Dieter wartet schon auf uns. Ich sag ihm, dass mir Andrea heute zu langsam
ist und laufe weiter. Jetzt kommt der gebirgige Abschnitt der Strecke. Es gibt
wunderschöne „Aussichten“, aber ich konzentriere mich doch besser auf den Weg…
Seit einer halben Stunde prüfe ich schon die Uhrzeit und rechne mir aus, dass
das mit den 6 Stunden nur klappen wird, wenn ich im Schnitt 10 Minuten pro
Kilometer brauche. Das wird jetzt immer schwerer einzuhalten. Es geht zwar auch
ab und zu eben dahin, aber der Weg ist so schmal und uneben, dass an schnelles
Laufen nicht zu denken ist. Außerdem werde ich nun doch etwas müde und die
Höhenluft macht mich auch nicht schneller. Der eine oder andere Stolperer ist
auch schon dabei, aber ich kann mich immer wieder fangen. Ich weiß, dass der Weg
ab Kilometer 39 supersteil wird und versuche, zumindest bis dorthin einen
kleinen Vorsprung heraus zu laufen. Nach 5:22 Stunden bin ich dort, noch 38
Minuten Zeit für die letzten 3 Kilometer. Ich schütte noch mal Cola und Wasser
in mich hinein. Ein Schild fordert mich auf, auch mal zurück zu schauen und der
Blick ist wirklich überwältigend. Mann, sind wir schon hoch!
Aber jetzt kommt das steilste Stück. Ein richtiger alpiner Weg mit großen
Felsen, Geröll und Mooswiesen. An Laufen ist natürlich nicht mehr zu denken, das
Gehen bereitet schon genug Mühe. Aber ich stelle fest, dass ich beim Gehen auch
ganz schön flott sein kann und überhole noch mehrere Teilnehmer vor mir, immer
das Gipfelkreuz im Blick. Auch eine Wanderin mit Stöcken hat keine Chance gegen
mich. Mein Atem geht schwer und ich gebe wirklich alles.
Am Kreuz gibt es noch mal Verpflegung. Die Südtiroler Bergwacht hat
tatsächlich Wasser und Cola hier rauf geschleppt. Alle Achtung!
Aber was ist jetzt? Ich dachte, ab hier geht es relativ flach bis ins Ziel
und hab mich deshalb auch ziemlich ausgepowert beim Hochgehen. Aber von wegen
Gipfelkreuz. Nach einer ganz kurzen Flachpassage geht es noch mal genauso steil
hoch. Puhhh, das wird nun doch nichts mehr mit den 6 Stunden, denn bei dieser
Steigung brauche ich 14 Minuten pro Kilometer. Bei Kilometer 41,5 bin ich
endlich ganz oben angekommen. Jetzt geht es tatsächlich nur noch flach bis ins
Ziel. Noch 3 Minuten. Ich zwinge mich, noch mal flott zu laufen und schaffe es
tatsächlich, beim Kilometerschild 42 nach genau 6:00 Stunden anzukommen. Aber
der Marathon hat halt noch 195 Meter mehr und so komme ich erst nach 6:01:12 ins
Ziel. Trotzdem bin ich super glücklich und jetzt auch wirklich total k.o. Laut
meinem Höhenmesser waren es 2505 Höhenmeter bis hierher! Ich bekomme meine
Medaille und mein Finisher-Shirt und hole mir erst mal 2 Becher Cola. Auf einer
Bank sitzend komme ich langsam wieder zu Atem. Trotz schönen Wetters ist es ganz
schön kalt hier oben, aber es werden auch Rettungsdecken verteilt. 8 Minuten
nach mir kommt dann auch Andrea. Ihre Zeit: 6:09:23 – Respekt!
Obwohl sie sich heute nicht so gut gefühlt hat, war sie fast genauso schnell
wie ich. Auch sie ist fix und fertig und bekommt nicht mal mehr mit, dass ihr
der Transponder-Chip von der Startnummer entfernt wird. Es dauert noch ein paar
Minuten, bis sie Dieter trifft. Erschöpft fällt sie ihm um den Hals und kann
auch die Tränen nicht mehr zurück halten. Ihr erster Bergmarathon. Super! Ihre
Schwester und ihr Patenkind sind auch da. An der Bergstation der Kabinenbahn bei
Kilometer 33,7 sind sie 3 Minuten zu spät angekommen und konnten so Andrea nicht
mehr treffen, aber jetzt sind ja alle beisammen.
Auf der Plose-Berghütte kann man sogar duschen, was ich auch gleich nutze.
Danach gibt es Pasta für alle Teilnehmer (und ein herrliches Hefeweizen für
mich) und ein Kleinbus fährt uns vom Berg wieder runter zur Kabinenbahn, mit der
wir weiter runter kommen. Alles im Preis dabei, ebenso wie die Pasta am Vortag –
wirklich ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis!
Fazit
Das war wirklich ein gelungener Lauf und ich bin eigentlich ganz froh, dass
mich Andrea dazu überredet hat, denn eigentlich wollte ich ja am 09.07.2011 den
Zermatt-Marathon laufen. Aber da heiraten Andrea und Dieter und außerdem hat
Zermatt nur 1950 Höhenmeter – lächerlich!
Dann noch die Platzierungen, obwohl die hier fast egal sind: Ich bin 169. Mann
geworden und 29. meiner Altersklasse (es gibt also 28 alte Knochen, die noch
schneller waren als ich – Wahnsinn). Andrea ist 30. Frau und 6. ihrer
Altersklasse. Der Vorjahressieger, der Brixener Hermann Achmüller, hat seine
Vorjahreszeit um 2 Minuten verbessert und ist in 3:35:40 als Erster ins Ziel
gestürmt. Die beste Frau war die Südtirolerin Edeltraud Thaler mit 4:09:59. Der
beste Mann in meiner Altersklasse war in 3:44:54, die beste Frau in Andreas
Altersklasse in 5:18:17 im Ziel. Der letzte Teilnehmer war in 8:00:54 am Ziel.
Nach 8 Stunden ist Zielschluss.
Ein super Lauf, engagierte Helfer, tolle Organisation, 20 Versorgungsstellen auf
der Strecke, Pasta vor und nach dem Lauf, ein phantastisches Gebirgspanorama. Um
es mit Klaus Duwe von marathon4you zu formulieren: wer hier nicht mitläuft, ist
selbst schuld. |