Erst mal kommen wir zum ersten Highlight der Strecke: wir laufen durch die
Gondoschlucht und kommen an eine Wehranlage aus dem ersten Weltkrieg. Es geht
über diverse Stahlrampen und Treppen und schließlich durch einen 300 Meter
langen Stollen, hinter dem die erste Verpflegungsstation aufgebaut ist.
Bis hierher waren es 5 km und 360 Hm. Nach einer kurzen Rast geht es weiter
durch die wild romantische Gondoschlucht über, unter und neben der Passstraße.
Über eine Wiese kommen wir dann auf die Straße, die nach Simplon-Dorf führt, wo
die nächste Versorgungsstelle auf uns wartet.
Angela habe ich schon hinter mir gelassen, da ich doch deutlich schneller bin
als sie. An der Versorgungsstelle warte ich noch eine Weile, aber nachdem sie
nicht auftaucht, laufe ich alleine weiter. Es geht wunderschön weiter über
Wiesen und Feldwege, immer weiter bergauf. Bei jedem kleinen Bauernhof stehen
Menschen, die uns anfeuern. Wir laufen am Alten Spittel und Hospiz vorbei und
kommen kurz vor der Passhöhe des Simplonpasses an die nächste Versorgungsstelle,
die gleichzeitig die Abzweigung zur Zusatzschleife über den Bistinenpass bildet.
Ca. 17 km und 1160 Hm liegen schon hinter uns. Hier ist ein Zeitlimit von 4
Stunden einzuhalten, was ich mit 2:32 locker schaffe. Es ist sehr neblig und
kühl geworden, weiter unten im Tal regnet es bereits. Doch bei uns ist es noch
trocken, wenn man von der Feuchtigkeit absieht, die der Nebel mit sich bringt.
Mir geht’s noch sehr gut. Ich nehme meine übliche Verpflegung zu mir: Orangen,
Cola, Wasser, ein Gel. Und weiter geht’s auf den Bistinenpass hoch. Ich laufe
teilweise ganz alleine und denke mir: der Nebel, der Berg und ich. Einfach
klasse! Klasse und teilweise abenteuerlich ist auch die Streckenführung. |
|
|
|
|
|
|
|
|
Als der Streckenverlauf mit einer Sperrung des weiteren Wanderweges auf einem
nicht zu erkennenden Weg neben einem kleinen Wasserlauf weiter führt, habe ich
das einzige Mal am heutigen Tag Angst, mich zu verlaufen.
Aber es geht alles gut, ich sehe die aufgestellten Fähnchen immer rechtzeitig
(es gibt ja keine Bäume oder Sträucher mehr, an denen man die Flatterbänder
anbringen könnte). Nach weiteren 1:15 Stunden komme ich auf dem Bistinenpass bei
dickem Nebel an, wo 3 bemitleidenswerte Schweizerinnen eine Versorgungsstelle
aufgebaut haben. Trotz eisiger Kälte sind sie sehr gut aufgelegt und sprechen
mir Mut zu. Ich verweile nur kurz, denn es ist wirklich saukalt. Beim
Abwärtslaufen kommt noch ein eisiger Wind dazu, sodass ich mich doch dazu
entschließe, die Jacke anzuziehen. Das war aber doch ein Fehler, denn schon
kurze Zeit später reißt der Nebel auf, die Sonne kommt zum Vorschein und es wird
schlagartig sehr warm. Also Jacke wieder aus und im Rucksack verstaut. Dabei
reißt meine Startnummer am Nummernband aus, sodass ich das auch erst mal noch
reparieren muss. Mittlerweile überholen mich einige Läufer, die ich bergauf
hinter mir gelassen habe. Aber egal, ich kann bergab einfach nicht so schnell
laufen, denn ich muss auf meinen Rücken Acht geben.
Es geht steil bergab. Auf den nächsten 16 km werden wir an die 1500 Hm
verlieren. Der Weg ist phantastisch, schmiegt sich an einer steilen Schlucht und
bietet immer wieder mal tolle Ausblicke. Auch Brig ist jetzt ab und an mal zu
sehen. Wie befürchtet müssen immer wieder giftige Gegenanstiege bewältigt
werden. Wir müssen ja noch die 2000 Hm zusammen bringen und meine Uhr zeigt erst
1700 Hm an. Es wird also doch nicht „nur noch bergab“ gehen.
Schließlich erreichen wir nach einigen extrem steilen Waldpassagen den absoluten
Höhepunkt des heutigen Tages: die Querung der Saltina. Die Saltina ist ein
kleiner Fluss, der bei der ersten Austragung des Gondo Events im Jahr 2001 so
stark angeschwollen war, dass er die Brücke weggerissen hatte. Die Läufer
mussten damals also durch den Fluss waten. Und das hat Brigitte als „Zuckerl“
beibehalten. Wir lassen also die neue Brücke links liegen, laufen runter zum
Fluss, wo die Feuerwehr zwei Seile zur sicheren Durchquerung gespannt hat.
Das Wasser geht bis zu den Knien und ist eine sehr willkommene Abkühlung, denn
mittlerweile ist es sehr sonnig und warm geworden. Auf der anderen Seite vom
Simplonpass regnet es heute den ganzen Nachmittag. Der Feuerwehrmann am anderen
Ufer sagt zu mir: tipp topp, ich befestige wieder meinen Laufsensor am Schuh,
bei dem mittlerweile der Schnürsenkel gerissen ist und ich schon seit 5 km mit
einem recht schwammigen Gefühl laufen muss. Die Flussquerung war zwar
erfrischend, aber dafür sind die Schuhe jetzt doppelt so schwer. Nach der
letzten Versorgungsstelle – wir sind bei Kilometer 40 – geht es ein paar hundert
Meter schön schattig und eben dahin, als die Markierung plötzlich nach rechts
zeigt. Das darf doch nicht wahr sein! Es geht fast senkrecht auf einer
rutschigen Moräne nach oben (das ist der „kleine Zacken“ im Höhenprofil). Tja,
die letzten 120 Höhenmeter wollen noch erarbeitet werden. Viele Läufer (unter
anderen Wolfgang, den ich hier wieder treffe) stehen auf halber Strecke
konsterniert da und können es nicht glauben. Ich auch nicht, aber ich gehe
weiter, komme schließlich auf die Straße und jogge trotz leichter Steigung die
letzten 1500 Meter ins Ziel, das ich nach 6:25:50 erreiche. Das war ein hartes
Stück Arbeit.
Kerstin wartet schon auf mich. Auch sie ist erstaunt, wie schön das Wetter hier
ist. Sie ist mit Lidia und Manfred auf der anderen Seite durch die Gondoschlucht
gewandert und es hat die ganze Zeit geregnet. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Ich hole mir erst mal meinen Rucksack und Schlafsack und suche mir ein schönes
Plätzchen im Luftschutzbunker. Die Ausstattung ist erstklassig: großer
Waschraum, warme Duschen und mehrere Räume mit Etagenbetten. Sogar Kissen gibt
es! Viele Läufer haben sich die Matratze geholt und werden in den Gängen und
Räumen der Schule über dem Bunker schlafen. Dadurch sind die Etagenbetten nur
etwa zur Hälfte belegt.
Nach einer warmen Dusche und trockenen Klamotten fühl ich mich schon mal
ziemlich gut. Ich lungere im Zielbereich in der Sonne rum und wir begrüßen die
Läufer, die nach und nach eintrudeln. Schließlich kommt auch Angela zusammen mit
ihrem Begleiter Peter nach 7:58:26 ins Ziel. Das war knapp: Zielschluss ist
heute eigentlich nach 8 Stunden – aber so genau wird das nicht genommen.
Nach einem Gläschen Rotwein und einem kleinen Imbiss geht’s auch Angela wieder
gut. Sie verschwindet erst mal in ihr Hotel (ist 200 Meter entfernt) zum Duschen
und wir treffen uns dann alle später zum Abendessen (oder Nachtessen, wie die
Schweizer sagen) in der Turnhalle der Schule wieder.
Ich fühl mich ganz gut, krabbel aber trotzdem bereits um 20:00 Uhr in meinen
Schlafsack, denn morgen ist ja bereits um 7:00 Uhr der Start zum zweiten Lauf.
Kurz vor neun Uhr wird dann auch schon das Licht ausgemacht, die letzten
Gespräche verstummen und ich verbringe eine sehr ruhige Nacht. Falls jemand
geschnarcht hat, habe ich es jedenfalls nicht gehört. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Inhaltsverzeichnis
Suchen
Weitere
Freizetthemen |
|
WEB 2.0 Buttons |
|
|