18. Spitzbergen Marathon am 2. Juni 2012 -
Ein Laufbericht von Jürgen Sinthofen
Spitzbergen, nördlicher geht Marathon auf Festland nicht! Festland? Ja, ja, der
unverschämt teure Nordpol Marathon wird ja auf einer 3m starken Eisscholle über
dem Nordpolarmeer gelaufen und gehört auch nicht in mein Beuteschema, nämlich
auch alle europäischen Inselmarathone abzulaufen.
Nun aber zu unserer Reise nach Spitzbergen.
Wir hatten ja schon einige Marathonreisen auf "Low Budget Basis" organisiert,
aber eine Reise nach Spitzbergen war doch nochmal was besonderes. Berichte über
den Spitzbergen Marathon gibt es fast keine und außer Schulz Aktiv Reisen,
welche seit Jahren nach Spitzbergen fahren, gibt es keine Marathonreiseanbieter.
Aber es sollte für uns eine kürzere und preiswertere Reise werden.
Zufall? Jedenfalls fand ich bei meiner routinemäßigen Internetrecherche mit
Skyscanner im November
2011 ein gutes Flugangebot mit SAS für 345,- Euro von Frankfurt über Oslo nach
Longyearbyen und zurück. Für diese Strecke echt günstig, schließlich geht es ins
Nordpolarmeer ca. 1.000km südlich des Nordpols auf eine Insel 1,5 mal so groß
wie Dänemark aber mit nur knapp 3.000 Einwohnern - also flugtechnisch keine
"Rennstrecke" wie nach Mallorca. Also Flug gebucht und über
http://www.booking.com/
die Unterkunft klar gemacht. Das "Guesthouse", eine renovierte ehemalige
Bergarbeiterunterkunft ca. 1,5km oberhalb von Longyearbyens "Stadtmitte", bot
saubere Zweibettzimmer mit Gemeinschaftsdusche, WC und Küche auf dem Gang für
knapp 50 Euro pro Person und Nacht. Ein gutes Frühstücksbuffet rundete das für
norwegische Verhältnisse sehr gute Angebot ab.
Freitag Abend zwischen 18 und 20 Uhr war Startnummernausgabe in der
Svalbardhalle (Svalbard ist norwegisch für Spitzbergen). Knapp 50 Marathonis und
wenige mehr Halbmarathonis sowie die Teilnehmer an einem 10km Rennen und einem
Kinderlauf zogen in der Vorhalle ihre Schuhe aus (das wird überall hier so
gehandhabt) und holten ihre Startnummern ab. Zu kaufen gab es dann noch die
Tickets für das Bankett nach dem Lauf im Radisson Blu, dem ersten Haus am Platz,
für ca. 65€ (Hauptspeise, Nachtisch und zwei Getränke), ein Marathon
Funktionsshirt ohne Jahresangabe auf dem Aufdruck für ca. 20€ oder auch eine
Leuchtweste für das Nachttraining mit dem Verkehrszeichen "Achtung Eisbären".
Eisbären sind das große Thema auf Spitzbergen. Es soll ca. 3.000 Eisbären, 2.800
Menschen, Hunderte von Autos und motorisierte Schlitten auf Spitzbergen geben.
Deshalb wird überall und immer wieder vor den Eisbären gewarnt, welche sich auf
Spitzbergen frei bewegen. "Nur nicht ohne Waffe aus Longyearbyen raus gehen" -
sprich, buch 'ne Tour für teures Geld.
Deshalb auch der Aufwand mit den bewaffneten Begleitern auf den Quads, obwohl
wir beim Lauf kaum aus der Stadt raus kamen. Aber dazu später mehr.
Wir unterhielten uns noch eine Weile mit den Läufern aus mindestens 9 Ländern.
Leider gab die Starter bzw. die Ergebnisliste hier keine genaue Auskunft. Das
größte Kontingent stellte aber wohl Deutschland auch wegen der bereits
angesprochenen Reisegruppe.
Nachdem wir recht pünktlich aus der Halle verabschiedet wurden ging es ins
Hotel, noch etwas Brot gegessen und langsam bei Sonnenschein zu Bett. Ja,
Sonnenschein zu jeder Tages - und Nachtzeit. Das war das tollste auf
Spitzbergen. Immer so um 4°C, also dank des Golfstromes recht mild und dann das
24 stündige Tageslicht. Komischerweise änderte sich unser Tagesrhythmus deswegen
aber nicht und auch das Einschlafen trotz lichtdurchlässiger Vorhänge war kein
Problem.
|
Startnummernausgabe mit Silvia, einer Berliner Mehrfachtäterin beim
Halbmarathonwandern |
Ich sah 4 Eisbären (im Radisson, im Supermarkt, im Museum und am Flugplatz) |
Ein Spitzbergen Ren |
Samstag, 10.00 Uhr, Start des Marathon - die anderen Wettbewerbe starteten
später, sodass am Ende ein recht kompakter Zieleinlauf zustande kam. Das gute
Frühstück, welches es ab kurz vor 7 Uhr gab war bereits verarbeitet und der
5minütige Spaziergang zum Start machte Lust auf mehr.
Eine rote mit Spraydose gezogene Startlinie, das lokale Fernsehen war auch
präsent, dann das Startkommando und los ging es in einen etwas bedeckten, aber
windstillen Tag hinein auf einen zwei mal zu laufenden identischen Rundkurs.
Ich traf wieder den etwas wortkargen Klaus Egedesö vom dänischen
100-Marathonclub, der auch vor drei Wochen auf Helgoland beim diesjährigen
Marathon mit unterwegs war.
Es ging vom Parkplatz der Svalbardhalle um diese herum die Straße im Tal zu
unserem Guesthouse hinauf. Links am noch schneebedeckten Hang die aufgelassene
Kohlegrube 2B, welche unter Denkmalschutz steht aber frei zugänglich war. Ich
war Tags zuvor mal hoch gekrabbelt und hatte mich von den alten Holz - und
Eisenruinen in die Zeit der Kohleförderung unter recht einfachen Bedingungen
nach dem 2. Weltkrieg zurückversetzen lassen.
Nach 800m dann rechts, auf einen Bergrücken zu, auch hier noch Schnee und alte
Stützpfeilerkonstruktionen aus Holz, wo früher an Stahlseilen die eisernen
Förderkörbe mit Kohle gefüllt, runter zum Hafen transportiert wurden.
An der Diskothek rechts, jetzt Richtung Stadt mit Blick auf den Hafen leicht
bergab. Aus Asphalt wurde für den nächsten knappen Kilometer eine gut zu
laufende Schotterstraße.
Vor der kleinen Holzkirche rechts und nach 300m links wieder auf die
asphaltierte Hauptstraße weiter bergab. Rechtehand das Einkaufszentrum und das
Krankenhaus, gleichzeitig das Zentrum der "Stadt", links ein Bauhof und eines
der kleinen Blockkraftwerke, welche die Holzhäuser, die alle auf Holzpfählen
stehen, mit Heizwärme und Warmwasser über überirdisch verlegte Rohrleitungen
versorgt. Weitere 300m und wir waren an der parallel zum Adventfjord
verlaufenden Hafenstraße. An der Kreuzung ging es rechts Richtung der noch
aktiven "Grube 7" am Fjord entlang zuerst vorbei an der architektonisch
interessant gestalteten neu erbauten Uni mit Heimatmuseum und Touristinfo bei
Laufkilometer 4. Links und rechts der nun flach verlaufenden Straße
Autowerkstätten und Kleingewerbe, dann am Ortsrand bei ungefähr km 5 die erste
Verpflegung. Es gab Wasser, Iso, etwas Obst und Kekse. Alles gut.
Gleich danach ein kleines Highlight an der Strecke. Die Schlittenhundestation!
Ein größeres mit vielen meterhohen Maschendrahtzäunen parzelliertes Areal mit
seinen Hundezwingern. Ein Gebell, die Hundeschlitten als Kufen - aber auch als
Rädervariante standen herum. In einem kleinen Teich davor viele Eiderenten,
welche uns LäuferInnen auch schon mal vor den Füßen auf ihrem Weg über die
Straße zum Fjord in die Quere kamen.
Nach weiteren ca. 500m das berühmte Schild "Vorsicht Eisbären" - aha - jetzt
wurde es wohl gefährlich? Aus Asphalt wurde wieder eine gut zu laufende
Schotterpiste. Links der Fjord in einem seltsam bedrückenden grau, teilweise
noch vereist, dahinter hohe schneebedeckte Berge. Vor uns zog sich die Straße,
oder besser, der Damm, denn rechts war nun das Süßwasserstaubecken, welches die
Stadt mit Frischwasser versorgt. Dahinter der Zuckerberg, welchen ich Tags zuvor
erobert hatte und von oben herrliche Aussichten auf Gletscher und
schneebedeckte, teilweise zackig spitze Berge bis zu einer Höhe von über 1.700m
im Sonnenschein genießen konnte.
Heute alles etwas mehr in Grau, aber eine faszinierende Polarstimmung. Vor uns
türmten sich auch Berge auf - die Straße ging bestimmt noch 6km so weiter.
Schade, wir hatten aber unseren Wendepunkt bereits so bei km 7 erreicht. Gerne
wäre ich hier noch weiter in die karge Landschaft Spitzbergens zur Mine 7
gelaufen anstatt zu Gunsten der später noch beschriebenen für uns
Kontinentaleuropäer eher unattraktiven Strecke am Hafen vorbei zum Flugplatz zu
laufen. |
Akribische Anwesenheitskontrolle (hier die spätere Siegerin Brigitte Homer) |
Die Startlinie |
Lockere Atmosphäre kurz vor dem Start |
Gleich geht es los |
Das Feld ist unterwegs |
Es geht gleich leicht bergan |
Im Hang die Kohlegrube 2 |
Die Diskothek |
Auf Schotterweg bei km 2 leicht bergab mit Resten von Holzstützen |
Blick auf Longyearbyen und den Adventfjord |
Blick zurück zur Diskothek |
Eric Schutz aus den USA (Nr. 63) läuft seinen ersten Marathon |
An der Uni |
Im Hintergrund der Zuckerberg, welchen ich Tags zuvor bestiegen hatte |
Auf dem Weg zu Grube 7; links der Adventfjord |
Die erste Verpflegungsstelle |
Die Schlittenhundestation |
Wir überqueren die "Eisbärgrenze"; rechts das Süßwasserreservoir der Stadt |
Lauf in die Arktis |
Der spätere Zweite Christopher McGovern kommt entgegen; bitte den "Bärentöter"
des Quadfahrers beachten |
Luigi Ploner von der "Turinconnection" kurz nach dem Wendepunkt |
Der Wendepunkt |
Na ja, zurück zur Uni, wieder links nun bergan zum "Zentrum" bei km 10, dann
rechts Richtung Kirche und scharf ca. 150m bergan über einen kleinen Hügel und
auf der anderen Seite wieder runter und beim kleinen Kohlekraftwerk links wieder
auf die Hafenstraße. Industrie links und rechts der Straße und nun gute 4km
immer geradeaus Richtung Flugplatz. Rechts der Hafen, dann der Fjord, links eine
Hügelkette, worauf sich viele internationale Satellitenstationen befinden - ein
heute lukratives Geschäft neben Kohleförderung und Tourismus, denn durch die
Lage quasi am Nordpol, können hier über 20 mal täglich die Informationen der
passierenden Satelliten aufgefangen werden.
Auch der Zugang zur "Europäischen Pflanzensamenbank, ein "Tresor" in welchem
sämtliche Pflanzensamen der Welt im Permafrost geschützt im Bunker für die
Nachwelt aufbewahrt werden, befindet sich hier.
Gut, wir liefen weiter, am Ende der Bucht ein kleiner Sportboothafen und ein
Kohleberg, der auch während des Rennens fleißig von Kohletransportlastwagen
beschickt wurde - und wir mit dem aufgewirbelten Staub der LKWs geärgert wurden,
da die Straßen im Winter mit Splitt gestreut werden und dieser dann so herrlich
im Sommer, wenn er nicht weggefegt wird, von den Autos zu Staub atomisiert wird.
Verpflegung, dann leicht bergan und vor uns liegt der internationale Flughafen.
Wir laufen am Zaun entlang auf den Parkplatz zu. Die ersten Läufer kommen uns
bereits entgegen.
Das war bei diesem Zweirundenmarathon ganz gut, man hatte immer wieder
"Gegenverkehr" und man konnte sich orientieren welche Position man im Läuferfeld
einnahm.
Den Parkplatz (der ist für die Fluggäste kostenfrei - wo gibt es das noch?) ganz
nach hinten durchgelaufen, manchmal waren die Markierungen auf dem Boden (rot
für Marathon) etwas sparsam aufgetragen, aber verlaufen hatte sich, so glaube
ich, niemand. Wendepunkt, auch hier manuelle Aufnahme der Startnummer durch
Helfer.
Jetzt wieder einen guten Kilometer zurück gelaufen und am Beginn der Landebahn
rechts auf einen schlechten Schotterweg. Aber zuerst querfeldein über eine
provisorische Brücke, dann eine kleine Böschung hoch. Ein Killer für den
Laufrhythmus, speziell in der zweiten Runde. |
Damian Korzuch aus Polen bei seinem zweiten Marathon |
Tolle Stimmung bei den Läufern; alle grüßten sich |
Wieder an der Schlittenhundestation |
Achtung Herman Schaekers, Eiderenten queren |
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