6. Kiew Marathon am 27. September 2015 -
Laufbericht und Fotos von Jürgen Sinthofen
Ukraine, eigentlich kein typisches Ziel für deutsche Touristen. Die
Nachrichtenlage ist nicht besonders toll, vor einem Jahr noch über 100 Tote bei
Antikorruptionskundgebungen auf dem Majdan Platz, vor wenigen Wochen wieder ein
Anschlag in Kiew, bei welchem drei Polizisten getötet wurden.
Anderseits, schon der Bürgermeister von Jerusalem sagte beim 1. Jerusalem
Marathon, dass das beste Mittel gegen Gewalt und Terror das Fortführen des
normalen Lebens wäre.
So sahen das wohl auch die Organisatoren des 6. Wizzair Kiew City Marathons.
Zwar wurde aus einem Frühjahrsmarathon recht kurzfristig ein Herbstmarathon,
aber dank des sehr engagierten Vorstandsvorsitzenden der Wizzair, der selbst
Läufer ist, und der u.a. auch die Marathons in Skopje und Budapest als
Hauptsponsor unterstützt, gelang das Projekt.
Der zweistündige Flug mit Wizzair von Dortmund nach dem stadtnah gelegenen
Flugplatz Kiew Zhulhany verlief reibungslos und war mit 68 Euro ein Schnäppchen.
Leider kamen wir erst kurz nach 22 Uhr an und so erreichte ich den letzten Bus
Nr. 9 in die Innenstadt (22.12Uhr) nicht mehr und musste mich, so wie an
Flughäfen üblich, von Taxifahrern über den Tisch ziehen lassen. Anstatt ca. 15
Cent mit dem Bus oder mit einem Taxi (von der Innenstadt zum Flugplatz etwa 2,50
Euro für ca. 15km) handelte ich einen Taxifahrer von den allgemein geforderten
12 Euro auf 8 Euro. Das ist zwar sehr günstig, aber mich ärgert auf meinen
vielen Reisen in aller Herren Länder immer wieder, wenn man als Tourist wie ein
Blödmann behandelt wird. Weiterer Tipp: auch wenn man den letzten Bus nicht
erreicht, zur Straße hochgehen und ein Taxi anhalten und nicht mehr als 4 Euro
(ca. 100 Hrywnja) vor Fahrtantritt aushandeln!
Das gebuchte Hostel (18 Euro für 2 Personen im Zweibettzimmer) war in Ordnung
und wie in den meisten ehemaligen sowjetischen Republiken sehr sauber, aber
eigentlich im Vergleich zu Hotels mit Frühstück direkt am Majdan Platz gelegen
(z. B. Hotel Ukraine, Dnipro oder Kotsatski) zu teuer, da diese inkl. Frühstück
auch gerade mal ca. 30 Euro kosten und damit auch direkt am Start-/Zielbereich
des Marathons gelegen sind.
Durch die Anreise am Donnerstag Abend hatte ich den ganzen Freitag und Samstag ,
um Kiew bei herrlichem Sonnenschein und 30°C kennenzulernen. Am Donnerstag gaben
zwei kostenlos (gegen Spende) geführte Touren durch die Altstadt und durch den
Regierungsbezirk einen guten Eindruck von der Stadt. Am Freitag besichtigte ich
u. a. die unbedingt sehenswerten UNESCO Weltkulturerbestätten Sophienkathedrale
(1000 Jahre alte orthodoxe Kirche mit herrlichen Mosaiken und Kirchturm) und das
Höhlenkloster Kyevo-Pecherska Lavra mit den engen Höhlengängen, in welchen
Eremiten lebten und begraben wurden. Die Leichen mumifizierten sich und liegen
heute mit Tüchern bedeckt in Glassärgen als Heilige begraben. Hier auch
unbedingt auf den Glockenturm steigen und die Aussicht über den Djnepr und die
ganze Stadt genießen.
Schön auch das Einkehren in Lokale für günstige Preise (0,5l Bier z.B. um 1
Euro) oder auf einen Kaffee, welcher an jeder Ecke frisch mit italienischen
Kaffeemaschinen gebraut wird.
Nach wirklich zwei sehr kurzweiligen Tagen dann am späten Nachmittag der nicht
so erfreuliche Teil. Ich wollte so gegen 17 Uhr die Startunterlagen, wie in
einem Infomail angekündigt, am Stadion in Innenstadtnähe abholen, aber da war
nichts!
Dank zweier netten Mädels, die sehr gut Englisch konnten, checkten wir eine
weitere Email, welche ich kurzfristig nur in Ukrainisch erhielt und da stellte
sich heraus, dass die Startunterlagen im Messegelände abzuholen seien. Also
schnell in die U-Bahn, übrigens wohl die tiefste der Welt mit teilweise zwei
jeweils elend langen Rolltreppen, die bis zu 150m Höhendifferenz überwinden,
quer durch die Stadt in einen Randbezirk, dann irgendwie noch einen Bus finden
und dann um zwei Ecken, um dann endlich kurz vor 19 Uhr gerade noch vor
Torschluss die Expo zu erreichen.
Um die Startunterlagen zu erhalten, musste man eine zuvor per Email erhaltene
Startbestätigung dabei haben und unterschreiben. Zusätzlich ein ärztliches
Attest sowie eine Bestätigung, dass man „versichert“ sei. Hierzu reichte aber
die Krankenkassenversicherungskarte. Einem Ukrainer vor mir wurde hier eine
Versicherung verkauft. Gut dass ein Mädel recht gut Englisch sprach, sonst hätte
das alles doch noch mehr genervt.
Als Starterpaket gab es eine Tüte, die auch als Kleiderbeutel genutzt werden
konnte und die Startnummer mit Vor- und Zunamen, allerdings alle mit
ukrainischer Flagge, mit integriertem Einmalchip sowie ein gutes Programmheft
und einen Streckenplan mit Höhenprofil enthielt.
Ein schönes Funktionsshirt konnte für ca. 12 Euro gekauft werden, was bei einem
Startgeld für den Marathon zwischen 18 und 25 Euro je nach Anmeldezeitpunkt
völlig okay war.
Von der Pasta Party (Tickets extra zu kaufen) war natürlich um die Uhrzeit nicht
mehr viel zu sehen und auch die kleine Marathonmesse war für mich nicht
besonders ergiebig.
Also mit einem Kiewer Läufer in seinem Auto zurück in die Stadt und gut.
Startnummernausgabe auf der Expo etwas außerhalb der Stadt
Infos zur Strecke nochmals im Startbereich
Die Startblöcke für die verschiedenen Läufe
So sieht das von oben aus
Was wird das heute wohl?
Kurz vor dem Start
Die Spannung steigt
Die Nationalhymne wird gesungen
Jetzt geht es...
... los!
Sonntag, Marathontag. Ein bedeckter, kühlerer Morgen, ideales Laufwetter.
Für die Marathonis und Staffelläufer war am Majdan Platz auf der Khreschatyk
Straße, dem Boulevard der Kiewer, ein riesiges, clever konzipiertes
Start/Ziel-Areal mit einer Startreihe unterteilt in Blöcken, je nach Laufzeiten,
aufgebaut. Die in Abständen später startenden Läufe über 2, 5 und 10km hatten
eigene Startreihen.
Es standen ausreichend Umkleidezelte, Kleiderbeutelaufbewahrung und Toiletten
zur Verfügung und es wurde im Startbereich schon Wasser ausgegeben.
Nach einem Aufwärmprogramm, ein paar kurzen Reden sowie nach dem Abspielen der
Nationalhymne war es soweit.
Der Start war kurz nach 9 Uhr, es ging vorbei an der Friedenssäule zur
Stadthalle und Philharmonie, die nach ungefähr 500m erreicht waren. Rechts über
Kopfsteinpflaster und gleich wieder links ging es vorbei am alten Dynamo Kiew
Stadion. Dann zwischen zwei Parks und unter einer markanten Fußgängerbrücke
hindurch, rechts weiter auf halber Höhe zwischen dem riesigen Fluss Dnjepr und
Park in Richtung Patona Brücke.
Zuerst steht jedoch linkerhand ein moderner Glaspalast mit
Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach, welcher vom ehemaligen Präsidenten
Janukowitsch gebaut, aber der bis heute nie genutzt wurde, dann ging es leicht
bergan mit ersten Blicken auf die goldenen Kuppeln der Kirchen des
Höhlenklosters.
Dieses wurde bei km 4 rechts passiert um bei km 5, vorbei an musealen Panzern
und anderem Kriegsgerät des Heeresmuseums, am Denkmal „Mutter Heimat“, einer
riesigen 102m hohen Statue, am Sockel umgeben von beeindruckenden gegossenen
Reliefs, die ersten Regentropfen zu erleben.
Jetzt ging es ca. 60 Höhenmeter bergab zum fast 2km breiten Dnjepr, den wir auf
der Patona Brücke überquerten um nach einem weiteren Kilometer den ersten
Wendepunkt bei km 10 zu erreichen.
Zurück ging es wieder über die Brücke mit herrlichem aber leicht verregneten
Blick auf die Statue und das Höhlenkloster, um dann in gut 2 Kilometern wieder
70 Höhenmeter auf einer mehrspurigen Schnellstraße zu gewinnen. Dann rechts ab
und durch etwas langweiligere Straßenzüge an der St. Nicholas Kathedrale vorbei
zum neuen Dynamo Stadion bei km 19.
Der leichte Nieselregen hatte hier bereits schon wieder aufgehört und bei
Temperaturen um gefühlte ca. 20°C und teilweise stärkerem Gegenwind war ein
angenehmes Laufen möglich. Wir hatten aber wohl auch Glück, denn einige Straßen
waren richtig nass, d.h. den großen Husch hatten wir bzw. ich gar nicht
mitbekommen, denn die Klamotten und Schuhe wurden nicht einmal durchnässt.
Das beeindruckende Stadion wurde halb umlaufen und es folgte linkerhand die
große zentrale Markthalle. Jetzt rechts und wir waren auf der Kreschatyk Straße,
welche uns nach einem knappen Kilometer zum Start-/Zielbereich und damit zur
Halbmarathonmarke geleitete. Mit uns freuten sich hier viele Zuschauer.
Überhaupt, es gab an der gesamten Strecke immer wieder Stimmungsnester und auch
ein paar Musikgruppen die für gute Stimmung sorgten. Die Verpflegungsstellen
waren maximal alle 5km voneinander entfernt und mit jeweils mindestens mit
Wasser, aber auch mit Elektrolytgetränk, Äpfel, Bananen und Schwämmen bestückt –
also völlig läufergerecht.
Die Friedenssäule und das Hotel Ukraine
Noch ist das Feld dicht beisammen
Durch diese Werbebögen musst du laufen
Die Philharmonie
Am alten Dynamo Stadion
Noch sieht man nur lachende Gesichter
Das Feld ist noch dicht beieinander
Glaspalast mit Hubschrauberlandeplatz
Die ersten goldenen Kuppeln
Am Höhlenkloster
Jeder Kilometer ist ausgeschildert
Am Heeresmuseum
Eines der vielen Reliefs an der „Mutter Heimat“
Die 102 m hohe „Mutter Heimat“, gleichzeitig Wendepunkt der 10km
Es geht auf die 2km lange Patona Brücke über den Dnjepr
Auf der Brücke, im Hintergrund „Mutter Heimat“
Wendepunkt bei km 10
Die 4.30h Zugläufer kommen noch entgegen
Blick auf die Altstadt
Jetzt geht es schön bergan
Die machten gute Musik |