31.10.2010 – Röntgenlauf in Remscheid-Lennep
- Läufer im Herbstfarbenrausch -
Ein Bildbericht von Günter Kromer |
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Voruntersuchung
„Herr Doktor, einmal Röntgen bitte!“ „Haben Sie sich etwas gebrochen?“ „Nein,
ich will schon wieder laufen!“
Ok, ich gebe zu, dieser Kalauer ist nicht besonders originell, aber ich kann
einfach nicht auf solche Wortspielerei verzichten.
Der Röntgenlauf heißt nicht so, weil die Teilnehmer hier durchleuchtet werden,
sondern weil Wilhelm Conrad Röntgen, der Erfinder der Röntgenstrahlen, in
Remscheid-Lennep geboren wurde. Hier kann man sein Geburtshaus und das Deutsche
Röntgenmuseum besichtigen. Zu seinem 150. Geburtstag wurde ein Rundwanderweg um
die Stadt angelegt, und die 63,3 km lange Laufstrecke des Ultramarathon
entspricht zu 90 % diesem Wanderweg. |
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Die Startgebühren sind mit 27 Euro bei frühzeitiger Anmeldung sehr günstig. Eine
der auffälligsten Besonderheiten der Veranstaltung ist die Flexibilität. Egal ob
man sich für Halbmarathon, Marathon oder 63,3 Kilometer angemeldet hat, kann man
sich noch während des Rennens für eine andere Distanz entscheiden. Alle drei
Gruppen starten gleichzeitig, und wenn sich z.B. ein Ultraläufer nach 42 km
nicht mehr fit fühlt kann er ins Marathonziel laufen. Umgekehrt geht es
natürlich ebenfalls. Zeitlimit für die 63 km ist 9 Stunden, wobei bei 42,2 km
nach 5,5 Stunden Cut Off ist. Für die „Wechsler“ gibt es eine eigene Wertung,
aber keine Rangliste. So sehe ich am Ziel auch jemanden, der heute eigentlich
seinen ersten Marathon laufen wollte, stattdessen überraschenderweise sogar
seinen ersten Ultra schaffte. Zum 10. Jubiläum gibt es dieses Mal außerdem einen
100 km Lauf, dessen Teilnehmer bereits in der Nacht starten, einen Teil des
Röntgenwegs doppelt zurücklegen und ab dem Sportzentrum allmählich zu den
anderen Gruppen stoßen. Außerdem werden Ultramarathon-Staffel, Walking, Kinder-
und Crossläufe angeboten. |
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Im Wartezimmer
Von wegen „Am Tag vor dem Rennen ist Erholung angesagt“! Diesen vernünftigen
Ratschlag ignoriere ich allzu oft. Viel zu gerne kombiniere ich einen
Lauf-Ausflug mit kulturellem Programm. So mache ich auch dieses Mal bei der
Anfahrt einen kleinen Umweg und spaziere in Essen zwei Stunden lang durch das
Museum Folkwang und die sehenswerte Sonderausstellung „Impressionisten in
Paris“, anschließend folgt ein Besuch im
Von-der-Heydt-Museum
Wuppertal. Am
Nachmittag spaziere ich kurz durch die fotogene Altstadt von Lennep. |
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Danach gehe ich zum Hotel und wandere am Abend zum Sportzentrum Hackenberg, wo
die Pasta-Party stattfindet. Auf der Marathon-Messe gebe ich mal wieder viel
mehr Geld aus, als ich es eigentlich geplant hatte. Für ein paar Euro kaufe ich
auch die neuen Fixpoints zum Befestigen der Startnummern. Da ich den Dingern
nicht so recht traue nehme ich beim Lauf vorsichtshalber trotzdem
Sicherheitsnadeln mit, aber die Magnete bewähren sich. Endlich muss ich keine
Löcher mehr in meine Regenjacke stechen!
Im Gegensatz zur riesigen Warteschlange bei der Marathon- und
Halbmarathon-Startnummernausgabe bekommen die Ultras ihre Unterlagen sehr
schnell. Dafür stehe ich mir dann unten bei der Pasta die Beine in den Bauch.
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Als ich mein Essen endlich bekomme sehe ich Anton Lautner, zu dem ich mich dann
setze. Einer der schönsten Aspekte beim Laufsport ist es, dass man vor, während
und nach den Rennen immer wieder bekannte Gesichter sieht und mit vielen netten
Leuten plaudern kann.
Obwohl es einen Shuttle-Bus vom Sportzentrum runter zum großen Parkplatz gibt
denke ich, dass ich zu Fuß schneller im Hotel bin. Doch eine vermeintliche
Abkürzung erweist sich als Sackgasse, seitliche Abzweigungen führen ebenfalls
ins Nichts, so dass ich nach 20 Minuten zusätzlichem Rumgelatsche wieder am
Ausgangspunkt ankommen. Jetzt reicht es für heute wirklich mit der Marschiererei!
Herbstlaub-Therapie
Am nächsten Morgen sehe ich beim Frühstück, dass es draußen stark regnet. Mir
tun die 100 km Läufer leid, die jetzt schon seit einigen Stunden auf der Piste
sind. Aufgrund des miesen Wetters packe ich statt wie geplant einer leichten
Regenjacke lieber meine Goretex-Windstopper-Jacke ein. Mit dem Shuttle-Bus fahre
ich zum Sportzentrum, wo ich mit Anton bis kurz vor dem Start in der warmen,
trockenen Halle sitze.
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Dann geht es hinaus ins kühle Nass. Viele Läufer schützen sich mit Plastikplanen
oder Müllsäcken. |
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Als der Startschuss fällt ist wohl jeder froh, dass es endlich voran geht. Da
viele Disziplinen gleichzeitig starten ist das Feld sehr groß, doch Dank
digitaler Zeitmessung spielt es ja keine Rolle, wenn man drei Minuten später als
die Spitze über die Matte läuft.
Die vielen Nordic-Walker, die sich rücksichtlos weit vorne im Startfeld
eingereiht haben und auf den ersten Kilometern die schnelleren Läufer mit ihren
Stöcken am Überholen hindern, gehen mir ordentlich auf die Nerven. Vor allem der
Idiot, der mir eine Stockspitze fast in die Nase bohrt, als er unterwegs auf die
Uhr schaut, weckt in mir wieder Aggressionen gegen Asphaltkratzer.
Zuerst laufen wir hinab nach Lennep, wo wir eine hübsche Runde durch die
Altstadt mit ihren vielen schieferverkleideten Häusern und den fotogenen grünen
Türen und Fensterläden drehen.
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Dann geht es wieder zurück zum Sportzentrum. Unterwegs hämmert uns ein Mann mit
einer großen Pauke den passenden Rhythmus ein. |
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Ihn sehen wir einige Stunden später noch einmal im Wald.
Etwa bei km 4 verlassen wir den Ort und laufen hinaus in die freie Landschaft.
Trotz dem starken Regen begeistert mich der weite Blick auf die farbenfrohe
Herbstlandschaft. |
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Unten am Waldrand nutzen sehr viele Teilnehmer die erste Gelegenheit um Ballast
loszuwerden. Ich habe noch nie so viele Männer gleichzeitig nebeneinander
pinkeln sehen.
Obwohl der Wald herrlich bunt gefärbt ist, lasse ich während der nächsten Stunde
die Kamera in der Tasche, um sie vor Regen zu schützen. Ich gehe zu Recht davon
aus, dass ich heute Mittag noch genug Gelegenheit haben werde, die Farbenpracht
bei besserem Wetter zu fotografieren, ohne dass meine Kamera nass wird. Wer
unbedingt die komplette Strecke lückenlos sehen will, kann dies auf
www.roentgenlauf.de
nachholen, denn dort stehen seit Kurzem 1300 Fotos. Man muss wahrscheinlich
gewaltig einen an der Waffel haben, um sich durch dieses XXL-Archiv
durchzuklicken, aber ich habe es natürlich vorgestern gemacht. Allerdings habe
ich nicht bis zum Schluss durchgehalten. „Do not finish“ beim Bildergucken ist
ja nicht so schlimm wie beim Laufen.
Der Laubwald ist heute wirklich genial bunt. Dank der guten Jacke stört mich der
starke Regen überhaupt nicht. Ich genieße den Herbstlauf. Außerdem gehört Regen
zum typischen Herbstwetter dazu.
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Auf asphaltierten Wegen fließen uns kleine Bäche entgegen, Feld- und Waldwege
mutieren zeitweise zu Slalomstrecken um Pfützen herum. Ein paar kurze, nicht
besonders schwere Abschnitte auf schmalen Pfaden lassen den Schlamm herrlich
hoch spritzen. Ich liebe es! Vor und hinter mir höre ich aber anhand der
Kommentare manch anderer Teilnehmer, dass die Schlammschlacht nicht jedem
gefällt. Ein besonders spaßiger Schlammtrail mündet in eine Asphaltstraße. Wer
hier zu weit rechts um die Ecke biegt platscht durch eine sehr tiefe Pfütze.
Livemusik und Zuschauermassen sind bei Landschaftsläufen meist selten. Umso mehr
freut man sich, wenn zwischendurch doch mal was los ist. |
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An den Verpflegungsstellen gibt es immer Wasser, warmen Tee und Iso, meist auch
Cola. Zu essen gibt es oft nur Bananen und Knabberriegel mit Nüssen, zum Glück
fast immer auch Salz. Nur gegen Ende sind einige Verpflegungsstellen auch etwas
üppiger ausgestattet. Zweimal wird sogar Bier angeboten.
Aufpassen! Hier dürfen wir nicht schneller als 30 km/h laufen! |
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Die 850 Höhenmeter auf der 63,3 km Strecke verteilen sich auf einen häufigen
Wechsel zwischen kurzen Auf- und Abstiegen. Nur sehr wenige Abschnitte sind so
steil, dass viele Läufer hier gehen statt laufen. Die Route ist so gut markiert,
dass sich wirklich niemand verlaufen kann. Vor den wenigen etwas schwierigeren
Passagen stehen sogar Warnschilder, die vermutlich eher für die 100 km Läufer
bei Nacht gedacht sind. Aber Sturzgefahr besteht hier eigentlich wirklich
nirgends. Allgemein kann man die Route selbst bei Regen und Schlamm als relativ
einfach bezeichnen. |
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Zwischendurch dringt kurz die Sonne durch die Wolken.
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Aber bald dominiert wieder düsteres Grau. Zwischendurch wird es sogar leicht
neblig.
Unterwegs begegne ich Karl Ernst Rösner. Das 72jährige Mitglied des 100 Marathon
Club nimmt heute zum zehnten Mal am Röntgenlauf-Marathon teil. Trotz seines
Alters läuft er immer noch etwa 25 Marathons und Ultras pro Jahr. So jemanden
bewundere ich viel mehr als die Sieger einzelner Wettbewerbe.
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Mal breite, bequeme Waldwege, mal schmale Schlammpfade - hier wird viel
Abwechslung geboten. |
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„Gänsewein oder Prosecco?“ lese ich auf einem Schild neben der Strecke. Und
tatsächlich wird kurz darauf an einem Stand mitten im Wald Prosecco
ausgeschenkt. Jetzt schon Alkohol? Nichts für mich! |
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Weiter geht es durch das schöne Bergische Land. |
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Unterwegs kommen wir an vielen idyllischen Teichen vorbei, die einst angelegt
wurden, um im Zuge der Erzgewinnung die Wasserversorgung der zahlreichen Hammer
zu gewähren. Immer wieder fließt neben dem Weg ein Bach oder ein kleiner Fluss.
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Der Blick auf die Landkarte zeigt eine recht dicht besiedelte Gegend. Umso
stärker überrascht es mich, wie wenig Zivilisation wir auf dieser
Naturlaufstrecke durchqueren. Nur selten wird der Landschaftsgenuss durch
Erreichen kleiner Ortschaften unterbrochen.
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Eine sehr lobenswerte Idee der Veranstalter ist es, dass auch die Teilnehmer der
längeren Wettbewerbe nach 21,1 km die Stimmung beim Zieleinlauf des
Halbmarathons voll auskosten dürfen. Die Halbmarathonis laufen links durch den
Zielkanal, wir anderen rechts, und erst nach der Zeitmessmatte biegen wir ab.
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Mal laufen wir auf breiten Wegen, dann wieder auf schmalen Pfaden, und auch der
Anblick des Waldes ist recht abwechslungsreich. Nur die Farbenpracht, die bleibt
überall beeindruckend. |
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Immer wieder sehe ich unterwegs fotogene Häuser oder Bauernhöfe.
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