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Statistische Durchschnittswerte sind in der Theorie oft brauchbar, aber vor
allem wenn es um das Wetter geht real nur Hokuspokus. In den letzten drei Jahren
gab es in Sonthofen immer Sonne und Hitze, sechs Tage später im Naturpark
Karwendel Regen und Kälte. Nun war jeder sicher, dass diese Serie einmal zu Ende
gehen muss. Aber dann plagten sich beim
APU erneut die Läufer durch die Hitze,
und der Wetterbericht kündigte genau für den Karwendellauf schon wieder einen
Wettersturz an. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, und auch wenn es auf den
ersten Kilometern ganz anders aussah, konnte ich dieses Mal fast alle
umliegenden Berggipfel wolkenfrei fotografieren und filmen, zuletzt sogar bei
Sonnenschein. Hier ist mein Bericht:
Samstag kurz vor sechs Uhr fällt leichter Nieselregen auf die große
Menschenmenge, die in Scharnitz (967 m) auf den Start wartet. Für uns Läufer
(mit Champion-Chip Zeitmessung) gibt es einen getrennten Zugangsweg zum
Startbereich, damit wir uns nicht durch die Masse der Wanderer und Walker (ohne
Zeitwertung) drängeln müssen.
Eine Lautsprecherdurchsage verkündet, dass der Regen angeblich nach 30 Minuten
aufhören soll und dann erst wieder nach 15 Uhr weiter geht. Dazwischen sollen
einige sonnige Abschnitte kommen.
Wenige Augenblicke später geht der Nieselregen in einen starken Regenguss über
und motiviert viele Anwesenden dazu, nun doch hektisch die bisher nicht dringend
benötigte Regenjacke aus dem Rucksack zu holen.
Für uns Läufer fällt der Startschuss als erstes. Noch bevor ich die Kamera aus
der Tasche gekramt habe, sind die meisten Läufer schon über die Startlinie
gerannt und links um die Ecke gebogen. Ich filme gerade noch die letzten
Nachzügler, dann eile auch ich los.
Wenige Augenblicke danach hört der starke Regen auf. Hoffnung!
Fast eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang ist es zwar noch dunkel, aber hell
genug, um den Weg deutlich zu erkennen. Wie bei meinen beiden anderen
Karwendelläufen hängen an den Bergen im Karwendeltal tiefe Wolken. Insgesamt
sehe ich anfangs sogar noch weniger von der Landschaft als letztes Jahr.
Aufgrund der Prognose, später schöneres Wetter zu bekommen, laufe bzw.
marschiere ich viel langsamer als normal. Je später ich hinauf zum Karwendelhaus
komme, desto größer ist heute die Chance, dort oben freie Sicht zu haben.
Nach sieben Uhr beginnt ohne Vorwarnung ein weiterer Platschregen. Ein Freund
von mir hat keine Lust auf ein weiteres Déjà-Vu-Erlebnis der Karwendel Rain
Experience und kehrt um 7.30 Uhr um. Ich hole mein billiges Regencape aus dem
Rucksack und ziehe es über. Das sieht zwar wirklich dämlich aus, hilft aber.
Die ersten Fotos vom Karwendeltal fallen Regentropfen auf dem Objektiv zum
Opfer. Nur zwei Filmszenen wurden brauchbar. Aber besonders viel zu sehen gibt
es hier heute ohnehin nicht.
Die erste Verpflegungsstelle steht nun nicht mehr an der Larchtalalm sondern ein
Stück danach. Das Verpflegungskonzept dieser Veranstaltung habe ich schon in den
letzten beiden Jahren sehr gelobt und kann dies auch 2012 voll bestätigen. Den
Schwerpunkt bilden regionale Bioprodukte. Holundersaft und Kräutertee statt
fadem Leitungswasser, Wurst- und Käsebrote statt klebrigem Gel, dazu Obst,
manchmal Bio-Kekse oder Bio-Riegel, Joghurt und leckere Suppen.
Allmählich tauchen immer mehr Berge aus den Wolken auf, doch dann hüllt uns
Nebel ein. Eigentlich müssten wir nun schon das Karwendelhaus über uns sehen,
doch stattdessen reicht der Blick manchmal nur 100 m weit. |
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Mistwetter! Doch ich ahne zu Recht, dass wir später noch bei Sonnenschein laufen
werden.
Plötzlich holt mich Bernie Manhard ein, von dem ich dachte, er sei weit vor mir.
Seit wir letztes Jahr hier einen Teil der Strecke zusammen liefen, trafen wir
uns schon bei einigen Läufen. |
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Als wir hinauf zum Karwendelhaus kommen sehen wir für kurze Zeit die meisten der
Berge um uns herum.
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Bei der Verpflegungsstelle nahe am Jochkreuz (1808 m) freue ich mich über die
warmen Getränke. Hier oben ist es recht kühl, aber bei weitem nicht so kalt wie
im letzten Jahr. Außerdem stecken dieses Mal zur Sicherheit zwei Merino-Shirts,
Handschuhe und Mütze in meinem Rucksack. Da ich noch immer davon ausgehe, dass
die Wolken bald verschwinden, lasse ich mir hier viel Zeit und vespere in aller
Ruhe ein Schinkenbrot. |
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Dann laufen Bernie und ich weiter. Der Abstieg macht mir trotz des Regens sehr
viel Spaß. Ein breiter, leicht zu laufender Trail führt bergab. Eigentlich würde
ich auf solchen Wegen am liebsten Vollgas rennen, aber auch hier reduziere ich
heute mein Tempo, um später möglichst viel der Strecke bei Schönwetter zu sehen.
Immer wieder bleibe ich stehen, wenn der Nebel mal wieder einen Blick auf die
Berge um mich herum frei gibt, fotografiere oder filme. |
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Etwa 95 % der heutigen Strecke führen abseits der Zivilisation durch den
Naturpark. Nur am Start und auf den letzten Kilometern Asphalt, keine Straßen,
keine hässlichen Skipisten oder Liftanlagen, nur schöne Berge und wilde
Vegetation.
Einer meiner Lieblingsabschnitte beim Karwendellauf ist der Kleine Ahornboden
(1399 m). Hier stehen besonders viele der alten, urigen Ahornbäume. Bei
Sonnenschein würde ich hier wohl eine halbe Ewigkeit diese herrliche Vegetation
fotografieren. Heute muss ich aber wegen dem Regen erst unter Bäumen halbwegs
Schutz suchen, bevor ich die Kamera auspacken kann. Wasserflecken im Bild gibt
es trotzdem. |
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Aber das Plantschen durch große Wasserpfützen macht mir Spaß! Da muss wohl noch
ein Relikt aus meiner Kindheit in mir stecken. Eigentlich macht es mir nicht
viel aus, im Regen zu laufen. Natur ist nun mal so! Ich genieße den Lauf auch
auf diese Weise.
Kurz darauf führt die Strecke über ein breites, schottergefülltes Flussbett, wo
selbst heute kein Wasser fließt. Hier bleibe ich eine Weile stehen, bis mich
einige Läufer oder Wanderer einholen, damit die Fotos und Filmszenen nicht so
menschenleer wirken. |
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Vor dem nächsten Aufstieg packe ich meine Stöcke aus. Auch für Läufer sind diese
hier ausdrücklich erlaubt. Eigentlich braucht man beim Karwendellauf wirklich
keine Stöcke, doch ich will vor meinem ersten, in vier Wochen stattfindenden,
160 km Lauf meine Gelenke schonen, zumal ich seit einer Radtour am letzten
Wochenende leichte Schmerzen am rechten Knie habe.
Noch immer keine Sonne! Aber seit einem Jahr weiß ich, dass ich die Laliderer
Wände wolkenfrei sehen will. Also auf den nächsten Kilometern noch langsamer
aufsteigen! Jetzt wird es wirklich ein gemütlicher Urlaubsspaziergang. Immer
mehr Wanderer überholen mich. Bernie ist natürlich nun schon irgendwo sehr weit
vor mir.
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Die Strecke führt nun durch einen schönen Wald, aber Wasser im Objektiv ruiniert
hier alle Fotos und Filmaufnahmen. Bei der Ladiz Alm ahne ich erstmals die
erhoffte Wetterbesserung. Die Rundumsicht bessert sich von Minute zu Minute. Nun
sehe ich alle Gipfel, auf deren Anblick ich 2009 und 2011 verzichten musste. Vor
allem der Anblick der Laliderer Reisen und der Birkkar Spitze beim Aufstieg zur
Falkenhütte gefällt mir ausgesprochen gut. |
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Super! So macht das Berglaufen Spaß!
Doch als ich zur Falkenhütte (1848 m) komme, muss ich mich erneut mit vielen
anderen Leuten am Zelt der Verpflegungsstelle drängeln und vor Platschregen
Schutz suchen. Bernie steht auch hier oben, doch als ich ankomme, will er gerade
weiter. Ich bleibe noch zehn Minuten stehen, und tatsächlich hört der Regen
wieder auf und ich kann die erhofften Panoramafotos knipsen. |
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Nun geht es zuerst hinab zum Spieliss Joch (1773 m). Hier beginnt der
großartigste Teil der Strecke. Neben uns ragen beeindruckend hohe Felsbastionen
wie eine gewaltige Mauer in den Himmel. Nach kurzem Abstieg laufen wir direkt
unter diesen Laliderer Wänden entlang. Der Trail unter unseren Füßen wurde
inzwischen zum Bachbett, doch nasse Socken haben wir eh schon lange. Das gehört
einfach dazu! |
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Immer wieder bleibe ich zum fotografieren oder filmen stehen, werde überholt,
laufe weiter, überhole andere......
Ein ganz deutlich begrenztes Nebelfeld zieht vom Tal herauf. Bald verschwindet
die Landschaft um mich herum. Manchmal sehe ich ringsum nur Grau, dann ragen
oben wieder ein paar Bergspitzen aus dem Nebel heraus, dann hüllt mich die
Nebelsuppe wieder ein.
Als ich oben am Hohljoch (1794 m) ankomme, warte ich eine Weile auf freie Sicht.
Die Pause nutze ich dazu, den Akku meiner Kamera zu wechseln. Hier oben stehen
wie an vielen Stellen der Route Helfer der Bergwacht. Auch in Bezug auf
Sicherheit kann der Karwendellauf empfohlen werden. Und Orientierungsprobleme
gibt es hier auch an keiner einzigen Stelle.
So schnell der Nebel aufzog, so schnell verschwindet er wieder. Nun ragt über
mir die beeindruckende Dreizinken Spitze auf. |
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Dann führt ein toller Pfad, der das Herz jedes Trailrunners höher schlagen
lässt, hinab ins nächste Tal.
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