Trans Gran Canaria 2016 – a goal
a dream!
Was für ein Lauf auf der
Zauberinsel. Harte Fakten zu Hauf.
125 Kilometer lang (wir maßen 129 Kilometer), 8.000 Höhenmeter im Aufstieg (wir
maßen 6.700 Höhenmeter), 30 Stunden maximales Zeitlimit, 265 DNF, 518 Finisher
mit dem deutschen Magnus Hagen als letztem, der es in die Wertung geschafft hat.
Sandstrand auf Gran Canaria
Gregor Endl als bester von 19
deutschen Finishern mit 18:12:52 Stunden auf Platz 54, mehr als 4 ½ Stunden
hinter dem Sieger. Mir wird niemals einleuchten, wie ein Mensch einen solchen
Kurs in unter 14 Stunden bewältigen kann …
Aber wen interessieren „harte Fakten“? Wenn ich den Trans Gran Canaria
beschreiben soll, dann geht das nicht, ohne ein Gefühl zu vermitteln. Ein
Gefühl, auf einer der vielleicht schönsten Inseln der Welt laufen zu dürfen.
Gran Canaria besticht
nicht nur durch die Topografie, es geht rauf und runter, was auch dem
erloschenen Vulkan „Pico de las Niéves“ geschuldet ist, sondern auch durch die
größte Dünenlandschaft Europas.
TOM am Roque Nublo beim TGC 2014
Der „Roque Nublo“ ist das
Wahrzeichen, natürlich läuft man beim TGC dort hin und auf den Riesenstein zu,
zudem ist Gran Canaria ein Miniaturkontinent mit immerhin 14 Mikroklimazonen.
Gran Canaria hat einen Durchmesser von rund 50 Kilometern, dort einen Lauf mit
125 Kilometern auszurichten, bedeutet, dass man definitiv nicht den kürzesten
Weg von einer Inselseite zur anderen wählen darf.
Die Inselmitte alleine ist jeden Schritt und jeden Blick wert und die Städtchen,
die durchlaufen werden, sind teilweise wunderschön. Und wenn dann der
Verpflegungspunkt an der schönsten Stelle im Ort aufgebaut ist, dann sind diese
Verpflegungs-Oasen Balsam auf die Seelen der Läufer.
Für mich war der Trans Gran
Canaria der vierte Start auf der Insel. Und jedes Mal war die Strecke anders. Du
stehst irgendwann am Freitagabend am Ziel an der Expo in Maspalomas und wartest,
im Bus zum Start in der bezaubernden Stadt Agaethe gebracht zu werden. Zum Hafen
dort, zum „Finger Gottes“ („Dedo de Dios“), der aber leider am 29. November 2005
vom Tropensturm Delta teilweise abgerissen wurde.
Schon beim Warten gesellst Du Dich zu den Deinen in der Ultrafamilie. Es wird
gequatscht und sich gegenseitig Mut zugesprochen. Später dann, wenn Du auf den
eigentlichen Start um 23.00 Uhr wartest, steigt sukzessive die Nervosität,
sodass Du die Schönheit des Städtchens Agaethe gar nicht richtig wahrnehmen
kannst. Ich hatte das immer erst nach dem Lauf bei Tag nachgeholt.
An Pflichtausrüstung gibt es nicht allzu viel, Du bist aber gut beraten,
Handschuhe, eine warme Mütze und einen Windbreaker dabei zu haben.
So warm es am Tag vor allem an der südlichen Küste ist, bei Nacht und in der
Inselmitte auf über 1.500 Metern über N.N. kann es, wenn es neblig ist, wenn es
stark windet, sehr, sehr kalt sein.
1.200 Meter geht es gleich mal stramm nach oben. Und mit der ersten Etappe kommt
auch gleich der erste Cut-Off, der unbedingt zu schaffen ist. Trödeln, das
verrate ich Dir gerne, geht gar nicht. Nicht beim Aufstieg und schon gar nicht
beim steilen und technisch schwierigen Abstieg danach.
Tamadaba, Tirma, es geht rauf und runter und kurz vor dem VP in Artenara war es
so bitter kalt, dass ich nicht wirklich wusste, wie wir die Zeit bis zum
Sonnenaufgang überstehen sollten.
Ich lief erst mit einer kleinen Gruppe enger Freunde und wechselte nach dem
zweiten VP den Laufpartner, weil er meine Mängel an diesem Wochenende
kompensiert hat.
Mein Licht war nahezu ausgefallen, meine Zuversicht, den Lauf beenden zu können,
war äußerst gering und ich wusste noch nicht, wie ich nach dem Finish zum
Flughafen kommen sollte. Wer ist denn auch so doof, sich einen Rückflug um 7.55
Uhr zu buchen, wenn die Zielschlusszeit um 5.00 Uhr ist? Aber unser „Deal“, uns
gemeinsam über die Strecke zu bringen, hat mich gerettet – in jeder Hinsicht.
Schon kurz nach Artenara wurde es hell und damit auch wärmer. Unser Zeitpolster
auf den Cut-Off schwankte von 45 Minuten über knapp eine Stunde, wieder runter
auf 30 Minuten. An manchen Etappen konnten wir sogar 45 Minuten zusätzlich auf
unser „Zeitsparbuch“ einzahlen, dass das notwendig war, sei Dir gesagt. Oder
anders formuliert: wer sich immer am Cut-Off orientiert, der wird die
DropBag-Station in Garanon nicht im Zeitlimit erreichen.
Fontanales, Valleseco, Teror, die schöne Stadt. Hier trafen wir viele Begleiter,
die auf ihre Heldinnen und Helden warteten, um sie zu motivieren. Zeitlimit
dort: 13.00 Uhr, also 14 Stunden Laufzeit für 56,2 Kilometer. Klingt viel, ist
es aber wahrlich nicht.
Der VP in Teror ist einer der schönsten VPs überhaupt. Romantisch vor einer
wunderschönen kanarischen Kathedrale gelegen, direkt auf dem Marktplatz, in der
Sonne, ist das Eintreffen dort so etwas wie eine vorweggenommene Belohnung.
Andererseits muss man auch einräumen, dass der Lauf jetzt eigentlich erst los
geht. Treppen und Stufen, steil bergauf, lang und weit bergauf, Hitze, Sonne,
wenn Du in Talayon bist, dann weißt Du, was Du getan hast. Und Du musst von
1.241 Metern noch auf 1.050 Meter Höhe runter, nach Tejeda. Auf 8,4 Kilometer.
Wenn da nur nicht der Berg vor Tejeda wäre, den Du erst heftig rauf und dann
stramm runter musst. Unser Zeitpolster war nun auf 75 Minuten angewachsen.
Von Tejeda an bin ich die Strecke wenige Tage zuvor mit dem drittbesten
Deutschen, mit Michael Vanicek und Jan Prohaska, einer der vielen DNFs, bereits
gelaufen, da kenne ich jeden Stein.
Wieder geht es steil rauf zum „Roque Nublo“, dem vielleicht schönsten Punkt der
Reise und von dort geht es wieder runter nach Garanon, wo die DropBags und
Nudeln auf die Läufer warten. Warten tun dort aber auch all diejenigen, die, aus
welchem Grund auch immer, einen DNF erleiden mussten und nach Garanon gekarrt
wurden, von wo aus sie gesammelt mit dem Bus zum Ziel transportiert wurden.
Drei Stunden Zeit geben Dir die Veranstalter für die Strecke von Tejeda nach
Garanon, immerhin fast 11 Kilometer lang. Und Du musst ja in Garanon schon wegen
des DropBags und der Nahrungsaufnahme viel Zeit für Dich selbst einplanen. Was
für ein Glück also, dass wir doch ein so ordentliches Zeitpolster hatten. Nach
dem Verlassen von Garanon war es auf bescheidene 10 Minuten zusammengeschrumpft.
Dann führt Dich der Weg rauf zum höchsten Berg der Insel, zum „Pico de las
Nieves“, zur „Schneespitze“, dorthin, wo die kanarischen Einwohner in der Zeit,
in der es noch keine Kühlschränke gab, kreisrunde Löcher gegraben und gemauert
haben, um sie mit verdichtetem Schnee zu füllen, der ihnen über Monate die
Möglichkeit gab, ihre Lebensmittel kühl zu halten.
Wenn ich mich bisher immer gefragt habe, ob der Name „Schneespitze“ nicht
vielleicht doch etwas übertrieben wäre, wurden wir heuer vom Gegenteil
überzeugt. Ein Schneesturm gut zwei Wochen vor dem Laufevent sorgte für gut 30
Zentimeter Schnee. Auch wenn dieser bis zum Event komplett weg geschmolzen war,
so grün und so nass habe ich diese wunderschöne Insel noch nie erlebt.
Wenn Du da oben stehst, auf dem „Pico“ oder am „Roque“, dann erlebst Du die
ganze Schönheit der Insel, die wilden und zerklüfteten Täler, die Berge, die
Stausseen und, als Zugabe gewissermaßen, den Blick auf den höchsten Berg
Spaniens, auf den Teide auf Teneriffa. Diesen Blick kann Dir niemand mehr nehmen
und die Erinnerung daran wird Dich auch nie wieder loslassen.
Von nun ab geht es tendenziell nur noch abwärts, aber den nächsten Cut-Off in
der zauberhaften Stadt Tunte / St. Bartholomä um 22 Uhr zu erreichen, das
bedeutet, dass Du die wohl schönste Laufstrecke der Insel, die Serpentinen bis
Cruz Grande, ziemlich zügig nehmen musst. 35 Minuten war unser Polster dann, als
es nach Tunte weiter ging Richtung Ayagaures. Tendenziell runter bedeutet aber
nicht, dass Du nicht noch einmal 400 Höhenmeter nach oben musst, dafür aber ist
der Abstieg recht moderat, nicht so wie in den Vorjahren, wo eine Prüfung auf
die Läufer zukam, die viele Teilnehmer erschreckt hat.
Dafür aber wurden die Läufer mit einem ausgetrockneten Flussbett erschreckt,
dass jede Planung Deiner Zielzeit ad absurdum geführt hat.
Stelle Dir vor, dass in diesem Flussbett nahezu alle Steine dieser Welt
versammelt herum lagen. Und kein Stein war fest. Du wackelst also nach rechts,
nach links, mal gar nicht und mal in alle Richtungen. Bei jedem Schritt, bei
jedem Stein.
Du bist müde, kaputt, unkonzentriert und schwach auf den Beinen – und dann so
etwas? Ich finde, das wäre nicht notwendig gewesen, aber was soll alles
Lamentieren?
Wer die Finisherweste haben will, der muss da durch. Oder besser: drüber. Beim
Downhill, im Flussbett und danach hat und fast niemand mehr überholt, wir aber
ließen doch etliche Menschen wie Slalomstangen stehen.
Am härtesten dabei war der
„japanische Steingarten“, aber nahezu jeder Meter Flussbett hatte es in sich.
Und dann wechselten sich laufbare Passagen mit erneuten Flussquerungen ab und
dann ging es irgendwann in den berühmten Kanal. Früher war das die Strafe,
dieses Jahr aber war der Kanal Erlösung und die Chance, etwas zu beschleunigen.
Das Kanalbett, komplett trocken, hat zwar auch viele Steine, die aber sind in
Beton gefasst und fest.
Raus aus dem Kanal, eine Promenade entlang, in den letzten VP (Parque Sur), rein
in den Kanal, raus aus dem Kanal, wieder eine Promenade, ein anderer Kanal und
zum Schluss vielleicht zwei Kilometer Straße. Zeit, ein letztes Mal Gas zu
geben.
Von der Straße runter, Richtung Expo und am Zielbogen vorbei und nach vielleicht
100 Metern folgt eine Biegung auf den Zielbogen zu. Was für ein Erlebnis!
Und dann bleibst Du nach der Ziellinie auf dem Fotopodest stehen, ein, zwei
Aufnahmen und dann kommt der schönste Moment des gesamten Laufs: Du holst sie
Dir.
Die Finisherweste, die 2016 ganz besonders schön war. Absolut tragbar.
Und Du fühlst, dass die letzten 28 Stunden und 37 Minuten zwar hart waren, aber
auch wunderschön.
Und dann beginnst Du, an den Start im Jahr 2017 zu denken.
Gran Canaria, ich liebe Dich.
Trans Gran Canaria– a goal a dream!
Links
|