1. Andorra Marathon am 12. Juli 2014 -
Laufbericht und Bilder von Jürgen Sinthofen
Die Marathons, welche noch zu bestreiten sind, um alle europäischen Hauptstädte
laufend mindestens über die Marathondistanz kennengelernt zu haben, werden immer
exotischer.
Heute möchte ich der geneigten Leserschaft über einen ganz besonderen Marathon
berichten, welcher der Marathonlaufszene eine neue Dimension des Marathonlaufs
aufzeigt, nämlich den ersten Marathon del Cims in Ordino, einem kleinen Skiort
ca. 8 km außerhalb von
Andorra La Vella, dem Hauptort des seit 1993 souveränen Pyrenäenstaates
zwischen Spanien und Frankreich.
Nach turbulenter Anreise mit dem Wohnmobil im Rahmen eines Urlaubes, wo wir zum
letzten Mal Barcelona besucht haben (zuerst wurden unsere Fahrräder vom
Heckträger geklaut, dann zwei Tage später das Auto auch nochmal aufgebrochen und
durchwühlt), kamen wir in dem heimeligen Skiort Ordino an, dem Nabel der Welt an
diesem Wochenende für alle hartgesottenen Bergläufer Europas.
Im Rahmen des Andorra Ultra Trails wurden fünf Wettbewerbe angeboten, der Ronda
del cims über 170km und 13.000HM an den Grenzen Andorras entlang,
Mitic über 112km und 9.700HM
Celestrail über 83km und 5.000HM
Marato del cims über 42,5km und 3.000HM und der
Solidaritrail über 10km und 750HM.
Die Protagonisten des 170km Laufes, welche bereits am Freitag früh starteten
waren sich einig, dass dieser Lauf nochmals um einiges härter als der
UTMB war. Trotz guter
Laufbedingungen und harten Qualifikationsnormen erreichten vom ausverkauften
Rennen mit 350 Startern nur 185 das Ziel in Zeiten zwischen 30h20min und
62h30min, wobei bei den Damen Julia Böttger als eine der wenigen deutschen
Vertreter bei den Rennen den langen Kanten als Gesamt-siebzehnte in 37h12min bei
den Damen gewann!
Wirklich bewundernswert auch die Leistungen der Teilnehmer am Mitic und
Celestrail, nach meinen Erfahrungen vom "nur" Marathon - Hut ab!
Startnummernausgabe
Laufrucksackkontrolle vor dem Start
Holländisch-deutsche Freundschaft
Kurz vor dem Start
Was wird auf uns zukommen?
Aber jetzt zum Marathon, oder ist es sogar ein Ultramarathon mit seinen 42,5km?
Nach Abholung der Startunterlagen im zentral gelegenen Freizeitcenter von Ordino
am Freitag gab es um 19.00 Uhr noch ein Briefing zu dem Rennen in der
Stadthalle. Ergebnis: Von den vorgeschriebenen Utensilien, welche auf dem Lauf
obligatorisch gemäß Ausschreibung mitzuführen waren, durfte auf extreme
Regenbekleidung verzichtet werden, was den Laufrucksack doch etwas erleichterte.
Samstag, 8.00 Uhr, Start vor der malerischen steinbedachten Kirche auf ca.
1.200müNN. Drei Protagonisten vom
Country Club, Mitglieder einer rührigen überschaubaren
internationalen Gemeinschaft von Marathonläufern, trafen sich vor dem Start für
ein Foto und einen letzten Plausch.
Pünktlich wurden nach einem stichprobenartigem Check einiger Laufrucksäcke ca.
550 der wohl gemeldeten 650 Marathonis (ausverkauft) nach Abschießen eines
Feuerwerks auf die Strecke geschickt.
Herrlich blauer Himmel, ca. 16°C, es ging auf der Hauptstraße rechts auf der für
den Autoverkehr gesperrten Straße und teilweise über Feldwege für knapp 4km
leicht bergan nach Arans.
Schön zum Einrollen, aber Achtung, jetzt verjüngte sich der Weg auf einen
Trailpfad steil bergan. Ambitionierte LäuferInnen sollten hier im vorderen Feld
laufen, um den sich bildenden kleinen Stau mit gemeinschaftlichem
"Kolonnengehen" wie auf der Moräne beim Jungfraumarathon zu vermeiden.
Ich sagte leise "Soll das so weitergehen?" und bemerkte, dass sich ein Läufer
umdrehte. Es war Christian von den Dresdner Trollen, der vierte Deutsche im
Teilnehmerfeld - so lernt man Läufer kennen - und so liefen wir eine Weile
zusammen.
Start
Die ersten ca. 4km waren noch entspannt
Es wird interessanter
Die Laufstrecke war gut abgesichert
Jetzt wird es ernst
Ambitionierte Läufer sollten vorne starten, um den Stau zu vermeiden
Bald zieht sich das Feld auseinander und man hat Platz zum überholen
Auf schmalen Pfaden ging es stetig bergan Richtung Ensegur und der ersten
Verpflegung nach gut 10 Kilometern, mal rauschte ein Bach neben uns zu Tal, dann
liefen wir im Wald, über eine Almwiese oder einem steinigen Pfad, alles was dem
Genussläuferherzen gefallen mag, wurde geboten. Nach etwa 15min hatte ich mich
nach vorne frei gelaufen und konnte meinen eigenen Rhythmus aufnehmen, nur
welchen?
Ich bin zwar schon Gebirgsmarathons wie Swiss Alpine Liechtenstein, Jungfrau
oder Zermatt gelaufen, aber 3.000HM auf einer durchschnittlichen Höhe von über
1.900müNN und auf eine absolute Höhe auf über 2.800müNN war doch eine neue
Nummer für mich.
Vor dem Marathon, beim Abendessen mit den Laufkameraden, überlegte ich mir, dass
"unter 8 Stunden" ein erreichbares Ziel sein könnte. Aber daran dachte ich im
Moment nicht, ich fiel in einen Lauf-/Geh- Rhythmus, der mich noch ruhig atmen
lies.
Von unschätzbaren Vorteil erwiesen sich die zusammenschiebbaren Trekkingstöcke,
welche ich mir noch am Vortag gekauft hatte. Beim bergauf Laufen konnte man sich
etwas hochziehen und auch abstoßen und bergab das Körpergewicht etwas abfangen.
Dies entlastete die Rumpfmuskulatur, was sicher zur Einsparung vieler Körner
beitrug. Außerdem gaben die Stöcke auch Halt und Sicherheit - ich kann die
Dinger für so einen Lauf nur empfehlen. Ich erlebte auch keine einzige brenzlige
Situation, wo mich die Stöcke der anderen gefährdet hätten. Ich schätze den
Anteil der LäuferInnen, welche den schweren Lauf mit Stöcken bewältigten, auf
ca. 90%.
Nach Überwindung der ersten gut 1.000HM erreichten wir nach ca. 11km die erste
Verpflegungsstation an einer Sennhütte. Hier wurden zuerst, wie auch an den
weiteren Verpflegungs- und Kontrollstationen die Zeitnahmechips an der
Startnummer abgelesen, bevor wir an die reichhaltig gedeckten Tische durften.
Es gab Schinken, Wurst, Schokolade, Obst, Kekse, Rosinen, Energieriegel, Wasser
Iso, Cola und vieles mehr - super!
Aber Achtung, Getränke wurden einem in die eigene Trinkflasche gefüllt oder aber
aus ökologischen Gründen im selbst mitgebrachten, faltbaren Trinkbecher gefüllt.
Diese Becher konnte man beim Veranstalter kaufen und in einem praktischen und
läufergerechten Gürtelbeutel mit sich führen.
Herrliche Laufabschnitte mit einer Blütenpracht wie im Bilderbuch
Es geht Richtung Baumgrenze
Und wieder runter zur ersten Verpflegung
Stau für Zeiterfassung vor dem Mampf
Weiter, es ging ca. 400HM bergab, der Himmel verdunkelte sich etwas, prima,
keine so stechende Sonne, wir liefen durch üppige Blumenfelder, neben Wildrosen
und Enzian gab es bestimmt zehn weitere Blumenarten, die uns begleiteten.
Dann wieder ca. 500HM hinauf nach El Quer, wo uns nach etwa 19 gelaufenen
Kilometern eine tolle Zuschauerkulisse an der zweiten Verpflegung in Sorteny
bejubelte.
Es lief gut, es gab zwar kaum Gespräche zwischen den Läufern, da die Spanier und
Franzosen, welche das Hauptkontingent der LäuferInnen stellten, nicht gerade
Fremdsprachengenies waren. Egal, eine gewisse Verbundenheit spürte man.
Der Weg war durch Flatterbänder und kleine in den Boden gesteckte Fähnchen sehr
gut markiert, Kilometerangaben fehlten aber völlig.
Nach dem Verlassen der Verpflegungsstation ging es zur Sache. Innerhalb von 8
Kilometern waren 800HM auf das Dach des Laufes, dem 2.802 m hohen Berg Casamanya
zu überwinden.
Zuerst durch den letzten Hochwald vorbei- und über Bachläufe, Modder, Blumen und
Vögel bereicherten den Anstieg. Dann der weite Blick nach vorne oben, wo wir in
weiter Entfernung vor uns laufende Aktive sahen, und Nebel! Ja es zog Nebel auf,
die Sonne war schon eine ganze Weile entschwunden und es fing das Nieseln an.
"Toll, Wasserkühlung, aber hoffentlich wird das Rennen nicht abgebrochen", so
dachte ich.
Über steil abfallende Geröllfelder erreichten wir die dritte Verpflegung, welche
wie ein Basislager im Himalaya wirkte. Wenige weiße Zelte in einer Mulde auf
2.600m , von rechts der Nebel hochgepeitscht von einem schneidend kalten Wind,
dazu der Nieselregen.
Ich war froh hier zu sein, da ich für mich ausmalte, dass das Wetter evtl. zu
einem Rennabbruch führen könnte, aber Läufer, die diese Verpflegung passiert
hätten, davon nicht tangiert wären......
In dem kleinen ca. 2x4m großen Hauptzelt die obligatorische Zeiterfassung und
irre Überraschung - ein kleines vierköpfiges Streichorchester sorgte für
stilvolle Unterhaltung!
Es geht weiter runter
Wegmarkierung mit Flatterband
Super Stimmung in Sorteny bei km 19 auf knapp 2.000müNN
Es geht immer weiter hoch
Hält das Wetter? Wir müssen auf die Spitze rechts hinten im Bild
Diesen Gebirgsstock müssen wir auf halber Höhe von links nach rechts
traversieren
Da geht es lang
So und ...
... so sieht das aus
Da kommen noch viele hoch
Und haben das noch vor sich
Fast die Traverse geschafft
Das Geläuf ändert sich dauernd |