals kommen wir heute an Markierungen vorbei, die anzeigen, dass hier ein
auch Pilgerweg verläuft. Dies gefällt mir ganz besonders, da ich solche
historischen Routen mag und vor zwei Jahren selbst einen Reiseführer über den
Pilgerweg von Canterbury nach Rom veröffentlichte. |
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Gegen 14.30 Uhr lösen sich die Wolken innerhalb von wenigen Minuten auf. Die
langen Waldwege weichen ausgerechnet jetzt größeren Abschnitten durch eine
Wiesenlandschaft – ideal zum Sonne tanken. |
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Jetzt tun mir die Marathonis leid, denn sie verpassen den schönsten Teil des
Tages. Auch den schnellsten Ultras entgehen diese goldenen Impressionen, denn
manche von ihnen sind längst am Ziel angekommen. Langsame Genussläufer wie ich
können dagegen nun zwei Stunden lang unter lückenlos blauem Himmel die Natur mit
allen Sinnen genießen. |
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An einer Verpflegungsstelle treffe ich Bernd Kalinowski, den Veranstalter des
miau (München-Innsbruck-Alpen-Ultralauf). Da auch ich mich für die 2011 Ausgabe
dieses 160 km Rennens angemeldet habe, laufe ich nun zwei oder drei Kilometer
weit mit ihm zusammen. |
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Immer wieder bleibe ich zum Fotografieren stehen. Ach wie schön, dass ich ohne
jeden Zeitdruck laufen kann. So gefällt es mir am besten. Bei dem herrlichen
Wetter fühle ich mich jetzt trotz der vielen bereits zurückgelegten Kilometer
sogar wohler als auf der ersten Streckenhälfte. Müde? Nein, jetzt doch nicht!
Jetzt ist es hundert Prozent Freude am Laufen. Das ist kein Leistungssport, das
ist Schweben auf einer Glückswolke. Ich laufe zwar nicht schnell, habe aber
dennoch das Gefühl zu fliegen.
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Gegen Ende des Rennens laufe ich viele Kilometer entlang der Wupper-Talsperre.
Nun wird der Rausch der Herbstfarben sogar noch intensiver. Und eines muss an
dieser Stelle mal klar gestellt werden: Ich werde ab und zu von Läufern gefragt,
ob ich dafür bezahlt werde, dass ich so viele Veranstaltungen lobe. Nein! Ich
schreibe grundsätzlich nur das, was ich wirklich schreiben will. Wenn ich jetzt
also sage: „Ultramarathons gibt es viele, aber einen so farbenfrohen vermutlich
nirgends sonst“ dann ist das nicht aus Gefälligkeit dem Veranstalter gegenüber
(ich habe die Startgebühr selbst bezahlt) oder aus sonstigen kommerziellen
Interessen. Und wenn mir ein Lauf nicht gefällt, was auch schon vorkam, dann
spare ich mir die Arbeit und schreibe nichts drüber.
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Zwischendurch ein Auf- und Abstieg, und noch einmal folgt eine Strecke am Ufer
der Talsperre.
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Ganz zum Schluss wird es noch einmal heftig. Es sind zwar nur 61 Höhenmeter
Aufstieg, aber die führen recht steil Berg hinauf. Eigentlich hatte ich
erwartet, dass ich mich hier mühsam hinauf kämpfe, aber stattdessen eile ich
Hang flotter hinauf als ich es meist beim Training machen würde. Nun folgt noch
ein kurzes Stück leicht bergab, dann erreiche ich etwa eine Stunde vor dem
Zeitlimit das Ziel. Ich schnappe mir ein alkoholfreies Bier, hole einen
Wurstweck, dann macht sich die Erschöpfung doch bemerkbar und ich vergesse das
obligatorische Zielfoto. Naja, ein 60 Minuten später aufgenommenes Haxen-Foto in
der Halle muss reichen! |
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Ich bin zwar müde, aber auch glücklich. In diesem Jahr lief ich bei Wettkämpfen
erstmals insgesamt mehr als 13.000 Höhenmeter. Ich weiß, dass man beim
Transalpin-Run, meinem großen Wunsch für die Zukunft, so viel innerhalb von acht
Tagen läuft, dass bei manche Ultramarathons über 10.000 Höhenmeter umfassen und
dass die 179 Finisher der Tour des Geants vor ein paar Wochen sogar 24.000
Höhenmeter innerhalb von 150 Stunden bewältigten. Aber auch so ist es für mich
schon viel mehr als ich mir noch vor einem Jahr zugetraut hätte.
Jetzt lege ich erst mal ein paar Wochen Regenerationspause ein und melde mich
erst im Dezember zum Eisweinlauf zurück, und das ist ja kein Wettkampf sondern
eher eine nette, 65 km lange Jahresabschlussfeier für viele Ultraläufer.
Diagnose
227 Männer und 30 Frauen erreichen in diesem Jahr nach 63 km das Ziel, außerdem
119 Männer und 16 Frauen beim 100 km Lauf. Dazu kommen noch jeweils ein paar
Hundert Marathon- und Halbmarathonläufer sowie die vielen Teilnehmer der kurzen
Disziplinen. Der sehr gut organisierte Röntgenlauf gehört in jede Sammlung, egal
ob Marathon oder Ultramarathon.
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Links
Website des Veranstalters - www.roentgenlauf.de
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