Der Lauf
Es geht ein Ruck, zwar nicht durch dieses Land, aber immerhin durch die
Läufer. Und schon sprinten die Ersten los. Ich gehe.
Ich kenne das schon von anderen Marathons erst ein Ruck, dann ein Spurt
und dann ein Halt.
Und in der Tat schon gibt es einen kleinen Stau. Aber nicht weiter
schlimm, bereits 70 Sekunden nach dem Startschuss überschreite ich die
Startlinie.
Dahinter wartet nun eine so große Anzahl von Zuschauern auf uns, wie man es
selbst bei solchen Großveranstaltungen selten sieht.
Wow! Die Stimmung ist aber super!
Jetzt heißt es: Übertreibe es nur nicht auf den ersten Kilometern vor
lauter Euphorie!
Dazu kommt für mich persönlich, dass ich dieses Jahr für flache "Tempomarathons"
nicht trainiert bin, da mir momentan Bergmarathons besser gefallen. Nur
diesen einen einzigen flachen Marathon im Jahr 2003 will ich unter den magischen 4
Stunden laufen.
Da die Bedingungen heute gut sind, will ich zumindest auf den ersten 20 km
den Kilometer so in 5:10 / 5:20 laufen und dann schauen wie es so dahinter
aussieht und bei Bedarf das Tempo drosseln.
So weit meine simple Taktik.
Auf den ersten 3-4 Kilometern muss ich mich nun in der Tat sehr zurück
halten, da die Zuschauer und dieser Streckenabschnitt einfach toll sind.
Ich bin richtig begeistert und mein Stimmungspegel steigt stetig an.
Bei Kilometer 3 -4 freue ich mich als Bergläufer über einen langen aber
relativ flachen Anstieg. Sicher können sich hier weniger erfahrene Läufer
verausgaben, ohne es in der Anfangseuphorie so richtig zu merken, während
sich der Mann mit dem Hammer insgeheim ins Fäustchen lacht...
Mir jedenfalls wird es richtig warm und ich ziehe meine leichte
Windjacke aus.
Soll ich sie Rudolf geben, der etwa bei Kilometer 9 auf mich wartet oder
brauche ich sie später noch bei kaltem Wind und Regen? Diese Gedanken
kreisen in einer Endlosschleife hin und her.
Hinter Kilometer 5 geht es bergab und ich kann Tempo machen und
laufe hier mit 4:49 auch meinen schnellsten Kilometer dieses Marathons.
Nun geht es wieder Richtung Startlinie, wo unzählige Zuschauer uns
zujubeln und Musikbands uns einheizen. Wie immer bin ich gerade von
Trommelgruppen begeistert die mit ihrem Trommelwirbel mich so richtig ins
"Wirbeln" bringen. Das ist ja wie Samba Brazil!
Als wir nach guten 8 Kilometern noch ganz angeregt von diesem Trubel
abbiegen, gilt für mich nur eins: "Ich bereue nichts!".
Für ein paar Hundert Meter ist es nun etwas ruhiger, aber schon steigt der
nach oben offene Zuschauerpegel wieder an. Die Dämme am Streckenrand
drohen überzuschwappen. Da muss wohl eine U-Bahnstation in der Nähe sein.
Gerade noch im letzten Augenblick sehe ich Rudolf. Ich gebe ihm meine
Windjacke und habe nun nur noch ein sehr dünnes Lauf-T-Shirt haben.
Hoffentlich kommt kein kalter Wind!
Beim Verpflegungspunkt bei KM 10 treibt ein verkleideter Asterix mit
Frankreichschild und ähnlichem Utensil ausgerüstet seine Späßchen.
Vielleicht beschwert er sich gerade, dass es hier keine Wildschweine als
Verpflegung gibt.
Statt der Wildschweine steht leider er genau in der Schusslinie der Läufer, die
hier flott
durchlaufend ihre Getränke aufnehmen wollen. Ich selbst kann ihm gerade noch
ausweichen.
Mein gut gemeinter Rat: Asterix Du solltest Deine Späßchen lieber wie z.B.
der Spaßpräsident
Michel in Berlin etwas weiter hinten
machen. Und am besten bei Ansammlungen von Zuschauern und nicht bei den
Verpflegungspunkten.
[ Anmerkung vom
30.10.03 vom "Vanman“
Jochen von RUNNERS
POINT (Sein
Bericht):
Das war Michel, der in FFM seinen 135.Marathon in Angriff nahm und dieses
mal als Asterix herumrannte. Viele Grüße
J
==> Thomas: :-) Ok Michel war so gut verkleidet. Ich habe ihn nicht
wieder erkannt und er war dieses Mal zumindest anfangs so weit vorne...]
Nun überqueren wir den Main. Von der Mainbrücke hat man einen schönen
Ausblick auf Frankfurts Mainpromenaden und schon streifen wir Frankfurts
Äppelwoi Meile Sachsenhausen.
Äppelwoi gibt es keinen aber dafür feuert mich wieder Rudolf an, der
erstaunt ist, dass ich so gut in der Zeit liege. Auch sehe ich wohl
noch ganz passabel aus.
;-) Na ja lieber Rudolf warten wir erst einmal Kilometer 32 ab!
Ich habe heute alte Schuhe an, da ich mit den anderen
Achillessehnenprobleme bekam. Die Achillessehne ist zwar nun ok., aber ich
spüre, dass ich mir heute Blasen laufen werde und das schon hinter
Kilometer 12. Entschuldigung, aber so ein Sch...
Dafür ist hier eine Superstimmung, da hier der erste Wechselpunkt der
Staffelläufer ist, die hier rechts wohl geordnet nach Startnummern
aufgereiht sind.
Ich weiche links aus, damit ich bei dieser Betriebsamkeit keinen behindere
und keinen Auffahrunfall provoziere.
Und schon schießt aus heiterem Himmel rechts von mir wieder ein
Wechselläufer aus dem Wechselblock heraus. Auch hier scheint Rechts vor
Links zu gelten...
Auf den nächsten Kilometern spule ich einen Kilometer nach den anderen
ohne größere Ereignisse ab. Irgendwo hier überhole ich den erste Geher. Oh
je jetzt schon und das bei so kühlem Wetter?
Du böser Mann mit dem Hammer! Na ja heiliger Florian verschon mein Haus
und zünde das der anderen an...
Wir unterqueren nun die Autobahn. Da ist es aber nicht öde, sondern hier
heizen uns wieder Trommler mit heißen Rhythmen und auch die Zuschauer ein. Ich
denke wieder an Samba Brazil.
Das macht Spaß.
"Thomas Du siehst gut aus!". Schön das hier jeder auf seiner Startnummer
seinen Namen trägt!
So werden immer wieder mit unserem Namen unterwegs angesprochen.
In Goldstein laufen wir durch ein Wohnviertel. Goldene Steine gibt es
hier nicht. Aber viele habe ihre Fenster geöffnet und man hört laute Musik.
Das ist hier doch mal was anderes: Stimmung in einem sonst Sonntags
sehr beschaulichem und ruhigem Wohnviertel. Da kommt Leben in die Bude...
Wir nähern uns nun der Halbmarathonmarke, die ich in 1:47:54 passiere.
Ich ziehe sehr zufrieden Bilanz und hoffe auf eine gute zweite Hälfte.
Auch auf den folgenden Kilometern sieht es gut aus. Erst ab Kilometer 25
merke ich, dass ich etwas langsamer werde. Aber ich fühle mich immer noch
gut.
Es geht wieder bergauf als wir auf die Mainbrücke hoch müssen. Dafür
erfreue ich mich an einen schönen Blick auf den Main, wo Dampfer gemütlich
dahindampfen und wir machen so richtig Dampf als es wieder von der Brücke
runter geht.
In Höchst erreichen wir den Wendepunkt und einen der Strecken-Höchstpunkte
des Frankfurt Marathons, da uns hier wie immer viele Zuschauer anfeuern.
Samba Brazil again.
Nach dieser erfrischenden Schleife durch Höchst wartet die ellenlange
Kante nämlich die berühmt
berüchtigte Mainzerlandstraße auf uns. Von Kilometer 31 - 39 geht es nun
fast nur noch gerade aus zum Frankfurter Zentrum zurück.
Für psychisch nicht so feste Läufer, kann die Monotonie durchaus ein mentales
Problem werden.
Auf mich lauert derweil in einer finsteren Ecke versteckt ein Männchen
mit dem Hämmerchen.
Kaum habe ich die magischen 30 passiert, friere ich in meinem dünnen Shirt
und ich habe Probleme mit meinem unterkühlten Brustkorb. Die morschen Gelenke
laufen auch nicht mehr so geschmiert wie bei Kilometer 10. Das macht sich
nun leider auch bei meinen Kilometerzeiten bemerkbar.
Für Kilometer 31 brauche ich
5:54 und für 32 5:55. Das ist nun das neue Tempo, dass mir bis Kilometer
42 in etwa erhalten bleibt.
Wenigstens ist mein Kohlehydrat Tank, Dank dem
Power Gel, das ich unterwegs esse, noch nicht vollkommen geleert. Daher
ist es kein echter Einbruch, wo ich gehen müsste. Aber mir fehlt der Elan
der frühen Kilometer, den ich hier für eine richtig gute Zeit so nötig
hätte.
Fazit: Es geht einfach nicht mehr ohne Quälerei schneller.
Nein ich quäle mich nicht ich Sau, sondern ich will nun lieber mehr meine
Umgebung, die vielen Zuschauer und den Samba Brazil genießen.
Da ich aber bei KM 31 erst einmal in Trance bin, hätte ich doch glatt Rudolf
übersehen, den ich hier nicht erwartet habe. Auch er bemerkt, dass ich
nicht mehr so fit wie bei Kilometer 12 bin.
Das obligatorische "Du siehst gut aus!" ist nett geschwindelt...
Bei der nächsten Verpflegungsstelle will ich mir erst einmal eine
kleine Pause gönnen und in Ruhe trinken und Gel essen. Das habe ich mir
verdient. So gesagt so getan. Als ich wieder anlaufen will, merke ich erst
wie die Gelenke eingerostet sind. Oh je Du alter Mann!
Nur mühevoll kommt das alte Getriebe wieder in Gang.
Aber als es läuft, läuft es auch wieder und er rollt und rollt und rollt
... Keep on roling
Wegen der Pause wird Kilometer 36 mit 6:33 als langsamster in meinen
Annalen verzeichnet werden.
Nun kommen immer mehr Zuschauer ins Blickfeld und bei Kilometer 38 ist
wirklich der Bär los.
Die Welt sieht nun schon wieder viel besser aus und die "Sieben Mageren
Jahre" der Kilometer 31 - 38 gehören der längst vergessenen Vergangenheit an.
Ich genieße die letzten Kilometer, denn es sind derer nur noch 4!
Die Läufer gegenüber, die wir nun sehen haben schon 41 Kilometer
geschafft und laufen einer Zeit von 3:30 entgegen. Ich dagegen will unter 3:50
bleiben und meine aktuellsten Hochrechnungen ergeben, dass das bei meinem momentanen
Tempo durchaus machbar ist.
Bei 39 müssen wir auf eine Abschnitt abbiegen, wo verdammt wenig los ist.
Jetzt keine negativen Gedanken aufkommen lassen und in der Tat hier gehen
erstaunlich viele Läufer.
Besser sieht das natürlich bei KM 40 bei der Alten Wache aus, wo wieder
Unmengen von Zuschauern uns zujubeln. Ein bei Marathons bekannter
Sprecher moderiert hier alles mit witzigen Sprüchen.
Nun ist das Ziel zum Greifen nahe und bei der tollen Begeisterung fühlt
sich hier schon fast jeder als kleiner Sieger.
Hier vor der Messe steht überlebensgroß eine riesige Statue des
Mannes mit dem Hammer, dem hier ein Denkmal gesetzt wurde.
Dieses Monument muss hier schon so groß sein, da ihn sonst so kurz vor
dem Ziel ihn sonst keiner von uns nur eines Blickes würdigen würde.
Eine Rechtskurve jenseits der 41 und durch die Zuschauergassen
schließlich nach links.
Wow! Da ist ja Kilometer 42!
Die letzten 195 m in die Halle hinein, die mit 10.000 Zuschauern gefüllt ist,
sind ein wahrer Genuss für den Marathon Gourmet.
Ich hebe die Arme als dreifacher Frankfurt Marathon Finisher hoch und laufe im
Siebten Himmel schwebend in einer Endzeit von 3:49:18 ins Ziel ein.
Hinter dem Ziel genieße ich erst einmal für 5 Minuten die Stimmung in
dieser Halle bevor ich mir von einem hübschen Mädchen eine hübsche
Medaille umhängen lasse und ich mich auf die üppig zur Verfügung stehende
Verpflegung stürze..
Frankfurt / Brazil ich komme wieder! |