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laufspass.comBerglaufklassiker Sierre-Zinal am 09.08.2009 - Anspruchsvolles Trail-Running - Bildbericht von Günter Kromer

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Sierre-Zinal 2009

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Berglaufklassiker Sierre-Zinal am 09.08.2009 - Anspruchsvolles Trail-Running - Bildbericht von Günter Kromer

Obwohl der dieses Mal bereits zum 36. Mal ausgetragene Schweizer Klassiker Sierre-Zinal zu den weltweit bekanntesten Bergläufen zählt und Teilnehmer aus allen fünf Kontinenten anreisen, erfährt man in Deutschland nur selten etwas darüber. Auch ich las den Begriff Sierre-Zinal vor zwei Jahren zum ersten Mal, als ich beim Wandern in Zinal ein Plakat sah. Kurzentschlossen testete ich einen Teil der Strecke beim Training und setzte daraufhin diesen Lauf auf Platz 1 meiner Wunschliste für zukünftige Wettkämpfe.
Der Lauf der fünf Viertausender, wie er im Untertitel genannt wird, da man bei gutem Wetter unterwegs Weisshorn, Obergabelhorn, Zinalrothorn, Matterhorn und Dent Blanche sieht, startet in Sierre im Rhonetal und führt hoch über dem Val d'Annivers durch den südlichsten Abschnitt im französischsprachigen Teil des Wallis nach Zinal. Dabei muss man auf 31 Kilometern 2200 Meter Auf- und 800 Meter Abstieg bewältigen.
Das Besondere sind aber nicht die Höhenmeter an sich, denn es gibt genügend Läufe mit viel mehr Auf- und Abstieg. Was Sierre-Zinal ausmacht, sind zum einen die extrem steilen Streckenabschnitte (1300 m auf den ersten 8 km!) und einige Passagen, die hohe Ansprüche an die Trittsicherheit stellen. Hier sind breite Waldwege eine Seltenheit. Für Fans von echtem Trail-Running ist Sierre-Zinal ideal.
Daher passt es ganz gut, dass ich in den letzten 2,5 Wochen keine Gelegenheit zum Lauftraining hatte, sondern fast jeden Tag mit Bergwandern verbrachte, da ich die letzten Kapitel für ein Buch über Hüttentouren im Wallis recherchierte. Ein oder zwei Tage mehr Regenerationszeit wären aber besser gewesen, zumal ich am Sonntag und Montag wegen einer Erkältung nicht einmal Kraft zum Wandern hatte. Aber die Erkältung scheint auskuriert zu sein und ich bin optimistisch, den Lauf wie geplant in 4,5 bis 5 Stunden zu schaffen.
Am Samstag ist das Wetter deprimierend. Die Wolken hängen tief unten an den Bergen fest, immer wieder regnet es. Mir tun die Leute leid, die heute bei dem Luftlinie nicht weit entfernten Glacier3000run im Nebel laufen. Hoffentlich hat der Wetterbericht recht damit, dass es morgen trocken bleibt. Letzten Sonntag warteten meine Freundin und ich als Zuschauer am Streckenrand vom Gondo Event (siehe Foto bei Daniel Steiners Reportage auf marathon4you) und erlebten dann zwei Stunden später das schlimme Unwetter mit, wegen dem das Rennen abgebrochen werden musste. Morgen muss Petrus läuferfreundlicher gestimmt sein!
Der Weg von der Autobahn zur Startnummernausgabe ist hervorragend ausgeschildert. Die Unterlagen gibt es im fast direkt neben dem Bahnhof gelegenen Rathaus, über dessen Vorplatz viele Sierre-Zinal-Shirts mit den Motiven der letzten Jahre aufgehängt wurden. In diesem Jahr nehmen Leute aus 21 Ländern am Wettkampf teil, davon 1000 bei den Läufern, 1713 bei den bereits vier Stunden früher (also um 5 Uhr!) startenden Tourists, für die es zwar eine Medaille, aber keine Rangliste gibt, sowie einige bei dem erst oben in Chandolin startenden Jugendlauf. Eine Pasta-Party findet nicht statt.
Am Sonntagmorgen ist während des Frühstücks der Himmel noch stark bewölkt, doch allmählich nehmen die blauen Flecken oben zu. Als ich mein Auto am wohl ungewöhnlichsten offiziellen Wettkampf-Parkplatz (in einem Kieswerk) abstelle, sieht das Wetter abgesehen von Quellwolken an den Bergen recht freundlich aus, es ist sogar bereits zu warm.

Sierre-Zinal 2009
Ungewöhnlicher Parkplatz

Sierre-Zinal 2009
Der Himmel klart auf

 Zum Start ist es nicht weit, und wer mit dem Zug kommt, kann einen Shuttle-Bus nutzen.
Als ich meine Startnummer am T-Shirt befestigen will, zerbricht eine der Sicherheitsnadeln. Dass so etwas überhaupt passieren kann, hätte ich bisher für unmöglich gehalten. Aber egal, mit drei Nadeln hält es auch!
Was haben wohl alle Läufe gemeinsam, sowohl die großen Stadtmarathons als auch die kleinen Landschaftsmarathons? Die Relation zwischen Toiletten und wartenden Läufern ist immer sehr ungünstig. Hier stehen zwar rings umher genügend Büsche, aber mich drückt mehr, so dass ich noch zehn Minuten vor dem Start in einer Warteschlange ausharre. Dann kommt von vorne die ernüchternde Botschaft  "Kein Papier mehr vorhanden". Na prima, der Tag kann nur noch besser werden!
Pünktlich um 9 Uhr geht's los. Die ersten paar hundert Meter laufen wir noch auf einer normalen Straße mit nur mäßiger Steigung. Doch dann kommt die Abzweigung auf einen Wanderweg und sofort beginnt ein steiler Aufstieg. Ein mehrmaliger Teilnehmer dieses Rennens warnte mich vor, dass im hinteren Teil des Feldes an dieser Stelle ein Stau entsteht, aber noch laufen (bzw. nach wenigen Metern gehen) alle.
Immer wieder blicke ich hinab ins Rhonetal. Während des ersten Streckenabschnitts zeigen diese Tiefblicke beeindruckend, wie schnell wir an Höhe gewinnen.

Sierre-Zinal 2009
Rhonetal

Obwohl der Wanderweg bereits von Beginn an steil wirkt, ist dies nur ein lauer Vorgeschmack auf das, was folgt. Kurz darauf wird die Strecke enger, und nun gibt es tatsächlich einen kleinen Stau. Allerdings nicht so, dass man stehen muss, aber das Tempo wandelt sich zu langsamem Spaziergang. Bald geht es wieder flotter voran. Ich wundere mich, dass manche Teilnehmer selbst an nicht so steilen Passagen nur langsam gehen, überhole sie, versuche so viel wie möglich zu laufen, doch vergeblich, denn gleich gibt es vor einer Felswand den nächsten Stau, und alle, an denen ich eben noch vorbeilief, spazieren wieder neben mir.

Sierre-Zinal 2009
Stau

Doch zum Glück ist dieser Bereich nur ganz kurz, und bald sind alle Staupassagen überwunden. Im Gegensatz zum Jungfraumarathon, wo man an der Moräne den Lohn eines bisher schnellen Aufstiegs opfern muss, spielt ein Stau zu Beginn dieses Rennens für das Ergebnis keine Rolle, denn auf den restlichen 95 % der Strecke kann sich jeder nach Belieben austoben oder ausruhen.
Zum Glück führt nahezu der gesamte steile Teil durch dichten Wald auf der am Morgen schattigen Seite des Berges. Zum Fotografieren ist dies allerdings ungünstig, denn die ersten Bilder sind im Dunkeln völlig verwackelt. Erst als ich die Kamera auf 1600 ASA umstelle, klappt es. Immer überhole ich zehn oder zwanzig Läufer, dann fotografiere ich und alle marschieren wieder an mir vorbei. So trifft man immer wieder dieselben Leute.

Sierre-Zinal 2009
Steil aufwärts

Sierre-Zinal 2009
Steiler als die Eigermoräne

 Es wird immer steiler. Und dann noch steiler. Und sogar noch steiler! Wer die Eigermoräne für steil hält, sollte mal hierher kommen. Zwischendurch steigen wir auch über Treppenstufen aufwärts, die steiler als in jedem Wohnhaus sind.
Auf Fotos sieht so etwas immer viel flacher aus als es in der Realität ist. Zwischendurch kommen ein paar kurze, nicht ganz so schwere Meter, auf denen manche so wie ich laufen, andere dagegen ihr Wandertempo beibehalten. Wie die so das Zeitlimit schaffen wollen, ist mir ein Rätsel.
Oft ist es so steil, dass nur die Fußspitzen den Boden berühren. Von Stein zu Stein, von Wurzel zu Wurzel kämpfen wir uns aufwärts. Trail-Schuhe mit gutem Profil sind hier sehr hilfreich. Immer wieder höre ich Flüche, wenn jemand über eine Wurzel stolpert oder auf losem Erdboden rutscht.
Endlich erreiche ich die erste Verpflegungsstation. Ich fühle mich bereits völlig ausgetrocknet. Jetzt bedauere ich es, dass ich mich heute Morgen entschieden habe, meinen Flaschengurt im Auto zu lassen. Ich beneide die Läufer mit einem Camelback oder anderen Trinkrucksäcken. Vor allem auf der weiteren Strecke sind die heute deutlich im Vorteil.
Kurz nach Beauregard kommt mir eine Läuferin humpelnd entgegen. Für sie ist das Rennen schon früh nach einem Sturz beendet.
Manchmal sind es gerade die unscheinbaren Kleinigkeiten, die das Besondere eines Tages ausmachen. Ich bin sicher, wenn ich in ein paar Jahren an Sierre-Zinal zurückdenke erinnere ich mich zwar auch an die Steigung, aber ganz besonders werde ich mich wohl an den einzigartigen Anblick der Läufer vor mir erinnern, von denen im Gegenlicht deutlich sichtbare Dampfwolken aufsteigen. So etwas sieht man nur bei ganz bestimmtem Klima und idealem Lichteinfall, und es ist einfach großartig.
An einem Berggrat erhasche ich zwischen den Bäumen erstmals Blick auf einige der Gipfel am Ende des Tals. Zinalrothorn, Obergabelhorn und Matterhorn (das nicht in diesem Tal steht, aber aus dieser Perspektive betrachtet hinten über den Grat hervorragt) sind zu sehen. Das Weisshorn wird hier noch von einem Bergrücken verdeckt, die Dent Blanche (rechts außerhalb des Fotos) ist komplett hinter Wolken verborgen.

Sierre-Zinal 2009
Zinalrothorn, Obergabelhorn und Matterhorn

Zuerst wundere ich mich, dass jedes Foto völlig überbelichtet ist. Drei Minuten lang probiere ich es immer wieder, erst dann fällt mir ein, dass die Kamera noch immer auf 1600 ASA steht.
Inzwischen sehe ich um mich herum nur Leute, die bisher weit hinter mir marschierten. Jetzt aber los!
Wir verlassen den Wald und laufen bequem auf eine kleine Alm zu, wo die zweite Versorgungs- und Zeitkontrollstation ist. Auf den ersten acht Kilometern haben wir jetzt bereis 1300 Höhenmeter bewältigt. Ein Schild weist darauf hin, dass nun 33 % der durchschnittlichen Gesamtlaufzeit geschafft sind.

Sierre-Zinal 2009
Ponchette

Eigentlich hatte ich bisher das Gefühl, dank gutem Training recht schnell den Berg hinaufmarschiert zu sein. Umso stärker bin ich erschrocken, dass ich hier auf die Minute genau am empfohlenen Zeitlimit von 1:45 ankomme. Wenn ich nicht bei der nächsten Station Chandolin aus dem Rennen genommen werden will, muss ich mich nun beeilen.
Zum Glück folgt auf den nächsten Kilometern eine Strecke, wie man sie bei jedem ganz normalen Landschaftsmarathon findet. Ein breiter Fahrweg mit idealem Untergrund führt uns mal mit wenig, mal mit ein bisschen mehr Steigung voran. Eigentlich wäre dies die ideale Strecke, sich ein wenig von dem heftigen Anstieg zu erholen, doch das Zeitlimit sitzt mir nun wie ein kleiner Teufel im Nacken. Aber auch die anderen Läufer fühlen wohl ähnlich, denn wir bolzen diese Strecke jetzt mit vollem Tempo durch, als wären wir nicht im zweiten Drittel sondern auf der Zielgerade. Aber ich muss zugeben, dass es mir Spaß macht, nach der steilen Kraxelei wieder rennen zu dürfen.
Das Rhonetal liegt nun schon weit unter uns. Leider wird auf der gegenüberliegenden Seite die Kette der Berner Alpen mit Wildhorn und ein paar anderen vergletscherten Gipfeln komplett von Quellwolken verhüllt.

Sierre-Zinal 2009
Schon weit über dem Tal

Kurz vor Chandolin folgt dann die erste Einstimmung auf das Finale: Ein kurzer Streckenabschnitt führt steil auf einer Skipiste abwärts. Diese ist zwar bei weitem nicht so steil wie die letzten drei Kilometer, zeigt aber schon mal, dass abwärts nicht unbedingt einfacher als aufwärts sein muss.
In Chandolin stehen genügend applaudierende Zuschauer am Streckenrand, aber für mich zählt hier nur, dass ich jetzt zehn Minuten vor dem Zeitlimit liege und dass es endlich wieder etwas zu trinken gibt.

Sierre-Zinal 2009
Chandolin

Anschließend folgt ein häufiger Wechsel zwischen bequemen Wegen, Stein- und Wurzelpassagen, bei denen man aufpassen muss, flachen Stellen, kurzen Ab- und längeren Aufstiegen sowie ein paar Metern durch Matsch platschen.
Beim nächsten Verpflegungspunkt Tignousa sind wir längst weit oberhalb der Baumgrenze. Uns umgibt ein hübsches Bergpanorama. Hier oben ist es nicht so heiß wie unten im Tal. Da auch kaum Wind weht, lässt es sich jetzt recht angenehm laufen.
Wieder sind wir eine Weile auf einem Fahrweg unterwegs, sogar kurz mal abwärts, dann drosselt erneut ein Wanderweg das Tempo.
Leider werden das wunderschön vergletscherte Bishorn (kein Viertausender) und die schroffe Nordwand des 4505 m hohen Weisshorn heute komplett von Wolken verborgen. Bei gutem Wetter wären das die schönsten Fotos dieses Wettkampfs geworden, da wir nun direkt darauf zu laufen.
Aus der Ferne betrachtet sieht dieser Streckenabschnitt so aus, als könne man die ganze Zeit mit geringer Steigung schnell laufen. An Ort und Stelle merkt man dann aber, dass der Untergrund einen sehr häufigen Wechsel zwischen Lauf- und Gehtempo bedingt. 

Sierre-Zinal 2009
Bequemer Abschnitt
Sierre-Zinal 2009
Berner Alpen in Wolken
Sierre-Zinal 2009
Bishorn und Weisshorn nicht zu sehen

Sierre-Zinal 2009
Rechts oben Hotel Weisshorn

Sierre-Zinal 2009
Mal ganz bequem

 Außer uns Läufern sind hier oben natürlich auch sehr viele Wanderer unterwegs. Viele applaudieren, was hier oben viel mehr Bedeutung hat als bei einem Stadtlauf, denn Zuschauer, die selbst schon 500 oder 1000 Meter Aufstieg hinter sich haben, können viel eher ermessen was wir Läufer bewältigen, als die Massen am Rande eines Stadtmarathons.
Fast ausnahmslos alle Wanderer machen den Läufern Platz, so dass es so gut wie nie zu Engpässen kommt. Aber auch das Fairplay der Läufer kann ich hier ausdrücklich loben. Jeder lässt, wo immer es möglich ist, schnellere Läufern überholen. Ich habe kein einziges Mal eine Drängelei erlebt.
Gegen 12 Uhr, also drei Stunden nach Start, fühle ich mich noch immer pudelwohl, aber je näher das Hotel Weisshorn rückt, desto mehr komme ich mir vor, als wäre bereits dort oben das Ziel.

Sierre-Zinal 2009
Noch geht es mir gut
Meine Batterie ist völlig leer. Außerdem ist mein Mund völlig ausgetrocknet. Die Zunge scheint am Gaumen zu kleben. Muskulär fühle ich mich noch vollkommen fit, aber entweder ich bin auf den letzten Kilometern zu schnell gerannt, habe zu wenig getrunken (an den drei Stationen insgesamt einen Becher Wasser, einen Tee, einen Sponser-Energydrink und eine Suppe), oder ich habe die Erkältung, die mich letzten Sonntag und Montag außer Gefecht setzte, noch nicht ganz auskuriert. Vielleicht hätte ich Dienstag, Mittwoch und Donnerstag doch keine Bergwanderungen machen sollen.
Immer voran! 200 Meter rennen, dann wieder ein paar Meter Bergziege spielen, dann wieder Gas geben, kurz darauf erneut über Steine balancieren. Langeweile kommt hier keine auf, zumal es der schönste Streckenabschnitt ist.

Sierre-Zinal 2009
Bergwandern

Sierre-Zinal 2009
Sehr schöner Abschnitt
Sierre-Zinal 2009
Wanderurlaub
Sierre-Zinal 2009
Für Bergziegen
Sierre-Zinal 2009
Sieht bequemer aus als es ist
Sierre-Zinal 2009
Wenn ich noch Kraft hätte, könnte ich es genießen

 
Daher kann ich mich bei der letzten wichtigen Kontrollstelle beim Hotel Weisshorn nicht so recht darüber freuen, dass ich auf 2387 m inzwischen 40 Minuten Vorsprung auf das Zeitlimit habe.

Sierre-Zinal 2009
Hotel Weisshorn

Am Verpflegungsstand komme ich mir vor wie bei einer Picknickparty. Viele Läufer stehen herum und plaudern. Das Zelt mit dem Massageservice ist voll belegt. Am liebsten würde ich mich hinsetzten, aber ich weiß, dass ich, selbst wenn ich hier nur eine Weile stehen bleibe, das Rennen nicht mehr beenden werde.
Also esse ich nur ein paar Bananen- und Orangenstücke, trinke eine Suppe und gehe nach drei Minuten Pause langsam weiter.
Noch immer wartet ein kleiner Aufstieg auf uns, garniert mit ein paar kurzen Zwischenabstiegen.

Sierre-Zinal 2009
Aufwärts schleichen

Viele Läufer scheinen sich nach Erreichen des Hotels frisch motiviert zu fühlen und rennen an mir vorbei. Zugegeben - auf den folgenden Kilometern kann man wirklich viele Passagen schnell rennen, vorausgesetzt man hat noch die Kraft dazu. Auch ich hatte mir vor dem Lauf ausgerechnet, dass ich ab Weisshorn noch weniger als eine Stunde ins Ziel brauchen würde. Nie hätte ich erwartet, dass ich ausgerechnet beim Genusslauf-Abschnitt von Sierre-Zinal selbst auf flachen Passagen oft nur langsam gehen würde und daher statt einer Stunde für den Rest mehr als zwei Stunden brauche. Aber so kann ich zumindest in Ruhe die hübsche Berg- und Pflanzenwelt rings umher betrachten.
Wahrscheinlich fällt den schnellen Läufern überhaupt nicht auf, wie viel Purpurenzian hier blüht. Was mir leider auch bereits seit längerem auffällt, allerdings sehr negativ, ist der viele Müll, den die Läufer auf der gesamten Strecke hinterlassen. Zusätzlich zur offiziellen Streckenmarkierung kann man sich schon fast an den vielen leeren und achtlos auf den Weg geworfenen Verpackungen von Kohlehydrat- und Eiweiß-Riegeln, Energy-Gels und Drinks orientieren. Ich bedauere es inzwischen zwar sehr, heute selbst keine Sponser-Riegel dabei zu haben, denn die würden mir vielleicht wieder Energie geben, aber wer einen Riegel tragen kann, braucht danach auch Platz für die leere Verpackung in seiner Tasche. Meine im Forum zum Karwendelmarsch geäußerte Behauptung, Läufer seien umweltbewusst, muss ich nun leider enttäuscht zurücknehmen. Ich kann auch beim besten Willen nicht verstehen, was daran so schwer sein kann, die leeren Pappbecher in die großen Müllbeutel bei den Verpflegungsstationen zu werfen. Müssen die unbedingt noch ein paar hundert Meter weit in der Landschaft verteilt werden? Manche Läufer sind leider echte Schweine!
Das auf den ersten Blick sehr bequeme Streckenprofil täuscht über die Anforderungen, die auch hier manche Abschnitte stellen. Man muss beim Laufen ständig aufpassen, dass man nicht über Steine oder Wurzeln stolpert, ausrutscht, mit einem Fuß umknickt etc. Mehrmals sehe ich frische Blutspuren am Boden, einmal landet nicht weit vor mir ein Rettungshubschrauber, unmittelbar vor mir stürzt eine Frau gleich zweimal innerhalb von hundert Metern, ein anderer Läufer wird mit verbundenem Fuß von einigen Helfern bergab getragen. Gegen diese Trail-Running-Herausforderung ist die Bodenbeschaffenheit beim Jungfrau- oder Zermattmarathon durchgehend Autobahn. Etliche Teilnehmer sind zwar auch hier in normalen Laufschuhen unterwegs, aber eigentlich sollten Trailschuhe hier Pflicht sein. Außerdem reicht es auf keinen Fall, nur auf normalen Waldwegen zu trainieren. Steile Geröll- und Wurzelwege müssen unbedingt ins Vorbereitungsprogramm integriert werden.

Sierre-Zinal 2009
Tief unten liegt Zinal
Sierre-Zinal 2009

 Weit unter mir sehe ich Zinal. Leider sind die Wolken inzwischen noch tiefer gesunken, so dass von den Viertausendern nur noch das Obergabelhorn sichtbar ist. Aber auch der Blick auf die Gletscher unterhalb der Wolken ist hübsch.
Bei der letzten Verpflegungsstation Barneuza sorgen zwei Alphornbläser für das bei Schweizer Läufen unverzichtbare Feeling.

Sierre-Zinal 2009
Kein Schweizer Lauf ohne Alphörner

Nachdem ich seit dem Hotel mehr als eine Stunde Zeit verloren habe, da ich viel zu oft gegangen bin, fühle ich mich nun wieder gut und gebe Gas. Inzwischen ist es allerdings ein oft recht einsames Rennen für mich, da die meisten Teilnehmer längst im Ziel sind und ich nur noch gelegentlich jemanden vor oder hinter mir sehe.
Bei einem Stadtmarathon zeigt das Schild "Noch 3 km", dass man es fast geschafft hat. Nicht so bei Sierre-Zinal, denn jetzt folgt noch ein teilweise sehr steiler Abstieg über ein paar hundert Höhenmeter. Dieser Weg, teilweise im Wald von Stein zu Stein, von Wurzel zu Wurzel, teilweise auf einer Skipiste, erfordert höchste Konzentration. Allzu leicht kann man sich hier kurz vor dem Ziel noch den Fuß brechen.
Doch mir selbst hat die ungeplante Ruhepause neue Kraft gegeben und ich bolze mit hohem Tempo bergab. Plötzlich macht mir das Rennen sogar wieder richtig Spaß. Ich finde es zwar paradox, dass ich mich heute ausgerechnet bei den steilen Strecken wohl fühle, während es mir beim Genuss-Teil übel ging, aber bei Wettkämpfen ist nicht alles logisch zu erklären. Es ist aber auch wirklich ein geiles Gefühl, mit vollem Tempo an vielen Wanderern vorbei zu rennen, die vorsichtig mit ihren Tourenstöcken bergab balancieren,
Schon aus zwei Kilometern Entfernung höre ich Musik. Damit die Läufer möglichst früh schon motiviert werden, sind nicht nur am Ziel Lautsprecher, sondern die Beschallung wird bereits vorher von Boxen an einer Skipiste bergwärts geblasen.
Die letzten paar hundert Meter führen über eine Asphaltstraße. Musikalisch werde ich gerade mit den nicht zur Landschaft passenden Hits Maccarena und Samba de Janeiro beschallt.
Wie spät ich bin, bemerke ich schon daran, dass ein Ordner gerade die Absperrungen am Streckenrand abbaut. Aber ich bin nicht der letzte, das Ziel ist geöffnet, mir geht es wieder richtig gut, und mit guter Laune laufe ich über die rote Matte. 5:44, also etwa eine Stunde später, als ich heute Morgen noch erwartet hätte. Ich bin von 805 Männern, die das Ziel erreichen, der 770. 16 weitere Männer wurden nur bis Chandolin gewertet. Die Frauenwertung zählt 179 Teilnehmerinnen. Bei den um 5 Uhr gestarteten Tourists waren insgesamt 1713 Teilnehmer. Der Sieger Kilian Jornet Burgada aus Spanien kam mit für mich unvorstellbar schnellen 2:35 ins Ziel, die schnellste Frau, die Tschechin Anna Pichrtova blieb mit 2:58 vier Minuten über ihrem Streckenrekord aus dem Vorjahr. Männlicher Streckenrekordhalter ist (wen überrascht es?) Jonathan Wyatt, der seit einigen Jahren im Alpenraum Rekorde sammelt und hier 2003 in 2:29 finishte.
Am Ziel gibt es Cola, Wasser und andere Getränke. Auch der kostenlose Massageservice wird von vielen in Anspruch genommen. Leider gibt es kein kostenloses Finisher-Shirt. Man kann zwar eines für 18 Euro kaufen, aber das Motiv des diesjährigen Laufes passt eher zu einer Techno-Party als zu einem Berglauf. Doch die Medaille ist wirklich hübsch. Auf der Vorderseite prangt zwar auch das in Digitalzeichen gestaltete Logo, aber auf der Rückseite ist ein Bild des Weisshorn eingraviert. So können die Teilnehmer 2009 zumindest am Ziel die unterwegs vermisste Ansicht dieses Viertausenders betrachten.

Sierre-Zinal 2009
Endlich auch ein Bild vom Weisshorn :-)
Weitere Laufmedaillen der Schweiz

Vom Ziel muss ich wieder ein Stück bergauf gehen, um zu meinem Beutel mit den Wechselklamotten zu gelangen. Die Duschen liegen noch ein paar Meter weiter oben. Danach geht es ins Festzelt, wo alle Teilnehmer ein komplettes Essen bekommen: Fleisch, Kartoffelbrei, verkochtes Gemüse, Brot, sogar ein Eis gibt es dazu. Die Dixieland-Band, die für Stimmung sorgen soll, trifft nicht jedermanns Geschmack. Ich plaudere mit sehr vielen Leuten, die ich vor oder während des Laufes bereits kennen lernte, und vergesse dabei völlig, ein Foto von Zinal zu machen. Nicht gerade professionell, aber gute Fotomotive sind hier ohnehin nicht.
Die Rückfahrt mit dem Bus ist sehr gut organisiert. Damit kein Gedränge entsteht, gibt es ein Absperrgitter für die Warteschlange. Eine halbe Stunde Fahrt, und ich kann am Parkplatz aussteigen. Ein paar Stunden später verdunkeln dicke Gewitterwolken den Himmel. Schön, dass der Regen bis zum Abend gewartet hat!
Am nächsten Tag wundere ich mich sehr darüber, dass ich nach dem härtesten Lauf meines bisherigen Lebens (der Ulmer 100er war ein Vergnügen dagegen) nicht den geringsten Muskelkater habe. Dies lässt mich hoffen, dass die Krise oben beim Hotel Weisshorn nichts mit meinem Trainingszustand zu tun hatte und ich mir wegen meiner Teilnahme an dem in fünf Wochen statt findenden Karwendellauf mit 52 km und je 2760 Höhenmetern Auf- und Abstieg keine großen Sorgen machen muss.

www.sierre-zinal.com
Immer am zweiten Sonntag im August.

Tipps für ein paar Wandertage vor oder nach dem Lauf:

An einem Tag mit guter Fernsicht von Sierre hinauf nach Crans-Mons Montana, dann mit der Gondelbahn nach Violettes hinauf, zu Fuß von dort zur Plaine Morte auf 2883 m mit Blick auf alle hohen Wallis-Gipfel, von dort mit der Gondelbahn zurück.
Von Zinal zur grandios gegenüber Gletschern gelegenen Cabane d'Arpittetaz, zur (nur mit Wanderschuhen statt Laufschuhen) zur 3256 m hohen Cabane deTracuit oder zur Cabane du Grand Mountet, einer der schönst gelegenen Alpenvereinshütten des Wallis. Vom herrlichen, nicht weit von Zinal entfernten Moiry-Stausee bietet sich die kurze Wanderungen zur großartigen Cabane Moiry an.

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