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Vorspiel:
November 2010 - Der Winter hat seine erste satte Ladung Schnee über dem
Schwarzwald abgeladen. Ich laufe gerade auf einem noch jungfräulich weißen
Waldweg durch tiefen Pulverschnee, als mein Handy klingelt. Da ich um diese Zeit
normalerweise arbeite muss ich auch beim Laufen erreichbar sein, also krame ich
es aus der Jackentasche. Zu meiner großen Überraschung ruft aber weder ein Kunde
noch ein Kollege an sondern Katharina Tomaszek, die Leiterin des
Röntgenlauf-Büros. Sie ist diejenige, die beim Röntgenlauf unter anderem für die
Anmeldungen und die Mails zwischen Teilnehmern und Veranstalter zuständig ist
(siehe vorletztes Foto dieser Reportage).
Mich ruft sie nun wenige Wochen nach dem Röntgenlauf 2010 an, weil ihr die Fotos
aus meiner
laufspass.com Reportage so gut gefallen haben, dass sie diese auch
gerne in einem Buch über den Röntgenlauf verwenden würde. „Kein Problem“,
antworte ich voreilig. „Ich werde sie noch heute auf CD brennen und nach
Remscheid schicken.
Theorie gut, Praxis idiotisch! Daheim stelle ich fest, dass ich die Fotos kurz
zuvor statt wie gewohnt nach Bearbeitung auf einen externen Speicher zu kopieren
wohl versehentlich von beiden Platten gelöscht hatte. Nur noch die extrem
komprimierte Online-Form existierte noch. Diese Bilder wurden in den folgenden
Monaten als „Diashow“ auf der Startseite der Röntgenlauf-Homepage gezeigt. Das
Buch wurde auch ohne meinen Beitrag schön.
Nach weiteren Kontakten vereinbarten wir, dass ich 2011 erneut fotografieren
sollte, dieses Mal unterstützt von meiner Freundin. Das Ergebnis seht ihr auf
den folgenden Seiten. |
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Herbstmärchen
Es war einmal ein Mann, der erfand ein Gerät, mit dem man durch Menschen
hindurch sehen kann. Seit diesem Tag lassen sich überall auf der Welt kranke
Leute, oder welche, die sich für krank halten, mit seiner Erfindung
durchleuchten. Zur Erinnerung an sein Wirken wurde in seinem Geburtshaus in
Remscheid-Lennep das Deutsche Röntgenmuseum eröffnet. Außerdem wurde zu seinem
150. Geburtstag, den er leider nicht selbst feiern konnte, ein Rundwanderweg mit
seinem Namen getauft. Da heutzutage immer mehr Leute lieber laufen statt wandern
wurde zum 100. Jubiläum des Tages, an dem Röntgen den ersten Physik-Nobelpreis
bekam, der Röntgenlauf erfunden, dessen 63,3 km langer Rundkurs zu 90 % auf dem
Röntgenweg verläuft.
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Wem 63 km zu weit sind, der kann auch Marathon oder Halbmarathon laufen. Eine
große Besonderheit der Veranstaltung ist es, dass man sich spontan bei km 21,1
oder 42,2 entscheiden kann, eine andere als die zuvor angemeldete Distanz zu
laufen. Egal wie weit man läuft - mehr buntes Herbstlaub kann man bei keiner
anderen Laufveranstaltung sehen.
Meine Freundin und ich treffen bereits am Samstagabend in Lennep beim
Sportzentrum Hackenberg ein, wo die Startnummern vergeben werden und auch die
Pasta-Party stattfindet.
Der Röntgenlauf ist wirklich sehr gut organisiert. Dass nun dennoch eine
Kleinigkeit für Überraschung sorgt liegt nicht an den Veranstaltern und sorgt
bei den Betroffenen nur für Erheiterung statt für Ärger. Um 18 Uhr hätten wir
das Lager in der Turnhalle einer Schule beziehen sollen, in dem man für nur 5
Euro (inklusive Frühstück!!!) übernachten kann. Doch offensichtlich wurde am
Eingang vor den Ferien ein Schloss ausgewechselt. Der Schlüssel für eines der
beiden Schlösser passt, der andere eindeutig nicht. Was tun? In den Herbstferien
ist der Hausmeister nicht hier. Doch bald kommt die frohe Botschaft, dass uns
jemand aus einem Nachbarort den richtigen Schlüssel bringt, und 18:40 dürfen wir
dann rein. Ich bin überrascht, wie viel Platz in der Halle nachts noch frei ist.
Hier hätten problemlos mehr als doppelt so viele Leute schlafen können.
Nach Auspacken des Schlafsacks gehen wir hinüber zur großen Sporthalle, in der
die Pastaparty und eine kleine Marathon-Messe stattfinden. Die preisgünstige
Pasta schmeckt besser als bei vielen anderen Marathons. |
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Draußen vor der Halle stehen auch Partystände mit der typischen, für meinen
Geschmack grauenhaften Ballermann- oder Skigaudi-Musik.
Am nächsten Morgen gibt es ab 6 Uhr Frühstück. Anschließend bringt Annette ihr
Gepäck zu dem LKW, der es zum Marathon-Ziel befördert, während ich meinen
Rucksack oben bei der Startnummernausgabe deponiere.
Pünktlich um 8.30 Uhr starten Halbmarathonis, Marathonis und Ultramarathonis
sowie Nordic-Walker gemeinsam.
Im Gegensatz zum letzten Jahr regnet es nicht, aber der Himmel ist ebenso trübe
wie damals. Schade - das wird wohl nichts mit den erhofften Spitzenfotos!
Nach dem Start laufen wir zuerst ganz kurz durch Wohngebiete wie man sie von
jedem Stadtmarathon kennt. Doch das wird sich bald ändern. Zum allergrößten Teil
führt der Röntgenweg durch die Natur. Die Vorstadt-Passage ist nur die
Überbrückung zur Schleife durch die Altstadt von Lennep. Dort laufen wir dann
eine Runde vorbei an vielen der für diese Region typischen Schieferhäuser mit
den grauen Platten an den Wänden und grünen Fensterläden. Da ich aus
Süddeutschland solche Architektur nicht kenne wirkt es auf mich recht exotisch
und daher sehr reizvoll. |
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Während des Fotografierens treffe ich auf die Reportage-Kollegen Andrea und Kay.
Ich knipse mit Kays Kamera ein Bild von den beiden, dann fotografiert Kay mich
mit meiner Kamera. Aktion "Heldenfoto" abgehakt! |
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Kurz darauf begegne ich Peter Ickert, dem Erfinder und Chef des Röntgenlaufs. Er
sitzt nicht nur in der Organisation, sondern er nimmt auch selbst am Lauf teil
und hat schon viele Dutzend Marathons und Ultramarathons hinter sich. |
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Aus Wohnblocks starren müde Anwohner zu uns herüber. Ein dicker Mann steht auf
einem Balkon und telefoniert. Ich ahne, dass er sich über unseren Anblick
ärgert, weil dieser heimlich ein schlechtes Gewissen wegen seiner eigenen
mangelnden Fitness weckt.
Bald laufen wir noch einmal an unserem Startpunkt beim Hackenberg vorbei, wo
viele Angehörige auf uns warten.
Von einem Garagendach werden wir mit Blasmusik beschallt. Dann sind wir ab km 4
endlich draußen in der freien Natur. |
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Offensichtlich steht in meinem Karma fest verankert, dass ich dieses Jahr fast
nur bei wolkigem Wetter fotografieren darf. Wieder ist es trübe und dunstig, so
dass ich meine Kamera bis gegen Mittag auf ASA 400 einstellen muss.
Jeder weiß, dass Herbstlaub bei Sonnenschein unendlich viel schöner leuchtet als
im Schatten. Doch selbst an trüben Tagen erfrischt ein Lauf durch solch buntes
Herbstlaub die Seele. Ich liebe Jahreszeiten. Im Herbst genieße ich den
Farbenrausch, im Winter ist es ein tolles Erlebnis, zwischen dick verschneiten
Bäumen hindurch und auf weichem Pulverschnee oder knirschendem Harsch vorbei an
Eiszapfen zu laufen, im Frühjahr freue ich mich über die ersten warmen Stunden
und das frische Grün, im Sommer über die langen Tage. |
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Die 860 Höhenmeter auf der 63,3 km Strecke verteilen sich auf einen häufigen
Wechsel zwischen kurzen Auf- und Abstiegen. Auch der Untergrund wechselt oft.
Meist laufen wir auf breiten, bequemen Waldwegen, dazwischen kurze
Asphalt-Passagen, nur selten auf Trails. Insgesamt gibt es 15
Verpflegungsstellen.
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Achtung: Für Läufer gibt es hier Geschwindigkeitsbegrenzung!
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Annette (hier im grünen Shirt zu sehen) fotografiert heute auch.
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Da sie meist ein paar Minuten hinter mir läuft ist es nicht einfach,
anschließend alle Bilder exakt in der richtigen Reihenfolge zu sortieren. Sie
beteiligt sich dieses Mal nicht nur fotografisch sondern auch textlich an der
Reportage. Die entsprechenden Absätze kennzeichne ich mit ihrem Namen.
Annette: Für die Zuschauer gibt es eine nette Option. Sie können bei einer vom
Sauerländischen Gebirgsverein geführten, etwa 12 km langen Wanderung zum
Marathonziel teilnehmen und von dort aus mit dem Shuttle-Bus zurück fahren.
Auf dem Lauf führe ich viele nette Gespräche mit Leuten, oft aus der Gegend. Die
Remscheider Läufer sind meist Mehrfachtäter und haben alle bisherigen
Röntgenläufe mitgemacht.
Am Wegrand trommeln Kinder auf ein großes Blech – eine interessante Alternative
zu normalen Trommeln. |
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Normalerweise garniere ich meine Laufreportagen gerne mit abenteuerlichen
Erlebnissen, aber der Röntgenlauf ist nicht spannend sondern entspannend. Sehr
entspannend sogar. Man merkt unterwegs meist kaum, dass es so viel bergauf und
bergab geht. Man muss auch nur ganz selten auf die Wegbeschaffenheit vor den
Füßen achten, auf die Orientierung schon gar nicht, sondern kann sich
stundenlang sorglos dem Naturgenuss hingeben. Obwohl ich persönlich
anspruchsvolle Trails bevorzuge begeistert mich der Röntgenlauf auch bei meiner
zweiten Teilnahme. Er ist meiner Meinung nach viel zu schön um ihn nur als
Wettkampf und unter Zeitdruck zu laufen. |
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Bei Lüttringhausen stehen am Bahnhof viele Zuschauer und sorgen für Stimmung. |
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Ich treffe Leute, die heute zum ersten Mal Marathon oder Ultra laufen. Bei
anderen sehe ich Shirts vom Transalpine-Run, der TorTour de Ruhr, vom
Mauerweglauf oder anderen harten Herausforderungen. Entsprechend unterschiedlich
lauten die Einschätzungen der Strecke. Anfänger oder Leute, die nur
Stadtmarathons gewohnt sind, empfinden sie als anstrengend, für routinierte
Ultramarathonis ist es dagegen eine ausgesprochen einfache Runde. Natürlich sind
heute auch zahlreiche Vielstarter unterwegs. Die einen sammeln die Anzahl ihrer
bewältigten Marathons, andere sammeln ihre Jahreskilometer, ich sammle
Wettkampf-Höhenmeter, und heute treffe ich eine Frau die Länder sammelt und
schon in über 20 Nationen gestartet ist. |
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Eine kleine Trommelgruppe heizt die Stimmung auf.
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Das Wetter ist windstill und weder zu kalt noch zu warm. Nach der
tagelangen Schönwetterperiode gibt es heute so gut wie keinen Schlamm am Boden. |
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