13.3.2011 – Bienwald-Marathon -
Flache und sehr schnelle Strecke durch die Natur - Bildbericht von Günter Kromer
Jedes Jahr wird die Deutsche Laufszene um einige neue Marathons bereichert, und
jedes Jahr verschwinden andere Laufveranstaltungen sang- und klanglos aus dem
Angebot. Wie kommt es, dass ausgerechnet ein Marathon abseits aller Moderouten
bereits sein 36. Jubiläum feiert?
Bienwald - selbst in Süddeutschland ist dieser Begriff nur bei Leuten aus der
Region und natürlich bei Läufern bekannt. Diese Landschaft in der Pfälzer
Rheinebene, direkt nördlich der französischen Grenze, wurde zwar inzwischen als
Naturpark ausgewiesen, aber Touristen verirren sich nur selten hier her. |
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Doch für Läufer ist der Marathon oder Halbmarathon bei
Kandel eine beliebte
Gelegenheit, bereits zu Beginn der Saison ein schnelles Rennen zu laufen.
Insgesamt stehen 2011 wieder etwa 600 Marathonläufer und weitere
Halbmarathonläufer an der Startlinie.
Es gibt verschiedene Gründe, die den Erfolg dieser Veranstaltung ausmachen. Zum
einen ist es natürlich der frühe Termin. So früh im Jahr gibt es nur wenige
andere Marathons. Ein weiterer Punkt ist die Art der Strecke: Auf der 100 %
asphaltierten Route kann man hier ebenso schnell laufen wie bei einem
Stadtmarathon, bleibt aber fast komplett draußen in der Natur. Wer unterwegs
merkt, dass er doch noch nicht fit für einen kompletten Marathon ist, der kann
auf Halbmarathon umsteigen. Der wesentlichste Vorteil des Bienwald-Marathons ist
es aber, dass sich dieser Kurs eigentlich für persönliche Bestzeiten eignet,
vorausgesetzt man ist Mitte März schon so gut trainiert wie für die
Herbstmarathons. Wenn man die Brücken und Unterführungen bei vielen
Stadtmarathons berücksichtigt hat die komplett flache Strecke im Bienwald einen
Vorteil. Abgesehen von zwei Wendepunkten und wenigen 90 Grad Abzweigungen läuft
man immer geradeaus und verliert dadurch im Vergleich zu einem
durchschnittlichen Stadtmarathon weniger Zeit beim zwischendurch Abbremsen.
Dass die Sieger im Bienwald dennoch etwas länger brauchen als die Gewinner der
ganz großen Stadtmarathons, liegt nicht an der Strecke sondern eher daran, dass
die internationalen Spitzenläufer nun mal lieber in Berlin einen dicken Sack
voll Startgeld kassieren und bei guter Leistung auch noch eine Siegprämie
einstecken, für die ein normaler Bienwald-Streckenrekordler jahrelang in einem
normalen Job arbeiten müsste. |
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Als 1976 der erste Bienwald-Marathon startete, steckte ich noch mitten in der
Pubertät und hielt Laufen so wie jede andere Art von Sport für eine
Beschäftigung von Strebern und Spinnern. Nie hätte ich damals erwartet, dass 35
Jahre später ich einen Marathon „nur“ als Training für geplante Ultramarathons
laufen würde.
Wer meine anderen Reportagen kennt weiß, dass ich inzwischen am liebsten
steinige, schlammige und steile Trails laufe. Wieso starte ich heute auf einer
absolut flachen Asphaltstrecke? Zum einen liegt es daran, dass ich diesen Tag
zum Training für einen asphaltreichen Ultra nutzen will, zum anderen daran, dass
ich nach vielen anspruchsvollen Trails zwischendurch auch mal wieder eine
Strecke laufen will, bei der ich nicht ununterbrochen nach versteckten
Wegmarkierungen suchen muss und bei der ich 42 km weit keinen einzigen Blick auf
den Boden unter meinen Füßen werfen muss, da Wurzeln, Steine, ja selbst
Bordsteinkanten komplett fehlen.
Das Startgelände liegt nur 500 m vom Bahnhof Kandel entfernt, ich kann also das
Auto daheim lassen. Die Ausgabe von Startnummern, Teilnehmer-Funktions-Shirt und
einer Flasche Wein zum 125jährigen Jubiläum des ausrichtenden Verein TSV 1886
Kandel verläuft wie gewohnt routiniert.
Im Gegensatz zu gestern Mittag, als ich bei 18 C und wolkenlosem Himmel bei der
Anti-Atomkraft-Menschenkette am Neckar stand, zeigt sich die Sonne heute keine
Minute lang. Aber wenigstens regnet es zwischendurch nur kurz, und die
Temperatur lässt je nach persönlicher Veranlagung sowohl kurze als auch wärmere
Bekleidung zu. |
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Am Start werden wir von Ministerpräsident
Kurt Beck begrüßt, der nicht weit von
hier wohnt. Pünktlich um zehn Uhr fällt der Startschuss, und fast 1900 Menschen
setzen sich in Bewegung. Dank Champion-Chip Zeitmessung ist es egal, ob die
letzten zwei Minuten später über die Startlinie kommen. Im Gegensatz zu manch
anderem großen Lauf gibt es hier auf der kompletten Strecke kein Gedränge. Die
Straßen sind immer breit genug. Jeder Kilometer ist markiert, und alle 5
Kilometer gibt es Wasser, Iso, Tee, Bananen und Orangen, gegen Ende auch Cola.
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Bald nach dem Start laufen wir durch Kandel. Nur sehr wenige Zuschauer stehen an
der Straße. |
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Obwohl ich normalerweise bedingt durch die vielen Fotostopps bei Wettkämpfen
alleine laufe entschließe ich mich schon nach wenigen Kilometern, gemeinsam mit
Andreas Mössinger zu laufen, den ich vom Training und Läuferstammtisch bereits
kenne. Er will heute in derselben Geschwindigkeit laufen, die auch ich plane, da
passt das sehr gut. |
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Nein, das ist nicht schon der Besenwagen! |
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Mehrmals begegne ich heute dem Ultramarathonläufer
Norman Bücher (rechts im
Bild), der vor wenigen Wochen ein eigenes Laufbuch veröffentlicht hat. |
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Auch in Minfeld ist die Zahl der Zuschauer sehr überschaubar. |
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Zum Glück ist es heute fast windstill. Auf den weiten, offenen Feldern bläst in
machen Jahren der Gegenwind recht heftig durch das Läuferfeld. |
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Bald nach Verlassen von Minfeld betreten wir das Naturschutzgebiet. |
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Typisch für die Route dieses Marathons sind die vielen Entwässerungsgräben, die
das ehemals recht feuchte Gebiet durchziehen. Häufig verlaufen direkt neben
unserer Route kleine Kanäle, und oft überqueren wir welche auf Brücken. |
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Vor einem Lämmerhof sitzt eine Frau alleine auf einer Bank und feuert uns Läufer
an. Alleine? Nein – als ich vorbei laufe sehe ich, dass vor ihr ein kleines
Lämmchen steht und neugierig die vielen Menschen beobachtet, die an ihm vorbei
rennen. „Na, das ist doch ein außergewöhnliches Fotomotiv“ denke ich, kehre um
und laufe wieder zehn Meter zur Bank zurück. Das Lämmchen erschrickt, als jemand
direkt auf es zu rennt und versteckt sich hinter der Bank. Die Frau sieht, dass
ich es fotografieren will, hebt es auf und nimmt es in die Arme. Danke! |
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Abgesehen vom Start/Ziel-Bereich ist das Naturfreundehaus Bienwaldmühle der
einzige Ort, wo viele Zuschauer am Streckenrand für Stimmung sorgen. Vom Start
bis hier ist es für die Angehörigen der Läufer nur ein kurzer Spaziergang.
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Noch einmal geht es kurz hinaus in eine offene Landschaft.
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Dann umgibt uns zwei Stunden lang meist der Wald. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen laufen wir immer geradeaus. Da wir ausschließlich auf gut
asphaltierten Straßen laufen müssen wir nicht auf Wurzeln, Steine oder tiefe
Schlaglöcher achten. Keine Störung durch hohe Bordsteine, Straßenbahnschienen
oder durch am Streckenrand geparkte Autos, einfach nur laufen, laufen, laufen.
Die Beschränkung auf die wesentliche Funktion unseres Sportes steht ungeteilt im
Vordergrund. Etwa von km 9 bis km 17 geht es nur geradeaus.
Bald kommen uns schon die schnellsten Halbmarathonis entgegen, die bis kurz vor
km 14 gemeinsam mit uns laufen und dann bei einem Wendepunkt umkehren. Wer so
wie ich fast am Ende des Feldes läuft begegnet nun nach und nach fast allen
Halbmarathonläufern.
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