Bundesorientierungslauf ( = BuOL) durch Deutschland vom 21.08 - 02.09.2016 - Laufbericht von Bernadette
Obermeier
Es war die Idee von Thomas Schmidkonz einen BuOL zu starten. BuOL
=Bundesorientierungslauf vom niedrigsten Punkt Deutschlands zum höchsten Punkt
Deutschlands
Der höchste Punkt in unserem Bundesgebiet ist bekannterweise die Zugspitze, der
niedrigste Punkt, ja klar, er liegt in Niederndorf -Sachsenbande, weit oben in
Schleswig Holstein, 1250 km zu Fuß. Der Weg wird angeboten inklusive
Selbstversorgung, d.h. man kümmert sich um alles wie Verpflegung und
Übernachtung sowie Finden des Weges selbst.
Ich fasse im Frühling meinen Entschluss,
laufe schon mal in Niederbayern und am französischen Jakobsweg Probe,
ereifere mich vorher am Rennsteig, im Allgäu, an der Zugspitze und stelle fest,
dass ich öfter den Weg verfehle, im Kreis laufe oder besser gesagt der GPS und
ich wir verstehen manche Dinge eben anders.
Tag 1: Itzehoe - Neuendorf Sachsenbande- Itzehoe
So starte ich mit meinem 6 kg Rucksack (Schlafsack, Biwak, Unterlegmatte, 1x
Wechselkleidung, Regenkleidung, 3 Paar Socken, Handy, Ersatz Akku, Power Bank,
Batterien AAA und AA, 1 Taschenlampe, was zu schreiben, Zahnbürste, Zahnpasta,
Bürste, 1 Hautcreme und 1 Straßenkarte von Marco Polo ) am Sonntag Nachmittag
den 21.08. nach der Arbeit von der Rhön aus nach Itzehoe, fahre mit dem ICE über
Hamburg und komme um 22.30 bei strömenden Regen in Itzehoe an, laufe 1x durch
die Stadt, bin richtig durchgenässt, suche mir eine Unterkunft im "Hotel Waldesruh", schlafe unruhig, werde um 6.00 pünktlich mit einem Stich ins Auge
geweckt, das Auge schwillt an, es ist zum Heulen, eine Wespe hat es sich auf
meinem Auge bequem gemacht. So laufe ich Montag früh los mit Sonnenbrille bei
strömenden Regen, da ich einen furchterregenden Eindruck bei den Passanten
erwecke. Ein gutgemeinter Typ über Whats App, sofort kühlen, das ist zwar
sehr gut gemeint, aber wenig praktisch so früh um 6.30 Uhr einsam im Wald!
Tapfer laufe ich mit Sonnenbrille einen groben Umweg über Wilster nach
Niederndorf -Sachsenbande, finde den tiefsten Punkt in Deutschland, entdecke die
Zeilen von Thomas im Gästebuch, freue mich riesig darüber, verlaufe mich kräftig
weiter, bei einer vermeintlichen Abkürzung über die Kuhweide rette ich mich bei
einem mutmaßlichen Angriff eines Großrindes mit einem Sprung über den Döker
(Sumpf), gehe tapfer weiter über die feuchten tiefen Wiesen Schleswig Holsteins,
um wieder in Itzehoe zu landen.
"Hotel Waldesruh" ist geschlossen wegen Überflutung, ich quartiere mich am Eingang
der Grundschule ein, ein Mantra Chor übt nebenan und mit sanften Klängen schlafe
ich ein.
Tiefste Landstelle Deutschlands
Stich am Auge
TAG 2: Itzehoe -Stade
Schon früh frage ich sämtliche Einheimischen vor Ort nach dem weiteren Weg zur
Elbfähre Richtung Glückstadt, es regnet immer noch, ich nehme unspektakulär die
Radstrecke neben der Bundesstraße, durchquere schöne Dörfer (Krempe), besteige
die Fähre in Glücksstadt nach Wischhafen und komme bei 30 Grad Celsius am
wunderschönen Elbdeich an. Am Elbdeich schaut es aus wie an der Nordsee und ich
schmecke erst einmal das Wasser ab, um sicher zu gehen, dass ich richtig liege.
Ein Bad am Elbestrand gibt Riesenenergieschübe, ewig weiter geht es am Damm
entlang, ich bitte ab und zu Fahrradfahrer mein Gepäck bis zum nächsten Hof
mitzunehmen und es entwickelt sich daraus fast ein Spiel daraus. Gegessen wird
im Gasthaus von Stemm im sogenannten ALTEN LAND, hier erzählen sich die Gäste,
der Wirt und ich Geschichten wie am Lagerfeuer und überglücklich erreiche ich
das "Hotel Waldesruh" kurz vor Stade.
Fähre von Glückstadt nach Wischhafen
Museumsschiff in Stade
Stade
Tag 3: Stade – Buxtehude
Frühmorgens schaue ich mir wunderschöne Städtchen Stade mit dem alten Fischhafen
an, verlaufe mich im alten Land und werde von einem Apfelbauern des Feldes
verwiesen, um schließlich Richtung Lühedeich weiterzugehen.
Der Lühedeich verschlägt mir vor lauter Schönheit, Sanftheit und Ruhe fast den
Atem, selbst die große Hitze stört nicht mehr. Hier werden 80% der deutschen
Äpfel angebaut und ich laufe munter weiter durchs Apfelland, bis nach Buxtehude,
das ich aber schnell durchkreuze
Fazit des Tages: Der beste Kiosk steht am Ende des Lühedeichs
Sehr weit bin ich an diesem Tag gelaufen und am Ende des Tages ruft mir ein
Fahrradfahrer zu: "JA, ES IST SCHWER NACH HAUSE ZU LAUFEN!"
Blindschleiche
Am Lühedeich
Badedeich Wesel
Tag 4: Buxtehude - Wilseder Berg
Über Fahrradwege laufe ich großen Schrittes zur Lüneburger Heide, hervorzuheben
Frau Lachmann an der Tankstelle in Spröte und der Weseler Badeteich, die mich
vor dem sicheren Hitzetod bewahren.
Angekommen in Undeloh, einem schönen Touristennest, esse ich zufällig zusammen
mit Andrea, es ist als ob wir uns schon ewig kennen und ich biwakiere im
Nationalpark Lüneburger Heide, völlig ohne Insektenstiche und einem
Sternenhimmel so nahe wie der in Asien.
In der Lüneburger Heide
Heidequelle
Tag 5: Wilseder Berg – Hermannsburg
Für mich eine der schönsten Streckenabschnitte der Lüneburger Heide,
eindrucksvolle Grabhügel am Totengraben bis hinunter nach Bispingen.
Hier gibt es früh um 7.00 gleich im ersten Hotel das einzige Frühstücksbuffet
dieser Reise, zum ersten Mal esse ich Honig direkt aus der Wabe, die Chefin
persönlich verwöhnt mich mit den hiesigen Spezialitäten und lehnt jede
materielle Zahlung ab. Eine Gruppe trinkfreudiger übergewichtiger Berliner,
einheitlich ausgestattet mit dem Stern einer sehr bekannten Automarke, unterwegs
nur mit der Zugmaschine eines LKW des gleichen Sterns lehnt es im gleichen
Moment ab, mein Gepäck von 6.5 kg in die 7 km entfernte Ortschaft mitzunehmen,
der Grund ist einfach: "Mädchen, das Gepäck hat keinen Platz!"
Weiter geht es ins öde Munster, ein Campingplatz bei Örtze mit dem gleichnamigen
Fluss lässt meine Laune wieder steigen und heute wird das Hotel gewechselt:
Maisruhe heißt es und ich werde es nie wieder in meinem Leben buchen
Tag 6: Hermannsburg – Celle
Unerträglich heiß und unspektakulär, keine Besonderheiten, Celle Altstadt ist
wunderschön lebendig, einem Maurerlehrling auf der Walz nähe ich bei 35 Grad
Celsius einen Knopf an sein Jacket, im Gegenzug schicke ich ihn in die nächste
Kneipe, um für mich den Weg auszukundschaften.
Eine Gruppe Jungs feiert den Junggesellenabschied des Bräutigams, ich darf den
Bräutigam küssen, zahle dafür und ergattere noch einen Lippenpflegestift für
meine Tochter zuhause. Willkommen im Stadtleben!
Tag 7: hinter Celle- Adenbüttel
Wüstenhitze, unerträglich schwül, eine schlafende Sau bringt mich zum Totlachen,
wichtig an diesem Sonntag. Geschäfte haben zu. An jedem Friedhof, in jedem Dorf
fülle ich meine Wasserflasche auf oder lasse sie auffüllen. Die wichtigste
Überlebensfrage: „Kann ich mal ihren Gartenschlauch benutzen?“
Abends Abkühlung, das erste Gewitter, ich komme auf Umwegen in eine
Privatpension nach Rethe und schlafe das erste und letzte Mal auf dieser Reise
in der sogenannten Zivilisation und komme zu der erstaunlichen Erkenntnis:
Wie befremdlich und kompliziert, das Geld hättest du dir sparen können
Tag 8: Adenbüttel- Braunschweig – Wolfenbüttel
Würzburg hat Braunschweig aus dem Pokal gekickt, ich sehe das erste mal in
meinem Leben den Mittellandkanal, bin beeindruckt und laufe durch bis
Wolfenbüttel, kulturell wohl die interessanteste Stadt mit Wilhelm Busch und
Lessing. Impressionen im alten Forsthaus mit der kecken Wirtin das allerbeste
Vesper dieser Reise eingenommen, lustig verlasse ich das alte Forsthaus und zum
ersten Mal schlafe ich tief und fest bis 10.00 Uhr natürlich im "Hotel Waldesruh".
Braunschweig
Tag 9: hinter Wolfenbüttel bis Harzer Brocken
In großen Schritten verändert sich die Natur wieder und ich laufe mit großen
Schritten dem Harzer Brocken entgegen, Bad Harzburg scheint die längste
Fußgängerzone der Welt zu haben, der Aufstieg zum wunderbaren Brocken beginnt
abends um 17.30, das grüne Band begleitet mich immer wieder, um 20.00 erreiche
ich den Harzer Brocken, ein Fuchs promeniert um den Brockenstein herum. Marina
schießt ein tolles Foto vom wohl angefütterten Touristenfuchs und gemeinsam
trinke ich mit ihr im siebten Stock des Brockenskylines einen Gipfeltrunk.
Ich bin einfach nur froh keine 80 Euro für das Brockenzimmer ausgeben zu müssen
und steige mitten in der Nacht über Schierke ab, all meine Konzentration nehme
ich zusammen um den Harztod zu entgehen, es ist ein Weg mit Steinen, die sich
meterhoch in den Weg legen.
Im "Hotel Waldesruh" friere ich diese Nacht erbärmlich, ich sehne das Brockenhotel
herbei, das mit den Temperatur- und Höhenunterschieden will noch gelernt sein.
Baumwipfelpfad im Harz
Schutzhütte im Harz
Kolonnenweg im Harz
Eckertal Stausee, dahinter der Brocken
In 1000 Meter Höhe
Bernadette auf dem 1142 m hohen Brocken
Tag 10: Schierke – Elend – Braunlage – Bad Sachsa
Fix und fertig am nächsten Tag laufe ich teilweise über den Hexenstieg (suuuuuuuuuper)
bis nach Elend und von da aus über die stillgelegte Südharzer Eisenbahnstrecke (SHE)bis
nach Bad Sachsa, ein wahrlich genialer Weg, wobei ich am ehemaligen Bahnhof
Stuberhai einer Wildfütterung beiwohne.
Tag 11: und 12: Bad Sachsa -Leinefelde – Heilbad Heiligenstadt - Eschwege
Bahnhof
Der Harz ist Vergangenheit und es geht noch 2 Tage durch das hügelige Thüringen,
ich begegne dort sehr, sehr wenigen Menschen, darunter John aus Amsterdam, er
fährt mit seinem Fahrrad die Strecke Amsterdam - Dresden - Amsterdam, er
begleitet mich laufend 5 km und es ist wunderbar eine Strecke gemeinsam teilen
zu können, in Thüringen gibt es irgendwie nichts, keine Fahrradwege,
Wegbeschreibungen fehl am Platz, die Menschen werden merklich distanzierter, die
Einstellungen von früher sind geblieben und ich frage mich: "Wo sind die jungen
Leute"
Zufälligerweise erlaufe ich ungeplant den geographischen Mittelpunkt
Deutschlands im thüringischem Nirgendwo, um genauer zu sagen in Flinsberg. An
diesem Tag kann ich bis zum Inselberg am Rennsteig schauen und ich beschließe
das dies damit ein gutes Ende meiner längsten Laufreise sein soll.
Ich laufe bis zum Bahnhof nach Eschwege und bin an diesem Tag nochmal Tourist in
einer schönen Stadt und werde Deutschlands zweiten Teil wohl im Herbst angehen.
Haustiere
Werrasee
Eschwege
Bernadettes Track
Stichpunktartig mein persönliches Fazit:
-
Deutschland ist erstaunlich schön
-
Schleswig Holstein, Elbedeich, Lühedeich, Lüneburger Heide
sowie der Harz sind Top
-
in Thüringen stimmt etwas nicht
-
die vielen Pflaumen, Äpfel und Brombeeren auf der Strecke
sind lecker
-
das Wasser ist noch sauber
-
man kann mit Training problemlos 50 km am Tag laufen
(zumindest 12 Tage)
-
so eine Reise ist mit dem richtigen Partner wohl ein Band
fürs Leben (oder nicht)
-
die Menschen sind sehr nett
-
die Menschen haben mir nicht geglaubt, dass ich alles
alleine bewältigt habe
-
Großstädte umgehen, sie verursachen Stress
-
man kann sich und seine Kleider problemlos tgl. im Fluss
waschen oder baden
-
Erschreckend der viele Müll in den Straßengräben
-
Erschreckend das auffällig viele „Spritzen „der Äcker mit
chemischen Mitteln
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Grashüpfer und Bienen waren Mangelware
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Das maskuline deutsche Volk säuft zuviel
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Einheimische und Taxifahrer kennen jeden erdenklichen Weg
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ein 1 Euro Poncho aus dem Ramschladen ist eine sehr gute
Investition auf dieser Reise
-
man findet den Weg auch noch ohne GPS
-
GPS Navigieren übe ich weiter
-
Mein Strecke ist unter www.gpsies.com, Stichwort Bernadette abrufbar
Bis bald und viele Grüße aus der Rhön,
Eure Bernadette |