Freitag 22:00 am Nordufer des Starnberger Sees: 300 Wanderer
und Läufer fiebern dem Startschuss des etwa 50 km langen Königmarsches rund um
den Starnberger Sees entgegen.
Alle wollen den See umrunden? Nein, einer der Wanderer tanzt
aus der Reihe und will vom Südufer des Sees in Richtung Schloss Neuschwanstein
laufen!
Dieser Eine ist meine Wenigkeit. Ich möchte nicht nur am
Starnberger See auf
König Ludwig II. Spuren wandeln, sondern auch sein berühmtestes Schloss das
Märchenschloss inmitten der Ammergauer Alpen ansteuern.
Mein Rucksack mit König Ludwig II - Pin
Der König
Das gut 120 km entfernt liegende Schloss möchte ich passend
am Montag den 11.6.2018, also genau am 132. Jahrestag seiner Verhaftung
erreichen.
Dahinter steckt folgende Geschichte:
Morgen vor 132 Jahren, am 9. Juni 1886 wurde Ludwig durch die
Regierung unter Johann von Lutz entmündigt. In der Nacht auf den 10. Juni
erschien eine Kommission in Neuschwanstein, um Ludwig abzusetzen. Der erboste
König ließ die Kommission festsetzen, aber entgegen seiner Erlaubnis wurde sie
wieder freigelassen. Einen Tag später erschien gegen Mitternacht eine weitere
Kommission unter dem Irrenarzt Bernhard von Gudden. Er teilte Ludwig seine
Absetzung mit, ließ ihn festnehmen und nach Schloss Berg am Starnberger See
transportieren.
Bild vom Kini
Der Kriminalfall
Am Folgetag, am Sonntag den 13.6.1886, unternahmen Ludwig und
sein ungeliebter Arzt von Gudden vor dem gegen 20:00 geplanten Abendessen einen
Abendspaziergang im Schlosspark in Richtung Starnberger See. Dabei setzte Regen
ein. Daher wurden die beiden zuerst nicht vermisst, weil man dachte, die beiden
hätten irgendwo Unterschlupf vor dem Regen gesucht. Schließlich schauten die
Verantwortlichen doch nach dem Rechten.
Gegen 22 Uhr fand dabei ein Hofoffiziant Überrock und Leibrock des Königs im
Wasser, eine halbe Stunde später entdeckten die Suchenden die Leichen des Königs
und des Arztes etwa 25 Schritte vom Ufer entfernt im seichten Wasser. Die später
aufgefundene
Taschenuhr
des Königs war um 18.54 Uhr stehen geblieben, weil Wasser eingedrungen war, die
Taschenuhr von Guddens aus gleicher Ursache dagegen erst um 20.10 Uhr.
Um den mysteriösen Tod Ludwigs II. ranken sich seitdem bis heute zahlreiche
Gerüchte, die auch einen möglichen Fluchtversuch bzw. die Erschießung des Königs
in Erwägung ziehen. Ob es Mord, ein Unfall oder Selbstmord war, ist bis heute
nicht geklärt!
Der Marsch
Das ist die traurige Geschichte um die sich dieser Marsch
dreht. Daher möchten wir dem Märchenkönig mit diesem Erinnerungsmarsch unsere
Referenz erweisen. Michael Raab, der ansonsten verrückte mehrtägigen Ultratrails
wie im wilden Kaukasus oder in den abenteuerlichen Bergen Korsikas veranstaltet,
ist der Organisator dieses geschichtsträchtigen Marsches. Auch ihn verbindet
viel mit dem "Kini". So organisierte sein Vater viel Organisatorisches beim
Drumherum bei
Luchino Viscontis berühmten Filmklassiker
Ludwig II., da
Viscontis Leute kaum Kontakte zu den Einheimischen an den originaltreuen
Drehorten hatten. Dieses Organisationstalent hat sich offensichtlich auch auf
seinen Sohn Michael vererbt.
Am Nordufer des Starnberger Sees findet der Start statt
Start mit Feuerwerk
Michael Raab gab uns auch noch mit seinem Megaphon die
letzten Infos zum Marsch durch. Die Akustik des etwas vorsintflutlichen Gerätes
lässt etwas zu wünschen übrig, aber soviel bekomme ich in etwa mit: Während sich
vor wenigen Stunden noch anderswo Gewitter austobten, soll es heute Nacht
trocken bleiben. Es ist also "Kini-Wetter" angesagt. Unterwegs erwarten uns drei
Verpflegungspunkte. Zuerst nach Mitternacht nach etwa 18 km in einem Hotel am
Westufer des Sees ein stimmiges Candlelight Dinner, später am Ostufer ein
Frühstück und dann im Ziel eine Weißwurstessen mit Weißbier. So gut sie sich
auch für mich anhören, auf die letzten beiden Labestationen muss ich
leider verzichten, weil die schon jenseits des Südufers liegen, von dem ich ja
in Richtung Neuschwanstein und Füssen abbiegen will.
Michael Raab gibt kurz vor 22:00 die letzte Infos zum Marsch bekannt
Nicht zum Geschoss einer Startpistole, sondern mit dem Böller eines Feuerwerks
findet der Startschuss statt. Zwar nicht mit der Lieblingsmusik Ludwigs also
Richard Wagner,
sondern mit Händels
Feuerwerksmusik bewundern wir ein wunderschönes Feuerwerk am Seeufer. Dieses
Schauspiel hält uns erst einmal auf, bevor wir die ersten Schritte des
Konigsmarsches unter die Hufe nehmen. Wie schön, dass ich heute gegen keine
knappe Zielschlusszeit anlaufen muss, sondern stattdessen gemütlich durch die
laue Sommernacht am Seeufer entlang wandern kann.
Beim Startschuss erleben wir noch ein Feuerwerk
Die Nachtwanderung
Im Prinzip folgen wir dem Uferweg des Starnberger Sees. Anfangs führt er leider
etwas an einer Straße entlang. In den zahlreichen Gaststätten am Seeufer feiern
heute die Starnberger, Münchner und andere Personen aus dem Umland den Beginn
des Wochenendes. Es herrscht also reger Verkehr.
Nach etwa 2 km Laufstrecke. tauchen wir auf einem schönen Trail in den
nächtlichen Wald am westlichen Ufer zwischen Starnberg und Possenhofen ab. Im
weiteren Verlauf der Strecke bin ich angenehm überrascht, dass wir nicht nur
asphaltierte Wege, sondern zwischendurch sogar auf schönen Singletrails wandern.
Dabei lerne ich Manfred kennen. Manfred lief schon viele Ultratrails und auch
bei Michaels Läufen auf Korsika mit. Er half heute schon Michael beim Markieren
der Strecke mit und hofft, dass die Markierungen ausreichen.
Das sollten sie auch, da die meisten von uns sich den GPS-Track der Strecke auf
ihr Smartphone oder ihr Navigationsgerät geladen haben. So auch ich. Später bin
ich dann schon froh, dass ich das getan habe, denn obwohl Schlüsselstellen
markiert sind und wir in der Regel dem Uferweg folgen, bleiben in der Nacht doch
manchmal Zweifel offen, geht es nun links, rechts oder geradeaus weiter. Nachts
ist halt die Orientierung nicht so einfach. So muss ich unterwegs auch einmal
den Einen oder Anderen zurückpfeifen, weil er oder sie eine Abzweigung verpasst
haben. Aber meist erweisen sich auch die falschen Wege als Alternativwege, die
irgendwann wieder auf das Seeufer und somit die geplante Strecke stoßen. So
leicht geht hier doch keiner verloren!
Büste eines Löwen während des Marsches durch die Dunkelheit am westlichen Ufer
des Starnberger Sees
Unterwegs treffen wir auch auf Michael. Er schaut nach dem Rechten und bringt
noch ein paar weitere Markierungen für alle Fälle an.
Es ist schon gegen 2 Uhr morgens, als ich das Candlelight Dinner am Marina
Seerestaurant erreiche, wo schon ein buntes Treiben herrscht. Diesmal bin ich
zwar nicht der Letzte wie so oft bei Laufveranstaltungen, aber auch nicht der
Erste.
Dort können wir zu einem freien Getränk zwischen Kalbsbratwürsten mit Beilage
und einer vegetarischen Suppe wählen. Ich entscheide mich für die Würste und
damit ich wach bleibe eine Cola.
Frisch gestärkt breche ich wieder auf. Mittlerweile ist es recht einsam geworden
und ich sehe nur noch wenig andere Mitmarschierer.
Nach dem Kindle Light Dinner geht es morgens um 3 Uhr durch den Bernrieder Park,
...
... in dem ich diese schönen Übernachtungsplatz entdecke, während der Rest der
Wanderer weiter um den See wandert
Erstes Biwak
Mittlerweile gegen 3:30 verspüre ich eine gewisse Müdigkeit. Da ich noch etwas
mehr als die anderen Königsmarschierer vorhabe, suche ich mir einen
Übernachtungsplatz. Der Bernrieder Forst bietet sich dazu an. Ich biege vom
Seeufer ab und folge einem Fahrweg. Dort kreuze ich ein Bächlein. Ich verlasse
den Fahrweg und folge durch dem Wald dem Bachufer, An einer weichen und ebenen
Stelle rolle ich meine Isomatte aus und lege mein Schlafsack darüber. Da es
heute Nacht trocken bleiben soll und die Nacht ohnehin bald vorüber ist, spare
ich es mir mein Tarp aufzuspannen. Bald schlafe ich ein.
Marsch zum Staffelsee
Gute zwei Stunden später weckt mich das Morgenkonzert der Vögel. Zwei Stunden
Schlaf waren nicht viel, aber dennoch erholsam. Meine Müdigkeit ist verflogen.
Mittlerweile ist es hell. Ich packe meine Sachen ein und laufe los. Sah gestern
in der Nacht alles Grau in Grau aus, jubiliert nun die Natur mit voller
Farbenpracht. So auch die wunderschönen Orchideen am Seeufer:
Orchidee am Ufer des Starnberger Sees
Gefiel mir schon gestern in der Nacht das Seeufer gut, so sieht es heute in der
klaren Morgenluft noch einmal um Klassen besser aus. Nachtläufe und Nachtmärsche
haben zwar ihre Reize, aber insgesamt gefällt mir es tagsüber schon besser, weil
es viel mehr zu entdecken gibt.
Blick auf den Starnberger See. Etwas südlich davon biege ich vom Südufer ab
Während die anderen Wanderer sich wohl schon Schloss Berg am Ostufer nähern und
ihr Frühstück auch schon hinter sich haben. biege ich in Seeshaupt am Südufer
des Starnberger Sees in Richtung Staffelsee ab und laufe dabei an den
wunderschönen kleineren Seen wie Gartensee, Grobensee, Lustsee und den Osterseen
vorbei, wo sich die Ufervegetation im kristallklaren Wasser spiegelt und sich im
Hintergrund die hohen Berge der Alpen wie ein Festungswall erheben. Also nicht
nur die Alpen, sondern auch das Voralpenland besitzt seine landschaftliche
Reize. Im Voralpenland fasziniert zudem der Blick in die Ferne, der zumindest in
engen Alpentälern eher eingeschränkt ist.
Die idyllischen Osterseen mit den Bergen im Hintergrund
Blütenmeer
Blick in Richtung Alpen
Wälder, offene Landschaften mit Viehweiden, kleine Seen und Hügel prägen die
Landschaft immer mit dem Nordkamm der Alpen am Horizont. Ab Mittag ziehen bei
drückender Luft bereits Gewitterwolken auf. Aber wenn ich überlege, wo ich mich
ggf. unterstellen kann, verziehen sich die Wolken wieder. Glück ist mir also
erst einmal hold.
Mittagessen in Spatzenhausen
In Spatzenhausen entdecke ich eine offene Gaststätte und kehre dort ein. Das
Holzfällersteak mit Bartkartoffeln ist reichlich und schmeckt, erweist sich als
die ideale Fernwandererkost. Am Nachbartisch sitzt eine ältere Dame. Ich komme
mit ihr ins Gespräch. Sie wohnt in München, verbringt aber ihr Wochenende in der
Regel in einem Wochenendhaus in Murnau. Als pensionierte Lehrerin könnte sie
eigentlich ganz nach Murnau ziehen, aber sie liebt den Gegensatz zwischen
Großstadt und Landleben. Die Abwechslung macht es also aus. Sie bietet mir an,
mich mit dem Auto bis nach Murnau zu fahren, weil das ja in etwa auf meiner
Strecke liegt. Ich winke ab, weil das ja nicht Sinn und Zweck der Tour ist.
Dennoch bedanke ich mich.
Ein Kälbchen guckt mich neugierig an
Kurz danach brechen wir beide auf. Sie im klimatisierten Auto und ich auf einer
Landstraße in Richtung Staffelsee voll der Hitze der Sonne ausgesetzt. Bei
Schloss Rieden stoße ich endlich auf den Rundweg um den Staffelsee, kann mich
also vom verhassten Asphalt verabschieden. Dabei suche ich ein schattiges
Plätzchen für einen verspäteten Mittagsschlaf. Finde aber nichts. Ich lege mich
stattdessen im Halbschatten auf eine Bank. Leider wandert der Restschatten bald
von mir weg. So breche ich wieder auf und erreiche bei Murnau das schöne Südufer
des Staffelsees.
Schloss Rieden am Staffelsee
Am östlichen Staffelseeufer
Bootshäuser am Staffelsee
Am Südufer des Staffelsees ziehen Gewitterwolken auf. Nachts überrascht mich an
meinem Biwakplatz ein heftiges Gewitter.
Gewitternacht oberhalb des Staffelsees
Das Schöne am Südufer ist, dass es nicht bebaut und auch nicht eingezäunt ist.
Der dort entlang führende Fahrweg ist zudem auch für den Durchgangsverkehr
gesperrt. Zwischen Ufer, Weg und Steilhang dahinter befindet sich nur ein sehr
schmaler ebener Uferbereich. Da es schon bald dunkel wird, frage ich mich, wo
ich da einen passenden Biwakplatz finden kann. Derweil ziehen bei schwülwarmen
Wetter immer mehr dunkle Gewitterwolken über den See auf. Das sieht nach einer
gewittrigen Nacht aus!
Einen passenden Platz zum Übernachten werde ich wohl nur auf dem Hügelkamm
oberhalb des Ufers finden. Dort oben werde ich aber auch verstärkt den Blitzen
ausgesetzt sein.
Während die Dämmerung anbricht, immer mehr Wolken aufziehen und es in der Ferne
bereit grummelt, biege ich auf einem steilen Fahrweg vom Seeufer ab und erklimme
die Höhen oberhalb des Sees. Oben bin ich längere Zeit auf der Suche nach einem
passenden Biwakplatz. Hinter dem Grat finde ich in einer Senke einen ebenen
Fichtenwald mit weichem Untergrund und wenig Unterholz und zudem fernab aller
Wege. Das ist der ideale Platz zum Übernachten! Auch sollte sich hier bei
starkem Regenguss kein Wasser ansammeln. Zwischen den Nadeln sickert es schnell
ab. Bäche jenseits von den Hängen sollten hier bei starkem Regenguss auch
nicht herabfließen. Einen besseren Platz finde ich nicht mehr. Ich stelle mein
Schrägdach nach Nordwesten hin auf, weil von da aus die Gewitterfront anrücken
sollte.
Kaum habe ich die Plane aufgestellt, rücken Donner und Blitze näher und es
beginnt zu regnen. Der Regen wird immer heftiger und so auch Blitz und Donner,
während ich unter meiner Plane liegend mit Bangen dem Geschehen folge.
Dabei regnet es sich immer mehr ein. Leider verlagert sich das Zentrum des
Gewitters nach Süden in die Berge direkt hinter mir. Daher kommt nun der Regen
allmählich von Südosten, so dass es in meine offene Seite hineinregnet. Ich
springe raus und versuche die Plane umzuspannen. Das will mir nicht so recht
gelingen, während in den Bergen hinter mir offensichtlich die Hölle los ist. So
viele Blitze und Donner parallel und kurz hintereinander habe ich bislang selten
gehört. Was bin ich froh, dass ich diese Nacht auf keinem Höhenkamm in den
Bergen hinter mir verbringen muss.
Endlich verzieht sich das Unwetter. Mein Schlafsack blieb halbwegs trocken, nur
meine Isomatte wurde etwas nass. Ich wische sie trocken und kann endlich nach
einer kurzen Nacht und einem anstrengenden Tag einschlafen, bei dem ich in den
letzten 24 Stunden immerhin etwa 61 km zurücklegte .
Nach dem Gewitter am frühen Morgen
Sonnenstrahlen der Morgensonne
Morgenbad
Die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen und das Gezwitscher der Vögel
wecken mich. Ich steige zum See ab und entdecke einen passenden Platz für ein
Bad im See. Das Wasser ist mild und fühlt sich so richtig warm an. Nach der
Schwimmeinlage im See und ohne der Schweißschicht der letzten Nacht und des
letzten Tags fühle ich mich wie neu geboren.
Da kommt ein Traktor mit einem Bauer angefahren. Er steigt aus und sucht
seine Axt, die er hier liegen gelassen hat. Erleichtert entdeckt er sie wieder.
So kommen wir miteinander ins Gespräch. Er ist bereits 84 Jahre alt, aber
arbeitet immer noch in seinem Wald und fällt auch noch selbst Bäume, wenn z.B.
der Borkenkäfer zugeschlagen hat. Mit der Klimaveränderung vermehrt der sich
leider immer mehr und auch von Asien dringen neue Baumschädlinge ein.
Am Südufer des Staffelsees nehme ich ein Bad. Das Wasser ist sehr mild und
angenehm.
Voralpenland auf dem Weg nach Bad Kohlgrub
Mein nächstes größeres Etappenziel ist derweil Bad Kohlgrub. Im Ortszentrum
entdecke ich eine Pizzeria und bestelle mir eine Pizza Frutti di Mare, die sehr
lecker schmeckt.
Leckere Pizza in Bad Kohlgrub
Auf der Königsstraße
Nachmittags laufe ich bei ziemlicher Hitze über das Forsthaus Unternogg auf der
Königsstraße in Richtung Trauchgau. König Ludwig II nutzte die Königsstraße als
Weg für seine Kutsche, wenn er zwischen Schloss Neuschwanstein und Linderhof hin
und her pendelte. Dabei kehrte er öfters im Forsthaus Unternogg ein. Das mache
ich auch, weil meine Getränke langsam zur Neige gehen.
Eine weitere Orchidee
Herrliche Voralpenlandschaft am Königsweg in Richtung Trauchgau
Übernachtung beim Trauchgauer Mandl
Ich folge durch meist bewaldetes Gebiet der Königsstraße, die eigentlich nur ein
Fahrweg ist. Schließlich biege ich in Richtung Trauchgauer Höhenweg ab. Den
Höhenweg erreiche ich nach einem längeren Anstieg gegen Abend. Wieder einmal bin
ich auf der Suche nach einem passenden Übernachtungsplatz. Das erweist sich als
schwer, da der Weg auf halber Höhe an einem steilen Berghang entlang führt. In
steiler Schräglage liegt es sich schlecht!
Daher zweige ich auf einen kleinen Seitenpfad zum Trauchgauer Mandl in etwa 1020
m Höhe ab, wo am Steilhang ein Kruzifix errichtet wurde. Dort steht eine Bank
und der Boden vor der Bank ist ebenfalls eben. Die Fläche neben der Bank bietet
gerade so viel Platz, dass ich dort meine Isomatte ausrollen kann. Leider stört
eine Wurzel ein gemütliche Nachtruhe. Irgendwie schaffe ich es dann doch noch
mich so hinzulegen, dass ich dort schlafen kann. Mein Tarp muss ich nicht
aufspannen, da es diese Nacht trocken bleiben soll.
Erster Blick auf Füssen am frühen Morgen vom Trauchgauer Höhenweg
Durch das Ammergauer Gebirge
Nach einer ruhigen Nacht stehe ich schon gegen 4:30 auf, weil ich heute durch
die Ammergauer Alpen und über den Tegelberg nach Neuschwanstein laufen will. Ich
muss so früh starten, weil es am Spätnachmittag schon wieder gewittern soll.
Hinter Halblech biege ich in Richtung Berge ab.
Ein Schild klärt mich auf. Vor Jahren wurde hier ein Mann vom Blitz erschlagen.
Also können Gewitter auch im Tal gefährlich sein. Ein Stück weiter wurde zudem
im Dreißigjährigen Krieg hier noch ein Bär erschossen. Bären könnten auch heute
noch hier leben, so wild und einsam diese "kanadische" Gebirgslandschaft hier
aussieht!
Nicht in Westkanada, sondern im Ammergebirge
Der markante Geiselstein auch Matterhorn der Ammergauer Alpen genannt
Aufstieg zum
1619
m hohen Branderfleck
Aufstieg zum 1720 m hohen Tegelberg
Zuerst laufe ich durch das lang gezogene und
wunderschöne Lobental. Irgendwann endet der Fahrweg und geht in einen Bergpfad
über. Über diesen erklimme ich das 1619 m hoch gelegene Branderfleck. Von da aus
wandere ich auf dem schönen Fernwanderweg E4 in Richtung Tegelberg. Immer wieder
öffnen sich dabei herrliche Ausblicke auf die zahlreichen Berge um mir und die
tief eingeschnittenen Täler der Ammergauer Alpen. Welch eine schöne
Gebirgslandschaft!
Ausblick vom
Branderfleck
Ausblick vom 1720 m hohen Tegelberg
Vom 1720 m hohen Tegelberg, beeindruckt die
Aussicht auf das etwa 1000 Höhenmeter unter mir liegende Voralpenland. In der
Bergstation kehre ich ein.
Als ich zum Abstieg in Richtung Schloss
Neuschwanstein aufbreche, ziehen bereits am Horizont finstere Wolken auf, obwohl
es erst gegen 13:30 Uhr ist. Sollten die Gewitter früher hereinbrechen, als sie
ursprünglich vorhergesagt wurden?
Felsentor beim Abstieg vom Tegelberg
Erster Blick auf Schloss Neuschwanstein
Das Gewitter
Auf alle Fälle sollte ich mich sputen, will ich in keinen Gewitterregen kommen.
Denn bereits in Richtung Alpsee ziehen finstere Regenwolken auf und in der Ferne
donnert es bereits. Das Gewitter wird mich wohl während es Abstiegs erwischen.
Leider gestaltet sich der Abstieg auch technisch als nicht einfach. An zwei
Stellen muss ich sogar etwas klettern. Wenigstens kann ich diese beiden
Problemstellen gerade noch überwinden, bevor das Gewitter endgültig über mich
hereinbricht.
Ein Blitz und kurz danach der ohrenbetäubende Donner zeigen mir wie sehr mir das
Gewitter schon auf die Pelle gerückt ist! Beim nächsten Blitz zähle ich die
Sekunden zwischen Blitz und Donner. Gerademal fünf Sekunden lagen zwischen Blitz
und Donner, also schlug der letzte Blitz etwa 1,5 km von mir entfernt ein. Auch
der Regentropfen prasseln immer heftiger auf mich herab. An einer Stelle setze
ich den Rucksack ab und ziehe einen Schutzplane über den Sack, damit nicht alles
nass wird. Währenddessen verwandelt sich mein Weg in einen reißenden Bach.
Gerade noch rechtzeitig entferne ich meinen Rucksack vom einsetzenden
Wasserschwall.
Ein Gewitterfront zieht beim heiklen Abstieg auf
Der Gewitterregen verwandelt meinen Bergpfad in einen reißenden Bach
Ich schultere wieder meinen Rucksack und versuche weiter zu kommen. Dabei lassen
Gewitter und Regen so schnell nach, wie sie gekommen sind. An einem
Aussichtspunkt lege ich eine kurze Rast ein, ziehe mein nasses T-Shirt aus und
stattdessen ein trockenes langärmeliges Shirt an. So friere ich nicht.
Beim nächsten Aussichtspunkt öffnet sich ein herrlicher Blick auf
Neuschwanstein. Oh, sieht das toll aus!
Herrlicher Blick auf Schloss Neuschwanstein
Je, weiter ich runterkomme, desto mehr Wanderer kommen mir entgegen. Einer, wohl
aus Lateinamerika, stöhnt, dass er noch nie so einen anstrengenden und schweren
Weg gegangen sei. Ich weise ihn zum nächsten Aussichtspunkt auf Neuschwanstein.
Dahinter soll er aber umkehren, weil der Weg dann noch viel schlimmer wird, gebe
ich ihn mit auf den Weg.
Blick auf Schloss Neuschwanstein von der Marienbrücke aus
Endspurt nach Füssen
Auf der Marienblick mit ihrem phänomenalen Blick auf das Märchenschloss ist der
Bär los. Dort sammeln sich so viel Menschenmassen, dass man den Steg fast wegen
Überfüllung schließen müsste.
Dahinter herrscht dann Trubel wie auf einem Jahrmarkt. Ich ergreife möglichst
schnell die Flucht und erreiche etwa 7 km später und nach einem weiteren aber
eher harmlosen Gewitterguss mein Endziel in Füssen. Dort verbringe ich noch eine
Nacht im Hotel Ludwigs. Der Name passt zu meinem Marsch. Am nächsten Morgen
fahre ich bei nun schlechtem Wetter mit dem Zug wieder heim. Mit dem Ende des
König Ludwig Marsches endet auch das "Kini-Wetter".
Nach etwa 130 km Laufstrecke erreiche ich mein Ziel in Füssen
Fazit
Nach einer Nacht, drei Tagen, etwa 131 km Laufstrecke und etwa 2000 Höhenmetern
ziehe ich Bilanz. Das war eine wunderschöne Mehrtageswanderung, die Gewitter
hätten nicht sein müssen, brachten aber etwas Spannung und Abenteuer ins Spiel.
Zudem war dieser Lauf bzw. Marsch ein gutes Training und Ausrüstungstest für
meinen geplanten dritten Deutschlandlauf im Juli und August, wo es u.a. ja auch
durch die Ammergauer Alpen gehen soll.
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