2.März 2013 – 1. UTHAM
UltraTrailHammerAmMaindreieck -
GPS und endlich Sonne - Bildbericht und Film von Günter Kromer |
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Angefrorener Schnee knirscht unter meinen total verschlammten Trailschuhen. Der
Waldboden vor mir wurde von Forstfahrzeugen zu einer äußerst unebenen
Hindernisstrecke zerpflügt. Die eiskalte Nacht wird von keinem Mond erhellt,
aber über uns stehen viele Sterne. Meist laufen wir direkt auf das Sternbild
Orion zu. Im Licht der Stirnlampe tauchen vor mir wieder einige tiefe Löcher
auf. Ab und zu liegen Äste oder sogar gefällte Bäume quer über dem Weg. „Achtung
– Wasser“, warnt mich der Läufer vor mir. Nach so vielen Stunden Lauf arbeitet
mein Gehirn etwas langsamer als normal. Bis diese Information so richtig
durchgesickert ist, stehe auch ich in der Pfütze. „Ich habe es gefunden“,
antworte ich. Aber nach zehn Stunden mit nassen Socken bedeutet das auch keinen
Unterschied mehr.
Für reine Volksläufer und Stadtmarathonis ist dies ein Schreckensszenario, aber
für Trail-Fanatiker wie mich einfach nur reiner Spaß. Wir sind beim 1. UTHAM,
dem von Didi Beiderbeck organisierten Ultratrail in und um Würzburg. Schon vor
neun Monaten erzählte mir Didi von seinem Plan, nicht immer nur bei anderen zu
starten sondern auch selbst einen Trail zu organisieren. Je weiter dann die
Planung voran schritt, desto mehr schwärmte er von seiner Strecke. 222, 111, 66
und 33 km sollten laut letzter Ankündigung zur Auswahl stehen, allerdings
startete am Ende niemand für die ganz lange Distanz.
Jetzt kann ich die 66 km Strecke endlich live erleben und es macht mir trotz
(oder mehr noch sogar wegen) verschiedener ungeplanter Improvisationen
ausgesprochen Spaß. In den letzten Wochen zweifelte ich manchmal, ob ich hier
wirklich starten will, aber jetzt bin ich sehr froh, nach Würzburg gekommen zu
sein. |
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Die Informationsmenge vor dem Lauf war mehr als nur bescheiden. Eine halbwegs
komplette Ausschreibung, wie man sie eigentlich inzwischen auch bei kleinen,
privaten Einladungsläufen kennt, ließ auf sich warten. Didi verschickte über
Facebook massenhaft Einladungen, aber wichtige Details blieben unbekannt. Dies
führte dazu, dass sich viele Leute, auch aus meinem Freundeskreis, nicht
anmeldeten, obwohl ihnen die Idee zur Strecke eigentlich gefiel.
Endlich schien alles einigermaßen klar, aber dann begann im letzten Moment das
informative Chaos, für das Didi und sein Mit-Organisator Georg Baumgart nicht
die Hauptschuld tragen. Vier Tage vorher wurde die seit Monaten in
Veitshöchheim
eingeplante Halle, in der Start, Ziel und Übernachtung stattfinden sollten, von
der Gemeinde angeblich wegen Schulsport abgelehnt. Nun mussten Didi und Georg im
allerletzten Moment eine jetzt eigentlich zum Scheitern verurteilte
Veranstaltung doch noch irgendwie retten und innerhalb von kürzester Zeit ein
anderes Quartier suchen. Jeder kann sich vorstellen, dass dies unglaublich viel
Nerven kostete und dass die anderen für diese letzten Tage geplanten
Organisationsarbeiten darunter litten. Donnerstagabend rief Didi dann alle
angemeldeten Läufer auf dem Handy an, um sie zu fragen, ob sie mit Übernachtung
in einer Jugendherberge einverstanden wären. Start und Zielort sowie Startzeit
mussten nun natürlich auch geändert werden, auch ein neuer GPS-Track stand erst
freitagmorgens zur Verfügung. Aber besser Last Minute als gar kein UTHAM.
An dieser Stelle kann man der
Jugendherberge Würzburg für ihr spontanes und
großes Entgegenkommen ausdrücklich danken. Trotz bayrischer Altersbeschränkung
in der Herberge durften sich einige von uns hier anmelden, und einen Seminarraum
bekamen wir für die gesamte Zeit gespendet. Ohne die JH wäre der UTHAM
ausgefallen. Ebenfalls großen Dank an das
Ibis-Hotel in Würzburg, das einige
Zimmer spendete.
Von mehr als 40 für die unterschiedlichen Distanzen angemeldeten Leuten sagten
in den letzten Tagen wegen Verletzung oder Erkältung noch viele ab, so dass
schließlich 26 Läufer verteilt auf drei Distanzen an den Start gingen. Leider
fielen in den letzten Tagen auch einige Helfer aus, wodurch der reichlich
vorhandene Proviant nicht planmäßig zu den richtigen Verpflegungsstellen
gebracht werden konnte.
Freitagmittag schleppe ich zuerst mein Gepäck wie mit Didi am Abend zuvor
vereinbart vom Bahnhof zur JH. Dort erfahre ich per Handy von ihm, dass er
inzwischen für mich einen Platz im Ibis-Hotel reserviert hat. Zum Glück sehe ich
Sabine und Hansi, mit denen ich nun mit dem Auto zum Hotel fahren kann.
Gegen Abend schlendere ich dann den halbstündigen Weg zurück zur JH. Das
Briefing verzögert sich, weil Didi und Georg noch organisatorisch unterwegs
sind. Schließlich kommen auch die beiden, und wir marschieren durch die Altstadt
zu einem urigen Restaurant. Pastaparty auf fränkisch heißt allerdings: Fleisch,
Fleisch und noch mehr Fleisch! Ich entscheide mich für Tafelspitz mit
Meerrettich, was sicher nicht die beste Lauf-Vorbereitung ist. Beim Briefing
merkt man sehr deutlich, mit welcher Begeisterung Didi und Georg die Strecke
erkundet und ausgewählt haben. Didi lief ja in den letzten Jahren selbst sehr
viele Ultratrails und freut sich, uns nun einige Abschnitte präsentieren zu
können, die ihm laut eigener Aussage "Freudentränen in die Augen trieben". Wir
sind gespannt!
Auf dem Rückweg zum Hotel und morgens auf dem Weg zur Herberge fotografiere ich
ein paar Impressionen von Würzburg. |
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Da es in der JH natürlich nicht schon um 6 Uhr Frühstück gibt, wird der Start
auf 9 Uhr für die 111 km (die sich später als mindestens 115 km erweisen) und
auf 10 Uhr für die 66er verlegt. Zum Glück erfuhren wir dies schon gestern, denn
nun brauchen wir auch für die 66 km auf jeden Fall am Schluss Stirnlampen.
Nachdem die 115er direkt vor der Herberge starten gibt Didi uns noch ein paar
Infos zur Strecke. |
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Mit zwei Kleinbussen, einer davon mit Christoph Hoffmann vom DUV
Förderstützpunkt Würzburg als Fahrer, werden wir nun zu unserem Startpunkt etwa
bei km 49 der 115er Runde gebracht. Von den Weinbergen haben wir eine tolle
Aussicht. Hier oben liegt noch überraschend viel Schnee, aber zum ersten Mal
seit langer Zeit scheint den ganzen Tag über die Sonne. Endlich!!! Nach all den
Wochen fast ohne Sonnenschein wirkt der durchgehend wolkenlose Himmel wie ein
Jungbrunnen. |
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Zuerst stapfen wir ein kurzes Stück durch Schnee abwärts, dann laufen wir
auf einem hübschen, leichten Trail bergab. Landschaftlich gefällt mir dieser
Abschnitt heute am besten. |
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Anfangs bleiben wir meist mehr oder weniger in einer achtköpfigen Gruppe
zusammen. Nur zwei Leute bleiben leider schon nach einem Kilometer hinter uns
zurück, obwohl wir sogar für meine Verhältnisse nicht zu schnell laufen. Da ich
außer Erfahrung mit GPS auch noch eine gute Wanderkarte mit eingezeichneter
Strecke habe, sagten gestern viele Leute, dass sie mit mir laufen wollen. Doch
ich kann nicht gleichzeitig vorne und hinten sein.
Wir wissen vom Briefing, dass wir nach wenigen Kilometern den Marienbrunnen
erreichen sollen, wo wir Wasser in unsere Flaschen nachfüllen können. Schon seit
Monaten schwärmt Didi von diesem Brunnen. Auch gestern Abend und heute Morgen
bezeichnete er diesen als ein Highlight an der Strecke, da das Wasser „fast so
wie in Lourdes“ überregional bekannt sei und massenhaft Leute es in Kanister
abfüllen. Wir 66er sollten nach wenigen Kilometern am Brunnen vorbei kommen.
Doch wir laufen und laufen – kein Brunnen in Sicht. Erst am nächsten Morgen
erfahren wir, dass der Brunnen auf der Rückseite einer Kapelle ist, an der wir
vorne vorbei liefen. Nur zwei 115er sehen diesen Brunnen, alle anderen verpassen
ihn.
Wir laufen fast bis ins Tal hinab, dann geht es wieder bergauf. Oben sieht die
Landschaft noch sehr winterlich aus. Das gefällt mir, denn ich mag weiße Wiesen
und Wälder lieber als das öde Schwarzgrau der Übergangszeit. |
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Auf einem Bergrücken verpasst unsere kleine Gruppe eine Wegmarkierung. Zum Glück
wussten wir schon vorher, dass wir heute besser auch ein GPS-Gerät mitnehmen
sollten. Als wir sehen, dass wir nicht mehr auf dem Track laufen, beginnt die
erste von vielen Diskussionen. Eigentlich denke ich immer, der Umgang mit Karte
oder GPS sei leicht. Doch heute erlebe ich immer wieder Szenen, die das
Gegenteil beweisen. Sechs Läufer stehen an einer Wegkreuzung, in keiner Richtung
flattert ein Markierungsband. Das GPS zeigt eindeutig, dass wir ein kleines
Stück neben dem Track sind. Doch ob die richtige Route nun rechts oder links von
uns liegt, dazu gibt es nach Betrachtung des Garmin und der Wanderkarte
unterschiedliche Überzeugungen. Zwei Läufer sagen „nach rechts“, zwei „nach
links“, zwei hoffen, dass die anderen wissen, wovon sie reden. Auch wegen diesen
Diskussionen werde ich diesen Lauf mit seinem hohen Unterhaltungswert wohl nicht
vergessen.
Als wir wieder auf der passenden Route laufen, erreichen wir einen originellen
Lehrpfad, von dem uns Didi bereits erzählt hat. Im genauen Maßstab werden hier
gigantische Zeiträume auf eine Strecke umgerechnet. Von einem weit entfernten
Stein, der den Urknall symbolisiert, führt der Weg zur Entstehung unseres
Sonnensystems, der Erde, kurz vor Ziel zu den ersten Lebensformen und dann ganz
nah beieinander die Dinosaurier, der erste Mensch und die Gegenwart. Allerdings
laufen wir auf den Urknall zu - hat das symbolische Bedeutung? |
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Nun durchqueren wir Retzstadt. Hätte hier nicht auch eine Verpflegungsstelle
sein sollen? Irgendwelche eindeutig den UTHAM betreffende Markierungen sehen wir
keine, also laufen wir nach Karte durch den Ort und auf der anderen Seite wieder
hinauf zu einem Weinberg. Hier hängen dann auch wieder Flatterbänder.
An einer Stelle, wo wir laut Karte und GPS eigentlich in einem weiten Linksbogen
auf dem Weinberg bleiben sollen, zeigen die Markierungen stattdessen eindeutig
und unmissverständlich nach rechts oben. Also biegen wir auf den schmalen Weg
ab, und kurz darauf folgen wir weiteren gut sichtbaren Markierungen. Eine
Wegkreuzung später geht es ebenfalls klar markiert nach rechts, dann wieder
rechts hinab. Eindeutige Hinweise! Doch dann sind wir wieder an der Stelle am
Weinberg, wo wir vorhin schon liefen. Hier gibt es keinerlei Zweifel, dass
Kinder oder Jugendliche die Bändel aus Jux umgehängt haben, um Läufer in die
Irre zu führen.
Egal, wir laufen nun wieder nach Karte, und bald folgen wir auch wieder den
richtigen Markierungen. Doch nicht lange. Haben wir einen Bändel übersehen?
Egal, nun heißt es anhand der Karte auf einem anderen Weg ungefähr in die
passende Richtung zu gehen, bis wir schließlich wieder an eine markierte Stelle
kommen. Dieses Spiel wiederholt sich heute noch ein paar Mal. |
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Unsere Gruppe teilt sich zwischendurch immer mal wieder auf verschiedene Routen
und Geschwindigkeiten auf, doch wie bei Ultratrails üblich, trifft man sich
später dann doch irgendwo wieder
Im Bereich der kleinen Ruine des Blauen Turmes laufen wir wieder über kurze,
schöne Trails. Vor dem Turm steht eine Plastikkiste mit Süßigkeiten für uns. |
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