Hochschwab rauf und runter
„John J Rambo“ habe ich im
Pitztal kennen gelernt. Am Tag nach
dem Pitztal Gletscher Marathon und dem Pitztal Gletscher Ultra.
Ich hatte das Vergnügen, mit einer kleinen Gruppe Läufern zu frühstücken, die
sich um den Veranstalter TRAIL-MANIAK und um den befreundeten Läufer „B’jak“
Thomas Bosniak geschart haben. Darunter war auch „John J Rambo“, mit dem ich
mich ein wenig über meinen eben erst gefinishten 400-Kilometer-nonstop-Lauf „250
Miles Thames Ring Race“ geplaudert habe.
Es kam, wie es kommen musste, man verbindet sich auf Facebook
und so hatte ich die Gelegenheit, ihn mit seinen wilden Aktionen aus gebührendem
Abstand zu begleiten. Dabei war es vor allem ein Berg, der es ihm angetan hat,
der Hochschwab.
Der Hochschwab in der österreichischen Obersteiermark ist mit 2.227 Metern über
N.N. der höchste Berg der Hochschwabgruppe. Und auf den wollte „John J Rambo“
rauf.
Soweit ist das nichts Besonderes, das geschieht mehrmals täglich. Aber 7 Mal
hintereinander in kaum mehr als 26 Stunden? Da gehört schon mehr als nur eine
Portion Mut, Stärke und Verrücktheit dazu.
Der 24 Stunden Burgenland Extrem
Und beim „24 Stunden Burgenland Extrem“, einem Lauf, einem
Marsch, einer Wanderung über 120 Kilometer rund um den Neusiedler See, war „John
J Rambo“ auch gemeldet. Und er war der Beste, der Schnellste, der Extremste,
natürlich. Wer denn sonst?
Der „24 Stunden Burgenland Extrem“ war für mich mehr als nur ein Lauf. Gerade
von einem Rückenleiden genesen, wenig bis gar nicht trainiert, wollte ich mal
testen, ob alle Knochen noch an der richtigen Stelle sind, was die Muskeln
machen und wie ich überhaupt so drauf bin zurzeit. Dass das Ergebnis eher
ernüchternd war, sei nur am Rande erwähnt. Erwähnenswert aber war das
Veranstalter-Team, das einen Lauf auf die Beine gestellt hat, den ich so noch
nicht erlebt habe. Dem Gedanken der Völkerverständigung folgend, verlaufen ein
Drittel der 120 Kilometer auf ungarischem Staatsgebiet. Und da war es schon
etwas beklemmend, wenn man auf dem Fahrradweg, der einen Gutteil der Strecke
dargestellt hat, eben mal rechts ein kleines Schild sah und schon war man in
Ungarn.
Kein Anstehen, keine Schlangen, keine Kontrollen, ganz ehrlich: wer hätte das
vor 25 Jahren geglaubt? Es war ja die Botschaft in Ungarn, über die ein Teil der
DDR-Bürger in den verheißungsvollen Westen fliehen wollten. Und die Worte von
Hans-Dietrich Genscher, die kaum verständlich im Jubel der Massen untergingen,
wird jeder von uns ständig im Kopf haben.
Und nun liefen wir durch Ungarn, als hätte es diese dunkle Zeit nicht gegeben.
Und Ungarn ist schön, vielleicht gibt es da ein paar Hunde zuviel, die uns aus
fast jedem Garten anbellten, es gibt Zahnklinik an Zahnklinik und die wenigen
Menschen, die wir gesehen haben, grüßten stets freundlich und man sah ihnen an,
dass sie stolz waren, Teil dieser Veranstaltung zu sein.
In der Nacht vor dem Start gab es Eisregen auf den gefrorenen Boden, das Geläuf
würde also schwer werden, das wussten wir alle. Ich wählte trotz des flachen
Parcours die Trail-HOKAS, um mehr Halt zu haben, zudem packte ich mich warm ein.
Es war richtig kalt am Neusiedler See und die Startzeit und 4.30 Uhr versprach
auch keinen Sonnenschein.
Um 3.30 Uhr gab es im Gemeindezentrum von Oggau ein
gemeinsames Frühstück. Die Tische bogen sich unter dem Angebot und so konnte
jeder ohne ein schlechtes Gewissen sich auch ein „Jausensackerl“ packen und
mitnehmen. Die meisten der Teilnehmer wollten marschieren, wandern, walken.
Läufer gab es unter den 600 Teilnehmern nur wenige. Aber „John J Rambo“ war ja
dabei und der hatte hohe Ambitionen, wie er mir vor dem Start verriet. Ein
kurzes Briefing mit den Hinweisen auf das Wetter, den Wind und die wichtigsten
Punkte auf der Strecke folgte, gepaart mit dem Dank an die Sponsoren, vor allem
an BILLA, die alleine mit ihrem finanziellen und zeitlichen Einsatz dafür Sorge
getragen hatten, dass kein Startgeld für dieses Event erhoben wurde. Der
Hausverstand, um mal den BILLA Werbespruch zu verwenden, sagt: „24 Stunden
Burgenland Extrem“, da musst Du hin!
Die Strecke hat auf die 120 Kilometer nur knapp 400 Höhenmeter aufzuweisen, die
meisten davon aber waren in Ungarn zu finden. Auf eisigen, teils verschneiten,
meist aber sehr rutschigen Wegen ging es die eine oder andere giftige Anhöhe
hinauf und nur selten war der See mit dem umliegenden Schilfland zu sehen. Nach
34 Kilometern gab es erstmal eine kleine mobile Labestation, um Wasser zu
tanken, etwas Cola zu sich zu nehmen und auch, um sich eine Banane zu gönnen.
Das war an dem Punkt, wo der Weg in Ungarn den Fahrradweg verließ und wir
wechselten auf einen Feldweg, auf dem zu laufen aber alles andere als angenehm
war.
Also dann noch Graupel vom Himmel fiel und ein kalter Wind aufkam, wurden die
weiten offenen Flächen, die zu überwinden waren, unangenehm und ich war froh,
irgendwann irgendwo ganz bescheiden ein österreichisches Schild zu sehen. Genau
unproblematisch und unspektakulär wie der Einlauf nach Ungarn war es auch,
Ungarn wieder zu verlassen.
Ich hatte für meinen aktuellen körperlichen Zustand viel zu schnell begonnen und
ich war zu dünn angezogen. Ich fror und dachte, dass mir die Finger abfallen
würden, also war ich froh, in Apleton die erste richtige Labestation erreicht zu
haben. Es gab dort gratis ein Paar Würste, für mich als Vegetarier gab es zwei
Semmeln mit Senf.
Es hat sehr lange gedauert, bis meine Finger wieder warm waren, ich zog meine
Wechselkleidung an und gönnte mir eine lange, eine sehr lange Pause. Und am Ende
war die Pause so lange, dass ich viele Bekannte begrüßen konnte, die sich weiter
durch die Kälte Richtung Oggau kämpften. Ich aber wollte nicht mehr weiter. Zwar
bin ich angetreten, 120 Kilometer zu laufen, aber 60 Kilometer reichten mir
auch. Ich brauchte bis dahin 6 Stunden und 35 Minuten, eigentlich eine ganz
passable Zeit, aber die Oberschenkel schmerzten sehr und ich war auf den letzten
dieser Kilometer atemberaubend langsam geworden. Und so weiter zu gehen hatte
ich keine Motivation.
Wir alle haben unseren Standardschritt und wenn Du permanent wegen des Eises und
der Glätte kleinere Schritte als gewohnt machen musst, wenn Du bei jedem Schritt
überlegst, wo Du den Fuß hinsetzt, mal rechts, mal links gehst, dann schmerzen
eben die Oberschenkel. Und da die von mir angepeilten 14 – 16 Stunden für dieses
Abenteuer nicht mehr erreichbar waren, siegte das kleine Teufelchen auf meiner
Schulter, das mir vom warmen Bett im Hotel erzählt hat. Das Engelchen auf der
anderen Schulter, das mich ermahnte, doch für 120 Kilometer angetreten zu sein,
bekam in diesem Moment Redeverbot.
All das ändert aber nichts daran, dass sich da im Burgenland ein Team von
Menschen zusammengefunden hat, das ein Event durchführt, dass man unbedingt mal
erlebt haben muss. Aufopferungsvoll schlagen sich die Veranstalter die vielen
Stunden um die Ohren, um stets präsent und greifbar zu sein. Und ganz am Ende
gab es eine Fotowand, an der man seinen Erfolg als Läufer, Walker, Marschierer
oder Wanderer festhalten konnte.
Ein toller Abschluss einer tollen Veranstaltung:
Durch mein abruptes Ende und die
anschließende Busfahrt kam ich gerade rechtzeitig wieder in Oggau an, um den
Zieleinlauf von „John J Rambo“ zu sehen. Mir schien es, dass er eben erst
losgelaufen wäre, so leicht waren noch immer seine Schritte. 120 Kilometer in
11:24 Stunden, unglaublich bei diesen äußeren Bedingungen. Für einen Moment
fühlte ich mich alt und schwach.
Und was macht „John J Rambo“
jetzt?
Er wird wieder den Hochschwab
besteigen, aber eine ganze Woche lang und dabei will er unglaubliche 50.000
Höhenmeter absolvieren.
Die Portion Mut, Stärke und Verrücktheit, um so etwas zu tun, hat er dazu!
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