Der König im Bayerwald beim Ultratrail Lamer Winkel am
30.05.2015 - Bildbericht von Thomas Eller
Eigentlich soll man ja nicht über andere Läufe schreiben,
wenn man am Bericht eines Laufs sitzt, schon gar nicht, wenn dieser Lauf ein
ganz neues Event ist, geboren aus einer Idee, in einem weit entfernten Zipfel
Deutschlands einen Ultralauf zu basteln, der mindestens vier Berge beinhaltet,
davon einen der drei bekanntesten deutschen Gipfel, den Arber.
Zudem sollte dieses neue Event enorm viel Single Trails, viele Anstiege und auch
technisch schwierige Abstiege beinhalten. Ach ja, Asphalt, oder wie dieses
schwarze Zeugs auf dem Boden heißt, kam eigentlich gar nicht vor.
Später dann, wenn ich mal in den Läuferhimmel umgezogen sein werden, dann soll
es dort oben im neuen Paradies möglichst ähnlich sein.
Wenn ich dennoch ein paar Zeilen über den
Goldsteig-Lauf
schreibe, dann nur deshalb, weil ein Teil der Laufstrecke eben in dieser
Gegend, auf diesem Trail, stattgefunden hat. Vergleichen kann man ja einen 650
km Event nicht mit einem 53 km Laufevent, aber nach dem UTLW (Ultra Trail Lamer
Winkel) verstehe ich den Macher des Goldsteig-Laufs besser, wenn er von einer
Gegend schwärmt, die man unbedingt mal belaufen haben muss.
Links der Autor, in der Mitte OK Präsident Max Hochholzer und rechts Bernie
Manhard
Viel ist schon geschrieben worden über diesen „neuen Stern am
Trail-Himmel“, über das strikt auf 400 Ultraläufer begrenzte Läuferfeld und auch
darüber, dass diese Veranstaltung außer in „unser aller Bibel“, dem
Trail-Magazin, wohl nur noch über die sozialen Medien beworben wurde. Und
dennoch war die Erwartungshaltung so hoch, dass diese wenigen Startplätzchen so
schnell vergriffen waren wie die Spekulatius-Plätzchen, die mit dem Morgenkaffee
gereicht werden.
Und das Schönste daran war, dass ich tatsächlich das Glück hatte, einer dieser
wenigen privilegierten Läufer zu sein, die sich auf den kleinen Arber, den
Arber, das Zwercheck, den Osser und den kleinen Osser quälen durften.
53 Kilometer, 2.700 Höhenmeter, extrem viel Trail und eine wunderbare
Landschaft, all das war versprochen. Versprechen gehalten. Zudem gab es mit dem
„Osser Riese“ auch eine 13 Kilometer
Kurzdistanz, die die LäuferInnen „nur“ auf den Osser und den kleinen Osser
führte. Und wenn man also auch etwas Kritik am Gesamtevent äußern soll, dann
vielleicht nur, dass die Spreizung von 13 und 53 Kilometern vielleicht ein wenig
groß ist und mit einer dritten Länge gefüllt werden könnte.
Ähnlich faszinierend wie diese Versprechen war für mich auch das
„Rahmenprogramm“ des Events. Es fing für mich schon damit an, dass ich mich „in
der Familie“ fühlte. Nicht nur in der Läuferfamilie, in der Familie der
Ultraläufer, die ich so liebe. In der Familie, wo Du selbst 650 Kilometer vom
Heimathafen entfernt kaum fünf Minuten findest, in denen Du nicht lieb gewonnene
Freunde drücken und mit Fragen bombardieren kannst. „In der Familie“, weil der
Hauptsponsor Dynafit hieß. Seit Mitte letzten Jahres laufe ich ja Bergstrecken
nur noch mit dem Dynafit Feline Featherlight und dieser Schuh durfte sich auch
den Nebel auf den Bergen des Lamer Winkels ansehen. Und weil Sziols ein Sponsor
war, „meine Sportbrille“, unbeschlagbar. Und auch, weil Mario Schönherr mit
TRAIL-MANIAK einen Infostand an der Startnummern-Ausgabe hatte und ich so die
Gelegenheit hatte, endlich mal wieder persönlich mit ihm reden zu können. Viel
gemeinsamen Weg haben wir in den letzten Jahren zurück gelegt.
„In der Familie“ aber auch, weil ich Max Hochholzer, einen der Veranstalter,
endlich einmal persönlich kennenlernen durfte. Auf Facebook hatte ich schon so
viel von ihm gelesen und ich hatte ihm, um ihm das Erkennen einfacher zu machen,
schon vorab aus London über Facebook das unten stehende Foto geschickt. Auch
hier sei erwähnt, dass ich der Typ rechts auf dem Foto bin. Diesen Hinweis hatte
ich auch Max gegeben, er hat ihm dann auch sehr geholfen.
Für mich begann das Rahmenprogramm schon Wochen und Monate zuvor auf Facebook.
Ständig wurden wir Läufer informiert über nahezu alles, was wir wissen wollten,
über alles, auf das wir uns freuen durften.
Und dann, am Tag vor dem Rennen, kam die Startnummernausgabe. Mit Pasta-Party.
„Pasta-Party“ klingt mittlerweile oft dröge und langweilig, beim Start im
Seepark Arrach aber herrschte Party pur.
Die Startnummernausgabe war gut organisiert und wenn ich
nicht so viele LäuferInnen getroffen hätte, mit denen ich unbedingt noch ein
Schwätzchen halten wollte, hätte es die Pasta auch schon gegeben, bevor ich
richtig hungrig war. So aber knurrte der Magen schon sehr, als ich endlich meine
Pasta bestellen durfte. Natürlich war für mich als Vegetarier etwas dabei, ein
Hoch auf die bayerische Küche! Und das alkoholfreie Bier musste ich mir nicht
einmal selbst holen, es wurde mir an den Tisch gebracht. Briefing, Musik,
allerbeste Stimmung und Bürgermeister, die mal nicht stocksteif waren und die
üblichen gestelzten Floskeln runter beteten, da stimmte einfach alles. Dass die
Bayern feiern können, das wussten wir ja schon, dass das aber so sympathisch
geschehen kann …
Ich schlief wegen meiner Begleitung, die in Regensburg
arbeiten musste, in Regensburg und so war die Nacht kurz und ich kam erst 30
Minuten vor dem Start an. Früh genug aber, um wieder zu herzen und zu drücken
und mir die Lauffreunde auszusuchen, mit denen ich die ersten Kilometer angehen
wollte. Ach ja, Kritik äußern. Vielleicht überlegen es sich die Organisatoren
beim nächsten Mal, ein wenig Wasser am Start bereit zu stellen. Im
Toilettenwagen stand „Kein Trinkwasser“ und in meinen Flaschen war gähnende
Leere. Wie gut, dass mir mein Freund Robert mit mir sein Wasser teilte.
Ein Schuss zum Start, Blasmusik an der Strecke, eine Runde um den kleinen See
und ab auf eine lange Wiesenpassage, bis es nach knapp drei Kilometern zum
ersten Mal rauf ging. Ich hielt mich einigermaßen weit hinten, wie immer. Ich
wollte ja auch ein paar Fotos machen und die Ausblicke genießen. Und ich war zu
warm angezogen, obwohl ich nur ein Kurzarm-Laufshirt trug, dazu aber eine dünne
Dreiviertelhose. Bin ich denn doof, bei gefühlt dreißig Grad so etwas
auszuwählen?
Statt meiner Armlinge hatte ich dummerweise ein zweites Paar
Wadenkompressionsteile dabei. Macht nichts, es ist ja brüllend heiß. Wer braucht
da schon Armlinge?
Irgendwann wurde es dann kühler, noch vor dem ersten
Verpflegungspunkt. Aber den Windbreaker herausholen und anziehen wollte ich
nicht. Kostet ja Zeit und macht ein schlechtes Karma. Wir Männer leiden da
lieber.
Der erste Verpflegungspunkt war wie die nachfolgenden auch,
liebevoll bestückt. Liebevoll bezogen auf die Menschen, die sich um uns
kümmerten, bezogen aber auch auf das, was da angeboten wurde. Das Übliche,
natürlich. Dazu aber PowerBar Riegel und Kuchen, ganz besonderen Kuchen. Veganen
Kuchen gab es und glutenfreien Kuchen – das habe ich ja so noch nie erlebt. Das
Paradies muss tatsächlich im Lamer Winkel sein. Für Trailrunner, aber auch für
Vegetarier und Veganer. An dieser Stelle ein ganz herzliches DANKESCHÖN an die
Veranstalter, dass sie sich um uns so viele Gedanken gemacht haben.
Als wir die 1.000 Meter-Marke überschritten wurde es noch kälter und neblig. Der
Regen setzte ein und ich vermisste meine geliebten Armlinge, die Dreiviertelhose
aber begann ich langsam zu lieben. Nur anhalten und den Windbreaker anziehen,
das wollte ich noch immer nicht. Du weißt ja, wegen dem Karma und so.
Heftiger Wind kam auf, der Regen wurde immer stärker und dann
begann es sogar zu hageln. Das mit dem schlechten Karma war mir nun egal, der
Windbreaker sollte mich retten, aber das Fehlen von Handschuhen gab in dieser
Phase des Laufs sicherlich Abzüge in der B-Note. Ich fror, ich zitterte und ich
dachte ans Aufhören. Wir waren gerade mal auf dem Weg auf den ersten Berg.
Mindestens noch vier Stunden zu gehen, noch vier Stunden zu frieren?
Der kleine Arber ist nicht allzu hoch, aber er ist schon einigermaßen schwer zu
besteigen, oben glitschig mit all den blanken Steinen. Aber danach, als es
wieder runter ging, war der starke Wind vorbei und ich hörte langsam auf zu
frieren. Auch später fror ich nicht noch einmal, auch nicht auf den höheren
Gipfeln. |