Nun ist es auch für mich an der Zeit mich einzureihen. In
diesem Augenblick läuft mir mein alter Laufmentor
Erwin Bittel über
den Weg, der heute den 4:30 - Zugläufer macht. Erwin läuft als Zugläufer
alles von 3:00 - 5:00 wie ein Schweizer Uhrwerk durch. Er ist aber heute
ganz froh, dass er bei dieser gnadenlos herunterprellenden Sonne keine
3:00 laufen muss.
Da ich es aber heute flotter als 4:30 angehen will, verabschiede ich mich
gleich wieder. |
Erwin Bittel der 4:30 - Zugläufer |
Erwin Bittel der 4:30 - Zugläufer |
Plötzlich hören wir die Sirenen eines Notwagens. Gerade
jetzt musste vorne bei den Skatern ein Unfall passieren und so kommt der
Wagen kaum durch das dicht gedrängte Feld der startenden Läufer. |
Der erste Kilometer |
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Nach so viel Aufregung zum Anfang versuche ich bei der nun
gleich folgenden größten Steigung der ganzen Strecke am Gasseldorfer Berg
erst einmal meinen Laufrhythmus zu finden. Nach den vielen Bergläufen der
letzten Zeit fällt mir das bei diesem "Hügelchen" nicht übermäßig schwer.
Flachlandläufer mögen mir verzeihen ...
Meine ersten Kilometerzeiten sehen für meine
Leistungsklasse recht gut aus und so habe ich Angst, dass ich das ganze zu
schnell angegangen bin, zumal ich heute auf meinen Pulsmesser verzichtet
habe.
Aber mein Puls schnell erst so richtig hoch, als wir an den
farbenprächtig aber recht leicht bekleideten Sambatänzerinnen der
Sambagruppe Mina Sol bei heißen Sambarhythmen vorbeilaufen. |
Sambaband Mina Sol in Streitberg |
Heiße Sambarhythmen heizen uns bei brasilianischen Temperaturen noch
einmal so richtig ein |
Samba beschwingt immer den Marathonläufer und so gehen mir
die folgenden Kilometer leicht von der Hand, oder besser gesagt die Beine
laufen wie geschmiert.
Wieder einmal stellt sich die Frage wie so oft am Anfang eines Marathons:
Kann Marathonlaufen so einfach sein? Leider nicht immer, wie so oft die
noch vor uns liegenden schweren "Dreißiger" zeigen können.
Hinter Streitberg wird die Landschaft immer schöner. So
türmen sich bizarre Felsenformationen links und rechts vor uns auf. Hinter Streitberg
mit seiner Streitburg und Binghöhle haben wir schließlich einen herrlichen Blick auf die
altehrwürdige Burgruine Neideck. Was sich wohl der Burggeist bei dem
heutigen Menschenauflauf im tief gelegenem Tal dabei denken mag?
Als Insider der Fränkischen Schweiz weiß ich, dass es
fernab der Bundesstraße 470 noch Erstaunlicheres zu bestaunen gäbe. Möchte
man dies aber allen Läufern zeigen, müsste man aus einem flachen auf
einer "Läuferautobahn" verlaufenden Marathon einen recht bergigen Marathon
mit Crosscharakter machen. Auch müsste man die Skater von diesen
Extratouren ausschließen.
Wer aber diese Schönheiten doch einmal erleben möchte, der sei beispielsweise
auf die
Team Bittel Winterläufe in der Fränkischen Schweiz verwiesen. |
Felsenkulisse im Hintergrund auf dem Weg nach Muggendorf (Bild von
Frank Ulrich Etzrodt) |
Im Ferienort Muggendorf im Herzen der Fränkischen Schweiz
jubeln uns wieder viele Zuschauer zu. Noch mehr erfreut mich aber heute der
schattige Streckenabschnitt dahinter, auf dem ich gut Tempo machen kann.
Nach 13 Kilometern erreichen wir die Wende bei der
Sachsenmühle, wo uns viele Zuschauer gute Wünsche auf die restlichen 29
Kilometer mitgeben.
Wir haben
nun den höchsten Punkt der Strecke erreicht. Ab nun geht es immer wieder unterbrochen
durch kleinere Gegenanstiege bis nach Forchheim stets leicht bergab. Da
aber nun die Temperatur immer mehr ansteigen wird, wird dieser kleine Vorteil leider
weit mehr
als nur verpuffen. |
KM 14 bereits hinter der Wende bei der Sachsenmühle |
Bewunderungswürdig ist der jonglierende Läufer, der mir
nun entgegenkommt. Hat unsereins schon Mühe den Lauf einfach so zu
bewältigen, müssen uns immer wieder solche Talente vor Augen führen wie
nichtig und armselig unsere eigene Laufkunst ist.
Jedenfalls grinst er so über das ganze Gesicht, dass das
auf mich ansteckend wirkt und so gehen auch mir die nächsten Kilometer
weiterhin leicht von der Hand. |
Ein jonglierender Läufer (Bild von Frank Ulrich Etzrodt) |
Der große Schatten endet etwa bei Kilometer 18. Nun folgt
ein Lauf durch eine sengende Asphaltwüste, während sich links und rechts vor uns
riesige bewaldete Oasen erstrecken, die für uns so nah und doch so fern sind.
Ein Lauf auf Fahrwegen durch bewaldete Abschnitte wäre heute ein Genuss,
aber ein Lauf auf dunklem und schattenlosem Asphalt wird für jene Läufer,
die keine Hitze lieben, zur Qual.
Leider gehöre ich nicht zu dieser Minderheit von Läufern, die bei
wüstenhaften Temperaturen regelrecht aufblühen. Da ich Bewölkung und
Temperaturen von 5 - 10 Grad bei Tempoläufen liebe, kann ich heute
wahrlich nicht von optimalen Bedingungen sprechen. Dennoch bin ich
erstaunt, dass ich die Halbmarathonmarke in einer Zeit knapp unter 1:43
passiere. Leider glüht mein Kopf schon sehr, obwohl ich ihn bei
jeder Gelegenheit mit einem Becher Wasser übergieße. Obwohl die
Hirnfunktionen unter dieser Hitze schon leiden, ist es mir klar, dass so ein Tempo für
mich in der zweiten Hälfte gänzlich ausgeschlossen ist.
Also tritt nun Plan B in Kraft. Ich schalte zwei Gänge runter und nehme
meine Füße vom Gaspedal. Das Lauftempo wird so deutlich
gemütlicher. Das hat zwar zur Konsequenz, dass mich nun einige zuvor
Überholte wieder einholen und auf die Überholspur wechseln. Aber das
lässt mich bei meiner "Abgeklärtheit" in Anbetracht meines 43. Marathons
doch relativ kalt. Diese jungen Wilden! |
Auf dem Rückweg vor Streitberg nahe der Halbmarathonmarke (Bild von
Frank Ulrich Etzrodt) |
Bei der
Halbmarathonmarke erhebt sich links von uns die Ruine Neideck (Bild vom
Jahr 2004) |
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